Verfahrensgang
SG Freiburg i. Br. (Urteil vom 05.11.1999) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 5. November 1999 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist im Wesentlichen streitig, ob die der Klägerin aus der Alterssicherung der Landwirte (AdL) gewährte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU; ab 1. Januar 2001: Rente wegen voller Erwerbsminderung) von der Beklagten zu Recht (auch) für die Zeit ab 1. Januar 1995 wegen des Bezuges einer entsprechenden Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) gekürzt wird.
Die am 18. Februar 1937 geborene Klägerin entrichtete in der Zeit von März 1984 bis März 1989 für 61 Kalendermonate Beiträge zur AdL. Ab 1. Mai 1989 bezog sie als ehemalige landwirtschaftliche Unternehmerin vorzeitiges Altersgeld nach § 2 Abs 2 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL). Dieses wurde gemäß § 4 Abs 5 GAL um ein Viertel gekürzt, da die Klägerin zugleich eine Rente aus der gesetzlichen RV erhielt (Bescheid vom 27. August 1990). Mit Inkrafttreten des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) zum 1. Januar 1995 wurde das vorzeitige Altersgeld der Klägerin unter Beibehaltung der Kürzung als EU-Rente weiter gezahlt.
Am 28. Dezember 1994 beantragte der Ehemann der Klägerin bei der Beklagten unter Hinweis darauf, dass er bereits von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine Rente wegen EU beziehe, ab 1. Januar 1995 Rente wegen EU. Später baten die Klägerin und ihr Ehemann, diesen Antrag zurückzustellen und zuerst die EU-Rente der Klägerin ohne Kürzung neu zu berechnen. Mit Bescheid vom 23. Januar 1998 stellte die Beklagte fest, dass die bei der Klägerin bisher erfolgte Anrechnung der Rente aus der gesetzlichen RV auch für den Zeitraum ab dem 1. Januar 1995 bestehen bleibe, da gemäß § 98 Abs 6 Satz 1 ALG die für das Jahr 1994 anzuwendenden Vorschriften über das Zusammentreffen von Renten mit Einkommen auch nach dem 31. Dezember 1994 anzuwenden seien, wenn bereits im Jahr 1994 eine laufende Geldleistung mit Einkommen zusammengetroffen sei. Auch die bei Hinzutritt eines Leistungsanspruchs des Ehemannes neu zu berechnende Rente (vgl § 98 Abs 3 ALG) werde um 25 vH gekürzt. Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 1998 zurück.
Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Freiburg durch Urteil vom 5. November 1999 im Wesentlichen mit folgender Begründung abgewiesen: Nach dem Wortlaut des § 98 Abs 6 Satz 1 ALG seien die für das Jahr 1994 anzuwendenden Vorschriften über das Zusammentreffen von Renten mit Einkommen für die Zeit des Bezugs der Rente weiter anzuwenden, wenn im Jahr 1994 – wie hier – eine laufende Geldleistung mit Einkommen zusammengetroffen sei. Da die Klägerin nur für 61 Monate Beiträge an die Beklagte entrichtet habe und sie deshalb die Voraussetzungen des Art 2 § 6e Gesetz zur Neuregelung der Altershilfe für Landwirte (AHNG) nicht erfülle, sei ihre Rente weiterhin bis zur Höhe eines Viertels zu kürzen. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass in § 98 Abs 6 Satz 2 ALG auf die Vorschrift des § 106 Abs 2 und 3 ALG verwiesen werde, und das ALG keine spezielle Vorschrift über die Kürzung von Renten wegen EU mehr enthalte. Vielmehr gelte insoweit § 106 Abs 2 Satz 3 ALG entsprechend. Daran ändere sich nichts, wenn dem Ehemann der Klägerin eine Rente gewährt werden sollte.
Mit ihrer vom SG zugelassenen Sprungrevision macht die Klägerin insbesondere geltend: § 4 Abs 5 Satz 1 GAL sei mit Inkrafttreten des ALG ab 1. Januar 1995 ersatzlos entfallen, nachdem die Anwendung dieser Kürzungsvorschrift bereits mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des AHNG (AHNGÄndG) am 1. Januar 1994 für den Fall des Zusammentreffens von Einkommen mit einer eigenen Geldleistung nach dem GAL eingeschränkt worden sei. Im ALG sei keine Kürzung von Versichertenrenten mehr vorgesehen. Das gelte seitdem auch für Fälle der Nichterfüllung der Voraussetzungen des Art 2 § 6e Abs 3 AHNG. Dies folge aus § 98 Abs 6 Sätze 1 und 2 ALG. § 106 Abs 2, 3 und 5 ALG sei in ihrem Fall nicht anwendbar, denn sie beziehe weder Witwenrente noch eine andere abgeleitete Rente. Erst recht dürfe keine Kürzung mehr erfolgen, wenn ihre Rente wegen Bestehens eines Rentenanspruchs ihres Ehemannes nach dem ALG neu zu berechnen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Freiburg vom 5. November 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 27. August 1990 das von ihr seit 1. Mai 1989 bezogene vorzeitige Altersgeld ab dem 1. Januar 1995 als Erwerbsunfähigkeitsrente (ab 1. Januar 2001: Rente wegen voller Erwerbsminderung) in ungekürzter Höhe (dh ohne Einkommensanrechnung) zu gewähren,
hilfsweise,
festzustellen, dass das von ihr seit dem 1. Mai 1989 bezogene vorzeitige Altersgeld (ab 1. Januar 1995: Erwerbsunfähigkeitsrente, ab 1. Januar 2001: Rente wegen voller Erwerbsminderung) für den Fall ohne Kürzung wegen gleichzeitigen Bezuges einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung neu zu berechnen ist, dass auch ihrem Ehemann eine Erwerbsunfähigkeitsrente (Rente wegen voller Erwerbsminderung) nach § 13 ALG zu gewähren ist.
Die Beklagte beantragt,
die Sprungrevision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung: Der Gesetzgeber habe mit Einführung des ALG prinzipiell an den bisher anzuwendenden Einkommensanrechnungsregelungen festhalten wollen. § 98 Abs 6 Satz 1 ALG benenne diese Intention ausdrücklich, während § 98 Abs 6 Satz 2 ALG auf die Übergangsregelungen des § 106 Abs 2 und 3 ALG verweise. Wie bereits die Ausgestaltung des Art 2 § 6e AHNG zeige, habe der Gesetzgeber nur Neufälle begünstigen wollen. § 98 Abs 6 Satz 1 und 2 iVm § 106 Abs 2 und 3 ALG stelle sich als konsequente Fortführung dieses vorweggenommenen Regelungsteiles des Agrarsozialreformgesetzes 1995 (ASRG 1995) dar. Dies ergebe sich auch aus den Regelungen des § 98 Abs 2, 3 und 3a ALG. § 98 Abs 6 Satz 2 ALG enthalte als Modifikation des in Satz 1 zum Ausdruck kommenden Grundsatzes eine primär “technische” Regelung, die zu einer Erleichterung der Rechtsanwendung und einem besseren Verständnis der Anrechnungsbestimmungen beitragen solle. Auch der Hilfsantrag der Klägerin könne keinen Erfolg haben. In den Fällen einer Neuberechnung nach § 98 Abs 3 ALG fänden Ruhens-, Kürzungs- und Anrechnungsvorschriften weiterhin Anwendung.
Entscheidungsgründe
II
Die Sprungrevision der Klägerin ist zulässig. Ihre Statthaftigkeit ergibt sich aus § 161 Sozialgerichtsgesetz (SGG). In dem erstmals im Revisionsverfahren ausdrücklich gestellten Hilfsantrag liegt keine unzulässige Klageänderung iS von § 168 Satz 1 iVm § 99 SGG. Denn inhaltlich ist das entsprechende Begehren der Klägerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren abgehandelt und vom SG beschieden worden. Während sich die Klägerin mit ihrer Klage zunächst in erster Linie darauf gestützt hatte, dass die Einkommensanrechnung bei ihrer Rente im Zuge der bei Bestehen eines ALG-Rentenanspruchs ihres Ehemannes erforderlichen Neuberechnung nach § 98 Abs 3 ALG entfallen müsse, hat sie in der mündlichen Verhandlung vor dem SG – ohne ihr ursprüngliches Vorbringen aufzugeben – die Auffassung vertreten, dass ihre Rente auch ohne Hinzutreten einer Rente ihres Ehemannes nicht mehr gekürzt werden dürfe. Dieses Begehren hat das SG sodann als (Haupt-)Antrag angesehen, ist jedoch in seinen Entscheidungsgründen auch auf den Fall einer Rentengewährung an den Ehemann der Klägerin eingegangen.
In der Sache ist die Revision nicht begründet. Die Klägerin hat nach dem ALG keinen Anspruch auf eine ungekürzte Rente wegen EU (bzw voller Erwerbsminderung), da ihre Rente aus der gesetzlichen RV weiterhin anzurechnen ist. Auch im Falle des Hinzutretens eines Rentenanspruchs ihres Ehemannes ergibt sich keine abweichende Beurteilung.
Mit ihrem Hauptantrag begehrt die Klägerin eine Neufeststellung ihrer Rentenleistung in der Weise, dass die bis dahin erfolgte Anrechnung ihrer Rente aus der gesetzlichen RV auf Grund des Inkrafttretens des ALG ab 1. Januar 1995 zu entfallen habe. Damit beruft sie sich konkludent auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Dieser bestimmt in seinem Abs 1 Satz 1: Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Zwar hat die Beklagte einen entsprechenden Neufeststellungsantrag der Klägerin nicht ausdrücklich gestützt auf diese Vorschrift abgelehnt, gleichwohl liegt eine zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl § 54 Abs 4 SGG) vor, da die Beklagte eine derartige Ablehnungsentscheidung mit dem angefochtenen Feststellungsbescheid vom 23. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 1998 noch hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat.
Auf § 48 Abs 1 SGB X kann die Klägerin ihr Begehren nicht stützen, weil die darin normierten Voraussetzungen nicht vorliegen. Weder in den tatsächlichen noch den rechtlichen Verhältnissen, die dem ursprünglichen Rentenbescheid vom 27. August 1990 zu Grunde lagen, sind Änderungen eingetreten, die für die streitige Anrechnung der Rente der Klägerin aus der RV wesentlich sind.
Das von der Klägerin seit 1. Mai 1989 bezogene vorzeitige Altersgeld nach § 2 Abs 2 GAL wurde von Beginn an gemäß § 4 Abs 5 GAL um den dort genannten Höchstbetrag – ein Viertel – gekürzt, da die Klägerin zugleich eine entsprechende Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezog. Bei dieser Anrechnung verbleibt es, auch wenn die zu Grunde liegende Anrechnungsvorschrift des § 4 Abs 5 Satz 1 GAL durch spätere Gesetzesänderungen in ihrer Anwendbarkeit beschränkt und schließlich außer Kraft gesetzt worden ist.
Durch das AHNGÄndG vom 2. Dezember 1993 (BGBl I 1998) wurde mit Wirkung ab 1. Januar 1994 ein neuer § 6e in Art 2 AHNG (teilweise auch bekannt unter der Abkürzung GALNG; vgl BR-Drucks 508/93 zu § 102 S 88) eingefügt. Auf ab diesem Zeitpunkt eintretende Fälle findet § 4 Abs 5 GAL beim Zusammentreffen von vorzeitigem Altersgeld an landwirtschaftliche Unternehmer mit Einkommen keine Anwendung mehr (vgl Art 2 § 6e Abs 2 AHNG). Für vorzeitige Altersgelder, auf die am 31. Dezember 1993 ein Anspruch bestand und für die Einkommen zu berücksichtigen war, hat der Gesetzgeber in Art 2 § 6e Abs 3 AHNG eine gesonderte Regelung getroffen. Danach wird nur dann von einer Anrechnung abgesehen, wenn vor Beginn des vorzeitigen Altersgeldes, auf das am 31. Dezember 1993 ein Anspruch bestand, für mindestens 90 Kalendermonate Beiträge gezahlt waren. Da die Klägerin in der Zeit von März 1984 bis März 1989 lediglich für insgesamt 61 Kalendermonate Beiträge entrichtet hatte, war für sie die Kürzungsvorschrift des § 4 Abs 5 Satz 1 GAL weiterhin anzuwenden.
Mit dem Inkrafttreten des ASRG 1995 vom 29. Juli 1994 (BGBl I 1890) am 1. Januar 1995 trat dann das GAL außer Kraft. Spätestens seit diesem Zeitpunkt gilt das ALG (vgl Art 1, 48 ASRG 1995), das durch entsprechende Übergangsregelungen auch Bestandsrenten erfasst. So gelten seitdem gemäß § 94 Abs 3 Satz 3 Nr 3 ALG vorzeitige Altersgelder ab 1. Januar 1995 als Renten wegen EU. Die Höhe dieser Renten wird aus Anlass der Rechtsänderung grundsätzlich nicht neu bestimmt, soweit nicht in nachfolgenden Vorschriften etwas anderes bestimmt ist (§ 98 Abs 1 ALG). Dazu regelt § 98 Abs 6 Satz 1 ALG: Traf im Jahr 1994 eine laufende Geldleistung mit Einkommen zusammen, sind die für dieses Jahr anzuwendenden Vorschriften über das Zusammentreffen von Renten mit Einkommen für die Zeit des Bezugs der Rente weiter anzuwenden. Dabei tritt gemäß Satz 2 dieser Bestimmung an die Stelle der Anwendung von § 3a Abs 2 Satz 2 und 3, § 3b Abs 1 Buchst e, § 4 Abs 5 Satz 1 und § 10 Abs 6a GAL in der am 31. Dezember 1994 geltenden Fassung die Anwendung von § 106 Abs 2 und 3 ALG; § 106 Abs 5 ALG bleibt unberührt.
Die Regelung des § 98 Abs 6 ALG erfasst den vorliegenden Fall. Wie Satz 1 dieser Vorschrift zeigt, betrifft sie Einkommen, also auch Renten aus der gesetzlichen RV. Während § 4 Abs 5 GAL noch ausdrücklich den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen RV als Anrechnungstatbestand benannte, stellte bereits Art 2 § 6e Abs 2 AHNG auf den allgemeinen Begriff des Einkommens ab, dem Renten aus der gesetzlichen RV als Erwerbsersatzeinkommen ohne Weiteres zuzuordnen sind. Dafür sprechen auch die allgemeinen Vorschriften über die Anrechnung von Einkommen bei Renten wegen Todes nach den §§ 18a ff, insbesondere § 18a Abs 1 Nr 2, Abs 3 Nr 2, Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV).
Nach Auffassung des erkennenden Senats ist dem § 98 Abs 6 ALG die Regelung zu entnehmen, dass bei Bestandsrenten aus eigener Versicherung eine im Jahre 1994 vorgenommene Einkommensanrechnung auch für die Zeit ab 1. Januar 1995 aufrecht erhalten bleiben soll. Allerdings ist der Klägerin einzuräumen, dass diese Vorschrift nicht ganz eindeutig gefasst ist.
Seinem Wortlaut nach stellt § 98 Abs 6 Satz 1 ALG allgemein auf das Zusammentreffen einer laufenden Geldleistung mit Einkommen im Jahre 1994 ab. Damit bezieht sich diese Vorschrift jedenfalls auch auf ein im Jahr 1994 bezogenes vorzeitiges Altersgeld, bei dem in diesem Zeitraum eine Kürzung gemäß § 4 Abs 5 GAL stattfand, und regelt dazu, dass diese Anrechnungsbestimmung weiter anzuwenden ist. Soweit § 98 Abs 6 Satz 2 ALG anordnet, dass dabei § 106 Abs 2 und 3 ALG unter anderem an Stelle von § 4 Abs 5 Satz 1 GAL anzuwenden ist, könnte daraus der Schluss gezogen werden, dass danach nur noch bei Bestandsrenten wegen Todes eine Einkommensanrechnung stattfinden soll. Denn § 106 ALG betrifft lediglich diese Rentenart. Eine solche Auslegung hält der Senat jedoch nicht für zutreffend, da sie wesentliche Gesichtspunkte unberücksichtigt lässt. Insbesondere wird damit dem § 98 Abs 6 Satz 2 ALG eine Bedeutung beigemessen, die er nicht besitzt.
Zunächst ist dem Gesetzestext nicht zu entnehmen, dass mit § 98 Abs 6 Satz 2 ALG eine abändernde Einschränkung der Regelung des Satzes 1 dieser Bestimmung verbunden sein sollte. Vielmehr knüpft Satz 2 durch das Wort “dabei” unmittelbar an Satz 1 an, der eindeutig alle laufenden Geldleistungen und nicht nur Leistungen an Hinterbliebene erfasst. Auch den Gesetzesmaterialien lässt sich keine entsprechende Regelungstendenz entnehmen. Hingegen finden sich deutliche Anhaltspunkte dafür, dass auch in Bezug auf Bestandsrenten aus eigener Versicherung an den im Jahre 1994 geltenden Einkommensanrechnungsbestimmungen festgehalten werden sollte.
Schon im ursprünglichen Entwurf zum ASRG 1995 war vorgesehen, das Verfahren der Einkommensanrechnung in der AdL an das der gesetzlichen RV anzugleichen. Davon sollten allerdings Bestandsrenten nur dann begünstigt werden, wenn vor dem Rentenfall für mindestens 90 Kalendermonate Beiträge gezahlt waren (vgl BT-Drucks 12/5700, S 65 f = BR-Drucks 508/93, S 65 f). Diese Umstellung war von vornherein schon für den 1. Januar 1994 vorgesehen (vgl § 6e AHNG idF des Art 7 Nr 1 des Entwurfs zum ASRG 1995, BT-Drucks 12/5700, S 45, 93 f); sie sollte mit dem Inkrafttreten des ALG zum 1. Januar 1995 keine inhaltliche Änderung erfahren (vgl § 102 Abs 5 Satz 1 des Entwurfs zum ALG, der dem geltenden § 98 Abs 6 Satz 1 ALG entspricht). Ohne von dieser Konzeption abzurücken, beschloss der Bundestag – wegen eines zum ALG noch bestehenden Beratungsbedarfs – die Änderung des AHNG aus Zeitgründen vorab als gesondertes Gesetz zu erlassen (vgl BT-Drucks 12/5924). Auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren betreffend das ALG wurde an den Modalitäten der Einkommensanrechnung für Bestandsrenten nichts Grundlegendes geändert. Durch den in § 102 Abs 6 (neu) des Entwurfs eingefügten Satz 2 (entsprechend § 98 Abs 6 Satz 2 der Gesetzesfassung) sollte nach der amtlichen Begründung lediglich vermieden werden, dass die Alterskassen über den 31. Dezember 1994 hinaus noch Vorschriften des zu diesem Zeitpunkt aufgehobenen GAL anwenden müssen (vgl BT-Drucks 12/7599, S 16). Zur Verwaltungsvereinfachung bei der Rechtsanwendung in Übergangsfällen bot sich aus der Sicht des Gesetzgebers eine Anwendung des § 106 Abs 2 und 3 ALG an, der – sieht man von der tatbestandsmäßigen Beschränkung auf Hinterbliebenenrenten ab – im Wesentlichen dem alten Recht entsprechende Anrechnungsregelungen enthält.
Zwar hat der Gesetzgeber diese Absicht im Gesetzestext nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht. Denn sonst hätte er für die Fälle einer Einkommensanrechnung bei Bestandsrenten aus eigener Versicherung – im Sinne einer Rechtsfolgenverweisung – ausdrücklich eine entsprechende Anwendung der Regelungen des § 106 Abs 2 ALG vorsehen müssen. Dieser Mangel führt jedoch nicht dazu, dass dem § 98 Abs 6 Satz 2 ALG ein Ausschluss jeglicher Einkommensanrechnung bei Versichertenrenten entnommen werden müsste. Vielmehr beschränkt sich diese Bestimmung darauf, für die Einkommensanrechnung bei Bestandsrenten wegen Todes eine vereinfachte Rechtsanwendungsmöglichkeit zu schaffen. Dazu passt es, dass die in § 98 Abs 6 Satz 2 ALG genannten Vorschriften des alten Rechts – abgesehen von § 4 Abs 5 Satz 1 GAL – ohnehin nur Leistungen an Hinterbliebene betreffen. Würde man § 98 Abs 6 Satz 2 ALG hingegen in dem von der Klägerin vertretenen Sinne auslegen, so wäre § 98 Abs 6 Satz 1 ALG praktisch überflüssig, da ihm kein eigenständiger Regelungsgehalt mehr verbliebe. Anders verhält es sich mit der vom erkennenden Senat als zutreffend angesehenen Auslegung: Da § 98 Abs 6 Satz 2 ALG danach ein ab 1. Januar 1995 als EU-Rente weiter gezahltes vorzeitiges Altersgeld nicht erfasst, verbleibt es insoweit bei der allgemeinen Regelung des § 98 Abs 6 Satz 1 ALG mit der Folge, dass für diese Fallgruppe § 4 Abs 5 Satz 1 GAL weiter anzuwenden ist.
Die Regelung des § 98 Abs 6 ALG begegnet in dieser Auslegung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Vorliegend hat der Gesetzgeber eine Begünstigung nur für solche Fälle eintreten lassen, in denen vor Beginn des vorzeitigen Altersgeldes für mindestens 90 Kalendermonate Beiträge gezahlt wurden (vgl Art 2 § 6e Abs 3 AHNG). Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den Wegfall der einschlägigen Anrechnungsvorschrift (§ 4 Abs 5 Satz 1 GAL) von der Entrichtung eines Mindestmaßes an Beiträgen abhängig gemacht hat, das über das zur Anspruchsbegründung Erforderliche hinausgeht. Die dafür vorausgesetzte Zahl der geleisteten Beiträge lässt insbesondere keinen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz erkennen. Das Erfordernis einer Beitragsentrichtung für 90 Monate erscheint – schon im Hinblick auf die in die Rentenerbringung einfließenden Bundesmittel (vgl § 78 ALG) – nicht als sachwidrig; es entspricht der halben Wartezeit für eine Altersrente nach §§ 11, 12 ALG und der 1 1/2-fachen Wartezeit für eine EU-Rente nach § 13 ALG.
Der von der Klägerin gestellte Hilfsantrag ist als Feststellungsklage iS des § 55 Abs 1 Nr 1 SGG zulässig. Der Klägerin geht es um die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, im Rahmen einer aus Anlass eines ALG-Rentenbezugs ihres Ehemanns erforderlich werdenden Neuberechnung ihrer Rente (vgl § 98 Abs 3 ALG) keine Anrechnung der von ihr aus der gesetzlichen RV bezogenen Rente mehr vorzunehmen. Damit begehrt sie die Feststellung eines Rechtsverhältnisses betreffend eine künftig von der Beklagten zu erbringende Leistung. Sie hat daran ein berechtigtes Interesse, da diese Frage auch dafür von Bedeutung sein kann, ob ihr Ehemann seinen Rentenantrag weiter verfolgt. Überdies hat die Beklagte mit dem angefochtenen “Feststellungsbescheid” bereits ihre gegenteilige Rechtsauffassung zum Ausdruck gebracht (zur Zulässigkeit der Feststellungsklage zur Klärung einer Leistungspflicht für künftig eintretende Ereignisse vgl bereits Bundessozialgericht ≪BSG≫, Urteil vom 17. Dezember 1959 – BSGE 11, 198, 200). Die Zulässigkeit der Feststellungsklage scheitert schließlich auch nicht an ihrer grundsätzlichen Subsidiarität gegenüber einer Verpflichtungsklage, da eine solche gegenwärtig nicht zulässig erscheint (zum im SGG nicht ausdrücklich genannten Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage vgl BSG, Urteil vom 22. Mai 1985 – BSGE 58, 150, 152 f = SozR 1500 § 55 Nr 27 mwN).
In der Sache hat auch der Hilfsantrag keinen Erfolg. Für den Fall, dass der Ehegatte der Klägerin Anspruch auf Rente aus der AdL hat, regelt § 98 Abs 3 ALG eine Neuberechung. Aber auch für diesen Fall hat die Klägerin keinen Anspruch auf Rente in ungekürzter Höhe. Entgegen ihrer Auffassung ändert diese Neuberechnung nichts daran, dass es sich bei der von ihr bezogenen Leistung um eine Bestandsrente iS von § 98 Abs 6 ALG handelt. Insbesondere tritt damit kein neuer Versicherungsfall ein. Auch auf eine nach § 98 Abs 3 ALG neu berechnete Bestandsrente finden demnach die in § 98 Abs 6 ALG festgelegten Anrechnungsvorschriften Anwendung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 889759 |
BSGE 2003, 215 |
NZS 2003, 485 |