Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 19. April 1994 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem die Beklagte den (Aus-)Zahlbetrag für Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit herabgesetzt hat.
Der im Jahre 1927 geborene Kläger war bis zu seinem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Seit 1. Juli 1961 gehörte er dem Zusatzversorgungssystem der „Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR (AVI) vom 12. Juli 1951 (GBl Nr 85 S 675) an. Danach war ihm eine monatliche Rente in Höhe von 60 vH des im letzten Jahr vor Eintritt des Versorgungsfalles bezogenen durchschnittlichen Bruttogehalts zugesichert worden (Nachtrag Nr 1 vom 6. November 1974). Zum 1. September 1986 trat er in die freiwillige Zusatzrentenversicherung der Sozialversicherung (FZR) ein.
Mit Bescheid vom 5. November 1987 wurde dem Kläger eine Invalidenrente aus der Sozialpflichtversicherung in Höhe von 435,00 Mark (einschließlich eines Kinderzuschlags) und mit Bescheid vom 11. Dezember 1987 (jeweils vom FDGB – Verwaltung der Sozialversicherung –) eine Zusatzinvalidenrente aus der FZR in Höhe von 1.830,00 Mark jeweils für die Zeit ab 1. August 1987 bewilligt.
Mit Bescheid zum 1. Juli 1990 wurden die beiden Renten des Klägers im Nominalwert 1:1 auf DM umgestellt. Der Gesamtauszahlbetrag belief sich danach auf 2.867,00 DM (796,00 DM = Invalidenrente; 2.071,00 DM = „Zusatzinvalidenrente”; Bescheid der Verwaltung der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten gemäß Art 20 und 23 des Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland). Der gemeinsame Träger der Sozialversicherung verfügte mit Bescheid nach der ersten Rentenanpassungsverordnung (1. RAV) vom 14. Dezember 1990 (BGBl I S 2867), den Gesamtzahlbetrag ab 1. Januar 1991 auf 3.229,00 DM (Erhöhung der Invalidenrente um 111,00 DM auf 847,00 DM und der „Zusatzinvalidenrente” um 311,00 DM auf 2.382,00 DM). Mit Bescheid über die Rentenanpassung nach der zweiten Rentenanpassungsverordnung (2. RAV) vom 19. Juni 1991 (BGBl I S 1300) bestimmte der Träger der Rentenversicherung – Überleitungsanstalt Sozialversicherung – den Gesamtauszahlbetrag ab 1. Juli 1991 auf 3.715,00 DM (Erhöhung der Invalidenrente um 128,00 DM auf 975,00 DM und der „Zusatzinvalidenrente” um 358,00 DM auf 2.740,00 DM). Mit Kürzungsbescheid zum 1. August 1991 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 1991) wurde der Gesamtauszahlbetrag ab 1. August 1991 gemäß § 10 Abs 1 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebietes (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz ≪AAÜG≫ vom 25. Juli 1991, BGBl I S 1606, 1677) auf 2.010,00 DM begrenzt; in dem Bescheid war ua ausgeführt: „Die Zusatzversorgung wird ab 1. August 1991 auf 1.035,00 DM begrenzt”; ferner war festgestellt worden, die Invalidenrente betrage 975,00 DM; die „gleichartige Zusatzversorgung” werde von 2.740,00 DM auf 1.035,00 DM gekürzt. Mit Bescheid vom 2. Dezember 1991 „über die Umwertung und Anpassung der Rente aufgrund des ab 1. Januar 1992 geltenden neuen Rentenrechts” wurde die bisherige „Versichertenrente” als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt; der monatliche Zahlbetrag betrug nach Abzug des Beitragsanteils des Klägers zur Krankenversicherung – weiterhin – 2.010,00 DM; berechnet worden war die Rente im maschinellen Verfahren nach § 307b Abs 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Mit Bescheid vom 20. August 1993 nahm die Beklagte gemäß § 10 Abs 1 AAÜG idF des Gesetzes zur Ergänzung des Rentenüberleitungsgesetzes (Rü-ErgG) vom 24. Juni 1993 (BGBl I S 1038) den Kürzungsbescheid zum 1. August 1991 zurück, soweit darin eine Begrenzung auf einen Betrag unter 2.700,00 DM vorgesehen war und berechnete eine Nachzahlung für die Zeit vom 1. August 1991 bis 31. Dezember 1993 in Höhe von 20.010,00 DM.
Mit Bescheid vom 25. Januar 1994 stellte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte – Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme – die bei der Rentenberechnung unter Zugrundelegung der Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigenden Entgelte und rentenerheblichen Zeiten fest. Mit Bescheid vom 23. Februar 1994 hat die Beklagte die Höhe der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit neu berechnet.
Zwischenzeitlich, am 13. November 1991, hatte der Kläger Klage erhoben und unter Aufhebung des Kürzungsbescheides zum 1. August 1991 die Verurteilung der Beklagten zur Weiterzahlung seiner Rente in Höhe von 3.715,00 DM über den 1. August 1991 hinaus begehrt. Das Kreisgericht Erfurt – Kammer für Sozialrecht – hat durch Urteil vom 19. Januar 1993 den Kürzungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Das Thüringer Landessozialgericht (LSG) hat, nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 19. April 1994 „das im Bescheid vom 20. August 1993 liegende Teilanerkenntnis” angenommen hatte, durch Urteil vom 19. April 1994 die Berufung zurückgewiesen und den Bescheid der Beklagten vom 20. August 1993 insoweit aufgehoben, als darin die Leistungen auf einen Höchstbetrag von 2.700,00 DM begrenzt worden waren. Das LSG hat im wesentlichen ausgeführt: Aufgrund der Bescheide des FDGB vom 5. November und vom 11. Dezember 1987 habe der Kläger einen Anspruch auf Rente aus der Sozialpflichtversicherung und aus der FZR gehabt; die Bescheide seien gemäß Art 19 des Einigungsvertrages (EV) über den 2. Oktober 1990 hinaus bindend geblieben. Bindend seien auch die als Verwaltungsakte zu wertenden undatierten Mitteilungen nach den Rentenanpassungsverordnungen. Der Verwaltungsakt zur 2. RAV habe seine Bindungswirkung weder nach § 307b Abs 7 SGB VI noch nach § 10 Abs 1 AAÜG verloren. Dahinstehen könne, ob die Zusatzrente des Klägers eine Rente aus der FZR oder eine solche aus einem Zusatzversorgungssystem sei. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 10 Abs 1 AAÜG neuer und alter Fassung ergebe jedenfalls, daß lediglich ungerechtfertigte Privilegien und somit Ansprüche, die nicht auf Arbeitsleistung beruhten, hätten abgeschafft werden sollen. Der Kläger gehöre jedoch nicht zu der Personengruppe, die durch das SED-Regime politisch begünstigt worden sei.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine unzutreffende Auslegung des § 10 Abs 1 AAÜG idF des Rü-ErgG durch das LSG und trägt vor:
§ 10 Abs 1 Satz 2 AAÜG nF sei einer verfassungskonformen Auslegung nicht zugänglich. Infolgedessen finde die Vorschrift hier Anwendung, da der Kläger eine Leistung aus dem Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr 4 AAÜG bezogen habe, so daß der Zahlbetrag ab 1. August 1991 auf 2.700,00 DM zu begrenzen sei. Mit dieser Begrenzung hätten nicht nur die Privilegien sog systemnaher Berufe abgebaut werden, sondern auch verhindert werden sollen, daß Renten zur Auszahlung gelangten, die in dieser Höhe im System der gesetzlichen Rentenversicherung nicht vorgesehen seien. Der bundesdeutsche Gesetzgeber sei nicht verpflichtet gewesen, die in der DDR entstandenen Rechtspositionen dem Grund und der Höhe nach zu übernehmen. Ohne die Begrenzung der Zahlbeträge würde die Grundentscheidung des EV, die Ansprüche und Anwartschaften der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme in die gesetzliche Rentenversicherung zu überführen und diese nach den allgemeinen Regeln des Sozialversicherungsrechts anzupassen und überhöhte Leistungen abzubauen, über Jahre oder Jahrzehnte konterkariert. Sollte der Kürzungsbescheid nicht die Bindungswirkung des Bescheides vom 1. Juli 1991 durchbrechen, bliebe der sich aus diesem Bescheid ergebende Zahlbetrag von 3.715,00 DM gemäß § 307b Abs 3 Satz 2 SGB VI besitzgeschützt.
Maßgebend für die Art der Überführung sei nicht die Bezeichnung der Ansprüche durch den DDR-Gesetzgeber. Unerheblich sei auch, daß die Bescheide vom 1. Januar 1991 und vom 1. Juli 1991 im Hinblick darauf anfänglich rechtswidrig gewesen seien, daß sie irrtümlich den Kläger wie einen FZR-Berechtigten behandelt hätten. Auf jeden Fall habe sie gemäß § 307b Abs 4 SGB VI iVm § 2 Abs 3 AAÜG die Rente neu berechnen und dementsprechend die Vorschriften für die Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen anwenden können.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 19. April 1994 sowie das Urteil des Kreisgerichts Erfurt – Kammer für Sozialrecht -vom 19. Januar 1993 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 20. August 1993 iVm dem Kürzungsbescheid zum 1. August 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 1991 abzuweisen.
Der – nicht vertretene – Kläger hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
Im Ergebnis zu Recht haben Kreisgericht und LSG die Rechtswidrigkeit des (Kürzungs-)Bescheides vom 20. August 1993 iVm dem Bescheid zum 1. August 1991 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 1991) bejaht; allein dieser Bescheid ist Gegenstand des Revisionsverfahrens soweit er – zu Lasten der Beklagten – durch das LSG abgeändert worden ist.
Die Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid zu Unrecht den Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Versorgungsleistung in Höhe von 3.715,00 DM monatlich auf 2.700,00 DM herabgesetzt. Zu keinem Zeitpunkt (1. August 1991 bis auf weiteres) lagen die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für einen Eingriff gemäß § 10 Abs 1 Satz 2 AAÜG in die vom Kläger durch den Bescheid zur 2. RAV erworbenen Rechte vor. Es ist auch keine sonstige Rechtsgrundlage für einen Eingriff in die Rechtsposition bzw und/oder für eine Herabsetzung der dem Kläger durch den og Bescheid zuerkannten Leistung erkennbar.
1.1 In dem Bescheid zum 1. Juli 1991 (zur 2. RAV) hat die „Rechtsvorgängerin” der Beklagten als Träger der gesetzlichen Rentenversicherung gegenüber dem Kläger bindend festgestellt, welche Leistung ihm ab wann und in welcher Höhe zusteht (vgl hierzu BSGE 72, 50, 54, = SozR 3-8570 § 10 Nr 1; SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 12 mwN). Durch die Verfügungssätze dieses Bescheides ist – auch für jeden Dritten objektiv erkennbar (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫) – der Kläger sowohl von dem Rechtsgrund als auch von der Höhe der Leistung – zweifelsfrei – in Kenntnis gesetzt worden. Damit ist sein Anspruch auf eine Invalidenrente aus der Sozialpflichtversicherung in Höhe von 975,00 DM und auf eine Rente aus der FZR in Höhe von 2.740,00 DM, also auf einen Gesamtzahlbetrag in Höhe von 3.715,00 DM, verbindlich festgesetzt worden. Diese in dem Bescheid enthaltenen Feststellungen begründen sowohl einen materiell-rechtlichen als auch – was den Zahlbetrag anbelangt – einen formell-rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf die og Leistung.
1.2 Mit dem Wirksamwerden des Bescheides ist es dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung untersagt worden, diesen durch Verwaltungsakt zuerkannten Anspruch ohne Eingriffsermächtigung abzuändern; der Bescheid zur 2. RAV, und mit ihm der Anspruch auf die og Leistung, blieb damit grundsätzlich bis zu seiner Abänderung durch einen rechtmäßigen Bescheid gültig. Die durch diesen Verwaltungsakt begründete, der Rechtssicherheit und dem Vertrauensschutz des Klägers dienende Rechtsposition konnte mithin aus rechtsstaatlichen Gründen grundsätzlich nur durch einen die Bindungswirkung durchbrechenden (§ 77 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫), auf einer gesetzlichen Eingriffsermächtigung beruhenden – wirksamen – Bescheid aufgehoben oder abgeändert werden (vgl hierzu Urteil des Senats vom 30. Januar 1996 – 4 RA 16/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
2. An einer derartigen Eingriffsermächtigung fehlt es. Die Herabsetzung der Rente in dem Bescheid vom 20. August 1993 (iVm mit dem Bescheid zum 1. August 1991) kann nicht auf § 10 Abs 1 Satz 2 AAÜG nF gestützt werden.
Nach § 10 Abs 1 Satz 2 AAÜG wird ua die Summe der Zahlbeträge aus gleichartigen Renten der Rentenversicherung und der Zusatzversorgungssysteme ua der Anlage 1 Nr 4 des AAÜG vom 1. August 1991 an für Versichertenrenten auf den Höchstbetrag von 2.700,00 DM begrenzt; nach Abs 5 aaO hat der Versorgungsträger die Begrenzung ua nach Abs 1 aaO durch Bescheid vorzunehmen; dazu bestimmt Abs 5 Satz 3 aaO, daß die Anhörung eines Beteiligten vor Erlaß des Bescheides nicht erforderlich ist. Ferner weist Abs 5 Satz 4 aaO auf § 8 Abs 3 Satz 2 AAÜG und damit auch auf die Regelungen über den Verwaltungsakt hin (vgl hierzu BSGE 72, 50, 57 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1).
Wie der Senat (aaO) bereits ausgeführt hat, ist § 10 Abs 1 Satz 2 AAÜG eine abschließende Spezialermächtigung, bei Bestandsrentnern Zahlungsansprüche herabzusetzen, die sich als Summe ua der Zahlbeträge aus gleichartigen Renten der Rentenversicherung und der Zusatzversorgungssysteme darstellen. Sie schließt die allgemeinen rechts- und sozialstaatlich ausgeprägten Regeln über Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten und damit die Anwendung der §§ 45 bis 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sowie des Art 19 Satz 2 EV (nur) für diesen besonderen Eingriffsakt aus.
Hier liegen bereits die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Herabsetzung der Leistungen zum 1. August 1991 nach § 10 Abs 1 Satz 2 AAÜG nicht vor. Denn der Kläger hatte keinen durch Bescheid zuerkannten Anspruch auf eine gleichartige Rente aus der Sozialversicherung und eine solche aus einem Zusatzversorgungssystem. Vielmehr war – wie ausgeführt – in den aufgrund der gesetz- und verfassungsmäßigen Rentenanpassungsverordnungen zum 1. Januar und zum 1. Juli 1991 (SozR 3-8120 Kapitel VIII H III Nr 9 Buchst b Satz 3 Nr 1) ergangenen Bescheiden zum 1. Januar und zum 1. Juli 1991 der Charakter der Renten verbindlich durch Verwaltungsakt festgestellt worden. Danach hatte der Kläger einen Anspruch auf eine Invalidenrente sowie auf eine Zusatzinvalidenrente aus der FZR (nicht auf eine Rente aus einem Zusatzversorgungssystem) in Höhe von insgesamt 3.715,00 DM. Im Hinblick hierauf ist es ohne Bedeutung, daß es sich nach der Rechtsprechung des Senats bei der dem Kläger im Bescheid des FDGB vom 11. Dezember 1987 zuerkannten „zusätzlichen” Rente unabhängig von der Wortwahl in dem Bescheid (materiell-)rechtlich um eine solche aus einem Zusatzversorgungssystem gehandelt hat; die insoweit bewilligte Leistung beruht ausschließlich auf der ihm am 4. September 1961 bzw am 6. November 1974 erteilten Versorgungszusage, mit der er einen Anspruch auf Leistungen aus dem Zusatzversorgungssystem „erworben” hatte iS des EV Nr 9, und nicht auf den lediglich für ein Jahr, für 1989, entrichteten Beiträgen in die FZR (vgl hierzu Urteil des Senats vom 14. September 1995 – 4 RA 90/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die Unterscheidung zwischen Zusatzversorgungsrente und Rente aus der FZR ist entgegen der Auffassung des LSG auch erheblich. Denn an diese Unterscheidung knüpfen unterschiedliche Rechtsfolgen. Ua werden die Renten von Mitgliedern der FZR einerseits und von Angehörigen der Zusatzversorgungssysteme andererseits nach den Bestimmungen der 1. und der 2. RAV verschieden angepaßt. Bei Beziehern von Zusatzversorgungsrenten führt die Erhöhung der Sozialpflichtversicherungsrente grundsätzlich zu einer entsprechenden Kürzung ihrer Rente aus dem Zusatzversorgungssystem, wobei der geschützte Zahlbetrag grundsätzlich unverändert bleibt (§ 6 der 1. und § 8 der 2. RAV). Bei den Beziehern einer Rente aus der FZR hingegen ist sowohl die Rente aus der Sozialpflichtversicherung als auch diejenige aus der FZR zu erhöhen (§§ 1, 2 der 1. und §§ 1, 4 der 2. RAV; vgl zum Vorstehenden im übrigen Urteil des Senats vom 14. September 1995 – 4 RA 90/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Wie der Senat bereits festgestellt hat, ist die – bundesrechtlich im EV getroffene – Unterscheidung zwischen Ansprüchen und Anwartschaften aus der Sozialpflicht- und der FZR-Versicherung und solchen aus ua Zusatzversorgungssystemen sachlich gerechtfertigt. Nur bei Ansprüchen der ersten Gruppe kann annähernd von der das Rentenversicherungssystem des SGB VI kennzeichnenden konkreten Entgelt- und Beitragsbezogenzeit der Renten ausgegangen werden. Ferner war in diesen Fällen aufgrund der Entgeltverhältnisse und der Beitragshöhe in der früheren DDR absehbar, daß insoweit das Niveau der SGB VI-Renten nicht überschritten und damit die Gleichheit gegenüber den westdeutschen Versicherten nicht verletzt werden würde. Außerdem war hier mit der Dynamisierung dieser einzelnen Renten die Gefahr einer gleichheitswidrigen Überzahlung gegenüber den anderen Rentnern im Beitrittsgebiet in aller Regel nicht verbunden. Schließlich waren (nur) insoweit verwaltungstechnisch für das SGB VI brauchbare Versicherungsunterlagen vorhanden.
3. Andere Rechtsgrundlagen für eine Abänderung des Bescheides zur 2. RAV sind nicht ersichtlich.
3.1 Anhaltspunkte dafür, daß der og Verwaltungsakt mit dem Leistungsanspruch des Klägers etwa nur für eine Übergangszeit (iS einer auflösenden Nebenbestimmung ≪§ 32 SGB X≫ oder eines einstweiligen Verwaltungsaktes) hätte gelten sollen, sind dem Bescheid nicht zu entnehmen. Infolgedessen standen dem Kläger am 1. August 1991 bis auf weiteres kraft Verwaltungsaktes ein Anspruch auf eine Rente aus der Sozialpflichtversicherung und eine solche aus der FZR und mithin keine gleichartige Rente aus der Rentenversicherung und aus einem Zusatzversorgungssystem zu.
3.2 Der Bescheid zur 2. RAV konnte auch nicht etwa mit dem Kürzungsbescheid zum 1. August 1991, was die Qualifikation der Rente als „Zusatzrente” betraf, wegen offenbarer Unrichtigkeit (§ 38 SGB X) berichtigt werden. Im Hinblick auf die sowohl im Bescheid zur 1. als auch im Bescheid zur 2. RAV vorgenommene Beurteilung und Anpassung nach den für die FZR-Renten geltenden Bestimmungen kann von einer offenbaren Unrichtigkeit nicht ausgegangen werden.
3.3 Eine Umdeutung des Kürzungsbescheides in einen solchen auf Teilaufhebung des Bescheides zur 2. RAV nach § 45 SGB X wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit infolge fehlerhafter Einordnung der Zusatzversorgungsrente als Rente aus der FZR (s oben) kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Beklagte hat eine derartige Aufhebung nicht auf § 45 SGB X gestützt. Eine Umdeutung wäre im Hinblick auf § 43 Abs 3 SGB X auch unzulässig, weil eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann (wie eine solche nach § 10 Abs 1 AAÜG), nicht in eine Ermessensentscheidung (nach § 45 SGB X) umgedeutet werden kann.
3.4 Der Bescheid zur 2. RAV hat auch nicht etwa durch die Überführung von Ansprüchen aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen in die gesetzliche Rentenversicherung mit Ablauf des 31. Dezember 1991 und mit Inkrafttreten des SGB VI zum 1. Januar 1992 – und mithin im Hinblick auf § 307b SGB VI – eine Änderung erfahren mit der Folge, daß nunmehr Raum für einen Eingriff nach § 10 Abs 1 AAÜG wäre und die Leistung ab diesem Zeitpunkt auf 2.700,– DM hätte begrenzt werden können.
Mit Inkrafttreten des SGB VI zum 1. Januar 1992 kann § 10 Abs 1 AAÜG auf in das SGB VI überführte Renten nicht mehr angewandt werden. Denn mit Ablauf des 31. Dezember 1991 sind die bis dahin noch fortgeltenden rentenrechtlichen Vorschriften der DDR außer Kraft getreten, soweit das SGB VI (oder das AAÜG) nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen, damit sind am 31. Dezember 1991 grundsätzlich auch die materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen des DDR-Rechts untergegangen. Ab 1. Januar 1992 sind diejenigen des SGB VI an ihre Stelle getreten mit der Folge, daß die dem Kläger durch Verwaltungsakt zuerkannten Ansprüche auf Invalidenrenten aus der Sozialpflichtversicherung und der FZR ab 1. Januar 1992 – auch im Hinblick auf § 307b Abs 4 SGB VI neu bewertet – und durch einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung (SGB VI) ersetzt worden sind. War dieser Anspruch – wie hier beim Kläger – geringer als der ihm am 31. Dezember 1991 zustehende, kam zu der Rente ein – aus den allgemeinen Regeln des SGB VI nicht herleitbarer – Anspruch auf eine zusätzliche Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung hinzu, ein Rentenzuschlag ausgestaltet als ein Bestandsschutzbetrag, ein variabler, der Abschmelzung unterliegender Differenzbetrag zwischen dem am 31. Dezember 1991 zustehenden Gesamtzahlbetrag und dem Betrag der Rente nach dem SGB VI (vgl BSGE 72, 50, 56 f = SozR 3-8570 § 10 Nr 1). Das hatte zur Folge, daß der Bescheid zum 1. Juli 1991 eine gesetzliche Novation durch Austausch der ihn tragenden materiell-rechtlichen Grundlagen erfahren hatte, ohne daß es einer Abänderung des bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Bescheides bedurfte (§ 307b Abs 7 SGB VI). Infolgedessen waren ab 1. Januar 1992
die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 10 Abs 1 AAÜG, das Vorliegen von gleichartigen Renten aus der Sozialpflichtversicherung und aus einem Zusatzversorgungssystem, nicht mehr gegeben.
3.5 Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die Herabsetzung des durch Verwaltungsakt zuerkannten Anspruchs für die Zeit ab 1. Januar 1992 auch nicht mit § 307b Abs 4 iVm Abs 7 SGB VI begründet werden, und zwar unabhängig von der Frage, ob der eindeutig auf § 10 Abs 1 AAÜG gestützte (Kürzungs-)Bescheid überhaupt umgedeutet werden könnte (vgl § 43 SGB X). Denn durch die og Vorschrift, die – auch – eine andere Beurteilung der Rechtsgrundlagen für Rentenansprüche ab 1. Januar 1992 ermöglicht, wenn sich herausstellt, daß der Berechtigte Zeiten in einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem zurückgelegt hat, kann der dem Berechtigten am 31. Dezember 1991 zustehende Zahlbetrag nicht – zu seinen Lasten – abgeändert werden. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist § 307b Abs 7 SGB VI dem Inhalt nach keine Norm, die zum Eingriff in am 31. Dezember 1991 bindend zuerkannte Zahlungsansprüche ermächtigt (vgl BSGE 72, 50, 55 f = 3-8570 § 10 Nr 1): Sollte die Berechnung der Rente nach den Vorschriften des SGB VI zu einem für den Berechtigten höheren Zahlbetrag führen, käme nämlich allein eine wesentliche Änderung zu seinen Gunsten in Betracht; sollte der errechnete Betrag – wie hier -geringer sein, so ist im Hinblick auf den gemäß § 307b Abs 3 Satz 2 SGB VI garantierten Bestandsschutz der bisherige Zahlbetrag weiter zu zahlen. Dieser belief sich nach den verbindlichen Feststellungen im Bescheid zur 2. RAV, der wegen fehlender rechtswirksamer Aufhebung auch noch am 31. Dezember 1991 gegolten hatte, bei dem Kläger auf 3.715,00 DM.
Nach alledem ist der Bescheid der Beklagten vom 20. August 1993 (iVm dem Bescheid zum 1. August 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides), soweit er eine Begrenzung auf 2.700,00 DM vorsieht, rechtswidrig. Das hat zur Folge, daß die Beklagte den dem Kläger am 31. Dezember 1991 rechtmäßig durch Verwaltungsakt zuerkannten Zahlbetrag im Hinblick auf § 307b Abs 3 Satz 2 SGB VI grundsätzlich so lange zu zahlen hat, bis die dynamisierte SGB VI-Rente diesen Zahlbetrag erreicht.
Die Revision der Beklagten hat mithin keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen