Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Bemessungsentgelt in Sonderfällen. Gleichstellung des Vorbezugs von Unterhaltsgeld. Verfassungsmäßigkeit. Arbeitslosenversicherung. Höhe des Arbeitslosengeldes. Gesetzlich normierte Erhöhung des Bemessungsentgeltes. Besitzstandswahrung nach Vorbezug von Arbeitslosengeld/Arbeitslosenhilfe. Analoge Anwendung auf den Vorbezug von Unterhaltsgeld
Leitsatz (amtlich)
Bei der Berechnung des Bemessungsentgelts ist der den Arbeitslosengeldbezug ersetzende Unterhaltsgeldvorbezug für die Zeit nach dem 1.1.1998 wegen einer Parallelität der Interessenlage in entsprechender Anwendung des § 133 Abs 1 SGB 3 (idF des SGB3uaÄndG 2) dem Arbeitslosengeld-/Arbeitslosenhilfevorbezug gleichzustellen (Anschluss an und Fortentwicklung von BSG vom 21.10.2003 – B 7 AL 84/02 R = SozR 4-4300 § 133 Nr 1 und vom 1.6.2006 – B 7a AL 86/05 R = SozR 4-4300 § 133 Nr 3).
Normenkette
SGB III § 133 Abs. 1 Fassung: 1999-07-21, § 131 Abs. 4 Fassung: 2003-12-23, § 328 Abs. 3 S. 3 Fassung: 1997-12-16; GG Art. 3 Abs. 1; SGB III § 117 Abs. 1, § 123 S. 1 Nr. 1, § 129
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. April 2005 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten wegen der Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg).
Der am 6. August 1946 geborene Kläger war vom 1. Juli 1978 bis 31. Mai 1997 als Schaltungstechniker tätig. Vom 2. Juni 1997 bis zum 4. Oktober 1997 bezog er Alg. In der Zeit vom 6. Oktober 1997 bis zum 2. Oktober 1998 nahm der Kläger an einer Maßnahme der beruflichen Bildung (Gebäudeleittechnik-Spezialist) teil. In diesem Zeitraum erhielt er Unterhaltsgeld (Uhg) nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von zuletzt 1.390 DM. Anschließend war er von Montag, dem 5. Oktober 1998 bis zum 30. Juni 2001 mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 37 Stunden/Woche und einem Gesamtarbeitsentgelt für die Zeit von Mai 2000 bis April 2001 in Höhe von 61.802 DM als Elektrotechniker tätig.
Zum 1. Juli 2001 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte Alg, welches die Beklagte durch Bescheide vom 28. Juni 2001 und 6. Juli 2001 in Höhe von 463,82 DM wöchentlich nach einem Bemessungsentgelt von 1.180 DM (Leistungsgruppe A, Kindermerkmal 1) für die Dauer von 780 Tagen bewilligte.
Den gegen die Bescheide vom 28. Juni 2001/6. Juli 2001 und das dort zu Grunde gelegte Bemessungsentgelt gerichteten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 2001 zurück mit der Begründung, eine Besitzstandswahrung nach § 133 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) komme nicht in Betracht, da der Kläger innerhalb der letzten drei Jahre vor der Entstehung des Anspruchs am 1. Juli 2001 weder Alg noch Arbeitslosenhilfe (Alhi) bezogen habe und der in diesen Zeitraum fallende Bezug von Uhg nicht gleichgestellt sei. Das Sozialgericht (SG) Würzburg hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 20. April 2004). Auf die Berufung des Klägers hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, Alg ab 1. Juli 2001 auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts in Höhe von 1.390 DM zu gewähren (Urteil vom 28. April 2005).
In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, der Kläger habe nicht lediglich Anspruch auf Alg nach einem Bemessungsentgelt in Höhe von 1.180 DM, ausgehend von seinem Entgelt im Entgeltabrechnungszeitraum. Er habe vielmehr Anspruch auf Alg nach dem – dynamisierten – Bemessungsentgelt in Höhe von 1.390 DM, welches dem Uhg-Bezug zu Grunde gelegen habe. Zwar sei nach § 133 Abs 1 SGB III nur in den Fällen, in denen der Arbeitslose innerhalb der letzten drei Jahre vor der Entstehung des Anspruchs Alg oder Alhi bezogen habe, das Bemessungsentgelt mindestens das Entgelt, nach dem das Alg oder die Alhi zuletzt bemessen wurde. In entsprechender oder verfassungskonformer Anwendung bzw Auslegung des § 133 Abs 1 Satz 1 SGB III gelte dies jedoch auch für den Uhg-Vorbezug in der Zeit ab dem 1. Januar 1998. Der 7. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) habe in seiner Entscheidung vom 21. Oktober 2003 (B 7 AL 84/02 R) nur eine solche Gleichstellung für die Zeit vor dem 1. Januar 1998 mit Rücksicht auf die wesentlichen Unterschiede zwischen Uhg und Alg/Alhi abgelehnt. Für die daran anschließende Zeit sei demgegenüber zu berücksichtigen, dass mit dem Bezug von Uhg anders als im Geltungsbereich des § 107 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) kein neuer Alg-Anspruch mehr erworben werden könne, der Uhg-Empfänger also nicht mehr wie ein Arbeitnehmer behandelt werde. Das Uhg sei nunmehr nach § 116 Nr 2 SGB III als gleichrangige Entgeltersatzleistung neben dem Alg und der Alhi genannt. Zudem nehme das 1. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt mit Wirkung zum 1. Januar 2003 eine weitere Annäherung der Leistungen durch eine Minderung des Alg-Anspruchs um einen Tag für jeweils zwei Tage mit Anspruch auf Uhg vor (§ 128 Abs 1 Nr 8 SGB III). Hiervon ausgehend seien keine plausiblen Gründe erkennbar, weshalb nicht auch der Vorbezug von Uhg dem Vorbezug von Alg bzw Alhi gleichzustellen sei. Denn die Privilegierung des § 133 Abs 1 SGB III solle nach der Gesetzesbegründung Arbeitslosen zugute kommen, die eine vorhergehende Arbeitslosigkeit mit Bezug von Alg oder Alhi durch eine geringer entlohnte Beschäftigung beendeten.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 133 Abs 1 SGB III. Eine erweiternde Auslegung dieser Vorschrift widerspreche der Grundintention des SGB III nach konsequenterer Durchführung des Versicherungsprinzips. Anders als im Geltungsbereich des AFG sei bei der Bemessung des Alg deshalb grundsätzlich nur noch das Entgelt von Bedeutung, das der Bemessung der Beiträge innerhalb des Bemessungszeitraums zu Grunde liege. Die Anspruchsminderung des § 128 Abs 1 Nr 8 SGB III idF des 1. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt sei demgegenüber aus rein ökonomischen Gesichtspunkten erfolgt und habe nichts mit einer Angleichung von Uhg und Alg zu tun. Diese sei erst zum 1. Januar 2005 durch das 3. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vollzogen worden, in dem das Uhg als eigene Leistungsart aus dem Leistungskatalog des SGB III herausgenommen und durch das Alg bei beruflicher Weiterbildung ersetzt worden sei. Für die vorausgehende Zeit komme deshalb auch der Nennung des Uhg in § 116 Nr 2 SGB III als Entgeltersatzleistung neben Alg und Alhi keine entscheidende Bedeutung zu.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. April 2005 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 20. April 2004 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Kläger trägt ergänzend vor, die Gleichstellung sei insbesondere durch den Schutzzweck der Regelung des § 133 Abs 1 SGB III geboten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision ist nicht begründet.
Die Vorinstanz hat zu Recht entschieden, dass der Kläger Anspruch auf Alg nach dem dem Uhg-Bezug zuletzt zu Grunde liegenden Bemessungsentgelt hat.
Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf Alg für die Zeit ab dem 1. Juli 2001 sind die §§ 117 Abs 1, 123 Satz 1 Nr 1 SGB III idF des 1. SGB III-Änderungsgesetzes vom 16. Dezember 1997 (BGBl I 2970). Das LSG hat in tatsächlicher Hinsicht bindend (§ 163 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) festgestellt, dass der Kläger arbeitslos war, sich arbeitslos gemeldet und eine erneute mindestens zwölfmonatige Anwartschaftszeit aus seiner Tätigkeit als Elektrotechniker vom 5. Oktober 1998 bis 30. Juni 2001 erfüllt hatte. Damit war an Stelle des Restanspruchs aus seiner früheren Tätigkeit als Schaltungstechniker ein neuer Alg-Anspruch entstanden (§ 147 Abs 1 Nr 1 SGB III).
Die Anspruchsdauer hat die Beklagte zutreffend mit 780 Tagen berechnet. Zwar bestand das Versicherungspflichtverhältnis des im Zeitpunkt der Entstehung des Alg-Anspruchs 54-jährigen Klägers insgesamt nicht mehr als 33 volle Monate, sodass sich danach gemäß § 127 Abs 2 SGB III idF bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I 3002) zum 1. Januar 2004 und unter Berücksichtigung der Berechnungsweise des § 339 Satz 2 SGB III nur eine Anspruchsdauer von 16 Monaten (480 Tage) ergeben konnte. Allerdings bestand auf Grund des früheren Alg-Anspruchs vom 2. Juni 1997 noch eine Restanspruchsdauer von 568 Tagen, sodass der jetzt neu entstandene Alg-Anspruch unbeschadet anerkennungsfähiger Gleichstellungszeiten (§ 427 Abs 3 SGB III) bis zu der dem Lebensalter des Arbeitslosen zugeordneten Höchstdauer von 26 Monaten (780 Tage) aufgestockt werden konnte (§ 127 Abs 4 SGB III idF bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, aaO).
Die Höhe des Alg richtet sich grundsätzlich nach dem pauschalierten Nettoentgelt, das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, welches der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt, § 129 SGB III idF des 2. SGB III-Änderungsgesetzes vom 21. Juli 1999, BGBl I 1648), und zwar nach dem erhöhten Leistungssatz (67 %), wenn – wie hier – ein in Ausbildung befindliches volljähriges Kind vorhanden gewesen ist (Nr 1). Ausgehend von den Angaben in der Arbeitsbescheinigung hätte sich danach regelhaft das von der Beklagten errechnete und vom LSG insoweit bestätigte Bemessungsentgelt von abgerundet 1.180 DM ergeben.
Eine gesetzlich normierte Erhöhung des Bemessungsentgelts greift zu Gunsten des Klägers nicht ein. Hat der Arbeitslose innerhalb der letzten drei Jahre vor der Entstehung des Anspruchs Alg oder Alhi bezogen, ist zwar nach § 133 Abs 1 SGB III idF des 2. SGB III-Änderungsgesetzes vom 21. Juli 1999 (aaO) das Bemessungsentgelt mindestens das Entgelt, nach dem das Alg oder die Alhi zuletzt bemessen worden ist. Zwischenzeitliche Anpassungen sind nicht zu berücksichtigen, da § 133 Abs 1 Satz 2 SGB III wegen des damit verbundenen Verwaltungsaufwands (BT-Drucks 14/873 S 13) durch das 2. SGB III-Änderungsgesetz abgeschafft wurde und die Übergangsregelung des § 434 Abs 1 SGB III auf Ansprüche nach dem 1. August 1999 keine Anwendung findet. Privilegiert werden durch die verbliebene Regelung Arbeitslose, deren Entgelt aus der letzten anwartschaftsbegründenden Beschäftigung geringer ist als das dem früheren Leistungsbezug zu Grunde liegende Entgelt. Im maßgeblichen Drei-Jahres-Zeitraum vom 30. Juni 2001 bis 1. Juli 1998 hat der Kläger Leistungen nach einem höheren Bemessungsentgelt zuletzt in Höhe von 1.390 DM bezogen, nämlich Uhg in der Zeit vom 1. Juli 1998 bis zum 2. Oktober 1998. Der Wortlaut der Bestimmung beschränkt die damit verbundene Besitzstandswahrung aber unzweifelhaft auf den Vorbezug von Alg oder Alhi. Der Vorbezug von Uhg ist nicht erfasst, auch nicht über die Verweisungsvorschrift des § 157 Abs 1 SGB III (mit Wirkung vom 1. Januar 2005 aufgehoben durch das 3. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003, BGBl I 2848), welche allein eine entsprechende Anwendung von Vorschriften über das Alg auf das Uhg vorsieht.
Für die Zeit des Vorbezugs von Uhg nach dem 1. Januar 1998 ist eine Gleichstellung indessen in entsprechender Anwendung des § 133 Abs 1 SGB III geboten. Allerdings hat der 7. Senat in seinem Urteil vom 21. Oktober 2003 (B 7 AL 84/02 R = SozR 4-4300 § 133 Nr 1) unter Bezug auf sein Urteil vom 22. Juli 1982 (7 RAr 107/81 = DBIR Nr 2793a zu § 112 AFG) zur wesentlich gleichen Vorschrift des § 112 Abs 5 Nr 2a AFG idF des 4. AFG-Änderungsgesetzes vom 12. Dezember 1977 (BGBl I 2557) entschieden, dass eine solche Gleichstellung für Zeiträume des Uhg-Bezugs vor dem 1. Januar 1998 ausgeschlossen ist. Maßgebend war hierfür insbesondere die Überlegung, dass das Gesetz den Uhg-Empfänger im Geltungsbereich des AFG durch die Gleichstellung von Zeiten der beruflichen Weiterbildung (zuletzt § 107 Satz 1 Nr 5d AFG idF des Gesetzes vom 6. Dezember 1991, BGBl I 2142) mit den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung als Arbeitnehmer und eben nicht als Arbeitslosen behandelte. Diese Gleichstellungszeiten sind inzwischen im Geltungsbereich des SGB III aber weggefallen und im vorliegenden Fall trotz des Beginns der beruflichen Weiterbildung im Jahre 1997 für den Drei-Jahres-Zeitraum nicht relevant. Für die Zeit nach dem 1. Januar 1998 hat der 7. Senat eine Gleichstellung für den Fall ausgeschlossen, dass der Alg-Anspruch bereits vor Beginn des Uhg-Bezugs und vor Beginn des Drei-Jahres-Zeitraumes durch Erfüllung erschöpft war und auch nicht durch einen entsprechenden Alhi-Anspruch aufrechterhalten werden konnte, also der aus dem Alg/Alhi-Bezug resultierende Bestandsschutz als Anknüpfungskriterium für die Regelung des § 133 Abs 1 SGB III verloren gegangen war (Urteil vom 1. Juni 2006, B 7a AL 86/05 R, zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR). Für die verbleibenden Fallgestaltungen hat der 7. Senat hingegen offen gelassen, ob und ggf welche Konsequenzen daraus abzuleiten sind, dass mit der Vorschrift des § 116 Nr 2 SGB III idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24. März 1997 (BGBl I 594) das Uhg gleichrangige Entgeltersatzleistung neben dem Alg und der Alhi geworden ist und zudem mit der Neufassung des § 128 Abs 1 Nr 8 SGB III durch das 1. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (vom 23. Dezember 2002, BGBl I 4607) ab dem 1. Januar 2003 eine anteilige Anrechung des Uhg-Bezugs auf die Anspruchsdauer des Alg einhergegangen ist (Urteil vom 21. Oktober 2003, B 7 AL 84/02 R = SozR 4-4300 § 133 Nr 1). Im Anschluss an die Rechtsprechung des 7. Senats entwickelt der erkennende Senat das Recht in der Weise fort, dass bei der Berechnung des Bemessungsentgelts der den Alg-Bezug ersetzende Uhg-Vorbezug für die Zeit nach dem 1. Januar 1998 wegen einer Parallelität der Interessenlage in entsprechender Anwendung des § 133 Abs 1 SGB III dem Alg/Alhi-Vorbezug gleichzustellen ist.
Einer analogen Anwendung steht der Charakter des § 133 Abs 1 SGB III als gesetzlicher Ausnahmebestimmung nicht entgegen. In der Rechtsprechung des BSG ist anerkannt, dass eine entsprechende Anwendung des Gesetzes auf gesetzlich nicht umfasste Sachverhalte auch bei einer Ausnahmeregelung geboten ist, wenn die Regelungsabsicht des Gesetzgebers wegen einer Gleichheit der Interessenlage den nicht geregelten Sachverhalt einbezieht (BSGE 57, 195 = SozR 1500 § 149 Nr 7; BSGE 63, 99 = SozR 2200 § 182 Nr 109; BSG SozR 3-4100 § 59e Nr 1; BSG, Urteil vom 6. Juli 2006, B 9a V 4/05 R, zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR). Das ist hier der Fall. Nach der Vorschrift des § 133 Abs 1 SGB III in seiner einschlägigen Fassung sollen Arbeitslose, die ihre Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme einer Beschäftigung beenden, in der sie ein geringeres Entgelt erzielen, als es der Bemessung des Alg zu Grunde lag, vor Nachteilen bei erneutem Beschäftigungsverlust geschützt werden. Damit sollen Hemmnisse, die einer Rückkehr in das Erwerbsleben entgegenstehen könnten, beseitigt werden (BT-Drucks 13/4941 S 178). Im Schrifttum wird zutreffend darauf hingewiesen, dass es insoweit keinen Unterschied macht, wenn die vom Gesetzgeber ersichtlich für wünschenswert gehaltene Zwischenbeschäftigung nach einer Weiterbildungsmaßnahme mit Bezug von Uhg erfolgt (Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, K § 133 RdNr 17; Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, § 131 RdNr 88 im Hinblick auf § 131 Abs 4 SGB III idF des 3. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, aaO). Die darin zum Ausdruck kommende Gleichbewertung von Alg/Alhiersetzendem Uhg-Bezug hat der Gesetzgeber im übrigen im Geltungsbereich des SGB III von Anbeginn gesetzlich fixiert, in dem er im Zusammenhang mit der vorläufigen Entscheidung über die Erbringung von Uhg (§ 328 Abs 3 Satz 3 SGB III idF des AFRG) aus Gründen des Vertrauensschutzes (BT-Drucks 13/4941 S 213) zu Unrecht erbrachtes Uhg von der Erstattung ausgenommen hat, soweit dem Arbeitnehmer für die gleiche Zeit ohne die Teilnahme an der Maßnahme Alg (oder Alhi) zugestanden hätte. Der Gleichsetzung des Uhg mit Alg und Alhi in § 116 Nr 2 SGB III wie auch der in § 128 Abs 1 Nr 8 SGB III idF des 1. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (aaO) geregelten anteiligen Minderung der Dauer des Alg-Anspruchs bei Uhg-Bezug kann hiernach keine tragende Bedeutung beigemessen werden.
Die Besitzstandswahrung entsprechend § 133 Abs 1 SGB III bei Vorbezug von Uhg ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass hiermit eine Verkehrung der rechtlichen Wertung ins Gegenteil verbunden wäre (vgl BSG SozR 1500 § 149 Nr 7). Die Beklagte weist zwar zu Recht darauf hin, dass mit dem AFRG eine verstärkte Hinwendung zum Versicherungsgedanken vollzogen worden ist. Das grundsätzliche Regel-Ausnahme-Verhältnis bei der Bestimmung des Bemessungsentgelts bleibt aber gewahrt, wie die inzwischen zum 1. Januar 2004 auf Grund des 3. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (aaO) in Kraft getretene Nachfolgeregelung des § 131 Abs 4 SGB III zeigt. Denn im Verbund mit der Neuschaffung eines einheitlichen Alg bei Arbeitslosigkeit und beruflicher Weiterbildung zum 1. Januar 2005 durch dasselbe Gesetz (§ 117 Abs 1 Nr 1 und 2 SGB III) bewirkt sie für die Folgezeit in ihrer Funktion als Sondervorschrift einen insoweit zwar gleichermaßen auf zwei Jahre verkürzten, aber doch einheitlichen Bestandsschutz (vgl zur Übergangsregelung § 434j Abs 3 SGB III).
Hinzu kommt, dass gerade der Bereich der beruflichen Weiterbildung mit dem AFRG stärker auf die Eingliederung auf den Arbeitsmarkt ausgerichtet werden sollte (BT-Drucks 13/4941 S 140 ff), was nicht zuletzt in der Abschaffung der Gleichstellungszeit des § 107 Satz 1 Nr 5d AFG und der damit verbundenen Abschaffung des Neuerwerbs weiterer Ansprüche durch die Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung (BT-Drucks 13/4941 S 147) zum Ausdruck gekommen ist. Die Arbeitsmarktsituation der Teilnehmer solcher Maßnahmen hat der Gesetzgeber dennoch als so schlecht eingeschätzt, dass er sich veranlasst sah, aus diesem Grund das bis dahin unbekannte Anschluss-Uhg (≪AUhg≫, § 156 SGB III, aufgehoben durch das 1. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, aaO) zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Abschluss einer Weiterbildungsmaßnahme bereitzuhalten (BT-Drucks 13/4941 S 182). Die in der Rechtsprechung der LSGe teilweise geäußerte Auffassung, ein Bedarf für Teilnehmer einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme nach Teilhabe am Bestandsschutz des § 133 Abs 1 SGB III bestehe anders als bei Alg/Alhi-Beziehern nicht, da in der Regel davon ausgegangen werde, dass die Maßnahme zu einer beruflichen Qualifizierung führe und damit ein neues Beschäftigungsverhältnis mit einem eher höheren Arbeitsentgelt eingegangen werden könne (LSG Sachsen, Urteil vom 8. Mai 2003 – L 3 AL 51/02, veröffentlicht in juris), lässt sich angesichts dieser gesetzlichen Rahmensituation nicht objektivieren. Tatsächlich weisen die von der Beklagten ergänzend vorgelegten Eingliederungsbilanzen zum Verbleib der von ihr geförderten Teilnehmer beruflicher Weiterbildungsmaßnahmen einen solchen Regelfall auch nicht aus. Für diesen Personenkreis legt die ungünstige Arbeitsmarktprognose des Gesetzgebers angesichts der erklärten Eingliederungsabsichten daher den Schluss nahe, dass sein Konzept zur Förderung der Aufnahme weniger hoch entlohnter Beschäftigungen im Übergang vom AFG zum SGB III unvollständig im Sinne einer “unbewusst planwidrigen Regelungslücke” geworden ist.
Allerdings führt die mit der Gleichstellung des Uhg-Vorbezugs verknüpfte Privilegierung durch § 133 Abs 1 SGB III in begrenztem Umfang zu einer weiteren Besserstellung dieses durch die berufliche Weiterbildung und den ursprünglich nicht anrechenbaren Uhg-Anspruch (zur späteren teilweisen Anrechenbarkeit s § 128 Abs 1 Nr 8 SGB III idF des 1. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, aaO) ohnehin vergleichsweise begünstigten Personenkreises. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Verbots weiterer Privilegierungen bereits begünstigter Personengruppen oder Sachverhalte existiert jedoch jenseits des aus Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) abzuleitenden Verbots ungleicher Begünstigungen (hierzu zuletzt BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2006 – 2 BvL 2/99, mwN) nicht. Denn die Gleichstellung ist mit Rücksicht auf die Zielrichtung der gesetzlichen Regelung – wie aufgezeigt – sachgerecht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen