Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 19. Februar 1991 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 26. September 1989 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig sind wechselseitige Erstattungsansprüche der beteiligten Leistungsträger für Aufwendungen aus Anlaß des Unfalles, den die Beigeladene (T.) am 29. Januar 1987 erlitten hat.
T. war im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) der Bundesanstalt für Arbeit in der Wäscherei des Krankenhauses Husum beschäftigt. Während eines Urlaubs erhielt sie vom Kreisgesundheitsamt versehentlich die Rechnung für ein Gesundheitszeugnis, das sie auf Anordnung ihres Arbeitgebers (Kreis Nordfriesland) hatte erstellen lassen. Am 29. Januar 1987 übergab sie diese Rechnung im Kreisgebäude im Büro des Kreises für die Betreuung von ABM-Kräften. Beim Verlassen des Kreisgebäudes stürzte T. auf der Treppe vor dem Eingang Marktstraße und verletzte sich dabei am linken oberen Sprunggelenk. Mit Bescheid vom 26. Januar 1988 lehnte es der Kläger gegenüber T. ab, das Ereignis vom 29. Januar 1987 als Arbeitsunfall anzuerkennen und dafür Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsbehelf eingelegt. Unter gleichem Datum übersandte der Kläger eine Durchschrift dieses Bescheides an die Beklagte „als gemäß § 12 Abs 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches -Verwaltungsverfahren-(SGB X) am Verfahren beteiligter Krankenkasse” und forderte die Beklagte auf, ihm die aus Anlaß des Unfalles aufgewendeten Kosten in Höhe von 1.100,77 DM zu erstatten, da er „andernfalls nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist Klage erheben werde”.
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage in Höhe von 1.002,51 DM stattgegeben, im übrigen die Klage und die von der Beklagten erhobene Widerklage wegen der von ihr als nicht zuständiger Krankenkasse erbrachten Leistungen in Höhe von 2.853,05 DM abgewiesen (Urteil vom 26. September 1989).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Klage unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen und den Kläger verurteilt, der Beklagten 2.853,05 DM zu zahlen (Urteil vom 19. Februar 1991). In seinen Gründen hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe nicht als unzuständiger Versicherungsträger (§ 105 SGB X) Leistungen erbracht, weil T. am 29. Januar 1987 einen als Arbeitsunfall zu qualifizierenden Unfall erlitten habe. Das Einreichen der Rechnung sei nämlich dem Beschäftigungsverhältnis der T. zuzuordnen. „Indem sie sich die Kosten des Gesundheitszeugnisses von der Hand halten lassen wollte, verfolgte sie zwar auch eigene, vorrangig – und mithin wesentlich – aber dem Unternehmen dienliche Ziele. Denn ihr die Kosten für das betrieblich veranlaßte Gesundheitszeugnis von der Hand zu halten, war selbstverständliche Verpflichtung des Arbeitgebers, die hier durch den Zugang der Rechnung bei T. unterlaufen zu werden drohte”. Aus diesem Grunde sei die auf § 1504 der Reichsversicherungsordnung (in der bis zum 31. Dezember 1988 gültig gewesenen Fassung -RVO aF-: aufgehoben durch Art 5 Nr 36 Gesundheits-Reformgesetz vom 20. Dezember 1988 -BGBl I S 2477-) gestützte Widerklage der Beklagten in vollem Umfang begründet. Diesem Ergebnis stehe der ablehnende Bescheid des Klägers vom 26. Januar 1988 nicht entgegen; denn dieser habe nur die Verletzte, nicht dagegen die Beklagte binden können. Ob die Beklagte überhaupt wirksam zum Verfahren hinzugezogen worden sei, könne dahinstehen; jedenfalls habe sie den Bescheid innerhalb der maßgeblichen Einjahresfrist durch die Widerklage rechtzeitig angefochten. Die Rechtsbehelfsbelehrung habe allein der Verletzten gegolten. Der nach der Geschäftsverteilung des LSG für Angelegenheiten aus der gesetzlichen Krankenversicherung zuständige Senat sei auch für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits berufen gewesen. Denn Gegenstand der Klage sei der Anspruch des vermeintlich unzuständigen Unfallversicherungsträgers gegen die beklagte Krankenkasse und betreffe somit eine Leistung aus der gesetzlichen Krankenversicherung.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision macht der Kläger geltend, das LSG habe die §§ 548, 550 RVO unrichtig angewandt. Insbesondere habe das LSG die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze verkannt, wonach ein Arbeitsunfall nur anzunehmen sei, wenn sich der Unfall bei einer Tätigkeit ereigne, die geeignet sei, dem Unternehmen zu dienen. Für eine solche Zuordnung fehle es im vorliegenden Fall deshalb, weil das Überbringen der irrtümlich zugestellten Rechnung ganz überwiegend den privaten Interessen der T. gedient habe. Aus den Gesamtumständen könne nur geschlossen werden, daß T. den Weg zum Kreisgebäude unternommen habe, um die Rechnung nicht bezahlen zu müssen. Daß die Rechnung vom Arbeitgeber zu begleichen gewesen sei, könne den erforderlichen inneren Zusammenhang zwischen der unfallbringenden Tätigkeit und dem Beschäftigungsverhältnis nicht begründen. Auch könne dem LSG insoweit nicht gefolgt werden, als es für die Bindungswirkung von Bescheiden gegenüber gemäß § 12 Abs 2 SGB X hinzugezogenen Verfahrensbeteiligten verlange, daß diesen eine eigenständige Rechtsbehelfsbelehrung erteilt werde. Ein weiteres Problem sei die Zuständigkeit des 1. Senats des LSG: Wenn man davon ausgehe, daß das Vorliegen eines Arbeitsunfalles im Mittelpunkt des Rechtsstreits stehe, könnte die Auffassung vertreten werden, daß der 4. Senat des LSG für die Entscheidung zuständig gewesen wäre.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 19. Februar 1991 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 26. September 1989 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene hat keine Anträge gestellt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist begründet.
Der Senat konnte in der Sache entscheiden, ohne den Rechtsstreit wegen Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen zu müssen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang die Frage aufwirft, ob nicht anstelle des Krankenversicherungssenats des LSG der für die Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung zuständige Senat hätte entscheiden müssen, beinhaltet diese Fragestellung keine substantiierte Rüge iS von § 162 iVm § 31 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), die im Revisionsverfahren zu beachten wäre. Unabhängig hiervon hat der Kläger auch nicht dargelegt, weshalb ein willkürlicher Verstoß gegen den Geschäftsverteilungsplan des LSG vorgelegen haben soll (zur Zuständigkeit der Fachsenate bei Erstattungsansprüchen vgl BSG SozR 1500 § 31 Nr 3). Ein Verstoß gegen die gesetzliche Bildung von Fachsenaten liegt nicht vor, weil sowohl der für Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung als auch der für Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung zuständige Senat des LSG auf dem Gebiet der Sozialversicherung tätig sind.
Entgegen der Auffassung des LSG ist der Anspruch des Klägers auf Erstattung der im Zusammenhang mit dem Unfall der T. aufgewendeten Kosten in Höhe von 1.002,51 DM nach § 105 SGB X begründet, weil es sich bei dem Unfall vom 29. Januar 1987 nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt hat. Der auf § 1504 RVO aF gestützte Erstattungsanspruch der Beklagten ist demzufolge unbegründet.
Nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 542 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Grundsätzlich beschränkt sich der Versicherungsschutz des – hier in Betracht kommenden -§ 548 Abs 1 iVm § 539 Abs 1 Nr 1 RVO auf Tätigkeiten, die im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses selbst verrichtet werden. Damit sind vor allem die Tätigkeiten gemeint, zu denen sich der Versicherte als Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber verpflichtet hat oder die auf der Grundlage dessen wesentlich dem Betrieb des Unternehmens zu dienen bestimmt sind (vgl BSG SozR 2200 § 539 Nr 119; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl S 479h IV; Urteil des erkennenden Senats vom 27. Juni 1991 – 2 RU 8/91 –, SuP 1991, 775 f). Davon zu unterscheiden sind solche Handlungen, die wesentlich dem privaten unversicherten Lebensbereich des Versicherten zuzurechnen sind. Maßgeblich ist der innere Zusammenhang zwischen der zum Unfall führenden Verrichtung und der versicherten Tätigkeit. Bei der Feststellung dieser sachlichen Verknüpfung geht es um die Ermittlung der Grenze, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht, und nicht um die Frage der Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne (BSGE 58, 76, 77).
Nach diesen in Rechtsprechung und Schrifttum entwickelten Rechtsgrundsätzen besteht der für den Versicherungsschutz erforderliche innere Zusammenhang im vorliegenden Fall nicht. Das Überbringen der versehentlich T. zugestellten Rechnung an die ABM-Betreuungsstelle ist vielmehr wesentlich dem eigenwirtschaftlichen Lebensbereich der T. zuzuordnen. Diese Verrichtung war ihrer Handlungstendenz gemäß darauf ausgerichtet, die Rechnung des Gesundheitsamtes nicht bezahlen zu müssen, und betraf daher wesentlich allein die privaten Vermögensinteressen der Verletzten. T. hat mit dem Überbringen der Rechnung weder Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllt, noch hat sie damit ihren Arbeitgeber von irgendwelchen Pflichten befreit. Daß sie ihren Arbeitgeber mit der Übergabe der Rechnung von dem Irrläufer und damit von dessen Zahlungspflicht gegenüber dem Gesundheitsamt in Kenntnis gesetzt hat, berührt zwar die betriebliche Sphäre, doch ist nicht jede das Beschäftigungsverhältnis betreffende Handlung deshalb auch dem Unternehmen wesentlich dienlich. So hat der Senat zB die Meldung bei der Ausländerbehörde als nicht im wesentlichen Interesse des Arbeitgebers liegend angesehen, obwohl dieser Erlaubnis für den Ausländer nicht nur Bedeutung für den Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland zukam, sondern die Erlaubnis auch Voraussetzung für die Arbeitsaufnahme war (BSGE 36, 222, 223). Auch hat der Senat das Besorgen einer Lohnsteuerkarte (BSGE 11, 154, 155) oder eines Krankenscheins außerhalb der Arbeitszeit (BSGE 17, 11, 13) sowie den Weg vom Arbeitsgericht nach der Teilnahme an einem Kündigungsschutzprozeß (BSG SozR 2200 § 548 Nr 96) dem unversicherten persönlichen Lebensbereich des Arbeitnehmers zugerechnet.
Treten bei der zum Unfall führenden Verrichtung betriebsbezogene Umstände – wie hier – derart in den Hintergrund, daß sie gegenüber den eigenwirtschaftlichen Interessen des Arbeitnehmers rechtlich unwesentlich sind, ist Versicherungsschutz zu verneinen.
Im Hinblick auf dieses Ergebnis kann dahinstehen, ob der Anspruch des Klägers möglicherweise auch deshalb begründet ist, weil der ablehnende Bescheid des Klägers vom 26. Januar 1988 gegenüber der zum Verwaltungsverfahren hinzugezogenen Beklagten (§ 12 Abs 1 Nr 4 SGB X) bezüglich der Vorfrage (Arbeitsunfall?) für das Erstattungsverfahren bindende Drittwirkung entfalten konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen