Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Juni 1997 wird zurückgewiesen.
Das beklagte Land hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Erziehungsgeldes (Erzg) für den 7. bis 12. Lebensmonat des am 4. Mai 1994 geborenen Kindes C.
Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 1. August 1994 Erzg in Höhe von 268 DM monatlich. Da die Klägerin nach der Geburt des Kindes nicht erwerbstätig war, wurden nur die voraussichtlichen Einkünfte ihres Ehemannes im Jahr 1994 berücksichtigt. Die Eheleute sind 1994 steuerlich gemeinsam veranlagt worden. Der Beklagte berücksichtigte neben Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 40.000 DM Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 20.000 DM. Von letzteren setzte er Werbungskosten in Höhe von 100 DM und einen Sparer-Freibetrag in Höhe von 6.000 DM ab. Hieraus ergab sich nach Abzug der Pauschale von 27% (§ 6 Abs 1 Nr 1 Bundeserziehungsgeldgesetz ≪BErzGG≫) ein zu berücksichtigendes Einkommen in Höhe von 39.347 DM, das den maßgebenden Freibetrag von 29.400 DM um 9.947 DM überstieg. Der monatliche Zahlbetrag des Erzg wurde dementsprechend um 332 DM gekürzt. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin unter Hinweis auf § 20 Abs 4 Einkommensteuergesetz (EStG) geltend, daß bei gemeinsamer Veranlagung 12.000 DM als Sparer-Freibetrag anzusetzen seien. Der Beklagte lehnte eine Berücksichtigung des Sparer-Freibetrags des Ehegatten jedoch ab.
Das Sozialgericht (SG) hat den Beklagten verurteilt, der Klägerin für den 7. bis 12. Lebensmonat ihres Kindes höheres Erzg unter Berücksichtigung eines um 6.100 DM erniedrigten Einkommens zu zahlen. Es hat sowohl den Sparer-Freibetrag als auch die Werbungskostenpauschale der Klägerin auf die Einkünfte ihres Ehegatten aus Kapitalvermögen angerechnet (Urteil vom 9. Februar 1996). Die hiergegen eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 6. Juni 1997). § 6 Abs 1 BErzGG verweise wie die entsprechende Vorschrift im Bundeskindergeldgesetz ≪BKGG≫ (§ 11 Abs 1 BKGG) uneingeschränkt auf die Bestimmungen des EStG. Hierbei handele es sich um eine „Rechtsgrundverweisung”, so daß prinzipiell alle einkommensteuerrechtlichen Regelungen anzuwenden seien. Dies schließe es aus, bei der Einkommensbemessung im Rahmen des BErzGG das EStG abweichend anzuwenden. Nach § 20 Abs 4 EStG und den hierzu ergangenen Richtlinien sei bei gemeinsamer Veranlagung der unverbrauchte Steuerfreibetrag eines Ehegatten auf den anderen Ehegatten zu übertragen. Der Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, daß es sich hierbei um einen nach dem BErzGG nicht zulässigen Verlustausgleich handele.
Mit der vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Revision rügt das beklagte Land eine Verletzung des § 6 Abs 1, 2 und 3 BErzGG. § 6 Abs 1 BErzGG enthalte keine Rechtsgrundverweisung auf das EStG. Die Formulierung des Gesetzgebers „…gilt als Einkommen…” zeige, daß spezielle, nicht ausdrücklich in § 2 Abs 1 und 2 EStG erwähnte steuerrechtliche Regelungen bei der Ermittlung des Einkommens iS des BErzGG keine Anwendung finden. Vielmehr umschreibe der Verweis in § 6 Abs 1 BErzGG nur die zu berücksichtigenden Einkunftsarten. Daß die vom Einkommen abzusetzenden Beträge losgelöst vom Steuerrecht zu ermitteln seien, machten auch die in § 6 Abs 1 Nrn 1 bis 3 BKGG aufgeführten Abzugsbeträge deutlich. Die steuerlichen Vorteile aus der nur für Ehegatten in Betracht kommenden Zusammenveranlagung könnten auch nach ihrem Sinn und Zweck bei der Einkommensfeststellung nach dem BErzGG nicht berücksichtigt werden. Sinn und Zweck der Gewährung des Erzg sei es, die Betreuung und Erziehung des Kindes zu fördern, wo hingegen die Zusammenveranlagung nach dem Einkommensteuerrecht die Nachteile der sog Haushaltsbesteuerung durch das ab dem 1. Januar 1958 geltende Splitting-Verfahren ausgleiche. Schließlich spreche die vom Gesetzgeber mit der Neufassung des § 6 BErzGG unter anderem beabsichtigte Vereinfachung der prognostischen Einkommensfeststellung dagegen, in die Einkommensprognose auch die Frage einzubeziehen, ob die Eheleute in dem im Zeitpunkt der Prognoseentscheidung für das laufende Kalenderjahr noch nicht durchgeführten Steuerverfahren die getrennte steuerliche Veranlagung oder die Zusammenveranlagung wählen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Juni 1997 sowie das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 9. Februar 1996 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat in Übereinstimmung mit dem SG zutreffend entschieden, daß der Klägerin für den siebten bis zwölften Lebensmonat ihres Sohnes höheres Erzg unter Berücksichtigung eines um 6.100 DM erniedrigten Einkommens zusteht. Die Anwendung des § 20 Abs 4 EStG ist durch § 6 BErzGG nicht ausgeschlossen.
