Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermittlungsgutschein. Vergütungsanspruch des privaten Arbeitsvermittlers. Auszahlung der zweiten Vergütungsrate. keine Vermittlungsleistung. fehlende Kausalität. Wechsel von Zeitarbeitsfirma in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis zum Entleiher. keine Kontaktaufnahme zum Entleiher
Orientierungssatz
Eine Vergütung aus einem Vermittlungsgutschein kann ein privater Arbeitsvermittler nur für die Vermittlung eines Arbeitslosen in eine versicherungspflichtige Beschäftigung fordern, wenn der Vermittler als Dritter in Kontakt sowohl mit dem Arbeitsuchenden als auch mit dem Arbeitgeber tritt und durch seine Tätigkeit aktiv die Abschlussbereitschaft beider derart fördert, dass ein Arbeitsvertrag geschlossen wird. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitsvermittler den Arbeitslosen an einen Verleiher von Arbeitnehmern vermittelt hat und der Arbeitslose später - ohne weiteres Zutun des Vermittlers - unter Beibehaltung seines Arbeitsplatzes ein Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis zum Entleiher eingeht.
Normenkette
SGB 3 § 296 Abs. 2 S. 1; SGB 3 § 421g Abs. 1 S. 4, Abs. 2 S. 3; SGB 3 § 35 Abs. 2; BGB § 652 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 18. Juni 2013 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 24. April 2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Streitwert wird auf 1000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der beklagten Bundesagentur für Arbeit (BA) die Auszahlung der zweiten Rate einer Vermittlungsvergütung in Höhe von 1000 Euro für die Vermittlung der Beigeladenen in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis.
Die Beklagte stellte der damals arbeitslosen Beigeladenen einen Vermittlungsgutschein aus, mit dem sie sich an den Kläger, einen privaten Arbeitsvermittler, wandte und diesen mit der Vermittlung eines Beschäftigungsverhältnisses beauftragte. Durch Vermittlung des Klägers schloss die Beigeladene mit der Firma T., einem Verleiher von Arbeitnehmern (Zeitarbeitsfirma), einen Arbeitsvertrag. Im Rahmen dieses ab 7.12.2010 bestehenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses lieh die Firma T. die Beigeladene an die Firma A. (Entleiher) aus, bei der die Beigeladene fortan nach den Weisungen der Firma A. arbeitete. Die Beigeladene beendete ihr Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis zur Firma T. zum 31.3.2011 und ging ab 1.4.2011 ein neues Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis mit der Firma A. ein.
Die Beklagte zahlte dem Kläger die erste Rate der Vermittlungsvergütung in Höhe von 1000 Euro sechs Wochen nach Beginn der Beschäftigung der Beigeladenen bei der Firma T. aus. Am 6.6.2011 beantragte der Kläger auch die Auszahlung der zweiten Rate in Höhe von weiteren 1000 Euro. Die Beklagte lehnte dies ab, weil die Beigeladene innerhalb von sechs Monaten nach Beschäftigungsbeginn in ein rechtlich neues Beschäftigungsverhältnis gewechselt habe; § 421g Abs 2 S 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch in der bis zum 31.3.2012 geltenden Fassung (SGB III aF) bestimme aber, dass der Restbetrag in Höhe weiterer 1000 Euro erst nach sechsmonatiger Dauer "des" Beschäftigungsverhältnisses fällig werde (Bescheid vom 16.6.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.8.2011).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 24.4.2012). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 27.6.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.8.2011 aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung weiterer 1000 Euro an den Kläger verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Ausgehend vom Wortlaut des § 421g Abs 2 S 3 SGB III aF sei die zweite Vergütungsrate zwar erst fällig, wenn das vermittelte Beschäftigungsverhältnis länger als sechs Monate angedauert habe; dies sei vorliegend erkennbar nicht der Fall. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift gehe es beim Vermittlungsgutschein aber um eine nachhaltige Vermittlung eines Arbeitslosen in ein Beschäftigungsverhältnis. Diese sei geglückt und es sei zu berücksichtigen, dass die Beigeladene auch nach ihrer Festeinstellung durch die Firma A. auf demselben Arbeitsplatz wie zuvor gearbeitet habe.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 421g Abs 2 S 3 SGB III aF.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 18. Juni 2013 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 24. April 2012 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 S 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Das LSG hat das Urteil des SG sowie den ablehnenden Bescheid der Beklagten zu Unrecht aufgehoben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 1000 Euro für die Vermittlung der Beigeladenen.
Gemäß § 421g Abs 1 SGB III aF hatten Versicherte, die Anspruch auf Arbeitslosengeld hatten, dessen Dauer nicht allein auf § 127 Abs 3 SGB III beruhte, und nach einer Arbeitslosigkeit von sechs Wochen innerhalb einer Frist von drei Monaten noch nicht vermittelt waren, oder die eine Beschäftigung ausübten oder zuletzt ausgeübt hatten, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme oder als Strukturanpassungsmaßnahme nach dem 6. Abschnitt des 6. Kapitels gefördert wurde, Anspruch auf einen Vermittlungsgutschein. Gemäß § 421g Abs 1 S 4 SGB III aF verpflichtete sich die Agentur für Arbeit mit dem Vermittlungsgutschein, den Vergütungsanspruch eines vom Arbeitnehmer eingeschalteten Vermittlers, der den Arbeitnehmer in eine versicherungspflichtige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich vermittelt hatte, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu erfüllen. Nach § 421g Abs 2 S 3 SGB III aF wurde die Vergütung iHv 1000 Euro nach einer sechswöchigen und der Restbetrag nach einer sechsmonatigen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt. Zwischen dem Arbeitsuchenden und dem Vermittler musste gemäß § 296 Abs 1 S 1 SGB III aF ein Vertrag geschlossen worden sein, der der Schriftform bedurfte. Nach Abs 1 S 3 dieser Vorschrift gehörten zu den Leistungen der Vermittlung auch alle Leistungen, die zur Vorbereitung und Durchführung der Vermittlung erforderlich waren, insbesondere die Feststellung der Kenntnisse des Arbeitsuchenden sowie die mit der Vermittlung verbundene Berufsberatung.
Einen entsprechenden Vertrag schloss der Kläger mit der Beigeladenen, die er erfolgreich an die Zeitarbeitsfirma T. vermittelte, sodass dem Kläger - unstreitig - ein Anspruch auf die Zahlung der ersten Rate der Vermittlungsvergütung iHv 1000 Euro zustand, die die Beklagte ihm auch auszahlte. Hingegen liegen - entgegen der Auffassung des LSG - die rechtlichen Voraussetzungen für die Auszahlung weiterer 1000 Euro nicht vor. Denn in Bezug auf das von der Beigeladenen zur Firma A. eingegangene Beschäftigungsverhältnis zum 1.4.2011 fehlt es an der Vermittlung dieses Beschäftigungsverhältnisses durch den Kläger als vergütungsfähige Maßnahme.
Eine eigene Vermittlungstätigkeit erfordert nach dem Vermittlungsbegriff des § 652 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) (zu dessen Anwendbarkeit vgl BSGE 100, 238 = SozR 4-4300 § 421g Nr 3, RdNr 12 mwN), dass der Vermittler als Dritter in Kontakt sowohl mit dem Arbeitsuchenden als auch dem Arbeitgeber tritt und durch seine Tätigkeit aktiv die Abschlussbereitschaft beider derart fördert (Kausalität), dass ein Arbeitsvertrag geschlossen wird. Dass ein Kausalzusammenhang zwischen der Vermittlungsleistung und dem Vermittlungserfolg notwendig ist, folgt aus der Formulierung des § 296 Abs 2 S 1 SGB III, der mit der adverbialen Verbindung "infolge der Vermittlung" dieselbe Kausalität wie § 652 Abs 1 S 1 BGB ("infolge der Vermittlung") aufgreift (vgl Senatsurteil vom 23.2.2011 - B 11 AL 10/10 R - Juris, RdNr 20; Rixen, NZS 2002, 466, 470).
Zwar ist die Vermittlungstätigkeit weder im allgemeinen Maklerrecht des BGB noch im Bereich des das Maklerrecht überlagernden (vgl hierzu: BSGE 96, 190 = SozR 4-4300 § 421g Nr 1, RdNr 13; BSGE 100, 238 = SozR 4-4300 § 421g Nr 3, RdNr 11; Urmersbach in Eicher/Schlegel, SGB III, § 296 RdNr 33, Stand der Einzelkommentierung November 2011; Rademacker in Hauck/Noftz, SGB III, K § 421g RdNr 21; Spellbrink SGb 2004, 75, 153) öffentlichen Arbeitsförderungsrechts eine höchstpersönlich zu erbringende Verbindlichkeit (vgl zu § 652 BGB etwa: Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil vom 26.2.1998 - 5 U 60/97 - Juris, RdNr 17, insoweit in MDR 1998, 1283 f nicht abgedruckt, und zu §§ 296, 421g SGB III: Kühl/Breitkreuz, NZS 2004, 568, 569). Der private Arbeitsvermittler ist daher weder zu eigenen Vermittlungsbemühungen verpflichtet noch muss er den Vermittlungserfolg durch eigenes Tätigwerden herbeiführen. Er kann sich grundsätzlich vielmehr Personen bedienen, die er zur Erfüllung der von ihm übernommenen Verbindlichkeit im eigenen Pflichtenkreis einsetzt. Da der Makler aber für den Arbeitserfolg entlohnt wird, genügt es nicht, dass seine Tätigkeit für das Zustandekommen des Hauptvertrags "irgendwie" kausal geworden ist. Vielmehr muss sich der Abschluss des Hauptvertrags als Verwirklichung gerade der Gelegenheit darstellen, die bei wertender Betrachtung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung als identisch mit der vom Makler nachgewiesenen Gelegenheit zum Vertragsschluss anzusehen ist (vgl Bundesgerichtshof ≪BGH≫ NJW 2008, 651; BGH NJW-RR 1988, 1397; vgl im Einzelnen: Rademacker in Hauck/Noftz, SGB III, K § 421g RdNr 42 mwN).
Da der private Vermittler im Rahmen des SGB III an die Stelle der ansonsten zuständigen BA tritt und der private Maklervertrag vom öffentlichen Recht überlagert ist, müssen zusätzlich alle Voraussetzungen des § 35 Abs 2 SGB III aF erfüllt sein. Danach muss sich der Vermittler sowohl ein Bild über die Leistungsfähigkeit des Arbeitslosen als auch über die Anforderungen des vermittelten Arbeitsplatzes gemacht haben. Dies macht es erforderlich, dass der Vermittler als Dritter in Kontakt sowohl mit dem Arbeitsuchenden als auch mit dem Arbeitgeber tritt und durch seine Tätigkeit aktiv die Abschlussbereitschaft beider derart fördert (Kausalität), dass ein Arbeitsvertrag geschlossen wird (BSGE 100, 238 = SozR 4-4300 § 421g Nr 3 RdNr 12; Sprau in Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, § 652 RdNr 25, 27). Hieran fehlt es.
Entsprechende Schritte für eine Vermittlung der Beigeladenen in ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bei der Firma A. hat der Kläger nicht unternommen. Er hat sich weder ein Bild über die Anforderungen des Arbeitsplatzes bei dieser Firma gemacht noch ist er zu diesem Arbeitgeber in Kontakt getreten. Daher fehlt es an einer aktiven Förderung der Abschlussbereitschaft zu einem Arbeitsvertrag zwischen der Beigeladenen und der Firma A. im Sinne einer Kausalität der Arbeitsvermittlung gerade in dieses Beschäftigungsverhältnis und an der Zurechenbarkeit der endgültigen Vermittlung in ein Arbeitsverhältnis zum Handeln des Klägers. Vielmehr hat sich im vorliegenden Fall der sog Klebeeffekt der Leiharbeit realisiert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 1, § 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Bei der in § 421g Abs 2 und 3 SGB III aF geregelten Vergütung, die der private Arbeitsvermittler unmittelbar von der BA fordern kann, handelt es sich - anders als beim Anspruch des Arbeitslosen auf Ausstellung eines Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins neuen Rechts (nach § 45 Abs 6 SGB III in der ab 1.4.2012 geltenden Fassung - vgl SG Magdeburg Urteil vom 30.7.2014 - S 18 AL 190/13 - Juris) nicht um eine Sozialleistung iS des § 11 S 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil, sodass der Kläger nicht kostenprivilegiert iS des § 183 SGG ist. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs 3, § 63 Abs 1 S 1 letzter Halbs Gerichtskostengesetz.
Fundstellen