Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 11.05.1989) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11. Mai 1989 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat den Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten für alle Instanzen zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Teile der an die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2) zu zahlenden Rente, die diese an die Beigeladene zu 1) abgetreten hat, an die Klägerin auszuzahlen hat, nachdem die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2) pflegebedürftig geworden ist und die Klägerin die entstehenden Pflegekosten trägt.
Die Witwe L. … B. … bezog seit dem Tode ihres am 28. Dezember 1979 verstorbenen Ehemannes von der Beklagten Witwenrente, die sich ab Anfang 1982 auf 1.060,50 DM monatlich belief. Sie und ihr Ehemann hatten am 11. Juli 1979 den pfändbaren Teil ihrer von der Beklagten gezahlten Rente zur Sicherung eines Kredites an die Beigeladene zu 1) abgetreten. Daraufhin führte die Beklagte ab Dezember 1981 monatlich 200,– DM an die Beigeladene zu 1) ab.
Vom 1. Dezember 1981 bis Ende März 1983 war Frau B. … auf Kosten der Klägerin in einem Pflegeheim untergebracht. Die Klägerin beanspruchte – soweit jetzt noch streitig – die Erstattung ihrer Aufwendungen aus der an Frau B. … gezahlten Witwenrente. Daraufhin überwies die Beklagte der Klägerin ab 1. Juni 1982 die Witwenrente der Frau B. …. Sie teilte der Klägerin aber mit, daß sie aufgrund der Abtretung weiterhin 200,– DM monatlich an die Beigeladene zu 1) auszahle. Die Monatsbeträge für die Monate November 1982 bis März 1983 hinterlegte sie bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Moers, ohne auf das Recht der Rücknahme zu verzichten.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, der Klägerin die gesamte Rente für Mai 1982 und je 200,– DM monatlich von Juni 1982 bis März 1983, insgesamt 3.060,50 DM, zu zahlen. Das Landessozialgericht (LSG) hat durch das Urteil vom 21. Februar 1985 – L 2 Kn 30/84 – die Klage abgewiesen, soweit „die Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin mehr als 860,50 DM zu zahlen”. Hinsichtlich der Teilbeträge von je 200,– DM für die Monate November 1982 bis einschließlich März 1983 sei das Urteil des SG rechtskräftig geworden, weil die Beklagte die an sich statthafte Berufung für diese Zeit um 1.000,– DM beschränkt habe. Bezüglich der noch streitigen 2.060,50 DM habe das SG die Beklagte zu Unrecht zur Zahlung von mehr als 860,50 DM – den unpfändbaren Teil der Rente für den Monat Mai 1982 – verurteilt. Ein Erstattungsanspruch, der sich nach § 104 Abs 1 Satz 4 iVm Satz 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch, (SGB X) richte, stehe der Klägerin nicht zu, weil die Abtretung ihre Wirkung nicht dadurch verloren habe, daß Frau B. … hilfsbedürftig im Sinne des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) geworden sei und von der Klägerin Hilfe nach den Vorschriften dieses Gesetzes erhalten habe.
Der erkennende Senat hat dieses Urteil mit dem Urteil vom 2. November 1988 – 8/5a RKn 11/85 – aufgehoben und den Rechtsstreit zur Nachholung der Beiladung der Rechtsnachfolger der während des Revisionsverfahrens verstorbenen Frau B. … an das LSG zurückverwiesen. Dieses hat – nach Beiladung der Beigeladenen zu 2) – durch Urteil vom 11. Mai 1989 – L 2 Kn 114/88 – das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen, soweit die Klägerin die Erstattung von je 200,– DM für die Zeit von Mai bis Oktober 1982 aus der Rente der Frau B. … gefordert hat: Streitig sei der Erstattungsanspruch nur noch in Höhe von je 200,– DM für die vorgenannte Zeit. Dieser Anspruch stehe der Klägerin jedoch aus den bereits in dem Urteil vom 21. Februar 1985 dargelegten Gründen nicht zu.
Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer – vom LSG zugelassenen Revision vor, ihr Erstattungsanspruch habe Vorrang vor der Abtretung der Rente an die Beigeladene zu 1). Der bürgerlich-rechtliche Abtretungsempfänger habe keinen stets gleichbleibenden Anspruch auf den abgetretenen Betrag. Vor allem die spätere Änderung der tatsächlichen Verhältnisse führe dazu, daß der Abtretungsempfänger jedenfalls dann leer ausgehe, wenn der Bedarf des Abtretenden für seinen Lebensunterhalt sich durch Entstehung hoher Heimpflegekosten vermehrt habe. Dieses Risiko sei der Abtretung stets immanent, es könne keinesfalls auf die Träger der Sozialhilfe und damit auf die Allgemeinheit abgewälzt werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11. Mai 1989 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 16. Januar 1984 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, daß sie den streitigen Rentenanteil im Hinblick auf die wirksame Abtretung mit befreiender Wirkung nur an die Beigeladene zu 1) zahlen könne.
Die Beigeladenen sind im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat hat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Die Revision ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht zu. Vielmehr hat die Beklagte der Beigeladenen zu 1) die abgetretenen Teile der Rente der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2) auszuzahlen.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die Frage, ob der Klägerin ein Erstattungsanspruch in Höhe von monatlich 200,– DM für die Zeit von Mai bis Oktober 1982 aus der an Frau B. … zu zahlenden Rente zugestanden hat. Hinsichtlich ihres weitergehenden Begehrens ist das der Klägerin günstige Urteil des LSG von den übrigen Beteiligten nicht mit der Revision angefochten worden.
