Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundgedanke der Sperrzeitregelung
Leitsatz (amtlich)
Lehnt der Arbeitslose eine ihm angebotene Arbeitsstelle ab, tritt eine Sperrzeit nicht ein, wenn der Arbeitslose zum gleichen Zeitpunkt, zu dem er die von ihm abgelehnte Stelle hätte antreten können, eine andere Arbeit annimmt, die er voraussichtlich nicht für eine kürzere Zeit als die abgelehnte Arbeit ausüben kann.
Orientierungssatz
1. Die Sperrzeit beruht auf dem Grundgedanken, daß sich eine Versichertengemeinschaft gegen Risikofälle wehren muß, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithilft (vgl BSG vom 1978-10-10 7 RAr 55/77 = SozR 4100 § 119 Nr 5).
Sinn der Sperrzeitregelung ist es, die Versichertengemeinschaft von einem Teil der Aufwendungen und damit von einem Teil des Risikos der Arbeitslosigkeit zu entlasten, die der Arbeitslose der Gemeinschaft durch sein Verhalten verursacht hat.
2. Ein Urteil, das eine gegen einen Bescheid (hier: Eintritt einer Sperrzeit) gerichteten Anfechtungsklage stattgibt, stellt den Bewilligungsbescheid auf Arbeitslosengeld in vollem Umfang wieder her; ein solches Urteil hat ferner zur Folge, daß die BA den angefochtenen Verwaltungsakt bei gleicher Sachlage nicht wiederholen darf (vgl BSG 1958-10-21 6 RKa 9/58). Eine Leistungsklage ist dann unzulässig. Ihr fehlt das Rechtsschutzbedürfnis.
Normenkette
AFG § 119 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Fassung: 1969-06-25; SGG § 54 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, Abs. 5 Fassung: 1953-09-03
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 09.11.1978; Aktenzeichen L 9 Al 197/77) |
SG München (Entscheidung vom 05.07.1977; Aktenzeichen S 34 Al 72/77) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 9.November 1978 aufgehoben, soweit das Landessozialgericht die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 5. Juli 1977 auch hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten, der Klägerin für die Zeit vom 3. bis 30. November 1976 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren, zurückgewiesen hat; insoweit wird das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und die Klage als unzulässig abgewiesen.
Die weitergehende Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin wehrt sich gegen den Eintritt einer Sperrzeit und gegen die Rückforderung von Arbeitslosengeld (Alg).
Die Beklagte bewilligte der Klägerin durch Bescheid vom 20. September 1976 ab 1. September 1976 Alg. Am 20. Oktober 1976 wies die Beklagte der Klägerin schriftlich eine Stelle als Stenotypistin in P nach. Die Klägerin, die die Arbeit am 1. Dezember 1976 hätte aufnehmen können, lehnte den Abschluß eines Arbeitsvertrages ab und nahm statt dessen einige Zeit später zum 1. Dezember 1976 eine Stelle als Stenotypistin in T an, die sie sich selbst gesucht hatte. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15. Dezember 1976 stellte die Beklagte den Eintritt einer vierwöchigen Sperrzeit vom 3. bis 30. November 1976 fest, weil die Klägerin trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die ihr angebotene Stelle nicht angenommen habe. Gleichzeitig hob die Beklagte die Bewilligung des Alg ab 5. November 1976 auf, da die Klägerin der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung gestanden habe, und forderte das für die Zeit vom 3. bis 10. November 1976 gezahlte Alg in Höhe von 232,40 DM zurück.
Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 1976). Auf ihre Klage hat das Sozialgericht München (SG) mit Urteil vom 5. Juli 1977 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 3. bis 30. November 1976 Alg in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 9. November 1978 zurückgewiesen. Zur Begründung seines Urteils hat das LSG ausgeführt, die Beklagte wende sich gegen das Urteil des SG nur, soweit dieses den Eintritt der Sperrzeit und die Rückforderung aufgehoben und die Beklagte zur Gewährung von Alg auch für die Zeit vom 3. bis 30. November 1976 verurteilt habe. Die Voraussetzungen für eine Sperrzeit nach § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) seien nicht gegeben. Der Beklagten sei zwar einzuräumen, daß die Klägerin durch die Ablehnung der Stelle in P an sich am 2. November 1976 einen Sperrzeittatbestand erfüllt habe, da ihr für die Ablehnung kein wichtiger Grund zur Seite gestanden habe. Die Stelle habe ihrer beruflichen Qualifikation entsprochen und sei mit tarifgemäßer Entlohnung verbunden gewesen; zumutbar seien auch die Urlaubsregelung und der Arbeitsort gewesen. Die angeblich bevorstehende Kurzarbeit habe die Klägerin nicht zur Ablehnung berechtigt; ihre Stelle sei nämlich hiervon nicht betroffen gewesen. Ob die Klägerin die Stelle in P habe ablehnen dürfen, weil sie Aussicht auf die Stelle in T gehabt habe, sei aus tatsächlichen Gründen zweifelhaft; die Klägerin habe sich nämlich erst am 6. November 1976, mithin nach Ablehnung der Stelle in P, um die Stelle in T beworben. Doch bedürfe diese Frage keiner Klärung. Denn der Sperrzeittatbestand des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG sei schon deshalb nicht erfüllt, weil das Verhalten der Klägerin zu keinen nachteiligen Folgen hinsichtlich der Fortdauer ihrer Arbeitslosigkeit geführt habe. Nach Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung müsse auch für § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG gelten, daß der Sperrzeittatbestand für das Eintreten oder den Fortbestand der Arbeitslosigkeit ursächlich gewesen sein müsse. Da die Arbeitslosigkeit der Klägerin zu demselben Zeitpunkt beendet worden sei, zu dem dies bei Annahme der von der Beklagten angebotenen Stelle möglich gewesen wäre, sei der Versichertengemeinschaft ein Schaden nicht erwachsen. Das SG habe daher zu Recht die Feststellung der Sperrzeit und die Rückforderung des gezahlten Alg aufgehoben und gemäß § 130 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Beklagte auch zutreffend verurteilt, der Klägerin dem Grunde nach Alg in der gesetzlichen Höhe zu gewähren.
Die Beklagte macht mit der vom LSG zugelassenen Revision eine Verletzung des § 119 AFG geltend. Sie trägt vor, das Eintreten einer Sperrzeit nach § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG setze nicht voraus, daß es infolge der Arbeitsablehnung zu einer Verkürzung der Arbeitslosigkeit komme. Die Sperrzeitenregelung beruhe auf dem Grundsatz, daß sich eine Versichertengemeinschaft gegen Risikofälle wehren müsse, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten habe oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithelfe. Die Regelung habe zwar weder Strafcharakter noch einen erzieherischen Zweck, dennoch könne man ihr den Charakter einer Sanktion nicht absprechen. In den Fällen des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und Nr 4 AFG diene die Sperrzeit dazu, sich in begrenztem, pauschaliertem Umfang nachträglich für die vermeidbare Inanspruchnahme schadlos zu halten. In den Fällen des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und Nr 3 AFG solle die Sperrzeit zur Abkürzung der Inanspruchnahme der Versichertengemeinschaft beitragen. Der Arbeitslose solle präventiv angehalten werden, die ihm angebotene Gelegenheit zur Beendigung seiner Arbeitslosigkeit zu nutzen. Die Sperrzeitdrohung betone die Verbindlichkeit sachgemäßer Arbeitsangebote. Bereits der fördernde Beitrag des Arbeitslosen durch Annahme eines sachgemäßen Arbeitsangebots mindere das Risiko der Versichertengemeinschaft, daß der Arbeitssuchende arbeitslos bleibe. Die Klägerin habe durch ihre Arbeitsablehnung das Risiko erhöht, weil sie im Zeitpunkt der Ablehnung eine Einstellungszusage des anderen Arbeitgebers nicht gehabt habe und nicht auszuschließen sei, daß die ihr vom Arbeitsamt angebotene Stelle wegen anderweitiger Besetzung ihr ein weiteres Mal nicht hätte angeboten werden können. Dementsprechend beginne die Sperrzeit mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründe (§ 119 Abs 1 Satz 2 AFG), dh nach dem ablehnenden Verhalten des Arbeitslosen. Auch die Regelung, daß eine an sich in die erste Sperrzeit fallende zweite Sperrzeit erst nach Ablauf der ersten Sperrzeit einsetze (§ 119 Abs 1 Satz 2 AFG), zeige, daß Kausalität keine Rolle spiele; denn nach den Grundsätzen der überholenden Kausalität müßte die zweite Sperrzeit die erste verdrängen. Ein solches Verständnis erlaube auch eine zeitnahe Entscheidung über den Eintritt der Sperrzeit, ohne daß die künftige, manipulierbare Entwicklung abgewartet werden müsse. Im Gesetzgebungsverfahren zum 5. AFG-Änderungsgesetz sei im übrigen eine Klarstellung des Inhalts, daß eine Kausalität im Sinne eines Nachweises der Nichteinstellung des Arbeitslosen aufgrund seines Verhaltens nicht gefordert werde, als entbehrlich angesehen worden, weil ein hypothetischer Nachweis nach dem Gesetz nicht erforderlich sei (BT-Drucks 8/2914 S 41).
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil und das Urteil des Sozialgerichts München vom 5. Juli 1977 aufzuheben und die Klage hinsichtlich des Eintritts einer Sperrzeit vom 3. bis 30. November 1976 und der Rückforderung von Arbeitslosengeld in Höhe von 232,40 DM abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Klägerin beruft sich auf die angefochtenen Urteile und macht ferner geltend, so wichtig die Vermittlungstätigkeit der Beklagten sei, dürfe die Eigeninitiative des Arbeitslosen nicht unbeachtet bleiben. Dem Arbeitgeber, der eine Dauerarbeitskraft suche, sei nicht damit gedient, daß der Arbeitslose, dem dieser Arbeitsplatz nicht zusage, erst einmal die Arbeit annehme, um sich später einen anderen Arbeitsplatz zu suchen. Auch dürfe die Verhängung der Sperrzeit nicht davon abhängig gemacht werden, ob der Arbeitssuchende die ihm vom Arbeitsamt angebotene Stelle abgelehnt habe, bevor er die Zusage des anderen Arbeitgebers habe, ihn einzustellen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im wesentlichen unbegründet.
Allerdings können die Urteile der Vorinstanzen, soweit sie die Beklagte dem Grunde nach verurteilt haben, der Klägerin für die Zeit vom 3. bis 30. November 1976 Alg in gesetzlicher Höhe zu gewähren, nicht aufrecht erhalten bleiben. Damit überschreitet der Senat nicht die Grenzen, die ihm durch den Revisionsantrag gezogen worden sind. Die Beklagte hat zwar mit der Revision nicht ausdrücklich beantragt, auch die vom SG ausgesprochene Verurteilung zur Gewährung von Alg dem Grunde nach aufzuheben. An die Fassung des Antrags ist der Senat jedoch nicht gebunden (§ 123, 153 Abs 1, 165 SGG). Die Revision erstrebt die Bestätigung des Eintritts der Sperrzeit. Die Sperrzeit hat das Ruhen des Anspruchs auf Alg zur Folge. Dementsprechend will die Revision auch die Rückforderung des für die Zeit vom 3. bis 10. November 1976 gezahlten Alg bestätigt wissen. Mit diesem Revisionsziel läßt sich die vom SG ausgesprochene Verurteilung der Beklagten, der Klägerin für die Zeit vom 3. bis 30. November 1976 Alg dem Grunde nach in gesetzlicher Höhe zu gewähren, die das LSG, das die Beklagte auch nur wegen der Sperrzeit und ihrer Folgen angerufen hatte, ausdrücklich bestätigt hat, nicht vereinbaren. Die Revision betrifft daher auch diese Verurteilung. Sie läßt sich nicht aufrecht erhalten; insoweit erweist sich die Klage nämlich als unzulässig.
Bei einer zulässigen Revision ist vor der sachlich-rechtlichen Würdigung von Amts wegen zu prüfen, ob ein in der Revisionsinstanz fortwirkender Verstoß gegen verfahrensrechtliche Grundsätze vorliegt. Dabei sind insbesondere solche Mängel zu berücksichtigen, die sich aus dem Fehlen unverzichtbarer Prozeßvoraussetzungen ergeben, und zwar auch schon Mängel des Klageverfahrens (BSGE 2, 225, 226 f; 10, 218, 219). Ein solcher Mangel liegt hier vor. Die von der Klägerin erhobene Leistungsklage ist unzulässig. Ihr fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Der Klägerin ist durch Bescheid vom 20. September 1976 für 312 Wochentage Alg ab 1. September 1976 bewilligt worden. Diese Bewilligung schränkt der Bescheid vom 15. Dezember 1976 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 1976 ein. Ein Urteil, das der gegen die genannten Bescheide gerichteten Anfechtungsklage stattgibt, stellt die durch den Bescheid vom 20. September 1976 ausgesprochene Bewilligung in vollem Umfang wieder her; ein solches Urteil hat ferner zur Folge, daß die Beklagte den angefochtenen Verwaltungsakt bei gleicher Sachlage nicht wiederholen darf (vgl BSGE 8, 185, 189 f; Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 141 RdNr 10). Die Klägerin erreicht ihr Prozeßziel mithin schon durch die begehrte Anfechtung der Bescheide vom 15. und 21. Dezember 1976. Ihr weitergehender Antrag ist nicht erforderlich (vgl Meyer-Ladewig, aaO, § 54 RdNr 40); für diesen Antrag fehlt ihr das Rechtsschutzbedürfnis.
Im übrigen erweist sich die Revision jedoch als unbegründet. Zutreffend sind die Vorinstanzen zu dem Ergebnis gelangt, daß die angefochtenen Bescheide hinsichtlich der Sperrzeit und der Rückforderung rechtswidrig sind und die Anfechtungsklage insoweit daher Erfolg haben mußte.
Nach § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 des AFG vom 25. Juni 1969 (BGBl I S. 582), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes vom 18. Dezember 1975 (BGBl I S. 3113), tritt eine Sperrzeit ein, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine vom Arbeitsamt angebotene Arbeit nicht aufgenommen oder nicht angetreten hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Ob die Klägerin einen wichtigen Grund hatte, die ihr angebotene Stelle abzulehnen, bedarf keiner Prüfung. Denn mit Recht haben die Vorinstanzen aus dem Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung angenommen, daß im Falle des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG eine Sperrzeit nicht eintritt, wenn das vom Gesetz mißbilligte Verhalten des Arbeitslosen sich auf das Fortbestehen der Arbeitslosigkeit nachweislich nicht ausgewirkt hat.
Die Sperrzeit beruht auf dem Grundgedanken, daß sich eine Versichertengemeinschaft gegen Risikofälle wehren muß, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithilft (Hennig/Kühl/Heuer, Kommentar zum AFG, 17. Lieferung 1979, § 119 Anm 1; BSGE 47, 101, 104 = SozR 4100 § 119 Nr 5). Die Sperrzeit soll die Gemeinschaft der Beitragszahler davor schützen, daß Anspruchsberechtigte das Risiko der Arbeitslosigkeit manipulieren, indem sie dem Arbeitslosen einen Teil der Aufwendungen aufbürdet, die er der Versichertengemeinschaft durch sein Verhalten verursacht (Gagel AuB 1978, 257, 258; BSG aaO; ferner BSG SozR AVAVG § 80 Nr 2, 3, 5). Das Institut der Sperrzeit, das der Sache nach seit der Einführung der Arbeitslosenversicherung im Jahre 1928 gesetzlich geregelt ist, hat versicherungsrechtlichen Ursprung (BSG SozR AVAVG § 144 Nr 3). Die Sperrzeit, die nach den Vorschriften des AFG kraft Gesetzes eintritt und nicht durch eine Ermessensentscheidung verhängt wird, ist daher keine Strafe. Allerdings ist nicht zu verkennen, daß die drohende Sperrzeit den Arbeitslosen wirksam anhalten soll, durch Annahme und Antritt einer ihm zumutbaren Arbeit oder der Teilnahme an Bildungs- und Rehabilitationsmaßnahmen seine Arbeitslosigkeit zu beenden; auch die eingetretene Sperrzeit übt auf den Arbeitslosen Druck aus, da er sich deren Folgen teilweise dadurch entziehen kann, daß er nunmehr ein Arbeitsangebot annimmt.
Entsprechend dem Sinn der Sperrzeitregelung, die Versichertengemeinschaft von einem Teil der Aufwendungen und damit von einem Teil des Risikos der Arbeitslosigkeit zu entlasten, die der Arbeitslose der Gemeinschaft durch sein Verhalten verursacht hat, unterscheiden sich die Sperrzeittatbestände lediglich danach, ob der Arbeitslose die Arbeitslosigkeit herbeigeführt (§ 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und Nr 4 AFG) oder ob der Arbeitslose die Beendigung der Arbeitslosigkeit verhindert hat (§ 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und Nr 3 AFG). Tritt der Arbeitslose eine ihm angebotene, zumutbare Arbeitsstelle nicht an, ist offenbar, daß sein Verhalten die Arbeitslosigkeit verlängert. Auch soweit das Gesetz in den Fällen des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und Nr 3 AFG schon die Ablehnung einer erst künftig aufzunehmenden Arbeit oder die Weigerung, an einer erst künftig beginnenden Maßnahme teilzunehmen, als das Ereignis bezeichnet, das die Sperrzeit begründet, hat es den Grundsatz, daß die nachteiligen Folgen der Sperrzeit und deshalb auch die Sperrzeit nur eintreten sollen, wenn der Arbeitslose die Dauer der Arbeitslosigkeit verlängert hat, nicht verlassen. Im Falle der Ablehnung einer erst künftig aufzunehmenden Arbeit unterstellt das Gesetz lediglich, der Anbieter des Arbeitsplatzes hätte den Arbeitslosen, wenn dieser die Arbeit nicht abgelehnt hätte, angenommen; in dieser Beziehung ist in der Tat der "hypothetische" Nachweis, der in Einzelfällen sonst schwierig sein könnte, daß der Arbeitgeber den Arbeitslosen ohne dessen ablehnendes Verhalten eingestellt hätte, nicht erforderlich (vgl BT-Drucks 8/2914 S. 41; aA Gagel AuB 1978, 257, 258). In diesen Fällen geht das Gesetz ferner davon aus, daß die Arbeitslosigkeit auch nicht durch eine anderweitige Arbeitsaufnahme bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die angebotene Arbeit oder Maßnahme hätte beginnen sollen, beendet worden wäre. Dieses zweite Glied der kausalen Verknüpfung zwischen dem Verhalten des Arbeitslosen und der Verlängerung der Arbeitslosigkeit, das in der Regel vorzuliegen pflegt, wirft in der Praxis keine schwierigen Fragen auf; denn ob es vorliegt, richtet sich allein danach, ob der Arbeitslose zu der Zeit, zu der er die Arbeit bzw die Maßnahme hätte beginnen können, noch arbeitslos ist.
Der dargestellte allgemeine Grundgedanke der Sperrzeitregelung verbietet es, den Sperrzeittatbestand des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG auch dann als erfüllt anzusehen, wenn der Arbeitslose eine ihm vom Arbeitsamt angebotene Arbeit ablehnt, die Dauer seiner Arbeitslosigkeit hierdurch aber offensichtlich nicht verlängert wird, weil er spätestens zum gleichen Zeitpunkt, zu dem er die von ihm abgelehnte Arbeit hätte beginnen können, eine andere Arbeit annimmt, die der Arbeitslose voraussichtlich nicht für eine kürzere Zeit als die abgelehnte Arbeit ausüben kann. Denn in einem solchen Fall hat der Arbeitslose die Beendigung seiner Arbeitslosigkeit weder vereitelt noch das Risiko, wieder arbeitslos zu werden, erhöht. Daß die Klägerin, wie die Revision meint, durch die Ablehnung der Stelle das Risiko der Beklagten erhöht hat, vermag der Senat nicht zu erkennen; der Revision ist lediglich einzuräumen, daß die Ablehnung der Arbeit durch die Klägerin das Risiko ihrer Arbeitslosigkeit über den 30. November 1976 hinaus aufrecht erhielt, bis die Klägerin die andere Stelle gefunden hatte. Dieses Aufrechterhalten des Risikos der Arbeitslosigkeit rechtfertigt es zwar, jeden Fehlschlag der weiteren Arbeitssuche oder weiterer Vermittlungsangebote des Arbeitsamtes der Klägerin anzulasten; ist aber die drohende, dem Arbeitslosen anzulastende Verlängerung der Arbeitslosigkeit nachweisbar abgewendet worden, wirkt eine dennoch eintretende Sperrzeit wie eine Strafe für ein der Arbeitsverwaltung nicht genehmes Verhalten des Arbeitslosen, deren Sinn weder dem Betroffenen noch allein dem Bürger verständlich gemacht werden kann. Daß die Arbeitsverwaltung sich vergeblich um die Vermittlung bemüht hat, rechtfertigt die Sperrzeit nicht; auch während einer Sperrzeit bzw nach deren Feststellung verbleibt der Arbeitslose in der Vermittlung. Andere Zwecke, die das Gesetz mit dem Sperrzeittatbestand des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG verfolgt, stehen dem nicht entgegen. Druck, sich verstärkt um die Beendigung seiner Arbeitslosigkeit zu bemühen, bewirkt der Sperrzeittatbestand im besonderen Maße, wenn der Arbeitslose durch Aufnahme einer Arbeit vor oder zu dem Zeitpunkt, zu dem er die abgelehnte Arbeit hätte aufnehmen können, den Eintritt der Sperrzeit zu verhindern vermag. Die Sperrzeitdrohung betont auch bei der vom Senat vorgenommenen Auslegung die grundsätzliche Verbindlichkeit sachgemäßer Arbeitsangebote.
Die Vorschrift, daß die Sperrzeit mit dem Tage nach dem Ereignis beginnt, das die Sperrzeit begründet (§ 119 Abs 1 Satz 2 AFG), steht dem nicht entgegen. Sie besagt nur, wann die vom Arbeitslosen nach dem Gesetz ausgelöste kalendermäßig ablaufende Frist beginnt. Ebenso ergibt sich aus der Vorschrift, daß die Sperrzeit, wenn der Tag nach dem die Sperrzeit begründenden Ereignis in eine schon laufende Sperrzeit fällt, erst mit dem Ende der laufenden Sperrzeit beginnt (§ 119 Abs 1 Satz 2 AFG), nicht, daß das AFG allgemein oder in diesem Fall auf jegliche ursächliche Verknüpfung des Verhaltens des Arbeitslosen mit der Dauer der Arbeitslosigkeit verzichtet. Diese Bestimmung soll nämlich lediglich verhindern, daß der Arbeitslose während des Laufs einer Sperrzeit Arbeitsangebote sanktionslos ablehnen kann. Im übrigen verlängert auch die Arbeitsablehnung während einer Sperrzeit die bestehende Arbeitslosigkeit. Ob, wie Gagel meint (AuB 1978, 257, 258), dem Arbeitslosen durch die Sperrzeit keine größere Belastung auferlegt werden soll, als sie der Versichertengemeinschaft entstanden ist, so daß für die in den Lauf einer Sperrzeit fallende erneute Erfüllung des Sperrzeittatbestandes darüber hinaus zu fordern wäre, daß der Arbeitslose durch sein Verhalten auch die nach Ablauf der ersten Sperrzeit noch andauernde Arbeitslosigkeit verursacht haben müßte, bedarf hier keiner Entscheidung.
Auch die Gesetzesmaterialien zum AFG ergeben nicht, daß in den Fällen des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG eine Sperrzeit auch dann eintreten sollte, wenn sich trotz Ablehnung einer dem Arbeitslosen vom Arbeitsamt angebotenen Arbeit die Arbeitslosigkeit nachweisbar nicht verlängert hat. Die Regierungsvorlage führt zu den Fällen des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und Nr 3 AFG lediglich aus, an sich müsse die Gemeinschaft der Beitragszahler von der Pflicht zu weiteren Leistungen befreit sein, wenn der Arbeitslose unberechtigt die Beendigung der Arbeitslosigkeit vereitele (vgl BT-Drucks V/2291 S. 83); der Vorwurf, die Beendigung der Arbeitslosigkeit vereitelt zu haben, ist aber im Ergebnis unberechtigt, wenn der Arbeitslose sich selbst eine Arbeit sucht, die er zum gleichen Zeitpunkt antritt, zu der er die abgelehnte Stelle hätte antreten können. Die Materialien zum 5. Änderungsgesetz zum AFG sprechen nicht gegen, sondern für die hier vertretene Ansicht. Der Ausschuß des Deutschen Bundestages für Arbeit und Sozialordnung hat sich bei der Beratung des Änderungsgesetzes ausweislich seines Berichts (BT-Drucks 8/2914 S. 41) nur mit einem Teilaspekt des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Ablehnung eines Arbeitsangebots und der Verlängerung der Arbeitslosigkeit befaßt. Der von der Ausschußmehrheit abgelehnte Antrag der CDU/CSU-Fraktion, einen weiteren Sperrzeittatbestand zu schaffen, bezweckte lediglich die Klarstellung, daß eine "Kausalität im Sinne eines Nachweises der Nichteinstellung" nicht zu verlangen sei. Beratungsgegenstand war mithin nur das Erfordernis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Verhalten des Arbeitslosen und der Nichteinstellung, zudem noch beschränkt auf die Frage des (hypothetischen) Nachweises im Einzelfall. Die Begründung für die Ablehnung dieses Antrages, das schon nach geltendem Recht der "hypothetische" Nachweis nicht erforderlich sei, bezieht sich daher nur auf das erste Glied der ursächlichen Verknüpfung zwischen dem Verhalten des Arbeitslosen und der Dauer seiner Arbeitslosigkeit, nicht dagegen auf das zweite Glied der Ursachenkette, um das es im Falle der Klägerin geht.
Praktische Schwierigkeiten ergeben sich aus der dargestellten Rechtslage für die Arbeitsverwaltung nicht. Denn der Sperrzeittatbestand des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG ist nur dann als nicht erfüllt anzusehen, wenn das Verhalten des Arbeitslosen offensichtlich nicht zu einer Verlängerung der Arbeitslosigkeit geführt hat. Hätte der Arbeitslose, wie im Falle der Klägerin, die angebotene Stelle innerhalb eines Monats antreten können, mag die Arbeitsverwaltung mit der Feststellung der Sperrzeit zuwarten. Erscheint dies jedoch nicht tunlich, kann sie den Eintritt der Sperrzeit mit der Zusage feststellen, diese Entscheidung aufzuheben, sofern der Arbeitslose bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er die angebotene Stelle hätte antreten können, einen Arbeitsplatz gefunden hat. Veranlaßt eine solche Entscheidung den Arbeitslosen zu besonderen Bemühungen um Arbeit, erhält die Sperrzeit über die bloße Leistungsverweigerung hinaus einen weiteren sachgerechten Sinn.
Haben die Vorinstanzen demnach zu Recht entschieden, daß die Sperrzeit nicht eingetreten ist, ruhte das der Klägerin bewilligte Alg in der Zeit vom 3. bis 30. November 1976 nicht, so daß auch die Rückforderung sich als rechtswidrig erweist. Auch die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen sind nicht zu beanstanden, da die Beklagte der Sache nach im vollen Umfang unterliegt. Die weitergehende Revision ist daher unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen