Beteiligte
Klägerin und Revisionsbeklagte |
Beklagter und Revisionskläger |
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob das beklagte Landesversicherungsamt verpflichtet ist, einen Satzungsnachtrag der klagenden Innungskrankenkasse (IKK) zu genehmigen.
Die beigeladene Gastgewerbe-Innung (Beigeladene zu 2) ) - ursprünglich eine öffentlich-rechtliche Körperschaft - erhielt mit Wirkung vom 1. Oktober 1960 die Rechtsstellung eines rechtsfähigen Vereins. Ihre IKK, die sie zunächst weiterführte, wurde am 1. Juni 1974 mit der Klägerin vereinigt.
Nach der kommunalen Neugliederung im Kölner Raum ab 1. Januar 1975 erweiterte die Beigeladene zu 2) mit Genehmigung des Regierungspräsidenten in Köln ihren Zuständigkeitsbereich über die Stadt Köln hinaus auf den gesamten Erftkreis. Die Klägerin beschloß daraufhin am 17. November 1977 einen XIV. Nachtrag zu ihrer Satzung vom 23. Januar 1975, mit dem sie ihren Kassenbereich dem jetzigen Bezirk der Beigeladenen zu 2) anpaßte. Der Beklagte versagte mit Bescheid vom 23. September 1980 die Genehmigung dieser Satzungsänderung.
Das Sozialgericht (SG) Köln hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 6. Februar 1984). Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen die erstinstanzliche Entscheidung geändert, den Bescheid vom 23. September 1980 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, den Satzungsnachtrag der Klägerin zu genehmigen. In den Entscheidungsgründen wird dazu u.a. ausgeführt: Im Gesetz sei nicht geregelt, ob die Klägerin ihren Kassenbereich an den erst nach dem 30. September 1960 erweiterten Bereich einer unter Art V des Vierten Änderungsgesetzes zur Gewerbeordnung (4. GewOÄndG) vom 5. Februar 1960 (BGBl. I 61) fallenden Innung anpassen dürfe. Insoweit bestehe eine Regelungslücke. Da die Beigeladene zu 2) gewerberechtlich verpflichtet gewesen sei, ihren Innungsbereich an die durch die kommunale Neugliederung entstandenen neuen Grenzen anzupassen, müsse auch die Klägerin ihren Kassenbereich entsprechend erweitern, da es andernfalls an der vom Gesetz stets verlangten Übereinstimmung der Zuständigkeitsbereiche fehlen würde. Die Gesetzeslücke müsse nach den Wertungen ausgefüllt werden, die sich bei vergleichbarer Sachgestaltung aus dem Gesetz entnehmen ließen. Einen ähnlichen Fall regele § 250 Abs. 1a Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Danach könne, wenn eine Innung ihren Zuständigkeitsbereich örtlich oder sachlich erweitere, auch die IKK ihren Bezirk entsprechend ausdehnen. Voraussetzung sei, daß der Gesellenausschuß der Innung zustimme. Der entsprechenden Anwendung des § 250 Abs. 1a Satz 2 i.V.m. Satz 1 RVO stehe nicht entgegen, daß die Beigeladene zu 2) keinen Gesellenausschuß habe und auch nicht haben könne, weil sie keine Handwerksinnung sei. Das wäre eine rein formale Betrachtungsweise, die dem zu regelnden Sachverhalt nicht gerecht würde. Bei der rechtsähnlichen Anwendung des § 250 Abs. 1a RVO dürfe nicht der Sachverhalt zugrunde gelegt werden, den der Gesetzgeber unmittelbar geregelt habe, vielmehr müsse lediglich gefragt werden, was der Gesetzgeber getan hätte, wenn ihm die Lücke bewußt gewesen wäre. Hätte er anstelle des Gesellenausschusses auf die Mehrheit der abstimmenden beteiligten volljährigen Arbeitnehmer abgestellt, so wäre dieses Erfordernis durch die am 13. April 1981 von der Innungsversammlung beschlossene und in die Satzung aufgenommene Bildung eines Arbeitnehmer-Ausschusses und dessen Beschluß vom 28. Juli 1981 erfüllt. Die Arbeitnehmerseite wäre damit auf andere Weise beteiligt worden. Hätte der Gesetzgeber sich dahin entschieden, daß wegen des Fehlens von Gesellen und des übergangsrechtlichen Ausnahmetatbestandes keinerlei Zustimmung erforderlich sei, dann würde es sich bei dem Beschluß vom 28. Juli 1981 um einen überflüssigen Vorgang handeln. Die von dem Beklagten erwähnte Entscheidung des früheren Reichsversicherungsamtes (RVA) vom 9. Februar 1929 (Die Arbeiterversorgung 1927, S. 377, 379) rechtfertige die Versagung der Genehmigung nicht. Die genannte Entscheidung des RVA habe eine besondere Ortskrankenkasse betroffen.
Im übrigen werde der Bestand und die Leistungsfähigkeit der beigeladenen Allgemeinen Ortskrankenkasse -AOK- (Beigeladene zu 1) ) durch die Anpassung des Bereichs der Klägerin an den Bezirk der Beigeladenen zu 2) nicht gefährdet. Dafür ergebe sich aus den Akten kein Anhalt. Die Beigeladene zu 1) habe hierzu auch selbst nichts vorgetragen.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Beklagte eine Verletzung der allgemeinen Rechtsgrundsätze über die analoge Anwendung von Gesetzen sowie eine Verletzung des § 250 Abs. 1a RVO, des Art V des 4. GewOÄndG und des Art 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG). Zur Begründung führt er u.a. aus: Die vom LSG unterstellte Grundlage für die Notwendigkeit eines Analogieschlusses liege nicht vor. Es bestehe auch keine Gesetzeslücke i.S. einer planwidrigen Unvollständigkeit. Zwar fehle eine positive gesetzliche Grundlage dafür, den Bezirk der IKK auf den erweiterten Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 2) zu erweitern. Es ergebe sich aber weder im Zusammenhang mit der kommunalen Neugliederung noch aus allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Organisationsprinzipien ein gesetzgeberischer Plan, auch für nichthandwerkliche IKKen Erstreckungsverfahren zuzulassen. Wenn das LSG schon von einem unfreiwillig eingetretenen Nichtübereinstimmungs-Tatbestand ausgehe und eben deshalb ein Erstreckungsverfahren zugunsten der Kasse erlauben wolle, hätte es gerade nicht § 250 Abs. 1a RVO analog anwenden dürfen. Denn in dieser Vorschrift seien spezifisch die organisationsrechtlichen Veränderungen im Falle autonom herbeigeführter Nichtübereinstimmungs-Tatbestände verankert, während die heteronom - also etwa durch staatliche Gesetze bewirkten - Nichtübereinstimmungs-Fälle speziell von § 33 Abs. 2 des Gesetzes über die Selbstverwaltung auf dem Gebiet der Sozialversicherung (Selbstverwaltungs-Gesetz -SVwG-) i.d.F. vom 23. August 1967 (BGBl. I 918) erfaßt würden. Als analogiefähige Vorschrift hätte also bestenfalls § 33 dieses Gesetzes in Betracht kommen können. Danach wäre jedoch ein gänzlich anderes Verfahren durchzuführen gewesen. Da hier keine heteronom, sondern eindeutig autonom, d.h. vom Trägerverein selbst aus freien Stücken, herbeigeführte Nichtübereinstimmung zwischen Kassenbereich und Innungsbereich vorliege, müsse das Errichtungsverbot des Art V Abs. 2 des 4. GewOÄndG eingreifen. Im übrigen habe es im Plan des Gesetzgebers gelegen, Ausdehnungen von Kassen nach der Art der Klägerin auszuschließen. Dies ergebe sich bereits aus der Entstehungsgeschichte des § 250 Abs. 1a RVO. Die angefochtene Entscheidung stehe auch nicht mit Art V Abs. 2 des 4. GewOÄndG im Einklang. Die gesetzliche Regelung bringe positiv zum Ausdruck, daß lediglich eine Erhaltung, indessen keine körperschaftsrechtliche Ausdehnung der Gewerbe-IKK erlaubt sei. Schließlich könne nicht im Wege der Analogie eine Ermächtigungsgrundlage für Organisationsänderungen zu Lasten einer einzelnen Kassenart (z.B. der AOKen) neu geschaffen werden. Insoweit seien stets sozial- und rechtspolitische Grundsatzfragen zu entscheiden, die nur der Gesetzgeber lösen könne. Das Sozialverwaltungsrecht stehe in ganz besonderem Maße unter dem rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt. Die vom LSG vorgenommene analoge Anwendung des § 250 Abs. 1a RVO verstoße daher auch gegen Art 20 Abs. 3 GG.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. August 1987 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 6. Februar 1984 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und macht geltend, es lägen entgegen der Auffassung des Beklagten die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 250 Abs. 1a RVO vor. Der Innungsbereich habe sich - für die Beigeladene zu 2) unfreiwillig - aufgrund der kommunalen Neugliederung erweitert. Damit sei es zu einer Nichtübereinstimmung von Innungsbezirk und Kassenbezirk gekommen. Sie, die Klägerin, habe deshalb ihren Zuständigkeitsbereich geändert. Voraussetzung für die Analogie sei nicht, daß der Sachverhalt in allen Punkten dem Tatbestand des § 250 Abs. 1a RVO entspreche, sondern daß es sich bei dem gesetzlich nicht geregelten Fall um einen ähnlichen Sachverhalt handele.
Die Beigeladene zu 1) schließt sich dem Antrag des Beklagten an.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Das LSG hat das beklagte Landesversicherungsamt zu Recht verurteilt, den XIV. Nachtrag zur Satzung der Klägerin zu genehmigen.
Maßgebend ist bei einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) bzw. einer auf Erteilung einer Genehmigung gerichteten Aufsichtsklage (§ 54 Abs. 3 SGG; vgl. dazu BSGE 29, 21, 23f.) an sich das zum Zeitpunkt der Revisionsentscheidung geltende Recht. Voraussetzung ist dabei jedoch, daß - soweit sich die anzuwendenden Normen inzwischen geändert haben - das neue Gesetz nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis erfassen will (BSGE 43, 1, 5). Die Vorschriften der RVO über die Errichtung von Betriebs- und Innungskrankenkassen (§§ 245ff. RVO) sind zwar am 1. Januar 1989 durch die Vorschriften der §§ 147ff. des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB V) ersetzt worden (Art 5 Nr. 2 und Art 79 des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen - Gesundheits-Reformgesetz - GRG - vom 20. Dezember 1988, BGBl. I 2477). Da das GRG zur Anwendung des neuen Rechts auf das Verfahren zur Erweiterung einer IKK, deren Rechtmäßigkeit noch in einem Gerichtsverfahren geprüft wird, keine besonderen Bestimmungen enthält (vgl. dazu die Überleitungs- und Schlußvorschriften der Art 56 bis 79 GRG), ist die Verpflichtung des Beklagten zur Genehmigungserteilung nicht nach neuem Recht, sondern nach den im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz - also am 26. August 1987 - geltenden Bestimmungen der RVO zu beurteilen.
Nach § 324 Abs. 1 Satz 1 RVO war für die Änderung der Satzung einer Krankenkasse die Genehmigung des Landesversicherungsamtes erforderlich. Sie durfte nur dann versagt werden, wenn die Satzung den gesetzlichen Vorschriften nicht genügte (§ 324 Abs. 2 RVO). Es handelte sich um eine rechtsgebundene Entscheidung, so daß der Aufsichtsbehörde kein Ermessensspielraum eingeräumt war (BSGE 7, 169, 175 und 29, 21, 27). Da die von der Klägerin mit dem XIV. Nachtrag beschlossene Satzungsänderung rechtmäßig ist, besteht ein Anspruch auf die Genehmigungserteilung.
1. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Anpassung des Kassenbezirks der Klägerin an den veränderten Zuständigkeitsbereich der beigeladenen Innung nicht durch Art V Abs. 2 Satz 1 des 4. GewOÄndG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift sind die nichthandwerklichen Innungen befugt, die vor Inkrafttreten des 4. GewOÄndG errichteten IKKen fortzuführen. Daraus kann im Umkehrschluß zunächst hergeleitet werden, daß die Neuerrichtung von IKKen durch nichthandwerkliche Innungen ausgeschlossen sein soll. Das gleiche gilt aber nicht für die Erweiterung einer IKK, die bereits beim Inkrafttreten des 4. GewOÄndG bestanden hat. Umkehrschlüsse auf ähnlich gelagerte Tatbestände sind nämlich nur dann berechtigt, wenn sie mit dem Gesetzeszweck in Einklang stehen (Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Komm, 48. Aufl, Einleitung VI 3 d) dd). Das wäre hier aber nicht der Fall. Weder aus der Entstehungsgeschichte des 4. GewOÄndG noch aus dem Gesetzeszweck läßt sich ein Verbot der Erweiterung von IKKen herleiten, die nichthandwerkliche Innungen als Träger haben. Nach altem Recht konnten nichthandwerkliche und handwerkliche Innungen IKKen errichten. Seit Erlaß der Handwerksordnung (HwO) vom 17. September 1953 (BGBl. I 1411) war Titel VI der GewO, der noch die Überschrift "Innungen, Handwerkskammern, Innungsverbände" trug, praktisch bedeutungslos geworden (vgl. dazu Rohlfing/Kiskalt/Wolff, GewO, Komm., 3. Aufl, Titel VI Abschnitt A). Die Bestimmungen dieses Titels durften gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 1 HwO nicht mehr im Bereich des Handwerks angewendet werden. Für sie galten nunmehr die Vorschriften der HwO, nach der die Handwerksinnung eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist (§ 53 Satz 1 HwO). Soweit die RVO Innungen als Träger von IKKen zuließ, durften dies nur Körperschaften des öffentlichen Rechts sein (vgl. dazu § 279 Nr. 2 RVO). Mit Inkrafttreten des 4. GewOÄndG erhielten die nichthandwerklichen Innungen aber die Rechtsstellung eines Vereins, dem die Rechtsfähigkeit nach § 22 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verliehen worden ist. Um die von diesen Vereinen getragenen IKKen zu erhalten, war es deshalb erforderlich, eine besondere Bestimmung über die Befugnis zur Fortführung der IKKen in Art V Abs. 2 Satz 1 des 4. GewOÄndG aufzunehmen. Hierin ist - wie sich eindeutig aus den Gesetzesmaterialien ergibt (BT-Drucks 3/318, S. 29 Nr. 23 und S. 32 zu Art III) - der alleinige Zweck der Regelung zu sehen. Dafür, daß der Gesetzgeber gleichzeitig die Erweiterung solcher IKKen ausschließen wollte, bieten die Gesetzesmaterialien keinen Anhalt. Ein Erweiterungsverbot kann auch nicht daraus hergeleitet werden, daß Art V Abs. 2 Satz 1 des 4. GewOÄndG der Besitzstandswahrung dient. Damit steht nämlich nicht ohne weiteres fest, daß die von den nichthandwerklichen Innungen getragenen IKKen für alle Zukunft auf ihren Zuständigkeitsbereich beschränkt sein sollten. Denn wenn der Gesetzgeber insoweit einen status quo hätte schaffen wollen, hätte er die Erweiterung der fortgeführten IKKen ausgeschlossen (vgl. zu entsprechenden Bestandsschutzregelungen bei Eigeneinrichtungen der Krankenkassen BSGE 63, 173, 180f. = SozR 2200 § 182 Nr. 112). Aber selbst wenn der Gesetzgeber die Vorstellung gehabt haben sollte, daß mit der Regelung eine Erweiterung dieser IKK ausgeschlossen ist, wäre das ohne rechtliche Bedeutung. Eine solche Absicht hat im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden. Für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist aber maßgebend der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist (BVerfGE 1, 299, 312; BSGE 64, 244, 246 = SozR 5870 § 2 Nr. 60).