Die Beteiligten und die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, daß der von der Klägerin ursprünglich nach § 1531 der Reichsversicherungsordnung alter Fassung (RVO aF) erhobene Erstattungsanspruch sich nach den am 1. Juli 1983 in Kraft getretenen Vorschriften der §§ 102 f SGB X richtet (BSG, ständige Rspr; vgl SozR 1300 § 103 Nr 5 mwN). In Betracht kommt hier allein ein Erstattungsanspruch gemäß § 104 Abs 1 Satz 4 iVm Satz 1 SGB X. Ein solcher Anspruch steht der Klägerin jedoch nicht zu, soweit die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2) die Rente an die Beigeladene zu 1) abgetreten hat.
Das LSG ist zunächst ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, daß die Abtretung des pfändbaren Teils der Rente der Frau B. … gemäß § 53 Abs 3 des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB I) wirksam war und während der streitigen Zeit wirksam geblieben ist. Zwar hat der 5a-Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in dem Beschluß vom 8. April 1987 – 5a RKn 11/85 – Bedenken gegen den Regelungsgehalt der §§ 104 Abs 3, 107 Abs 1 SGB X geäußert, soweit er zu Lasten des nach der Abtretung eintretenden, nachrangig verpflichteten Sozialhilfeträgers geht; er hat damals gemeint, daß die kraft Zession erworbenen Ansprüche eines Dritten (hier: der Beigeladenen zu 1) mit der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB X kollidierten; dieses Konkurrenzverhältnis müsse unter Berücksichtigung des § 404 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) dahin aufgelöst werden, daß der Erstattungsanspruch des Fürsorgeträgers im Hinblick auf die Subsidiarität seiner Leistungspflicht Vorrang vor der Abtretung des Rentenanspruches haben müsse. Der 5. Senat hat jedoch diese Auffassung aufgegeben und in Übereinstimmung mit dem 1. Senat des BSG (Urteile vom 14. November 1984 – BSGE 57, 218 = SozR 1300 § 104 Nr 3 – und vom 30. Januar 1985 – SozR 1300 § 104 Nr 4 –) entschieden, daß § 104 Abs 3 SGB X den Anspruch des Sozialhilfeträgers auf Erstattung erbrachter Sozialleistungen (§ 104 Abs 1 Sätze 1 und 4 SGB X) gegen den vorrangigen Leistungsträger der gesetzlichen Sozialversicherung insoweit ausschließe, als dieser aufgrund einer früheren wirksamen Abtretung des Leistungsanspruches durch den Rentenberechtigten nach § 53 Abs 3 SGB I zur Leistung an den Zedenten verpflichtet sei (Urteil vom 7. September 1989 – 5 RJ 63/88 –, zur Veröffentlichung bestimmt).
Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsauffassung des 1. und des 5. Senats des BSG (aa0) an. Zwar mag das Ergebnis dieser Abgrenzung im Einzelfall unbefriedigend sein, jedoch würde sich das nur vermeiden lassen, wenn die Fortgeltung einer vor Eintritt des Fürsorgefalles wirksam erfolgten Abtretung sich als Folge einer Gesetzeslücke darstellte. Das ist nicht der Fall. Wie der 5. Senat in seinem Urteil vom 7. September 1989 (aa0) bereits aufgezeigt hat, entspricht diese Abgrenzung der Rangfolge dem Willen des Gesetzgebers. Denn dieser hatte in Kenntnis der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG (aa0) und der hiergegen vom 5a-Senat in dem Beschluß vom 8. April 1987 (aa0) geäußerten Bedenken zunächst eine Ergänzung des § 107 Abs 1 SGB X vorgesehen, nach der die Erfüllungsfiktion dieser Regelung auch dann Anwendung finden sollte, wenn der Anspruch übertragen oder verpfändet worden ist. Diese Ergänzung ist dann aber in das Erste SGB-Änderungsgesetz nicht aufgenommen worden (vgl Sasdrich, SGB-Änderungen und Ergänzungen, BABl 1988, 5, 8). Soweit sich demgemäß aus der geltenden Regelung sozialpolitisch nicht befriedigende Rechtsfolgen ergeben, können diese daher nicht durch die Rechtsprechung behoben werden. Vielmehr bedarf eine derartig schwerwiegende Einschränkung sowohl des Gläubigerschutzes als auch der Verfügungsbefugnis des Rentners über seinen Rentenanspruch einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung. Mangels einer solchen gesetzlichen Regelung hat die Beklagte daher zu Recht die Abtretung des Anspruches auf die laufende Rente nach § 53 Abs 1 SGB I beachtet und den Erstattungsanspruch der Klägerin deshalb zutreffend verneint.
Ob etwas anderes zu gelten hat, wenn Rentenempfänger und Kreditgeber in Kenntnis des bevorstehenden Eintrittes der Sozialhilfebedürftigkeit bei der Vergabe eines Kredits zum Nachteil des später leistungspflichtig werdenden Fürsorgeträgers zusammenwirken, ist hier nicht zu entscheiden, weil das LSG derartige Tatsachen nicht festgestellt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie war um die Verurteilung der Klägerin zur Erstattung der den Beigeladenen in den Vorinstanzen entstandenen außergerichtlichen Kosten zu ergänzen, da das Verbot der reformatio in peius für die Kostenentscheidung nicht gilt (erkennender Senat, ständ Rspr, vgl SozR 1500 § 193 Nr 6 mwN).
Fundstellen