Beteiligte
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. Juni 1999 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der Rechtsstreit betrifft die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) gemäß § 117 Abs 4 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG).
Der 1948 geborene Kläger war bei der Beigeladenen seit 1973 beschäftigt, zuletzt als Leiter der Ersatzteil- und Serviceabteilung mit einem Bruttoarbeitsentgelt von 7.900,– DM monatlich. Am 28. Mai 1991 meldete er sich arbeitslos und beantragte Alg. In der Arbeitsbescheinigung der Beigeladenen vom 7. Juni 1991 war vermerkt, die Kündigung sei am 28. Mai 1991 zum 31. Mai 1991 wegen eines Verstoßes gegen den Arbeitsvertrag ausgesprochen worden.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger nach einer Sperrzeit von 12 Wochen Alg mit Wirkung ab 24. August 1991 und zahlte bis einschließlich 30. November 1991 insgesamt 9.639,– DM an den Kläger aus. Unmittelbar vor der Bewilligung hatte die Beklagte sowohl den Kläger als auch die Beigeladene jeweils mit Schreiben vom 20. Juni 1991 auf den Anspruchsübergang nach § 115 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Fällen des § 117 AFG hingewiesen.
Gegen die Kündigung vom 28. Mai 1991 sowie eine weitere Kündigung der Beigeladenen vom 4. September 1991 erhob der Kläger jeweils Kündigungsschutzklage zum zuständigen Arbeitsgericht. Nach Abweisung der Klagen in erster Instanz beendeten der Kläger und die Beigeladene den Kündigungsschutzrechtsstreit am 9. August 1994 vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht (LAG) mit einem Vergleich, der ua folgende Bestimmungen enthielt:
- „Die Parteien sind darüber einig, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers durch ordentliche Kündigung der Beklagten mit Ablauf des 30. November 1991 sein Ende gefunden hat.
- Die Parteien sind darüber einig, daß die Fortzahlungsansprüche des Klägers bis zum 30. November 1991 erledigt sind.
- Die Beklagte verpflichtet sich, als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes 40.000,– DM steuerlich günstigst auszuzahlen.
- Damit sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis abgegolten. …”
Entsprechend dem Vergleich zahlte die Beigeladene 40.000,– DM an den Kläger aus.
Mit Schreiben vom 19. September 1994 forderte die Beklagte zunächst von der Beigeladenen ua die Erstattung des an den Kläger gezahlten Alg in Höhe von 9.639,– DM. Dies lehnte die Beigeladene im November 1994 mit der Begründung ab, die Forderung auf Arbeitsentgelt sei nach der Ausschlußklausel des § 27 des Gemeinsamen Manteltarifvertrages für Arbeiter und Angestellte in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen (GMTV) erloschen. Daraufhin nahm die Beklagte den Kläger auf Erstattung des Betrages von 9.639,– DM in Anspruch (Bescheid vom 7. März 1995, Widerspruchsbescheid vom 4. August 1995).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29. Mai 1996). Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und ua vorgetragen, das SG habe verkannt, daß es sich bei der Ausschlußfrist des § 27 GMTV um eine „zweistufige” Verfallfrist handle; der Lauf der zweiten Stufe der Frist habe am 2. Juli 1991 (Zugang eines Schriftsatzes der Beigeladenen im Kündigungsschutzprozeß mit Ablehnung der Ansprüche) begonnen, weshalb die Beigeladene in einem Gütetermin vom 9. Januar 1992 auch auf die Verfristung hingewiesen habe. Die Beklagte hat im übrigen im Berufungsverfahren erklärt, sie genehmige die Auszahlung der Abfindung durch die Beigeladene an den Kläger.
Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG und die Erstattungsbescheide der Beklagten aufgehoben (Urteil vom 18. Juni 1999). Im Tatbestand seines Urteils hat es nach Darstellung des wesentlichen Sachverhalts ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie beigezogener Akten Bezug genommen. In den Entscheidungsgründen hat das LSG ausgeführt: Entgegen der Auffassung des SG bestehe kein Anspruch des Klägers auf Arbeitsentgelt, der gemäß § 115 SGB X auf die Beklagte übergegangen sein und einen Erstattungsanspruch gemäß § 117 Abs 4 Satz 2 AFG begründet haben könnte. Das Arbeitsverhältnis unterfalle den Regelungen des GMTV. Zwar habe der Kläger die Ausschlußfrist nach § 27 Nr 1b GMTV zunächst durch Erhebung der Kündigungsschutzklage gewahrt, nicht jedoch die daran anknüpfende weitere dreimonatige Ausschlußfrist (§ 27 Nr 3 GMTV). Die notwendige Leistungsklage hätten weder der Kläger noch die Beklagte erhoben, weshalb Ansprüche gegen die Beigeladene, so sie jemals bestanden hätten, verfallen seien. Demzufolge könne auch der vor dem LAG geschlossene Vergleich nicht dahin ausgelegt werden, die Vergleichssumme enthalte letztlich das im Zeitraum der Gleichwohl-Gewährung ausgefallene Arbeitsentgelt. Ziffer 2 des Vergleichs enthalte keinen konstitutiven Verzicht auf bestehende Entgeltansprüche, sondern lediglich die deklaratorische Anerkennung der Rechtslage.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte jeweils eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG), des § 117 Abs 1 und 4 AFG, des § 14 Abs 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) und des § 32 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Entgegen der Auffassung des LSG sei die dem Kläger vergleichsweise zugestandene Abfindung als Arbeitsentgelt iS des § 14 SGB IV bzw des § 117 Abs 1 AFG für die Zeit vom 1. Juni bis 30. November 1991 anzusehen. Das Arbeitsverhältnis sei gemäß Ziffer 1 des Vergleichs durch ordentliche Kündigung zum 30. November 1991 beendet worden und die Abfindung habe ihrer Höhe nach entgeltersetzenden Charakter für die Monate, um die das Arbeitsverhältnis gegenüber der ursprünglichen außerordentlichen Kündigung hinausgeschoben worden sei. Es fehle auch ein verständiger Grund, die Entgeltansprüche für die Zeit vom 1. Juni bis 30. November 1991 für erledigt zu erklären bzw auf sie zu verzichten. Der Auffassung des LSG, die Ansprüche seien gemäß § 27 GMTV verfallen gewesen, könne nicht gefolgt werden. Dem LSG sei unter Verstoß gegen § 103 SGG entgangen, daß der Kläger – wie sich aus seinem Sachvortrag im Berufungsverfahren ergebe – die Frist für die gerichtliche Geltendmachung gewahrt habe; er habe nämlich nach Ablehnung sämtlicher Ansprüche durch die Beigeladene (mit einem dem Kläger am 2. Juli 1991 zugegangenen Schriftsatz) rechtzeitig am 20. September 1991 Klage auf Zahlung der Gehälter für Juni bis November 1991 zum Arbeitsgericht (ArbG) erhoben. Soweit der Kläger dennoch im Gütetermin vom 9. Januar 1992 von der weiteren Verfolgung seiner Ansprüche abgesehen haben sollte, sei dies der Beklagten gegenüber, die für die Zeit ab 24. August 1991 in die Rechtsstellung des Klägers eingerückt gewesen sei, unwirksam. Schließlich sei offensichtlich, daß die am Vergleich Beteiligten eine Bewertung der Abfindung als Arbeitsentgelt hätten vermeiden wollen. Der vergleichsweise Verzicht auf Entgeltansprüche verstoße gegen § 32 SGB I.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 18. Juni 1999 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 29. Mai 1996 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend. Soweit Beigeladene und Kläger im Vergleich vor dem LAG die Erledigung der Fortzahlungsansprüche bis zum 30. November 1991 festgestellt hätten, fehle hierfür keineswegs ein vernünftiger Grund. Denn das LSG habe tatsächliche Feststellungen dahingehend getroffen, daß die zum Zeitpunkt des arbeitsgerichtlichen Vergleichsabschlusses eventuell auf Annahmeverzug beruhenden Entgeltansprüche bereits verfallen gewesen seien. Die Beklagte sei auch an ihrer Rechtsauffassung festzuhalten, wonach der Kläger über seine Ansprüche infolge des Forderungsübergangs nicht mehr habe verfügen und also nach der Überleitungsanzeige Arbeitsentgeltansprüche auch nicht gerichtlich habe geltend machen können. Ein Verstoß des LSG gegen § 103 SGG sei nicht ersichtlich.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
II
Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Der vom LSG festgestellte Sachverhalt bietet keine hinreichende Grundlage für eine abschließende Entscheidung darüber, ob der Kläger zur Erstattung des ihm für die Zeit vom 24. August bis 30. November 1991 gewährten Alg in Höhe von 9.639,– DM verpflichtet ist.
Der Erstattungsanspruch der Beklagten hat seine rechtliche Grundlage – wovon das LSG zutreffend ausgegangen ist – in § 117 Abs 4 Satz 2 AFG in der hier maßgeblichen Fassung, die die Vorschrift durch das Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften vom 30. Juni 1989, BGBl I 1297, erhalten hat. Danach hat der Empfänger Alg zu erstatten, wenn der Arbeitgeber an ihn für die Zeit des Alg-Bezuges (ua) Arbeitsentgelt iS von § 117 Abs 1 AFG trotz des in § 117 Abs 4 Satz 1 iVm § 115 Abs 1 SGB X geregelten Anspruchsübergangs mit befreiender Wirkung (nachträglich) gezahlt hat. Im vorliegenden Fall besteht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. November 1991 ein Erstattungsanspruch der Beklagten, wenn in dem von der Beigeladenen an den Kläger mit Genehmigung der Beklagten (vgl BSGE 83, 82, 86 = SozR 3-4100 § 117 Nr 16 mwN) nachträglich gezahlten Betrag von 40.000,– DM ungeachtet der von den Parteien des arbeitsgerichtlichen Vergleichs gewählten Bezeichnung auch Arbeitsentgelt iS des § 117 Abs 1 AFG enthalten war, das dem Kläger für die Zeit des Alg-Bezuges vom 24. August bis 30. November 1991 zugestanden hat. Dagegen wäre der Kläger nicht zur Erstattung gemäß § 117 Abs 4 Satz 2 AFG verpflichtet, wenn die 40.000,– DM als Abfindung iS von § 117 Abs 2 AFG gezahlt worden wären, da sich § 117 Abs 2 AFG auf die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezieht (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 21) und für diese Zeit hier Alg nicht gezahlt worden ist (vgl zur Systematik des § 117 AFG: BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 11 mwN).
Das LSG hat zur Begründung seiner Auffassung, die Vergleichssumme von 40.000,– DM enthalte kein ausstehendes Arbeitsentgelt, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Bestimmungen des GMTV zum Erlöschen von Ansprüchen herangezogen. Nach § 27 Nr 1b GMTV sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis grundsätzlich innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit geltend zu machen; lehnt die Gegenseite die Erfüllung eines rechtzeitig geltend gemachte Anspruchs ab, ist dieser innerhalb von drei Monaten seit der Ablehnung gerichtlich geltend zu machen (§ 27 Nr 3 GMTV). Das LSG hat bei seiner Auslegung des arbeitsgerichtlichen Vergleichs darauf abgestellt, die Frist gemäß § 27 Nr 3 GMTV sei nicht gewahrt; Kläger und Beigeladene seien deshalb davon ausgegangen, die Entgeltansprüche des Klägers seien verfallen gewesen. In der im Vergleich erwähnten Erledigung der „Fortzahlungsansprüche” sei lediglich die deklaratorische Anerkennung der Rechtslage zu sehen. Dem vermag der Senat unter Berücksichtigung aller vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht zu folgen.
Allerdings ist der Senat gemäß § 163 SGG in der Frage der Auslegung eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs grundsätzlich an die vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen – auch hinsichtlich des Wortlauts und des Inhalts abgegebener Erklärungen einschließlich des Willens der Erklärenden – gebunden, sofern nicht in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind. Ob letzteres der Fall ist – die Beklagte hat in ihrer Revisionsbegründung eine Verletzung des § 103 SGG gerügt – kann jedoch dahinstehen. Denn eine Bindung gemäß § 163 SGG setzt voraus, daß tatsächliche Feststellungen eindeutig getroffen worden sind, so daß sich auf sie eine abschließende Entscheidung stützen läßt (BSG SozR Nr 6 zu § 163 SGG; SozR 2200 § 165 Nr 98; BSGE 68, 217, 222 = SozR 3-2200 § 776 Nr 1). Das Revisionsgericht ist indes weder an unklare noch an widersprüchliche Tatsachenfeststellungen gebunden (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 139 und § 1265 Nr 89; BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 21). Die Auslegung des Vergleichs durch das LSG beruht aber auf widersprüchlichen Tatsachenfeststellungen.
Das LSG hat zwar in den Entscheidungsgründen seines Urteils ausgeführt, weder der Kläger noch (nach Anspruchsübergang) die Beklagte hätten die gemäß § 27 Nr 3 GMTV notwendige Leistungsklage erhoben. Im Widerspruch dazu hat das LSG aber im Tatbestand des Urteils ausdrücklich den Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren zum Beginn der Ausschlußfrist in ihrer zweiten Stufe am 2. Juli 1991 sowie zur Frage der Verfristung der Ansprüche in einem „Gütetermin vom 9. Januar 1992” vor dem ArbG erwähnt. Wie sich aus dem weiteren Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren – ersichtlich aus den LSG-Akten, auf deren Inhalt das LSG im Tatbestand des Urteils ergänzend Bezug genommen hat – ergibt, bezog sich der Termin am 9. Januar 1992 auf das Verfahren, in dem der Kläger nach seinen Angaben mit einer am 20. September 1991 beim ArbG eingereichten Klage die „Zahlung der Gehälter für Juni bis Ende November 1991” geltend gemacht hat (Schriftsatz vom 6. August 1996 sowie die aus den Akten ersichtliche Kopie des gerichtlichen Protokolls vom 9. Januar 1992). Da tatsächliche Feststellungen sowohl in den Entscheidungsgründen als auch im Tatbestand eines Urteils enthalten sein können und dabei klar zu erkennen sein muß, ob es sich um eine tatsächliche Feststellung oder nur um ein Vorbringen der Beteiligten handelt (BSG SozR Nr 6 zu § 163 SGG), das LSG in den Entscheidungsgründen des Urteils jedoch nicht etwa ausgeführt hat, der Vortrag des Klägers hinsichtlich der Klageerhebung vom September 1991 oder die übrigen aus den Akten ersichtlichen Angaben zum Verfahren vor dem ArbG seien unzutreffend, ergibt sich aus dem Zusammenhang aller tatsächlichen Ausführungen des LSG-Urteils keine klare Feststellung, wonach der Senat bindend davon auszugehen hätte, der Kläger habe seine Entgeltansprüche nicht gerichtlich geltend gemacht.
Hätte aber der Kläger im September 1991 eine Zahlungsklage gegen die Beigeladene erhoben, so wäre – jedenfalls ohne Kenntnis der Einzelumstände, die den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen sind – nicht nachvollziehbar, inwiefern die Arbeitsentgeltansprüche nach den Regelungen des § 27 GMTV erloschen sein sollten. Denn das LSG hat selbst auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hingewiesen, wonach bei einer zweistufigen tariflichen Ausschlußfrist wie der des § 27 GMTV zunächst die Erhebung der Kündigungsschutzklage zur Wahrung der Frist ausreicht und erst nach einer Ablehnungserklärung – die vorliegend nach dem im LSG-Urteil wiedergegebenen Vortrag des Klägers diesem am 2. Juli 1991 zugegangen ist – die weitere Frist von drei Monaten (§ 27 Nr 3 GMTV) zu laufen beginnt (BAGE 46, 359, 361 f = AP Nr 86 zu § 4 Tarifvertragsgesetz ≪TVG≫ Ausschlußfristen; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 9. Aufl, § 205 RdNr 34 mwN). Eine Klageerhebung im September 1991 hätte also – den Zugang der Ablehnungserklärung am 2. Juli 1991 unterstellt – die tarifliche Ausschlußfrist gewahrt.
Dem kann auch nicht – wie in der Revisionserwiderung – entgegengehalten werden, der Kläger sei im September 1991 infolge des Anspruchsübergangs auf die Beklagte nicht mehr zur Klageerhebung befugt gewesen. Richtig ist zwar, daß der Sozialleistungsempfänger mit dem Anspruchsübergang gemäß § 115 SGB X grundsätzlich die Dispositionsbefugnis über den Anspruch verliert und auch nicht verpflichtet sein dürfte, von sich aus alles für die Sicherung übergegangener Ansprüche zu tun (vgl BSGE 51, 82, 84 = SozR 2200 § 189 Nr 2). Dies bedeutet jedoch nicht, daß der Kläger auch die prozessuale Verfügungsbefugnis verloren hätte (vgl BAG AP Nr 52 zu § 4 TVG Ausschlußfristen). Ein Tätigwerden zugunsten des Sozialleistungsträgers ist trotz Verlustes der Dispositionsbefugnis nicht ausgeschlossen (vgl BSGE 83, 82, 85 = SozR 3-4100 § 117 Nr 16; Kater in Kasseler Komm, Stand 1998, § 115 SGB X RdNr 51). Zu beachten ist auch, daß der Kläger im September 1991 jedenfalls berechtigt war, die auf die Zeit vor Beginn der Alg-Zahlungen (24. August 1991) entfallenden Entgeltansprüche geltend zu machen und bezüglich später fälliger Ansprüche mit Einziehungsermächtigung der Beklagten vorzugehen (BSGE 64, 199, 201 = SozR 4100 § 117 Nr 23). Eine vom Kläger im September 1991 uneingeschränkt erhobene Klage auf Zahlung von Arbeitsentgelt für die Zeit ab Juni 1991 hätte somit die tarifliche Ausschlußfrist gewahrt.
Ob die Engeltansprüche des Klägers für die Zeit ab 24. August 1991 nach den tariflichen Bestimmungen erloschen waren oder nicht, ist entscheidungserheblich. Waren nämlich die Ansprüche des Klägers entgegen der Annahme des LSG zur Zeit des Vergleichsabschlusses nicht verfallen, kann auf ein für das LSG bei der Auslegung des Vergleichs entscheidendes Argument nicht mehr zurückgegriffen werden, so daß die Auslegung insgesamt zweifelhaft ist (vgl zur Auslegung eines Vergleichs unter Berücksichtigung aller auch außerhalb der wörtlichen Erklärungen liegenden tatsächlichen Umstände: BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 11; BSGE 75, 92, 95 = SozR 3-4100 § 141b Nr 10). Hätten die Arbeitsvertragsparteien aber ungeachtet des Bestehens von Arbeitsentgeltansprüchen deren „Erledigung” vereinbart, wäre zu beachten, daß der Kläger nach Sinn und Zweck des § 115 SGB X nicht wirksam zu Lasten der Beklagten auf übergangene Ansprüche verzichten konnte (BAG ZIP 1981, 1364; Kater aaO § 115 SGB X RdNr 51 mwN).
Ist es dagegen zutreffend, daß die Entgeltansprüche bereits vor Abschluß des Vergleichs verfristet waren, ist die Auslegung des Vergleichs durch das LSG nicht zu beanstanden. Da dann die zwischen Kläger und Beigeladener vereinbarte Zahlung zeitlich nicht dem Arbeitsverhältnis zuzuordnen wäre, könnte die Revision auch nicht mit ihrem Hinweis auf § 32 SGB I durchdringen (vgl BSGE 66, 219 = SozR 3-2400 § 14 Nr 2; BSGE 83, 266, 269 = SozR 3-2400 § 14 Nr 17).
Der Rechtsstreit ist somit gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, da ohne eindeutige tatsächliche Feststellungen zum Verfall von Arbeitsentgeltansprüchen für die Zeit vom 24. August bis 30. November 1991 nicht abschließend über die Voraussetzungen des § 117 Abs 4 Satz 2 AFG entschieden werden kann. Das LSG wird diese Feststellungen zu treffen und auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 519197 |
NZA-RR 2001, 441 |