2. Der Beklagte beruft sich zu Unrecht auf die Rechtsprechung des früheren RVA. Die zitierten Entscheidungen betreffen die Frage, ob besondere Ortskrankenkassen ihren Bezirk erweitern durften. Das RVA (GE Nr. 3060 vom 9. Februar 1927 - II K 56/1926 O - Amtl Nachr 1927, 339 = Arbeiterversorgung 1927, 377; vgl. auch RVA, GE Nr. 2772 vom 20. Oktober 1923 - II K 46/23 B -, Amtl Nachr 1923, 302) hat dies vor allem unter Hinweis auf den Wortlaut des § 239 Abs. 1 RVO verneint und hervorgehoben, daß die genannte Bestimmung nicht von einem rechtlich ohne weiteres bestimmbaren Bezirk spreche, sondern die Zulassung als besondere Ortskrankenkasse da gestatte, "wo" sie bestehe. In Ermangelung einer näheren Kennzeichnung könne hierunter - so wird in der Entscheidung vom 9. Februar 1927 (a.a.O.) ausgeführt - nur der Kassenbezirk verstanden werden, wie er sich im Zeitpunkt der Zulassung aufgrund der Kassensatzung tatsächlich dargestellt habe. Während in § 239 Abs. 1 RVO schon der Wortlaut die Beschränkung auf einen bestimmten Kassenbezirk andeutet, ist dies hinsichtlich des Zuständigkeitsbereichs der IKKen in Art V 4. GewOÄndG nicht der Fall. Aus der Befugnis, eine Kasse fortzuführen, kann noch nicht entnommen werden, in welchem Umfang dies geschehen darf.
3. Wenn der Gesetzgeber also die Erweiterung nicht ausgeschlossen hat, dürfen auch IKKen, die einen oder mehrere nichthandwerkliche Innungen als Träger haben, ihren Zuständigkeitsbereich erweitern. Dazu bedarf es auch nicht - wie das LSG meint - einer analogen Anwendung des § 250 Abs. 1a RVO. Denn nach Art V Abs. 2 Satz 3 des 4. GewOÄndG richten sich die Rechtsverhältnisse einer solchen IKK unmittelbar nach der RVO. Aufgrund dieser Verweisungsvorschrift sind grundsätzlich alle Bestimmungen über IKKen anwendbar, soweit sie nicht lediglich die Errichtung von IKKen betreffen. Danach kann eine von einem rechtsfähigen Verein getragene IKK auch ihren Kassenbezirk erweitern, zumal da die Erweiterung mit der Neuerrichtung nicht identisch ist, wie sich auch aus § 159 SGB V ergibt. Daß die Vorschriften des § 250 Abs. 1a RVO erst durch Gesetz vom 28. Dezember 1976 (BGBl. I 3871), also nach Inkrafttreten des 4. GewOÄndG, in die RVO eingefügt worden sind, steht dem nicht entgegen. Denn Art V Abs. 2 Satz 3 des 4. GewOÄndG ist, weil die Vorschrift nicht auf die RVO in einer bestimmten Fassung verweist, dahin zu verstehen, daß die Rechtsverhältnisse der von nichthandwerklichen Innungen fortgeführten Ikken sich nach den jeweiligen Rechtsvorschriften der RVO richten sollen (vgl. dazu Hw Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, 1963, S. 174 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 22. September 1961 - IV C 149/61 -; sog dynamische Verweisung - S. dazu auch BVerfGE 78, 32, 36; BAG in BB 1989, 152, 153 und BSGE 34, 115, 117 mzN = SozR Nr. 1 zu § 1 der 14. DVO AVAVG vom 30. Januar 1962). Hätte der Gesetzgeber bei Einfügung des § 250 Abs. 1a RVO die von rechtsfähigen Vereinen getragenen IKKen von einer Erweiterung ausschließen wollen, so hätte dies im Gesetz ausdrücklich gesagt werden müssen.
Aber selbst wenn der Gesetzgeber bei der Einfügung des § 250 Abs. 1a RVO die Tragweite der Verweisungsvorschrift des Art V Abs. 2 Satz 3 des 4. GewOÄndG übersehen haben sollte, besteht kein Anlaß zu einer einschränkenden Auslegung. Im Gegenteil. Es ist das erkennbare Ziel des Gesetzgebers, soweit wie möglich die Übereinstimmung der Zuständigkeitsbereiche von Trägerinnung und IKK herzustellen oder zu erhalten. Hierfür sprechen im einzelnen:
a) Eine IKK wird für die der Innung angehörenden Betriebe ihrer Mitglieder gegründet (§ 250 Abs. 1 Satz 1 RVO; § 157 Abs. 1 SGB V). Der IKK gehören, vorbehaltlich der §§ 309 und 470 RVO, die in den Betrieben beschäftigten Versicherungspflichtigen an (§ 250 Abs. 2 Satz 1 RVO; § 175 Abs. 1 SGB V). Schon diese Bestimmungen machen deutlich, daß die IKK alle versicherungspflichtigen Beschäftigten der Innungsmitglieder erfassen soll. Das ist aber nicht gewährleistet, wenn zwischen Innungsbezirk und Kassenbereich der IKK keine Deckungsgleichheit besteht.
b) Auch im Hinblick auf die Haftungsregelung bei Auflösung und Schließung einer IKK sollten die Zuständigkeitsbereiche möglichst übereinstimmen. Denn für Fehlbeträge haftet die Innung (§ 304 RVO i.V.m. § 296 Abs. 2 RVO). Da im Haftungsfalle alle Innungsmitglieder betroffen sind, muß auch jedes Innungsmitglied in den Genuß der Vorteile der von der Innung getragenen IKK kommen können.
c) Über die Errichtung, Erweiterung und die Vereinigung von IKKen haben die Gesellenausschüsse mitzuentscheiden (§ 250 Abs. 1 und Abs. 1a RVO). Berechtigt zur Wahl des Gesellenausschusses sind die bei einem Innungsmitglied beschäftigten Gesellen (§ 70 HwO). Daß der Gesellenausschuß hinsichtlich der Errichtung sowie Erweiterung einer IKK und der Vereinigung mit anderen IKKen diese Mitbestimmungsrechte hat, ist nur verständlich, wenn grundsätzlich auch alle bei den Innungsmitgliedern beschäftigten Gesellen Mitglieder der IKK werden können. Das setzt aber ebenfalls die Übereinstimmung von Kassenbereich und Innungsbezirk voraus.
Allerdings besteht bei einer nichthandwerklichen Innung kein Gesellenausschuß. Das ändert aber nichts daran, daß auch für solche IKKen grundsätzlich das Gebot der Übereinstimmung von Innungs- und Innungskrankenkassenbereich (vgl. dazu auch BSGE 49, 229, 235 = SozR 1200 § 34 Nr. 10) gilt. Denn es macht keinen wesentlichen Unterschied, ob bei den Trägern von IKKen, die rechtsfähige Vereine sind, statt eines Gesellenauschusses die Mitgliederversammlung oder ein von ihr gebildeter Arbeitnehmerausschuß entscheidet.
Es mag sein, daß - worauf die Revision hinweist - die Deckungsgleichheit der Zuständigkeitsbereiche nicht immer erreicht werden kann. Vor allem könnte die Anpassung des Kassenbereichs an den Innungsbereich im Einzelfalle daran scheitern, daß die zuständigen Gremien die erforderliche Zustimmung versagen. In diesen Fällen beruhen die Nachteile der Nichtübereinstimmung von Innungsbezirk und Kassenbereich aber nicht auf rechtlichen Hindernissen, sondern sind auf die Willensentscheidungen der Vertretungsorgane zurückzuführen. Das ist ein gravierender Unterschied. Deshalb kann für die hier zu entscheidenden Fragen aus der Möglichkeit einer solchen Nichtübereinstimmung nichts hergeleitet werden.
Bei Änderungen des Handwerksrechts, die zu einem Auseinanderfallen der Zuständigkeitsbereiche führen, ist dem Vorsitzenden des Versicherungsamtes jedenfalls die Befugnis eingeräumt, die Übereinstimmung herbeizuführen (§ 33 Abs. 2 SVwG). Ob diese Vorschrift in ähnlichen Fällen analog angwendet werden darf, um die Übereinstimmung der Zuständigkeitsbereiche zu erzwingen, ist hier nicht zu entscheiden. Die Rechtsnorm zeigt aber ebenfalls, welche Bedeutung der Gesetzgeber der Übereinstimmung der Zuständigkeitsbereiche beimißt.
4. Nach § 250 Abs. 1a Sätze 1 und 2 RVO durfte der Bezirk einer IKK entsprechend erweitert werden, wenn eine Trägerinnung ihren Zuständigkeitsbereich örtlich oder sachlich erweiterte. Selbstverständlich mußte die Erweiterung des Bereichs der Trägerinnung rechtmäßig sein. Im übrigen spielten die Gründe für die Erweiterung aber keine Rolle. Da die Beigeladene zu 2) ihren Zuständigkeitsbereich mit Genehmigung des Regierungspräsidenten in Köln über die Stadt Köln hinaus auf den gesamten Erftkreis ausgedehnt hat, ist davon auszugehen, daß eine rechtmäßige Erweiterung vorliegt. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind - abgesehen vom Fall der Nichtigkeit, der hier offensichtlich nicht gegeben ist - nämlich nicht befugt, die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme nachzuprüfen. Die Entscheidung hat - wie die Aufnahme des Inhabers eines Betriebes als Innungsmitglied (vgl. dazu BSG SozR 2200 § 250 Nr. 12 m.w.N.) - Tatbestandswirkung.
5. Auch die für die Anpassung des Kassenbereichs an den Innungsbezirk vorgeschriebenen verfahrensrechtlichen Bestimmungen (§ 250 Abs. 1a Sätze 1 und 3 RVO) sind eingehalten:
Auf Beschluß der Innungsversammlung der Beigeladenen zu 2) vom 13. April 1981 ist ein Arbeitnehmer-Ausschuß gebildet worden. Er hat der Erweiterung des Innungskrankenkassenbezirks zugestimmt. Da bei Innungen, die rechtsfähige Vereine sind, ein Gesellenausschuß - wie schon hervorgehoben - nicht besteht, kann die zustimmende Entscheidung des Arbeitnehmer-Ausschusses als ausreichend angesehen werden. Denn dieser hat - wie der Gesellenausschuß bei den handwerklichen Innungen - den Zweck, die Mitwirkung der bei den Innungsmitgliedern Beschäftigten sicherzustellen. Daß die nichthandwerklichen Innungen und die Handwerksinnungen Unterschiede aufweisen, insbesondere andere Organe haben, liegt an der unterschiedlichen Rechtsnatur dieser Träger; davon muß der Gesetzgeber beim Erlaß des 4. GewOÄndG ausgegangen sein. Deshalb kann die Verweisung in Art V Abs. 2 Satz 3 des 4. GewOÄndG nur bedeuten, daß die Bestimmungen der RVO auf IKKen, die als Träger rechtsfähige Vereine haben, lediglich entsprechend anzuwenden sind. Das heißt: Soweit die RVO zu bestimmten organisatorischen Maßnahmen einer IKK die Zustimmung des Gesellenausschusses verlangt, genügt bei nichthandwerklichen Innungen das jeweils zur Mitwirkung gebildete Arbeitnehmergremium.
Nach § 250 Abs. 1a Satz 3 RVO i.V.m. § 251 Abs. 2 RVO ist für die Erweiterung des Kassenbereichs einer IKK ferner erforderlich, daß vorher die Gemeindebehörde des Ortes, an dem die Innung ihren Sitz hat, die Handwerkskammer sowie die Aufsichtsbehörde der Innung gehört werden. Auch diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Beklagte hat - wie aus dem Bescheid vom 23. September 1980 hervorgeht - vor der Entscheidung über den Antrag auf Satzungsänderung den Regierungspräsidenten in Köln als Aufsichtsbehörde der Beigeladenen zu 2) und die Stadt Köln als örtliche Gemeindebehörde gehört. Eine Anhörung der Handwerkskammer war nicht erforderlich, da es um die Anpassung eines Kassenbezirks an den Bezirk einer nichthandwerklichen Innung ging.
6. Schließlich gefährdet die Erweiterung des Innungskrankenkassenbezirks auch weder den Bestand noch die Leistungsfähigkeit der beigeladenen AOK Erftkreis (Beigeladene zu 1). Nach den mit der Revision nicht angegriffenen und für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Tatsachenfeststellungen ergibt sich kein Anhalt für eine Gefährdung. Selbst wenn alle Inhaber der im hier betroffenen Teilbereich des Erftkreises gelegenen Gastgewerbebetriebe der beigeladenen Innung beitreten, wäre die Zahl der übergehenden Versicherten gering, weil es sich meist um Kleinbetriebe ohne oder mit nur wenigen versicherungspflichtigen Personen handelt. Auch die Beigeladene zu 1) hat nichts vorgetragen, aus dem sich eine Gefährdung ihres Bestandes oder ihrer Leistungsfähigkeit ergeben könnte.
7. Der Senat war nicht gezwungen, auf alle Argumente der Revision einzugehen. Insbesondere erübrigte sich eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine Gesetzeslücke vorliegt und ob das LSG diese im Wege richterrechtlicher Rechtsfortbildung unter Verstoß gegen Art 20 Abs. 3 GG geschlossen hat. Verweist nämlich Art V Abs. 2 Satz 3 des 4. GewOÄndG - wovon der Senat ausgeht - auf die RVO in ihrer jeweiligen Fassung, so bedeutet die Anwendung der Rechtsbestimmungen über die Erweiterung des Kassenbereichs (§ 250 Abs. 1a RVO) keine Überschreitung der richterlichen Kompetenzen. Vielmehr hat der Gesetzgeber auch diese Frage schon für die nichthandwerklichen Innungen mitgeregelt.
8. Die angefochtene Entscheidung stellt - entgegen ihrer Bezeichnung - kein Teilurteil dar. Ein solches liegt vor, wenn von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder nur ein Teil eines Anspruches entschieden worden ist (vgl. § 301 ZPO i.V.m. § 202 SGG). Die von der Klägerin erhobene Klage hat das Ziel, die Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 23. September 1980 und die Verpflichtung des Beklagten zur Genehmigung zu erreichen. Hierüber hat das LSG in vollem Umfang entschieden. Dagegen sind die Rechtsverhältnisse der betroffenen Arbeitgeber und Beschäftigten der im Erftkreis gelegenen Gastgewerbebetriebe nicht Gegenstand des Rechtsstreits, so daß das angefochtene Urteil in Anbetracht dieser Rechtsverhältnisse nicht die Wirkung eines Teilurteils haben kann. Deshalb kam es auch nicht darauf an, ob dieser Personenkreis vollständig zum Rechtsstreit beigeladen war. Vielmehr fehlten die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG, so daß der Senat die Beiladung der Beschäftigten und Arbeitgeber durch Beschluß wieder aufgehoben hat (wegen der Begründung im einzelnen S. dazu den ergangenen Aufhebungsbeschluß vom gleichen Tage, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der Senat konnte auch die für die Beigeladene zu 2) ungünstige Kostenentscheidung des Berufungsgerichts ändern, obwohl nur der Beklagte Revision eingelegt hat. Insoweit gilt das Verbot der reformatio in peius nicht (BSGE 62, 131, 136 mN = SozR 4100 § 141b Nr. 40).
Fundstellen