Maßgebend für den Anspruch der Klägerin ist das BErzGG in der am 1. Januar 1994 in Kraft getretenen Fassung des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I S 2353); sie ist inhaltsgleich mit der Bekanntmachung des BErzGG vom 31. Januar 1994 (BGBl I S 180 – im Folgenden: BErzGG 1994). Diese Fassung ist anzuwenden, weil der Sohn nach dem 31. Dezember 1993 geboren wurde (§ 39 Abs 2 BErzGG 1994).
Gemäß § 5 Abs 2 Satz 2 BErzGG 1994 wird das Erzg vom Beginn des siebten Lebensmonats an gemindert, wenn das Einkommen nach § 6 BErzGG 1994 bei Verheirateten, die von ihrem Ehegatten nicht dauernd getrennt leben, 29.400 DM übersteigt. Die Einkommensgrenze erhöht sich um 4.200 DM für jedes weitere Kind des Berechtigten oder seines nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten, für das ihm oder seinem Ehegatten Kindergeld gewährt wird oder ohne die Anwendung des § 8 Abs 1 BKGG gewährt würde. Die Ermittlung des Einkommens richtet sich infolge des gesetzlichen Verweises nach § 6 BErzGG 1994. Zu berücksichtigen ist danach das Einkommen des Berechtigten und seines Ehepartners, soweit sie nicht dauernd getrennt leben (Abs 3 Satz 1); gleiches gilt bei Eltern, die in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben (Abs 3 Satz 2). Dabei ist für die Minderung des Erzg im ersten bis zwölften Lebensmonat des Kindes das voraussichtliche Einkommen im Kalenderjahr der Geburt des Kindes maßgebend (Abs 2 Satz 1). Ausgenommen sind jedoch vor der Geburt erzielte Einkünfte des Berechtigten aus Erwerbstätigkeit, wenn der Berechtigte in der Zeit des Erzg-Bezuges nicht erwerbstätig ist (Abs 6 Satz 1). Als Einkommen gilt die nicht um Verluste in einzelnen Einkommensarten zu vermindernde Summe der positiven Einkünfte iS des § 2 Abs 1 und 2 EStG, wobei ein Betrag von 27 vH der Einkünfte und bei Personen iS des § 10c Abs 3 EStG, zu denen ua Beamte gehören, ein Betrag von 22 vH der Einkünfte abzuziehen ist (Abs 1 Nr 1). Weitere, hier nicht einschlägige Abzugsregelungen finden sich in § 6 Abs 1 Nrn 2 und 3 BErzGG 1994. Zu den in § 2 Abs 1 EStG aufgeführten Einkommensarten, die der Einkommensteuer unterliegen, zählen ua Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Nr 4) und aus Kapitalvermögen (Nr 5), wobei jeweils der Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten anzusetzen ist (§ 2 Abs 2 Nr 2, §§ 8 bis 9a EStG).
Der Verweis des § 6 Abs 1 BErzGG 1994 auf § 2 Abs 1 und 2 EStG beschränkt sich nicht nur, wie der Beklagte meint, auf die Festlegung der zu berücksichtigenden Einkommensarten, sondern er bezieht sich auch auf die für die Berechnung der jeweiligen Einkünfte maßgeblichen Vorschriften des Einkommensteuerrechts. Soweit Ausnahmen gelten sollen, hat der Gesetzgeber dies in § 6 BErzGG 1994 ausdrücklich – und abschließend – angeordnet. Für die Berechnung der zur Einkommensteuer heranzuziehenden Einkünfte aus Kapitalvermögen hat er eine solche Ausnahmeregelung nicht getroffen. Deshalb ist für die Berechnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen § 20 EStG uneingeschränkt heranzuziehen. Nach § 20 Abs 4 EStG wird Ehegatten, die zusammen veranlagt werden, ein gemeinsamer Sparer-Freibetrag von 12.000 DM gewährt (Satz 2). Dieser Freibetrag ist bei der Einkommensermittlung bei jedem Ehegatten je zur Hälfte abzuziehen. Sind aber die um die Werbungskosten geminderten Kapitalerträge eines Ehegatten niedriger als 6.000 DM, so ist der anteilige Sparer-Freibetrag insoweit, als er die um die Werbungskosten geminderten Kapitalerträge dieses Ehegatten übersteigt, beim anderen Ehegatten abzuziehen (Satz 3). Werbungskosten sind in nachgewiesener Höhe, mindestens aber in Höhe des Pauschbetrages von 100 DM für jeden Ehegatten anzusetzen. Dabei können zusammen veranlagte Ehegatten mindestens einen Pauschbetrag von 200 DM beanspruchen, auch wenn nur einer von ihnen Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt hat (§ 9a Abs 1 Nr 1b EStG).
Diese Regelung haben die Vorinstanzen zutreffend angewandt. Da die Klägerin und ihr Ehemann für das Jahr 1994 zusammen veranlagt worden sind (§§ 26 und 26b EStG) und diese Entscheidung auch als die steuerrechtlich naheliegende Lösung vorauszusehen war (§ 6 Abs 2 BErzGG 1994), stand ihnen bei gemeinsamen Kapitaleinkünften in Höhe von 20.000 DM neben den Werbungskostenpauschalen in Höhe von 200 DM ein gemeinsamer Sparer-Freibetrag von 12.000 DM zu, so daß für das Jahr 1994 Kapitalerträge in Höhe von 7.800 DM herangezogen werden durften. Das nach § 5 Abs 2 und 3 BErzGG 1994 anzurechnende Einkommen belief sich damit auf monatlich 183,13 DM (statt 332 DM). Aus der Differenz von 416,87 DM zum Erzg von 600 DM resultiert ein gerundeter Zahlbetrag von 417 DM (§ 5 Abs 4 Satz 4 BErzGG 1994).
Für die weite Auslegung der Verweisungsregelung des § 6 Abs 1 BErzGG 1994 spricht insbesondere die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift. Die derzeit gültige Fassung des § 6 BErzGG 1994 geht zurück auf das Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG) vom 23. Juni 1993 (BGBl I S 944), das am 27. Juni 1993 in Kraft getreten ist (Art 43 Abs 1 FKPG). Bis dahin galt die Regelung des § 6 BErzGG idF vom 25. Juli 1989 (BGBl I S 1550 – im Folgenden: BErzGG 1989). Nach dieser Vorschrift war – ebenso wie nach § 6 BErzGG in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes vom 6. Dezember 1985 (BGBl I S 2154) – für die Einkommensermittlung nicht das „aktuelle Jahr”, sondern grundsätzlich das vorletzte Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes maßgebend. Die in jenem Jahr erzielten positiven Einkünfte iS des § 2 Abs 1 und 2 EStG des Berechtigten und seines nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten waren hierfür heranzuziehen, „und zwar so, wie sie der Besteuerung zugrunde gelegt worden sind” (§ 6 Abs 1 Satz 1 BErzGG 1989). Die Ermittlung des Einkommens erfolgte also nach steuerrechtlichen Kriterien. Das zu versteuernde Einkommen, die Einkommensteuer, die Kirchensteuer, die anerkannten Vorsorgeaufwendungen und die sonstigen in § 6 Abs 2 BErzGG 1989 genannten Abzugsposten hatten die Erzg-Behörden aus den Steuerbescheiden zu übernehmen. Soweit ein Steuerbescheid noch nicht erteilt war, hatten die Erzg-Behörden das maßgebende Einkommen anhand der vom Berechtigten glaubhaft zu machenden Angaben nach den Vorschriften des EStG vorläufig zu ermitteln und das Erzg unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu gewähren (§ 6 Abs 1 Satz 1 und 3, Abs 4 Satz 3 BErzGG 1989); die endgültige Bewilligung des Erzg erfolgte dann nach Vorlage des Steuerbescheids. Aus der umfassenden Bindung der Einkommensermittlung an steuerrechtliche Vorgaben ergab sich zwangsläufig, daß die Einkünfte aus Kapitalvermögen nur in Höhe des zu versteuernden Anteils als „positive Einkünfte iS des § 2 Abs 1 und 2 EStG” heranzuziehen waren, diese Einkünfte also in Höhe des Sparer-Freibetrags und des die tatsächlich aufgewendeten Werbungskosten übersteigenden Teils der Werbungskostenpauschale (§ 20 Abs 4 EStG) von vornherein unberücksichtigt blieben, obgleich diese Einkünfte den Berechtigten und ihren Familien für die Bestreitung ihres Lebensunterhalts tatsächlich zur Verfügung standen. Der Gesetzgeber hat dies als zu vernachlässigende Nebenfolge seiner prinzipiellen Entscheidung, die Einkommensermittlung im Erzg-Recht strikt an steuerrechtlichen Vorgaben zu binden, und im Interesse einer vereinfachten Verwaltungspraxis in Kauf genommen (vgl hierzu BSG SozR 3-7833 § 6 Nr 3). Dies galt nicht nur für die Zeit von 1986 bis 1992, als sich der Sparer-Freibetrag auf zunächst 300 DM bzw für zusammen veranlagte Ehegatten auf 600 DM (1986 bis 1988) und später auf 600 DM bzw 1.200 DM (1989 bis 1992) belief, dieser im Rahmen der Einkommensermittlung nicht anzurechnende Teil des tatsächlich zur Verfügung stehenden Einkommens also relativ gering war. Der Gesetzgeber hat die zum Jahre 1993 vorgenommene und bis heute gültige Verzehnfachung des Sparer-Freibetrages (6.000 DM bzw 12.000 DM) durch das Zinsabschlagsgesetz vom 9. November 1992 (BGBl I S 1853) nicht zum Anlaß genommen, die Regelung des § 6 Abs 1 BErzGG 1989 über die strikte Bindung der Einkommensermittlung an die steuerrechtlichen Vorgaben dem Umstand anzupassen, daß nunmehr tatsächlich zur Verfügung stehende Einkünfte aus Kapitalvermögen in so großem Umfang nicht als „positive Einkünfte” anzurechnen waren, den Anspruch auf Erzg insoweit also nicht mindern konnten.
An dieser grundsätzlichen Bindung der Einkommensermittlung im Erzg-Recht an die Vorschriften des Einkommensteuerrechts hat sich durch die Reform des § 6 BErzGG durch das FKPG nichts geändert, mit der diese Vorschrift ihre derzeit gültige und auf alle ab 1. Juli 1993 geborenen Kinder anwendbare (§ 39 Abs 2 BErzGG) Fassung erhalten hat. In der Erkenntnis, daß die Einkommen in Deutschland im „aktuellen Jahr” in aller Regel höher sind als im vorletzten Jahr vor der Geburt des Kindes, der Einspareffekt beim Erzg sich bei der Einkommensermittlung anhand des laufenden Kalenderjahres also vergrößern läßt, ist der Gesetzgeber mit dem FKPG, das ausdrücklich dem Ziel der Entlastung öffentlicher Haushalte diente (BT-Drucks 12/4401 S 4 und 75), auf die Ermittlung des Einkommens im „aktuellen Jahr” übergegangen. Weil damit die bisher mögliche Benutzung der Steuerunterlagen ausschied, die daraus resultierende Verwaltungsvereinfachung aber nicht aufgegeben werden sollte, wurde statt dessen der in § 6 Abs 1 BErzGG 1994 niedergelegte Pauschalabzug von 27 bzw 22 vH des Einkommens eingeführt. Die Pauschalierung der Abgabenlast ersetzt den Abzug der vom Finanzamt festgesetzten Beträge der Einkommensteuer, der Kirchensteuer und der Vorsorgeaufwendungen. Der Sinn der Neuregelung des § 6 Abs 1 BErzGG 1994 lag also darin, eine durch die nicht mehr mögliche Nutzung der Steuerunterlagen erforderliche anderweitige, für die Erzg-Behörden ebenso leicht zu handhabende Form der Einkommensermittlung zu schaffen. Den Gesetzesmaterialien läßt sich hingegen nicht entnehmen, daß eine über die notwendig gewordene Ausnahmeregelung des § 6 Abs 1 BErzGG 1994 hinausgehende Lösung von der Einkommensermittlung nach den Vorschriften des Einkommensteuerrechts beabsichtigt war, die entsprechende Anwendung des § 20 Abs 4 Satz 2 und 3 EStG also nicht länger zulässig sein sollte. Die grundsätzliche Bindung der Einkommensermittlung im Erzg-Recht an steuerrechtliche Vorgaben ist nämlich erhalten geblieben.
Die Bindung an steuerrechtliche Vorgaben schließt es aus, im Erzg-Recht das Einkommen nach eigenständigen, etwa an der Zielrichtung des BErzGG ausgerichteten Kriterien zu bestimmen. Es ist daher nicht möglich, eine nur von Sinn und Zweck des Erzg ausgehende Festlegung des Einkommens vorzunehmen und zB allgemein alle Einkünfte zu berücksichtigen, die für die Lebensführung des Berechtigten und seiner Familie tatsächlich zur Verfügung stehen (so bereits BSG SozR 3-7833 § 6 Nr 3 zu § 6 BErzGG 1989).
Der Anwendung des § 20 Abs 4 Satz 2 und 3 EStG kann auch nicht der Einwand entgegengehalten werden, bei der prognostischen Einkommensermittlung, wie sie in § 6 Abs 2 BErzGG 1994 vorgesehen ist, stehe nicht mit hinreichender Sicherheit fest, ob die Ehegatten die gemeinsame steuerliche Veranlagung (§§ 26, 26b EStG) wählen werden; die gemeinsame Ausschöpfung eines Sparer-Freibetrags von 12.000 DM nach § 20 Abs 4 Satz 2 und 3 EStG setze aber diese Wahl gerade voraus; die Verwaltung stehe hier vor erheblichen Problemen bei der Beurteilung steuerrechtlicher Sachverhalte, was dem Zweck der Verwaltungspraktikabilität zuwiderlaufe. Die Frage, welche Art der steuerlichen Veranlagung Ehegatten im laufenden Kalenderjahr wählen werden, läßt sich nämlich im Wege vorausschauender Betrachtung mit hinreichender Sicherheit und ohne nennenswerten Verwaltungsaufwand beurteilen. Erfahrungsgemäß wählen Ehegatten in der weit überwiegenden Zahl der Fälle die gemeinsame Veranlagung, weil Sachverhalte, in denen eine getrennte Veranlagung zu einer geringeren Steuerbelastung führt, sehr selten sind. Der Gesetzgeber hat dem Umstand, daß diese Veranlagung in aller Regel steuerlich günstiger ist, auch dadurch Rechnung getragen, daß die gemeinsame Veranlagung grundsätzlich vorzunehmen ist, soweit die Ehegatten die getrennte Veranlagung nicht ausdrücklich beantragen (§ 26 Abs 3 EStG). Die Erzg-Behörden dürfen mithin ohne weiteres davon ausgehen, daß die Ehegatten die gemeinsame steuerliche Veranlagung wählen werden, es sei denn, es gibt bereits deutliche Anhaltspunkte für eine bevorstehende getrennte Veranlagung (§ 26a EStG). So kann zB die Wahl der getrennten Veranlagung im Vorjahr ein Indiz für eine gleichartige Festlegung für das laufende Kalenderjahr sein.
Durch die Anwendung von § 20 Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 EStG findet entgegen der Auffassung des Beklagten auch kein Verlustausgleich statt, den der Gesetzgeber durch § 6 Abs 1 BErzGG ausdrücklich für unzulässig erklärt hat. § 20 Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 EStG regelt nämlich nicht, wie Verluste eines Ehegatten in anderen Einkommensarten beim Vorhandensein von Einkünften aus Kapitalvermögen zu behandeln sind. Es ist dort nur geregelt, wie zu verfahren ist, wenn ein Ehegatte den ihm zustehenden Sparer-Freibetrag nicht ausgeschöpft hat, der andere Ehegatte hingegen Zinseinkünfte erzielt hat, die den ihm zustehenden Sparer-Freibetrag übersteigen. Die Vorschrift beschränkt sich also auf die Regelung der Frage, wie die positiven Einkünfte aus Kapitalvermögen beider Ehegatten wegen des Grundsatzes der getrennten Einkommensermittlung im Steuerrecht (vgl § 26b EStG) mit Blick auf den gemeinsamen Sparer-Freibetrag von 12.000 DM zu berechnen sind. Fragen des Verlustausgleiches bei der Ermittlung der Einkommensteuer werden damit nicht behandelt.
Die Heranziehung des § 20 Abs 4 Satz 2 und 3 EStG bei der Einkommensermittlung nach § 6 BErzGG 1994 führt auch nicht zu einer verfassungswidrigen „Benachteiligung” von Partnern einer eheähnlichen Gemeinschaft und von dauernd getrennt lebenden Ehegatten im Vergleich zu nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten, denen allein die Wahl der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung und damit die Übertragung des von einem Ehegatten nicht ausgeschöpften Sparer-Freibetrages auf den anderen Ehegatten mit der Folge einer verringerten Einkommensanrechnung nach § 6 Abs 1 BErzGG 1994 eröffnet ist. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetzes (GG) ist nicht verletzt, so daß offenbleiben kann, ob Folge einer solchen Verletzung die Versagung einer Übertragung des nicht ausgeschöpften Freibetrages auch für zusammen veranlagte Ehegatten sein muß. Die Zusammenveranlagung ist nur dort gerechtfertigt, wo beide Ehegatten eine Wirtschaftsgemeinschaft, also eine wirtschaftliche Einheit bilden (vgl § 26 EStG). Dauernd getrennt lebende Ehegatten stellen eine solche wirtschaftliche Einheit nicht mehr dar. Sie führen zwei Haushalte und sind damit Alleinstehenden vergleichbar, die auch nur den ihnen zustehenden Sparer-Freibetrag von 6.000 DM in Anspruch nehmen können. Dementsprechend hat der Gesetzgeber bei dauernd getrennt lebenden Ehegatten auf eine Berücksichtigung des Einkommens des anderen Ehegatten auch verzichtet. Hingegen hat er die Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft im Zuge des FKPG zum 1. Juli 1993 den nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten mit Blick auf die in beiden Fällen vorliegende Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft gleichgestellt und auch bei ihnen die bis dahin nicht vorgesehene Berücksichtigung des Einkommens des Partners angeordnet (§ 6 Abs 3 Satz 2 BErzGG 1994). Finanziell sind Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft trotz dieser äußerlichen Gleichbehandlung im BErzGG mit nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten allerdings schlechter gestellt, da sie nicht den Splittingtarif und die Regelung des § 20 Abs 4 Satz 2 und 3 EStG in Anspruch nehmen können und ihre tatsächliche steuerliche Belastung folglich höher sein kann. Hierin liegt aber kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Die Schlechterstellung durch die einheitliche Anwendung pauschaler Abzüge von 27 bzw 22 vH der positiven Einkünfte und die Abhängigkeit der Höhe der positiven Einkünfte aus Kapitalvermögen von der Anwendbarkeit des § 20 Abs 4 Satz 2 und 3 EStG ist Folge der vom Gesetzgeber bewußt und für alle Betroffenen gleichermaßen vollzogenen Abkehr von der Berücksichtigung der Höhe der individuellen Belastungen aus Einkommensteuer, Kirchensteuer, Vorsorgeaufwendungen und Sonderausgaben (§ 6 Abs 2 BErzGG 1989) und der für alle Betroffenen gleichermaßen geltenden grundsätzlichen Bindung der Einkommensermittlung an die Vorgaben des Steuerrechts. Der Gesetzgeber hat damit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz Rechnung getragen. Es liegt auch kein Verstoß gegen Art 6 Abs 1 GG vor, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 6, 55, 69 ff; 67, 186 = SozR 4100 § 139 Nr 1; BVerfGE 75, 361 und 76, 126) dürfen zwar Ehen prinzipiell nicht schlechter gestellt werden als eheähnliche Gemeinschaften. Es gibt jedoch kein verfassungsrechtliches Gebot, eheähnliche Gemeinschaften in finanziellen Angelegenheiten stets und in vollem Umfang den Ehen gleichzustellen. Daher ist der Gesetzgeber aus Rechtsgründen auch nicht aufgerufen, die Vorschrift des § 6 Abs 1 BErzGG 1994 etwa in der Richtung zu ändern, daß der einheitlich für nicht dauernd getrennt lebende Eheleute und für Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft geltende pauschale Abzug von 27 bzw 22 vH der Einkünfte nur noch auf Eheleute anzuwenden ist und Partnern einer eheähnlichen Gemeinschaft zum Ausgleich für den ihnen verschlossenen Splittingtarif ein entsprechend höherer pauschaler Abzug zu gewähren (so bereits BSG SozR 3-7833 § 6 Nr 12) oder für sie die entsprechende Anwendung des § 20 Abs 4 Satz 2 und 3 EStG anzuordnen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
HFR 1999, 580 |
ZAP 1998, 648 |
NJ 1999, 279 |
SGb 1998, 363 |