Entscheidungsstichwort (Thema)

Ortskrankenkasse, Innungskrankenkasse. Krankenkasse, Zuständigkeit. Mitgliedschaft. Versicherungspflicht. handwerklicher Nebenbetrieb. Mischbetrieb. Handwerksrolle. Eintragung. Tatbestandswirkung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Tatbestandswirkung der Eintragung eines Handwerksbetriebes nur als Nebenbetrieb in die Handwerksrolle erstreckt sich darauf, daß der Nebenbetrieb sowohl unselbständiger als auch untergeordneter Betriebsteil des Hauptbetriebes ist.

 

Normenkette

SGB V §§ 173, 175; HwO §§ 2-3, 7

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 02.04.1992; Aktenzeichen L 16 Kr 57/90)

SG Gelsenkirchen (Urteil vom 05.04.1990; Aktenzeichen S 17 Kr 13/90)

 

Tenor

Die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. April 1992 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die versicherungspflichtigen Arbeitnehmer einer von der Beigeladenen zu 1), der E.… H.… GmbH & Co KG, betriebenen Kfz-Reparaturwerkstatt Mitglieder der klagenden Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) oder der beklagten Innungskrankenkasse (IKK) sind.

Die Beigeladene zu 1) betreibt einen Kfz-Handel mit Neu- und Gebrauchtwagen, einen Ersatzteil- und Zubehörhandel, eine vollautomatische Waschanlage sowie eine Werkstatt für Kfz-Mechanik, Kfz-Elektrik und Kfz-Karosseriereparatur. Mit der Kfz-Reparaturwerkstatt ist sie unter gleichzeitiger Begründung einer Mitgliedschaft in einer Trägerinnung der beklagten IKK als handwerklicher Nebenbetrieb gem § 7 Abs 5 der Handwerksordnung (HwO) in die Handwerksrolle eingetragen. Die Beigeladenen zu 2) bis 5) sind im Werkstattbereich der Beigeladenen zu 1 ) versicherungspflichtig beschäftigt.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage auf Feststellung, daß die im Werkstattbereich der Beigeladenen zu 1) beschäftigten Arbeitnehmer bei der klagenden AOK versichert sind, mit Urteil vom 5. April 1990 abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 2. April 1992 das Urteil des SG abgeändert und festgestellt, daß die Klägerin die für die Durchführung der Krankenversicherung der Beigeladenen zu 2) bis 5) zuständige Krankenkasse ist. Die Kfz-Reparaturwerkstatt sei kein von dem nicht handwerklichen Autohandel der Beigeladenen zu 1 ) abgrenzbarer, organisatorisch selbständiger Betrieb. Dies sei jedoch notwendige Voraussetzung für die Begründung einer Mitgliedschaft bei der beklagten IKK. Es sei nicht der Auffassung des SG zu folgen, wonach die Eintragung mit einem handwerklichen Nebenbetrieb auch die von der Tatbestandswirkung miterfaßte Feststellung enthalte, daß es sich bei dem eingetragenen Betrieb um einen selbständigen Betrieb und nicht nur um einen unselbständigen Betriebsteil handele. Für die Abgrenzung von Nebenbetrieb und Hilfsbetrieb sei das wesentliche Unterscheidungsmerkmal nicht die mehr oder weniger ausgeprägte organisatorische Eigenständigkeit, sondern der unmittelbare Leistungsaustausch mit Dritten. Die Kfz-Reparaturwerkstatt sei bei Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten nur als unselbständiger Betriebsteil im Rahmen des einheitlichen Gesamtbetriebes der Beigeladenen zu 1 ) anzusehen.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1). Sie rügen die Verletzung des § 175 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V). Das LSG habe die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) in SozR Nr 12 zu § 250 Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht konsequent beachtet und eine Tatbestandswirkung der Eintragung als Nebenbetrieb in die Handwerksrolle iS eines selbständigen Betriebes zu Unrecht verneint. Jedenfalls habe das LSG die Prüfung der Selbständigkeit des Nebenbetriebes anhand der Merkmale durchführen müssen, wie sie für die Selbständigkeit von Betrieben bei der Errichtung und Erweiterung von Betriebskrankenkassen (BKK) ebenfalls verwandt würden; die Selbständigkeitskriterien aus dem Recht der BKKen müßten unter Berücksichtigung der Besonderheiten und Unterschiede auf das Recht der IKKen übertragen werden. Die in dem angefochtenen Urteil zu Lasten der Revisionskläger gesehene Verflechtung zwischen dem Nebenbetrieb und dem Hauptbetrieb sei handwerksrechtlich geradezu Voraussetzung für einen Nebenbetrieb. Das Handwerksrecht stelle an den Nebenbetrieb bestimmte Anforderungen. Der Nebenbetrieb erbringe seine Leistungen nicht wie ein Hilfsbetrieb ausschließlich im Verhältnis zum Hauptbetrieb, sondern auch unmittelbar gegenüber Dritten. Er zeichne sich durch eine gewisse funktionelle Selbständigkeit aus. Der Betriebsleiter müsse im handwerksrechtlichen Sinne dieselben Einflußmöglichkeiten und Befugnisse haben wie der Inhaber eines handwerklichen Betriebes. Es bestehe dann kein Anlaß, den Handwerksbetrieb iS des § 175 Abs 1 SGB V anders zu definieren als im Handwerksrecht.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 1 ) beantragen sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. April 1992 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 5. April 1990 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revisionen zurückzuweisen.

Sie entnimmt dem Urteil des BSG in SozR Nr 12 zu § 250 RVO den Grundsatz, daß die Eintragung als Nebenbetrieb niemals die Mitgliedschaft der darin Beschäftigten zur IKK begründen könne. Hierfür spreche auch die Ausdrucksweise des SGB V. In § 175 SGB V werde der in § 3 HwO genannte “handwerkliche Nebenbetrieb” nicht erwähnt. Der Nebenbetrieb sei dem § 3 HwO zuzuordnen, nicht aber dem § 1 Abs 2 HwO.

Die Beigeladenen zu 2) bis 5) haben sich nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) sind nicht begründet.

Umstritten ist, nachdem Klägerin, Beklagte und Beigeladene zu 1) den Rechtsstreit übereinstimmend auf den Zeitraum ab 1. Januar 1989 beschränkt haben, nur noch die Feststellung, ob die Beigeladenen zu 2) bis 5) für die Zeit ab 1. Januar 1989 Mitglieder der Klägerin oder der Beklagten sind. Zu Recht hat das LSG das klagabweisende Urteil des SG aufgehoben und die Feststellung getroffen, daß zuständige Krankenkasse für die Beigeladenen zu 2) bis 5) die Klägerin ist. Dieses ergibt sich aus § 173 Satz 1 SGB V. Eine Zuständigkeit der beklagten IKK besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 175 Abs 1 SGB V, die ihre Zuständigkeit allein begründen könnten, sind nicht erfüllt. Die Beigeladenen zu 2) bis 5) sind nicht im Sinne dieser Vorschrift in einem Handwerksbetrieb eines Mitglieds einer Handwerksinnung beschäftigt, für die eine IKK besteht. Die Beigeladene zu 1) ist wegen der von ihr betriebenen Kfz-Werkstatt nur mit einem Nebenbetrieb nach § 7 Abs 5 HwO in die Handwerksrolle eingetragen und nur als solche Mitglied einer Trägerinnung der Beklagten. Aufgrund dieser Eintragung steht fest, daß der Nebenbetrieb ein unselbständiger Betriebsteil des von der Beigeladenen zu 1) geführten Betriebes insgesamt ist und innerhalb dieses Betriebes im Verhältnis zu den anderen Betriebsteilen untergeordnet ist. Damit ist die Zuständigkeit der Beklagten auch für die in dem handwerklichen Nebenbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer wie die Beigeladenen zu 2) und 5) ausgeschlossen.

Diese Bedeutung einer Eintragung als Nebenbetrieb in die Handwerksrolle ergibt sich in Fortführung der Rechtsprechung des BSG, die der Eintragung eines Betriebes in die Handwerksrolle schon bisher wesentliche Bedeutung für die Abgrenzung der Zuständigkeit von IKK und AOK beigemessen hat (vgl insbesondere BSG SozR 2200 § 250 Nrn 12 und 13). Die Eintragung eines Betriebes als Handwerksbetrieb ist Voraussetzung dafür, daß überhaupt eine Zuständigkeit der IKK für die im Betrieb Beschäftigten begründet sein kann. Sie hat Tatbestandswirkung insofern, als mit der Eintragung feststeht, daß es sich bei dem eingetragenen Betrieb um einen Handwerksbetrieb handelt. Immer dann, wenn in dem Betrieb tatsächlich das Gewerbe ausgeübt wird, für das die Eintragung in die Handwerksrolle besteht, können sich die Versicherungsträger nicht mit Erfolg darauf berufen, daß in dem eingetragenen Betrieb kein Handwerk betrieben werde. Rechtlich folgt daraus, daß für einen solchen Handwerksbetrieb die Zuständigkeit der IKK für die im Betrieb beschäftigten versicherungspflichtigen Arbeitnehmer begründet ist, wenn er einer Trägerinnung angehört. Nur dann, wenn die Eintragung erkennbar nichtig ist, besteht die dargestellte Tatbestandswirkung nicht. Diese zu § 250 RVO ergangene Rechtsprechung gilt auch zu § 175 SGB V, weil sich insofern die Voraussetzungen für die Zuständigkeit der IKK mit dem Inkrafttreten des SGB V am 1. Januar 1989 nicht geändert haben. Es ist gerechtfertigt, der Eintragung in die Handwerksrolle für die Bestimmung der zuständigen Krankenkasse diese Bedeutung beizumessen, weil der Handwerkskammer die Aufgabe übertragen ist, darüber zu entscheiden, ob ein Handwerksbetrieb iS der Handwerksordnung gegeben ist.

In der Rechtsprechung ist andererseits seit jeher auch anerkannt worden, daß in einem Betrieb als wirtschaftlicher und organisatorischer Einheit neben dem Gewerbe, mit dem ein Betrieb in die Handwerksrolle eingetragen ist, auch andere Gewerbe ausgeübt werden können. Ein einheitlicher Betrieb (Mischbetrieb) mit mehreren gewerblichen Betätigungen ist gegeben, wenn die einzelnen gewerblichen Betätigungen nicht organisatorisch selbständig sind (vgl BSG SozR 2200 § 250 Nr 11). Soweit nach den §§ 173 und 175 SGB V die Zuständigkeit der AOK oder IKK in Betracht kommt, ist für die in einem solchen Mischbetrieb beschäftigten versicherungspflichtigen Arbeitnehmer entweder nur die AOK oder nur die IKK zuständig. Konkret richtet sich die Zuständigkeit danach, ob der in die Handwerksrolle eingetragene und die Mitgliedschaft zur Handwerksinnung vermittelnde handwerkliche Betriebsteil oder die übrigen gewerblichen Betätigungen überwiegen. Weder für die Frage, ob ein solcher Mischbetrieb vorliegt, noch für die Frage, ob der handwerkliche Betriebsteil oder die übrigen Betriebsteile den Mischbetrieb prägen, hat die Eintragung eines Handwerksbetriebs in die Handwerksrolle Tatbestandswirkung (BSG SozR 2200 aaO Nr 12).

Diese Rechtsprechung, die für die Entscheidung der Frage, ob ein Handwerksbetrieb ein selbständiger Betrieb oder der unselbständige Teil eines Mischbetriebes ist, auf die tatsächlichen Verhältnisse abstellt, ist zu Sachverhalten ergangen, in denen die Betriebe nicht als Nebenbetriebe nach § 7 Abs 5 HwO eingetragen waren. Für ein Unternehmen, das nach dieser Vorschrift mit einem Nebenbetrieb eingetragen ist, hat das BSG bereits ausdrücklich entschieden, allein mit der Tatsache der Eintragung nur eines Nebenbetriebes stehe verbindlich fest, daß der Nebenbetrieb untergeordnet und der Gesamtbetrieb nicht Mitglied der Innung geworden sei; eine Zuständigkeit der IKK bestehe dann auch für die im Nebenbetrieb Beschäftigten nicht (SozR Nr 12 zu § 250 RVO). Es kann offenbleiben, ob schon mit dieser Entscheidung eine Tatbestandswirkung der Eintragung als Nebenbetrieb auch insoweit angenommen wurde, als mit ihr zugleich feststeht, daß der Hauptbetrieb zusammen mit dem Nebenbetrieb einen Mischbetrieb iS der Rechtsprechung des BSG bildet, oder ob nur entschieden werden sollte, daß jedenfalls die Eintragung des Nebenbetriebes die Zugehörigkeit der Beschäftigten eines nach den tatsächlichen Gegebenheiten bestehenden Mischbetriebes zur IKK nicht begründen könne. Für die erste Annahme spricht, daß das BSG in seiner Entscheidung nicht geprüft hat, ob die sachlichen Voraussetzungen für die Annahme eines Mischbetriebes iS der Rechtsprechung (SozR 2200 § 250 Nrn 12 und 13) vorliegen. Andererseits waren die tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme eines Mischbetriebes vom LSG geprüft und bejaht worden, ohne daß dies erkennbar mit der Revision angegriffen worden war (vgl insoweit die nur in USK 7310 abgedruckten Gründe des Urteils SozR Nr 12 zu § 250 RVO). Auch hat das BSG später in der Eintragung als Nebenbetrieb anscheinend nur ein Indiz dafür gesehen, daß dieser Betriebsteil nicht der überwiegende sei, wenn ein Mischbetrieb vorliege (BSG SozR 2200 § 250 Nr 1). Eine erneute Prüfung anhand des vorliegenden Verfahrens hat indes ergeben, daß der Eintragung eines Nebenbetriebes in die Handwerksrolle Tatbestandswirkung in zweifacher Hinsicht zukommt. Mit der Eintragung steht auch für die Versicherungsträger fest, daß der eingetragene Nebenbetrieb nur unselbständiger Betriebsteil eines größeren Betriebes ist, der zusammen mit den anderen Betriebsteilen einen Mischbetrieb iS der oben genannten Rechtsprechung bildet, und daß der Nebenbetrieb im Rahmen des Mischbetriebes untergeordnet ist. Dies folgt aus der erwähnten ständigen Rechtsprechung des BSG, die die vorrangige Zuständigkeit der Handwerkskammer bei der Beurteilung handwerksrechtlicher Fragen iS der Tatbestandswirkung respektiert, sowie unter Berücksichtigung der handwerksrechtlichen Vorschriften über die Zulässigkeit der Eintragung eines Nebenbetriebes.

Nicht zu folgen ist demgegenüber der Auffassung, daß handwerksrechtlich die Abgrenzung zwischen einem Nebenbetrieb (§ 2 Nr 3 HwO) und einem Hilfsbetrieb (§ 3 Abs 1 und 3 HwO) nach der wirtschaftlichen Selbständigkeit des Nebenbetriebes bzw der wirtschaftlichen Unselbständigkeit des Hilfsbetriebes vorgenommen werde und deshalb ein Nebenbetrieb auch versicherungsrechtlich als selbständiger Betrieb gelten müsse. Die Abgrenzung von Nebenbetrieb und Hilfsbetrieb erfolgt in den handwerksrechtlichen Vorschriften nicht nach der mehr oder weniger großen Selbständigkeit dieser Betriebsteile jeweils innerhalb des ganzen Betriebes (“Unternehmen” oder “Hauptbetrieb” im Sprachgebrauch der HwO). Entscheidend ist vielmehr, welche Aufgaben der handwerkliche Betriebsteil in dem Unternehmen erfüllt. Nach der Bestimmung in § 3 Abs 3 HwO sind Hilfsbetriebe unselbständige, der wirtschaftlichen Zweckbestimmung des Hauptbetriebes dienende Handwerksbetriebe, wenn sie entweder Arbeiten für den Hauptbetrieb oder für andere dem Inhaber des Hauptbetriebes gehörende Betriebe ausführen oder Leistungen an Dritte bewirken, die unentgeltlich oder nur bezogen auf Produkte des Hauptbetriebes erbracht werden (vgl im einzelnen § 3 Abs 3 Nr 2 HwO). Für die Annahme eines Hilfsbetriebes ist danach zwar notwendige Voraussetzung, daß dieser handwerkliche Betriebsteil unselbständig ist. Dies ist aber nicht hinreichend, um die mit der Annahme eines Hilfsbetriebes verbundene Ausnahme von den Vorschriften der HwO zu begründen. Die Abgrenzung des Hilfsbetriebes vom Nebenbetrieb erfolgt vielmehr danach, in welchem Umfang der handwerkliche Betriebsteil im Geschäftsverkehr zu Dritten steht. Nur wenn die Erzeugnisse des handwerklichen Betriebsteils überhaupt im unmittelbaren Geschäftsverkehr zu Dritten abgesetzt werden und dieser Geschäftsverkehr die in § 3 Abs 3 Nr 2 HwO aufgeführten Grenzen überschreitet, ist ein unselbständiger Betriebsteil kein Hilfsbetrieb.

Umgekehrt ergibt sich aus den handwerksrechtlichen Vorschriften über den Nebenbetrieb, daß auch er nur eingetragen werden kann, wenn er im Verhältnis zu dem notwendigerweise vorhandenen Hauptbetrieb unselbständig, dh mit diesem so eng verbunden ist, daß beide Betriebsteile einen Mischbetrieb iS der Rechtsprechung des BSG bilden. Nach § 2 Nr 3 HwO gelten die Vorschriften dieses Gesetzes auch für handwerkliche Nebenbetriebe, die mit einem Unternehmen des Handwerks, der Industrie, des Handels, der Landwirtschaft oder sonstiger Wirtschaftsund Berufszweige verbunden sind. Die Verbundenheit des Nebenbetriebes mit einem anderen Betrieb ist ein Merkmal, das einen handwerklichen Nebenbetrieb von einem unabhängigen Betrieb unterscheidet (vgl Siegert/Musielak, Das Recht des Handwerks, Stand Juli 1983, § 3 Nr 3). Verbunden in diesem Sinne ist der Nebenbetrieb mit einem Hauptbetrieb, wenn eine wirtschaftliche und organisatorische Verknüpfung sowie eine fachliche Verbundenheit besteht (vgl zB aus der Rechtsprechung: BVerwGE 17, 227, 228; aus der Literatur: Baudisch, Gewerbearchiv 1965, S 217 ff; Schwappach/Klinger, Gewerbearchiv 1987, 73 ff). Die wirtschaftliche Verbundenheit liegt darin, daß der Nebenbetrieb den unternehmerischen Zwecken des Hauptunternehmens dient und seine Erzeugnisse und Leistungen dazu beitragen, die Wirtschaftlichkeit und den Gewinn des Hauptbetriebes zu steigern (BVerwGE 67, 273, 278). Der organisatorische Zusammenhang äußert sich darin, daß der innere Geschäftsbetrieb der Unternehmen aufeinander abgestimmt ist und gemeinsame innerbetriebliche Einrichtungen bestehen (vgl Siegert/Musielak, aaO, § 3 Anm 3). Diese Verbundenheit zwischen Haupt- und Nebenbetrieb ist einem (einheitlichen) Betrieb vergleichbar, wie ihn das BSG früher bei der Anwendung der §§ 245, 250 RVO umschrieben hat. Es versteht unter einem Betrieb die auf Erreichung eines arbeitstechnischen Zwecks gerichtete organisatorische Zusammenfassung personeller, sächlicher und anderer Arbeitsmittel zu einer selbständigen Einheit (vgl BSGE 59, 87, 89 = SozR 2200 § 245 Nr 4; BSGE 68, 54, 57 = SozR 3-2500 § 147 Nr 1). Dem entspricht es, wenn in der Rechtsprechung zu § 2 Nr 3 HwO die wirtschaftliche, fachliche und organisatorische Einheit des Betriebes insgesamt betont wird (vgl BVerwG Buchholz, 451.45 § 13 HwO Nr 1) oder der Nebenbetrieb als Betriebsteil bezeichnet wird (BVerwGE 59, 5, 6). Die für die Verbundenheit iS des § 2 Nr 3 HwO genannten Merkmale sind dabei qualifizierter als die in der Rechtsprechung des BSG geforderten Voraussetzungen für den Mischbetrieb, weil nicht nur eine organisatorische Verbundenheit, sondern auch eine wirtschaftliche Verknüpfung und fachliche Verbundenheit verlangt wird. Die Revisionen weisen selbst darauf hin, daß diese in der Rechtsprechung und Literatur (vgl dazu Baudisch, Gewerbearchiv 1965, 217 ff; Schwappach/Klinge Gewerbearchiv 1987, 73 ff) geforderten tatsächlichen Merkmale für die Verbundenheit iS des § 2 Nr 3 HwO bei Beachtung der vom LSG für den Mischbetrieb geforderten Merkmale stets zugleich die versicherungsrechtliche Unselbständigkeit des handwerklichen Nebenbetriebes ergeben. Nicht zu folgen ist den Revisionen jedoch in ihrer Ansicht, deshalb seien vom LSG die Begriffe des Mischbetriebes bzw des selbständigen Betriebes iS der Rechtsprechung des BSG zu den §§ 245 und 250 RVO bzw iS von § 175 SGB V verkannt worden. Sie sind in ihren Voraussetzungen vom LSG vielmehr zutreffend dargestellt worden. Dabei ist nicht zu verkennen, daß nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung von einem Nebenbetrieb iS der HwO nur gesprochen werden kann, wenn dieser eine gewisse Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb hat (vgl zB BVerwG Buchholz 451.45 § 1 HwO Nr 23, aaO, § 2 HwO Nr 7 und BVerwGE 67, 273, 278). Aus den Entscheidungen ergibt sich aber, daß damit hier nicht gemeint ist, es müsse sich um unterschiedliche Betriebe iS des genannten Betriebsbegriffs handeln. Die Selbständigkeit bezieht sich vielmehr darauf, daß die fachlichen Leistungen in Haupt- und Nebenbetrieb unterschiedlich sind und von daher eine gewisse Eigenständigkeit zwischen Haupt- und Nebenbetrieb bestehen muß. Eine Selbständigkeit in diesem Sinne wird regelmäßig bestehen, wenn mit dem Hauptbetrieb ein Handelsgewerbe betrieben wird und der Nebenbetrieb ein handwerklicher Betriebsteil ist. Eine so verstandene Selbständigkeit rechtfertigt aber nicht die Annahme, deshalb seien auch zwei selbständige Betriebe vorhanden. Das BSG hat zB einen einzigen (Misch-) Betrieb sogar angenommen, wenn dieser aus einem Handelsbetriebsteil einerseits und einem Vollhandwerksbetriebsteil andererseits bestand (vgl SozR 2200 § 250 Nr 11).

Die vorliegende Entscheidung steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung zum Begriff des Betriebs bzw des unselbständigen Betriebsteils im industriellen Bereich bei BKKen. Insbesondere wird nicht von den Grundsätzen abgewichen, die das BSG hierzu aufgestellt hat (BSGE 68, 54 = SozR 3-2500 § 147 Nr 1). Es besteht vielmehr mit den Grundsätzen dieser Entscheidung Übereinstimmung. Das BSG hat dort ausdrücklich die Möglichkeit bejaht, daß die Filiale eines Automobilunternehmens, in der sowohl Kfz-Handel als auch Kfz-Reparatur betrieben wird, insgesamt ein unselbständiger Betriebsteil des Gesamtunternehmens sein kann. Wenn aber sogar eine Niederlassung, in der mehrere Gewerbe betrieben werden und die mehr als zweihundert Beschäftigte hat, ein unselbständiger Betriebsteil des räumlich weit entfernt liegenden Hauptunternehmens sein kann, so steht das jedenfalls der Annahme eines Mischbetriebes immer dann nicht entgegen, wenn ein handwerklicher Nebenbetrieb eingetragen ist.

Mit der Eintragung als Nebenbetrieb steht aber nicht nur fest, daß es sich um einen Mischbetrieb handelt, für den nur eine der streitenden Krankenkassen zuständig sein kann. Es steht vielmehr auch fest, daß der Nebenbetrieb der untergeordnete Betriebsteil ist. Die Unterordnung im Verhältnis zum Hauptbetrieb ist Voraussetzung für die Eintragung eines Nebenbetriebes (vgl BVerwG, Buchholz 451.45 § 13 HwO Nr 1). An der bisherigen Rechtsprechung, nach der schon wegen der Eintragung eines Nebenbetriebes feststeht, daß dieser im Gesamtbetrieb untergeordnet ist (SozR Nr 12 zu § 250 RVO), ist deshalb festzuhalten.

Vorsorglich weist der Senat darauf hin, daß aus dieser Entscheidung nicht der Schluß gezogen werden kann, die Eintragung eines Handwerksbetriebes als “Betrieb” beinhalte bei einem Mischbetrieb stets die Feststellung, daß das Handwerk der übergeordnete Betriebsteil sei. Nur für die Eintragung als Nebenbetrieb ist Voraussetzung, daß der handwerkliche Betriebsteil von untergeordneter Bedeutung ist. Es besteht hingegen keine handwerksrechtliche Vorschrift, die der Eintragung eines Betriebsteils als Handwerskbetrieb entgegensteht, wenn im Gesamtbetrieb auch andere Gewerbe das Übergewicht haben.

Anhaltspunkte dafür, daß im vorliegenden Verfahren die Tatbestandswirkung der Eintragung eines Betriebes als Nebenbetrieb unbeachtlich sein könnte, sind nicht gegeben. Die Eintragung als Nebenbetrieb ist nicht erkennbar nichtig. Nach den vom LSG getroffenen Feststellungen liegt die handwerksrechtlich erforderliche Verbundenheit zwischen den Betriebsteilen vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI921707

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