Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 20. Juli 1994 wird zurückgewiesen, soweit das Urteil den Bescheid zur ersten und zweiten Rentenanpassungsverordnung (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 1992) sowie den Umwertungsbescheid vom 28. November 1991 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 1992) und die nachfolgenden Rentenanpassungsbescheide bis zum 18. November 1993 betrifft.
Im übrigen wird auf die Revision des Klägers das oben genannte Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt abgeändert; die Bescheide der Beklagten vom 18. November 1993 sowie zum 1. Juli 1994 werden aufgehoben, soweit darin Rentenhöchstbeträge festgesetzt worden sind.
Die Beklagte hat dem Kläger 1/5 der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Altersversorgung des Klägers ab Juli 1990, insbesondere darüber, ob dessen Rente aus einem Zusatzversorgungssystem der ehemaligen DDR weiterzugewähren und zu dynamisieren ist.
Der im Jahre 1921 geborene Kläger bezog seit April 1986 eine Altersrente aus der Sozialpflichtversicherung (Bescheid des FDGB – Verwaltung der Sozialversicherung vom 16. Januar 1986) – zunächst – in Höhe von 417,– M sowie eine – zusätzliche – Altersrente aufgrund der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR (AVI) vom 12. Juli 1951 (GBl S 675, geändert durch die Verordnung vom 13. Mai 1959, GBl S 521) von zunächst 800,– M (Bescheid der Staatlichen Versicherung der DDR vom 17. April 1986) und seit Januar 1987 in Höhe von 1.626,– M (60 vH des Durchschnittsbrutto-Monatsgehaltes für die Zeit vom 1. April 1985 bis 31. März 1986). Mit dem Gesamtauszahlbetrag von 2.113,– DM (vgl hierzu Bescheid zum 1. Januar 1991, „bisherige” Rente aus dem Zusatzversorgungssystem: 1.626,– DM sowie Bescheid der Verwaltung der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten gemäß Art 20 und 23 des Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland: 487,– DM aus der Sozialversicherung) wurde die Altersversorgung des Klägers ab 1. Juli 1990 im Verhältnis 1:1 auf DM umgestellt.
Der gemeinsame Träger der Sozialversicherung verfügte mit Bescheid zur ersten Rentenanpassungsverordnung (1. RAV) vom 14. Dezember 1990 (BGBl I S 2867), der Gesamtauszahlbetrag belaufe sich ab 1. Januar 1991 auf 2.113,– DM (Altersrente aus der Sozialversicherung: 790,– DM; Altersrente aus der Zusatzversorgung: 1.323,– DM). Mit Bescheid nach der zweiten Rentenanpassungsverordnung (2. RAV) vom 19. Juni 1991 (BGBl I S 1300) bestimmte der Träger der Rentenversicherung – Überleitungsanstalt Sozialversicherung – den Gesamtzahlbetrag weiterhin auf 2.113,– DM (Altersrente aus der Sozialversicherung: 1.046,– DM; Altersrente aus der Zusatzversorgung: 1.067,– DM). In beiden nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheiden (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 1992) war die Rente aus der Sozialpflichtversicherung erhöht worden unter gleichzeitiger Kürzung der Rente aus der Zusatzversorgung um den entsprechenden Betrag. Mit Kürzungsbescheid zum 1. August 1991 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 1991) wurde der Gesamtauszahlbetrag ab August 1991 gemäß § 10 Abs 1 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebietes (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz ≪AAÜG≫ vom 25. Juli 1991, BGBl I S 1606, 1677) auf 2.010,– DM begrenzt.
Mit Bescheid vom 28. November 1991 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 1992) über die „Umwertung und Anpassung der Rente aufgrund des ab 1. Januar 1992 geltenden neuen Rentenrechts” wurde die bisherige Versichertenrente als Regelaltersrente gewährt; der monatliche Zahlbetrag betrug danach weiterhin 2.010,– DM. Mit Bescheid vom 10. August 1993 nahm die Beklagte den Kürzungsbescheid (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 1991 im Hinblick auf § 10 Abs 1 Satz 2 AAÜG idF des Art 3 des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes (Rü-ErgG) vom 24. Juni 1993 (BGBl I S 1038) rückwirkend zurück.
Mit Bescheid vom 4. Oktober 1993 stellte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) – Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme – die bei der Rentenberechnung unter Zugrundelegung der Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigenden Entgelte sowie die rentenerheblichen Zeiten fest. Dieser Bescheid ist vom Kläger angefochten und bisher noch nicht bestandskräftig geworden.
Mit Bescheid vom 18. November 1993 hat die Beklagte die Höhe der Regelaltersrente des Klägers neu berechnet und gleichzeitig über den Nachzahlungsanspruch entschieden.
Die gegen die Bescheide zur 1. und 2. RAV (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 1992) erhobene Klage hat das Sozialgericht Magdeburg (SG) durch Urteil vom 9. Dezember 1992 (S 10 An 25/92) und die gegen den Umwertungsbescheid (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 1992) erhobene Klage durch Urteil vom 27. Juli 1993 (S 8 An 36/92) abgewiesen. Die gegen beide Urteile eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Durch Urteil vom 20. Juli 1994 hat es die oben genannten Urteile sowie die nachfolgenden Rentenanpassungsbescheide (und den Bescheid vom 18. November 1993) abgeändert und die Beklagte verurteilt, für Zeiten der Zugehörigkeit des Klägers zur AVI ausschließlich die ungekürzten tatsächlichen Arbeitsentgelte mit der Begrenzung der Anl 3 zu § 6 Abs 1 AAÜG zugrunde zu legen. Im übrigen hat es die Berufung zurück- und die Klage gegen den Bescheid vom 18. November 1993 und den nachfolgenden Rentenanpassungsbescheid zum 1. Juli 1994 abgewiesen. Es hat ua ausgeführt: Gegenstand des Verfahrens seien neben dem Bescheid vom 18. November 1993, der alle seit Januar 1992 ergangenen Rentenbescheide ersetzt habe, die Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 1994 sowie die Bescheide zur 1. und 2. RAV; diese hätten mit Bindungswirkung den Monatsbetrag der überführten Leistung einschließlich einer Rente aus der Sozialpflichtversicherung iS des § 307b Abs 3 Satz 1 und 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bestimmt. Hingegen sei der Bescheid vom 4. Oktober 1993 nicht Gegenstand des Verfahrens; eine Einbeziehung sei aus prozeßökonomischen Gründen nicht geboten. Der Inhalt des Bescheides vom 4. Oktober 1993 erwachse bei einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 18. November 1993 nicht in materieller Rechtskraft; wegen der Bindungswirkung jedes „Entgeltbescheides” müsse die Beklagte bei dessen Abänderung den darauf beruhenden Rentenbescheid gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) abändern. Die oben genannten angefochtenen Bescheide seien – im wesentlichen – rechtmäßig. Die Vorschriften seien zutreffend angewandt; sie verstießen weder gegen höherrangiges Recht noch gegen das Grundgesetz (GG).
Der Kläger begehrt mit der vom LSG zugelassenen Revision die Weitergewährung und Dynamisierung auch der Zusatzversorgung seit 1. Juli 1990. Er ist der Auffassung, entgegen der Ansicht des LSG sei die Einbeziehung des Bescheides vom 4. Oktober 1993 zwingend geboten. Der Bescheid vom 18. November 1993 baue auf den Feststellungen des Bescheides vom 4. Oktober 1993 auf. Streitig sei in dem Bescheid die sog Systementscheidung; durch diese werde ihm lediglich eine sog Grundversorgung, wie allen Bürgern in den alten Bundesländern, die nur pflichtversichert seien, zugebilligt, und keine Vollversorgung, wie sie ihm – zusätzlich – aufgrund der durch seine Lebensarbeitsleistung in dem Zusatzversorgungssystem erworbenen Ansprüchen zustehe; zu Unrecht werde im Rahmen des § 8 AAÜG nur ein Bruchteil seines nachgewiesenen Bruttoeinkommens bei der Rentenberechnung berücksichtigt.
Im übrigen hält der Kläger auch die weiteren Darlegungen des LSG für fehlerhaft und trägt vor:
Es gebe keine mit dem Einigungsvertrag (EV) vom 31. August 1990 (BGBl II S 889), dem GG (Art 14, 3, 2, 1, 19, 20) und der Konvention zum Schutze der Menschen und Grundfreiheiten (EMRK) vom 4. November 1950 (BGBl II S 685, 953 mit späteren Änderungen) zu vereinbarenden Vorschriften, die es gestatteten, (1.) Ansprüche auf eine zusätzliche Altersversorgung, die nach rechtsstaatlichen Grundsätzen in der DDR erworben worden seien, zu kürzen und mit gleichzeitig erworbenen, anders gearteten Ansprüchen zu vermengen und abzuschmelzen, (2.) ihm als Zusatzversorgungsberechtigten ein – unangemessen niedriges – Alterseinkommen lediglich in Höhe der Rente eines Pflichtversicherten ohne Zusatzversorgungsansprüche zuzuerkennen, (3.) den Anteil seines Alterseinkommens aus der AVI – im Gegensatz zu anderen Einkommensarten im Beitrittsgebiet – nicht nur nicht anzugleichen, sondern diese Leistung sogar schrittweise zu liquidieren.
Die umfassende Berücksichtigung der in der DDR nach den dort herrschenden Gesetzen und juristischen Bräuchen erworbenen Rechte und Ansprüche sei unverzichtbar, wolle man nicht den Rechtsfrieden und den sozialen Frieden dauerhaft gefährden.
Seine Ansprüche – auch auf zusätzliche Leistungen aus der AVI – seien durch die DDR-Verfassung geschützt gewesen; spätestens ab Geltung des Verfassungsgrundsätzegesetzes der DDR vom 17. Juni 1990 hätten diese Ansprüche einen dem GG vergleichbaren Schutz gehabt. Mit dem Beitritt der DDR am 3. Oktober 1990 und der gleichzeitigen Überführung der Ansprüche gemäß Art 19 EV (soweit die Ansprüche nicht zivilrechtlicher Natur seien) stünden sie wie jedes andere Vermögen, das in der DDR rechtmäßig erworben worden sei, unter dem Schutz des GG. Mithin müsse nicht nur der Zahlbetrag der Leistungen aus der Sozialpflichtversicherung und dem Zusatzversorgungssystem erhalten bleiben, sondern dieser wegen der Erhöhung der allgemeinen Lebenshaltungskosten entsprechend angehoben werden.
Unterstelle man die Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 27. Januar 1993 – 4 RA 40/92 – (BSGE 72, 50 ff = SozR 3-8570 § 10 Nr 1), wonach auch der Anspruch aus einem Zusatzversorgungssystem sozialrechtlicher Natur sei, als zutreffend, dann hätten die ihm in begünstigenden Verwaltungsakten zuerkannten Rentenansprüche gemäß Art 19 EV ihre Bestandskraft behalten, und zwar auch mit ihren materiell-rechtlichen Grundlagen. Eine „Schuldgrundersetzung” könne demnach nicht stattgefunden haben.
Auf die Bestimmungen der 1. und 2. RAV könne sich die Beklagte nicht berufen. Aus EV Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 Buchst b (= EV Nr 9b) ergebe sich lediglich, daß die Leistungen anzupassen, also entsprechend seinem Begehren zu dynamisieren seien. Eine Gesetzgebungsermächtigung zur Abschmelzung der Zusatzversorgungsleistungen enthalte der EV Nr 9 f nicht. Eine Kürzung der Leistungen sehe EV Nr 9 nur in Ausnahmefällen, etwa bei einem Verstoß gegen Menschenrechtsverletzungen, vor.
Die die Systementscheidung vollziehenden Bescheide verstießen gegen Art 3 GG. Der Gesetzgeber habe nicht in unverhältnismäßiger Weise in sein Eigentum eingreifen und ihn gegenüber den westdeutschen Bürgern, die eine Zusatzversorgung im Alter hätten, diskriminierend anders behandeln dürfen. Kein Bürger der DDR behalte infolge der durch die Systementscheidung eingeführten Beitragsbemessungsgrenze einen in der DDR durch Arbeit und Leistung erworbenen zusätzlichen Versorgungsanspruch.
Der Verlust seiner angemessenen Altersversorgung verstoße auch gegen Treu und Glauben. Er erhalte im Vergleich zu seinen Berufskollegen in den alten Bundesländern und zu den Bürgern der ehemaligen DDR mit Ansprüchen auf eine Freiwillige Zusatzrentenversicherung der Sozialversicherung (FZR) unverhältnismäßig wenig, obwohl er den Anspruch auf eine (Gesamt-)Altersversorgung nicht durch politische Privilegien, sondern aufgrund seiner Lebensarbeitsleistung erworben habe.
Es sei auch unzulässig, die Übergangszeit nach der Wiedervereinigung weiter auszudehnen. Selbst wenn man die sog Systementscheidung für eine kurze Übergangszeit akzeptieren wolle, so sei diese – wie sich aus Art 143 GG ergebe – am 31. Dezember 1992 bereits beendet gewesen.
Unter anderem das erkennende Gericht beweise ein für ihn enttäuschendes Unverständnis in bezug auf die frühere Situation in der DDR; es sei in Ausübung seiner Pflicht zur Rechtsfortbildung zur Weiterentwicklung der Rechtsordnung verpflichtet und befugt, eine gerechte Entscheidung iS seiner Klageanträge zu treffen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Klägers wird auf seine Schriftsätze vom 6. November 1994 (Bl 26 ff der Akten) sowie vom 9. Mai 1996 mit Anlagen (Bl 119 ff der Akten) verwiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 20. Juli 1994 sowie die Urteile des Sozialgerichts Magdeburg vom 9. Dezember 1992 und vom 27. Juli 1993 sowie die Bescheide betreffend die 1. und 2. RAV zum 1. Januar 1991 und zum 1. Juli 1991 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 1992) sowie den Umwertungsbescheid vom 28. November 1991 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 1992) und die nachfolgenden Rentenanpassungsmitteilungen sowie den Bescheid vom 18. November 1993 und zum 1. Juli 1994 aufzuheben bzw abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm rückwirkend vom 1. Juli 1990 an neben seiner angepaßten Rente aus der Rentenversicherung zumindest einen Zusatzversorgungsbetrag von 1.329,95 DM monatlich fortzuzahlen und ihm für die Zeit nach dem 1. Juli 1990 bis zumindest zum 31. Dezember 1991 den höheren Betrag zu zahlen, der sich aus dem Vergleich der neu berechneten Rente mit dem Betrag ergibt, den die Beklagte für die genannte Zeit für die dynamisierte Rente und zuzüglich dazu für die ebenfalls zu dynamisierende Zusatzversorgung zu zahlen verpflichtet gewesen war,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Entscheidungen des Senats vom 27. Januar 1993 – 4 RA 40/92 – (BSGE 72, 50 ff = SozR 3-8570 § 10 Nr 1) und vom 30. März 1994 – 4 RA 62/93 – und trägt ferner vor:
Ein Verfahrensmangel des angefochtenen Urteils infolge Nichteinbeziehung des Bescheides vom 4. Oktober 1993 liege nicht vor. Dieser Bescheid sei weder kraft Gesetzes gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) noch im Wege der Klageänderung Gegenstand des Revisionsverfahrens. Eine analoge Anwendung des § 96 SGG komme ebenfalls nicht in Betracht. Prozeßökonomisch sei eine Einbeziehung nicht; dagegen spreche die fehlende Passivlegitimation anderer Versorgungsträger im Rahmen des § 8 AAÜG. Sie – selbst – sei lediglich organisatorisch für den Erlaß des Bescheides nach § 8 Abs 3 AAÜG zuständig. Das Verfahren werde durch das Außerachtlassen des Entgeltbescheides nicht erschwert. Eine Bindungswirkung des Rentenversicherungsträgers an Bescheide anderer Behörden sei nicht selten. Der Vorgreiflichkeit könne im Rechtsstreit durch eine Aussetzung nach § 114 Abs 2 SGG ausreichend Rechnung getragen werden.
Der Bescheid vom 18. November 1993 sei rechtmäßig. Die Neuberechnung für Zeiten des Rentenbezugs ab 1. Juli 1990 sei gemäß § 307b Abs 2 Satz 3 SGB VI vorzunehmen gewesen. Das „DDR-Stammrecht” sei nach § 23 Abs 1 des Gesetzes zur Angleichung der Bestandsrenten an das Rentenniveau der Bundesrepublik Deutschland und zu weiteren rentenrechtlichen Regelungen (Rentenangleichungsgesetz der DDR ≪RAG≫ vom 28. Juni 1990, GBl I Nr 38 S 495, 1457) seit dem 3. Oktober 1990 mit der Maßgabe des EV Anl II Kap VIII Sachgebiet F Abschn III Nr 8 bis zur Überführung in die gesetzliche Rentenversicherung erhalten geblieben. Für eine Weitergewährung des Betrages aus der Zusatzversorgung neben der Rente aus der Sozialpflichtversicherung finde sich im geltenden Recht keine Stütze. Der Gesetzgeber habe durch die Nichtanpassung des Gesamtzahlbetrages nicht in ein geschütztes Rechtsgut des Klägers eingegriffen. Der Anspruch könne nur so geschützt werden, wie er zu Beginn ausgestaltet gewesen sei; zu diesem Zeitpunkt sei er bereits mit den Maßgaben des EV belastet gewesen. Mithin sei lediglich der Gesamtzahlbetrag, der für Juli 1990 aus der Sozialpflichtversicherung und dem Zusatzversorgungssystem zu erbringen gewesen sei, garantiert.
Im übrigen befinde sich der Kläger im Rahmen der Beitragsbemessungsgrenze, ohne daß er entsprechende Beiträge geleistet habe, im obersten Spektrum der Leistungsbezieher. Ein Vergleich mit den in den alten Bundesländern durch eine betriebliche Versorgungszusage abgesicherten Berechtigten lasse nicht erkennen, daß dem Kläger durch die Überführung unzumutbare Nachteile auferlegt worden seien. Von den heutigen Rentnern – und nur diese kämen als Vergleichsgruppen in Betracht – würden nur rund 24 % eine Betriebsrente beziehen. Schließlich habe die Rente seit 30. Juli 1990 (bis zum Juli 1994) eine reale durchschnittliche Steigerung von 65 vH erfahren, so daß nicht erkennbar sei, daß in die Rechtsposition des Klägers in dem behaupteten Umfang eingegriffen worden sei.
Im Verlaufe des Revisionsverfahrens ist ein weiterer Bescheid (vom 20. Januar 1995) ergangen, in dem die Beklagte die Regelaltersrente gemäß § 307b SGB VI neu berechnet hat; die monatliche Rente belief sich danach ab 1. März 1995 auf 3.033,93 DM.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision des Klägers hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.
Die Revision ist unbegründet und insoweit zurückzuweisen, soweit das angefochtene Urteil die Bescheide zur 1. und 2. RAV (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 1992), den Umwertungsbescheid vom 28. November 1991 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 1992) sowie die bis zum 18. November 1993 ergangenen Rentenanpassungsbescheide betrifft (A).
Im übrigen ist das Urteil des LSG und der Bescheid der Beklagten vom 18. November 1993 sowie der Rentenanpassungsbescheid zum 1. Juli 1994 aufzuheben, soweit darin Rentenhöchstbeträge festgesetzt worden sind (B).
Der im Verlauf des Revisionsverfahrens, am 20. Januar 1995, ergangene Bescheid, in dem die Regelaltersrente des Klägers – erneut – neu berechnet worden ist, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens geworden; er gilt gemäß § 171 Abs 2 SGG als mit der Klage beim SG angefochten.
A Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß die Bescheide zur 1. und 2. RAV (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 1992), der Umwertungsbescheid vom 28. November 1991 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 1992) und die auf diesem Bescheid beruhenden, nachfolgenden Rentenanpassungsbescheide rechtmäßig sind. Danach steht dem Kläger aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt (bis zur endgültigen individuellen Rentenfestsetzung, s unten) ein Anspruch auf eine höhere Altersversorgung für die Zeit ab 1. Juli 1990 zu.
Weder nach den Vorschriften der ehemaligen DDR, die nach dem EV übergangsrechtlich weiter anzuwenden waren, noch nach dem EV selbst, noch nach dem AAÜG oder den Bestimmungen des SGB VI hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung einer höheren, als ihm am 1. Juli 1990 zustehenden Altersversorgung. Der Anspruch auf Altersversorgung in dieser Höhe ist dem Kläger durch die beiden bindenden und nach Art 19 EV wirksam gebliebenen Bescheide des FDGB und der Staatlichen Versicherung der DDR (Sozialversicherungsrente: 487,– DM; Rente aus der Zusatzversorgung: 1.626,– DM) zuerkannt und in den Verfügungssätzen der Bescheide zur 1. und 2. RAV sowie des Bescheides vom 28. November 1991 und den nachfolgenden Rentenanpassungsbescheiden fortgeschrieben worden.
1. Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, daß die Beklagte § 23 RAG, § 6 der 1. RAV und die Vorschriften der 2. RAV sowie § 307b Abs 5 SGB VI in den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen inhaltlich zutreffend umgesetzt hat, falls diese Vorschriften auf den Kläger anwendbar und gültig sind.
2. Die von der Beklagten herangezogenen Vorschriften sind nicht zu beanstanden. Dies hat der Senat – unter Berücksichtigung der einschlägigen Literatur – bereits entschieden. Er hält an den Grundsätzen seiner Rechtsprechung fest, die er in der Grundentscheidung vom 27. Januar 1993 (BSGE 72, 50 ff = SozR 3-8570 § 10 Nr 1; dazu BVerfG, Beschluß der 2. Kammer des 1. Senats vom 7. Juli 1993 – 1 BvR 620/93: „Zahlbetragsbegrenzung auf 2.010,– DM”) zusammengefaßt sowie in einer Vielzahl von Urteilen und Beschlüssen zu verschiedenen Bereichen des Rentenüberleitungsrechts näher entfaltet hat; vor allem: Urteil vom 30. September 1993 – 4 RA 1/93: „Übergangszeit vom 3. Oktober 1990 bis 31. Dezember 1991”; Urteil vom 25. Januar 1994, SozR 3-1300 § 44 Nr 8: „Keine Einstandspflicht für DDR-Rentenansprüche vor dem 1. Juli 1990”; Vorlagebeschluß vom 30. März 1994 – 4 RA 33/92, SGb 1995, 37 ff: „Zahlbetragsbegrenzung MfS”; Urteil vom 30. März 1994 – 4 RA 62/93, AuA 1994, 224, 256: „Systementscheidung und Rechtmäßigkeit der 1. und 2. RAV”; Urteil vom 10. Mai 1994, BSGE 74, 184 ff = SozR 3-8570 § 11 Nr 1: „Dienstbeschädigungsteilrente I”; Beschluß vom 24. August 1994, SozR 3-8570 § 17 Nr 1: „Berufsbezogene Zuwendung an Ballettänzer”; Urteil vom 31. August 1994, SozR 3-8570 § 11 Nr 3: „Kürzung der Übergangsrente”; Urteil vom 31. August 1994, SozR 3-8570 § 12 Nr 1: „Krankenversicherung von Sonderversorgungsrentnern”; Urteil vom 31. August 1994 – 4 RA 56/93: „Fortsetzung zu Dienstbeschädigungsteilrente I”; Urteil vom 29. September 1994, SozR 3-8570 § 11 Nr 3: „Dienstbeschädigungsteilrente II”; Urteil vom 15. Dezember 1994 – 4 RA 67/93, SozR 3-8560 § 26 Nr 2: „Unanwendbarkeit von § 26 Abs 1 Rentenangleichungsgesetz”; Urteil vom 14. Juni 1995 – 4 RA 41/94, SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9, Buchst b Satz 3 Nr 1: „Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit der 1. und 2. RAV”; Vorlagebeschlüsse vom 14. Juni 1995 – 4 RA 98/94 (§ 6 Abs 2 AAÜG), 4 RA 54/94 (§ 7 AAÜG) sowie – 4 RA 28/94 (Zahlbetragsbegrenzung auf 2.700,– DM); vgl im übrigen auch Urteil vom 14. September 1995 – 4 RA 90/94, zur Veröffentlichung vorgesehen: „Anzuwendendes Übergangsrecht bei der Überführung von Ansprüchen eines ‚FZR’-Versicherten mit Zusage aus einem Zusatzversorgungssystem”; ferner Urteil vom 14. Mai 1996 – 4 RA 75/95. Danach ist von folgendem auszugehen:
a) Bundesrecht gilt für Ansprüche, die für die Zeit ab 1. Juli 1990 geltend gemacht werden. Nach dem EV, der durch das Einigungsvertragsgesetz (EinigVtrG) vom 23. September 1990 (BGBl II S 885) in innerstaatliches Recht transformiert und damit – einfaches – Bundesgesetz geworden ist, findet Bundesrecht seit dem 3. Oktober 1990 auch für die Zeit ab 1. Juli 1990 mit den Maßgaben des EV rückwirkend Anwendung. Das Recht der früheren DDR gilt nur weiter, soweit es im EV angeordnet worden ist, und zwar nachrangig, lückenfüllend und übergangsrechtlich kraft bundesrechtlichen Anwendungsbefehls und in dessen Grenzen.
b) § 23 Abs 1 RAG, der am 1. Juli 1990 in Kraft getreten und aufgrund des Art 20 des Staatsvertrages beschlossen worden ist, hat zwar nach EV Anl II Sachgebiet F Abschn III Nr 8 grundsätzlich bis 31. Dezember 1991 mit den Maßgaben des EV als sekundäres Bundesrecht weiter gegolten. Er gibt jedoch keinen Anspruch auf eine Dynamisierung der Zusatzversorgungsrenten. Danach waren Renten aus der Sozialpflichtversicherung und Renten aus Zusatzversorgungssystemen lediglich nominell in unveränderter Höhe, umgestellt im Verhältnis 1:1 von Mark auf DM, weiterzuzahlen.
c) § 24 Abs 5 RAG findet keine Anwendung. Die darin vorgesehene schonende Überführung in Form einer Abschmelzung der Zusatzversorgungsrente bei Erhöhung des Gesamtzahlbetrages gelangte nach Inkrafttreten des EV – im Gegensatz zu § 23 RAG – als „Bundesrecht” nicht mehr zur Anwendung. EV Nr 9, der die Frage, ob und in welchem Umfang in Sonder- oder Zusatzversorgungssystemen erworbene Ansprüche und Anwartschaften in die Rentenversicherung (SGB VI) überführt werden, ausschließlich – „soweit sich aus dem Vertrag nichts anderes ergibt” – geregelt hat, veränderte das Überführungskonzept des RAG entscheidend. Er löste damit die Rahmenvorgaben in Art 20 des Staatsvertrages ab. Der vom RAG vorgesehene, auf den Maßgaben des Staatsvertrages beruhende Zwischenschritt auf dem Weg zur Wiederherstellung der Rechtseinheit in Deutschland auf dem Gebiet des Rentenversicherungsrechts, nämlich die Schaffung eines DDR-Rentenversicherungsrechts, das im wesentlichen dem Rentenversicherungsrecht der Bundesrepublik Deutschland entsprechen sollte, wurde im Blick auf das Inkrafttreten des SGB VI zum 1. Januar 1992 im EV fallengelassen. Die im Gegensatz zu diesem Überführungsprogramm stehenden, auf dem Staatsvertrag beruhenden Vorschriften, wie § 24 Abs 5 RAG, wurden verdrängt und damit gegenstandslos.
d) Eine Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf eine höhere Gesamtrente ergibt sich auch nicht aus der 1. und 2. RAV. Die aufgrund von EV Nr 9 Buchst f zum 1. Januar und zum 1. Juli 1991 ergangenen Rechtsverordnungen und die dort getroffenen Regelungen – ua Erhöhung der Rente aus der Sozialpflichtversicherung bei gleichzeitiger Kürzung der Rente aus den Zusatzversorgungssystemen (§ 6 der 1. RAV und § 8 der 2. RAV) – sind nicht zu beanstanden. Die hierauf gestützten (Abänderungs-)Bescheide entsprechen geltendem Recht.
Verfahrensrechtlich konnte der nach Art 19 EV auch über den 3. Oktober 1990 hinaus bindende Bescheid gemäß § 48 SGB X wegen Änderung der rechtlichen Verhältnisse im Hinblick auf die beiden Rentenanpassungsverordnungen geändert werden. Durch Art 19 Satz 1 EV wurde eine Abänderbarkeit der Verwaltungsakte nicht generell ausgeschlossen. Diese unterlagen vielmehr gemäß Art 19 Satz 3 EV den Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und konnten mithin jedenfalls ab 1. Januar 1991 nach den auch in den neuen Bundesländern geltenden Verwaltungsvorschriften, dem SGB X (EV Anl I Sachgebiet D Abschn III Nr 2), abgeändert werden.
Materiell-rechtlich sind § 6 der 1. RAV und § 8 der 2. RAV nicht zu beanstanden. Sowohl die Ermächtigungsnorm der beiden Rentenanpassungsverordnungen, EV Nr 9 Buchst f, als auch die darauf beruhenden Rentenanpassungsverordnungen entsprechen formellem und materiellem Recht.
EV Nr 9 Buchst f ist Bundesgesetz; er ermächtigt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates, das „Nähere” zu den Maßgaben nach EV Nr 9 Buchst a bis e zu bestimmen. Die Ermächtigungsnorm hat, wie der gesamte EV, gemäß dem Vertragsgesetz den Rang eines Bundesgesetzes ohne verfassungs- oder völkerrechtlichen Vorrang. Sie ist hinreichend bestimmt. Ihr Regelungsgegenstand ergibt sich zulässigerweise aus dem Gesamtzusammenhang des Gesetzes, nämlich dem EV Nr 9. Dieser regelt das Überführungsprogramm für Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen. Danach sind – unter „Aufrechterhaltung” eines Anspruchs der Bestandsrentner auf den sich für Juli 1990 aus der Sozialpflichtversicherungsrente und der Rente aus dem Zusatzversorgungssystem zu erbringenden Gesamtzahlbetrag (sog Zahlbetragsgarantie) – Renten aus der Sozialpflichtversicherung und solche aus den Zusatzversorgungssystemen in eine einzige (Voll-)Rente zu überführen, und zwar in eine Rente nach den ab 1. Januar 1992 geltenden Bestimmungen des SGB VI; diese ist von Bestandteilen freizuhalten, die nicht auf Arbeit und Leistung, sondern auf politischer Begünstigung beruhen.
Dieses Überführungsprogramm des EV Nr 9, das Grundlage für die Auslegung der Ermächtigungsnorm EV Nr 9 Buchst f ist und deren Inhalt bestimmt, steht im Einklang mit dem GG.
Art 14 GG wird durch die Schließung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme und die Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus diesen Systemen in eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht verletzt. Denn die Rentenansprüche und -anwartschaften aus Sonder- und Zusatzversorgungssystemen sind keine eigentumsgeschützten Rechtspositionen iS des GG (zur sog Zahlbetragsgarantie, s unten). Der Schutz der Eigentumsgarantie des Art 14 GG erstreckte sich nicht rückwirkend auf Erwerbstatbestände, die im Gebiet der ehemaligen DDR zurückgelegt worden sind. Der Verantwortungsbereich der dem GG verpflichteten Staatsgewalt der Bundesrepublik Deutschland beschränkte sich sowohl tatsächlich als auch staatsrechtlich allein auf das damalige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (Art 23 Satz 1 GG aF).
Das Überführungsprogramm im EV Nr 9 verstößt auch nicht gegen Art 3 GG.
Dem Gesetzgeber stand es frei, wie er die Versorgung der Bestandsrentner mit Ansprüchen aus Zusatzversorgungssystemen regelt. Eine derartige Regelung ist nur nach den Maßgaben der Verfassung und nicht abstrakt unter dem Gesichtspunkt der Systemwidrigkeit, insbesondere nicht gemessen am System des DDR-Rechts, zu prüfen. Eine Systementscheidung ist selbst dann nicht willkürlich, wenn der Gesetzgeber unter mehreren Lösungen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste gewählt hat; sie ist es nur dann, wenn sich ein sachgerechter Grund für eine gesetzliche Bestimmung nicht finden läßt.
Der Gesetzgeber hat im EV Nr 9 die auf entgeltlicher Beschäftigung in der DDR beruhenden Rentenansprüche wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Alters und Tod aus Zusatzversorgungssystemen unter Wahrung des Bestandsschutzes zukunftsorientiert ab 1. Januar 1992 als in die gesetzliche Rentenversicherung überführbar gewertet. Er hat dieses Überführungsprogramm verfassungsgemäß, insbesondere unter Bindung an den Gleichheitssatz und das Sozialstaatsgebot des Art 20 Abs 1 GG gestaltet. Er mußte bei der Ausgestaltung das Ziel der Gleichheit der Lebensverhältnisse im ganzen Bundesgebiet berücksichtigen. Insbesondere im Hinblick auf die vielfältigen und vielschichtigen Probleme der Bewältigung der Folgen ua des Staatsbankrotts der DDR (so BVerfGE 84, 90, 131; vgl im übrigen Feststellungen in dem oben genannten Vorlagebeschluß vom 14. Juni 1995 – 4 RA 54/94) oblag es ihm, in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht die Prioritäten für eine Annäherung der Lebensverhältnisse in ganz Deutschland zu setzen. Aus diesem Grund war er berechtigt, ein System zu schaffen, das für alle eine Rentenleistung sicherte, die nach der Art ihrer Ausgestaltung typischerweise bei einem den allgemeinen Regeln entsprechenden Arbeitsleben zur angemessenen Sicherung der Existenz ausreicht. Sozialpflichtversicherungs- und Zusatzversorgungsrente sind danach in der – neu zu berechnenden – dynamischen Rente zusammengefaßt. Der „Wert der zusätzlichen Versorgungsleistung” wurde damit berücksichtigt. Die Zusatzsatzversorgungsrente ist mithin nicht liquidiert, sondern – im Hinblick auf die Anhe bung auf DM, auf die im Gegensatz zur ehemaligen DDR regelmäßige Dynamisierung der Rente und die Berechnung der Rente auf der Grundlage des tatsächlich erzielten gesamten Entgelts unter Anwendung der Beitragsbemessungsgrenze und der Hochwertung auf das Westniveau – in die Gesamtleistung integriert. Die Überführung war auch im Hinblick auf die vielfältigen Aufgaben der Bundesrepublik Deutschland bei der Wiedervereinigung und die Art ihrer Ausgestaltung system- und sachgerecht. Der Gesetzgeber hat bei der Überführung den Grundsatz des Vertrauensschutzes gewahrt, indem er den Beziehern einer Rente aus der Zusatzversorgung den ihnen am 1. Juli 1990 zustehenden, auf ihrer Arbeitsleistung beruhenden – entsprechend dem die einfache Rechtsordnung und das Geldschuldensystem beherrschenden Nominalwertprinzip – nominalen (nicht realen) Gesamtzahlbetrag aufgewertet in DM bis zum Erreichen einer SGB VI-Rente in dieser Höhe eigentumsgeschützt garantiert hat (EV Nr 9 Buchst b Satz 4, sog Zahlbetragsgarantie).
Der Gesetzgeber war nicht gehalten, bei der Überführung der Altersversorgung rentenversicherungsrechtliche Regelungen der DDR oder Regelungen der vergleichbaren Berufsgruppen in der Bundesrepublik Deutschland zu übernehmen. Im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit brauchte er nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft bzw Allgemeinheit den Umstand auszugleichen, daß durch den Staatsbankrott der DDR einschließlich ihrer Versicherungs- und Versorgungssysteme die Lebensleistung auch besonders qualifizierter Erwerbstätiger wirtschaftlich völlig entwertet war. Insbesondere mußte er diejenigen, die die Versorgungsversprechen der DDR erhalten hatten, die über das für die Arbeiter und Angestellten allgemein zugesagte Niveau aus Sozialpflichtrentenversicherung und FZR hinausgingen, nicht rückwirkend und kostenfrei so stellen, als hätten sie die Gegenleistungen für die speziellen Alterssicherungssysteme in der Bundesrepublik Deutschland erbracht.
Ob die gemäß der Entscheidung des Senats vom 27. Januar 1993 (BSGE 72, 50 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1) jedenfalls für eine Übergangszeit verfassungsgemäße Systementscheidung zu irgendeinem Zeitpunkt verfassungswidrig werden könnte, wird vom Senat zur gegebenen Zeit entschieden werden.
Im Hinblick auf die im Rahmen der Gestaltungsfreiheit vom Gesetzgeber getroffene, nicht zu beanstandende sog Systementscheidung kann auch dahinstehen, ob Ansprüche aus Zusatzversorgungssystemen der ehemaligen DDR in deren Rechtssystem zivilrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur waren. Für den Kläger günstigere Rechtsfolgen würden sich im übrigen auch bei einer zivilrechtlichen Ausgestaltung nicht ergeben. Denn selbst wenn Art 232 § 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) in diesen Fällen Anwendung fände, wäre ein zu „DDR-Zeiten” bestehender zivilrechtlicher Anspruch auf Altersversorgung des Klägers nach der Wiedervereinigung ins Leere gegangen. Denn mit dem Erlöschen der DDR und ihrer Einrichtungen wäre ein Anspruchsgegner, der für die Schuld der Versicherungseinrichtungen der DDR einzustehen gehabt hätte, nicht mehr vorhanden gewesen. Die Bundesrepublik Deutschland war nicht Gesamtrechtsnachfolgerin der DDR; die Rentenversicherungsträger sind nur Funktionsnachfolger und nicht etwa Rechtsnachfolger der Versicherungseinrichtungen.
Die 1. und 2. RAV setzen das Überführungsprogramm des EV auch sachgerecht um. Der Verordnungsgeber hat nur diejenigen Angleichungen vorgenommen, die im Blick auf das Angleichungsziel, einer ab 1. Januar 1992 in ganz Deutschland gültigen SGB VI-Rente und zur Erreichung eines Nettorentenniveaus von 70 vH, sachlich berechtigt und verhältnismäßig waren.
Der Verordnungsgeber hat durch das Abschmelzen der Renten aus Zusatzversorgungssystemen nicht gegen Art 14 GG verstoßen. Denn die erstmals im EV Nr 9 Buchst b Satz 4 als eigentumsgeschützte Rechtsposition ausgestaltete Zahlbetragsgarantie wurde bei diesem Anpassungsvorgang nicht unterschritten.
Die Regelungen in der 1. und 2. RAV verstoßen auch nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Zwar werden danach die Renten von Mitgliedern der FZR und die Renten von Angehörigen der Zusatzversorgungssysteme verschieden angepaßt. Ein sachlicher Grund für die verschiedene Behandlung der Angehörigen der beiden Versicherungs- bzw Versorgungssysteme lag jedoch vor. Denn die Ungleichbehandlung knüpfte an den Umstand, daß nach dem Überführungsprogramm des EV Grundlage der Rentenberechnung ua Ar beitsleistung und geleistete Beiträge sein sollten und die Höhe der Beiträge bei den Mitgliedern der FZR ohne weiteres aus den Unterlagen der Versicherungsanstalten der ehemaligen DDR erkennbar war, während dies bei den Renten aus den Zusatzversorgungssystemen nicht der Fall war (vgl oben genanntes Urteil vom 14. September 1995 – 4 RA 90/94). Im Hinblick auf das Angleichungsziel einer SGB VI-Rente als Spiegelbild der erbrachten Arbeits- und Beitragsleistung war es somit sachlich gerechtfertigt, bis zur endgültigen Berechnung der SGB VI-Rente für eine Übergangszeit es bei den bestandsgeschützten Zahlbeträgen zu belassen, um im Hinblick auf die SGB VI-Rente mögliche Überzahlungen zu vermeiden.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Verordnungsgeber möglicherweise nunmehr zwischenzeitlich bessere Erkenntnisse über die Ausgestaltung der Zusatzversorgungssysteme hat sowie darüber, inwieweit bei einzelnen Personengruppen sich in den einzelnen Systemen Vergünstigungen niedergeschlagen haben. Denn im Hinblick auf die Haushaltsplanungen braucht der Gesetzgeber eine rückwirkende Änderung nicht mehr vorzunehmen (vgl hierzu entsprechend BVerfGE 41, 126, 187).
e) § 307b Abs 5 SGB VI, auf dem der Umwertungsbescheid beruht und in dem die beiden Ansprüche auf Sozialpflichtversicherungsrente und Rente aus dem Zusatzversorgungssystem durch einen Anspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung ersetzt worden sind, ist ebenfalls gültig. Er ermächtigte die Beklagte, für Rentenbezugszeiten ab Januar 1992 die für die Höhe der überführten Rente maßgeblichen Entgeltpunkte in einem „maschinellen Verfahren” zu ermitteln und bei der pauschalierten Berechnung der überführten Leistung Werte zugrunde zu legen, die bei der individuellen Feststellung der Rente später unter Umständen zu einem erheblichen Nachzahlungsanspruch führen. Solange die für die Rentenberechnung in jedem Einzelfall erforderlichen Daten aus dem gesamten Versicherungsverlauf noch nicht ermittelt werden konnten, konnte die Beklagte also die Rentenhöhe vorab aufgrund abstrakter, gesetzlich vorgegebener Werte und damit verbindlich feststellen. Der Anspruch des Versicherten auf eine seinen individuellen Verhältnissen entsprechende Festsetzung der Höhe seines Rentenanspruchs blieb dadurch dem Grunde nach unberührt, wurde aber zunächst hintangehalten (vgl § 307c SGB VI). Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen im Hinblick auf das oben genannte Angleichungsziel und den – zugrundezulegenden – Kenntnisstand des Gesetzgebers bei der Kodifikation des Rentenüberleitungsrechts nicht. Denn jedenfalls aus seiner damaligen Sicht gab es Anhaltspunkte dafür, daß die der Berechnung der Zusatzversorgungsrenten zugrundeliegenden Arbeitsentgelte möglicherweise aus politischen Gründen gegenüber den sonstigen Erwerbstätigen in der früheren DDR überhöht oder sogar „Unrechtsentgelte” (vgl zum Begriff und der Bedeutung der oben genannte Vorlagebeschluß vom 14. Juni 1995 – 4 RA 54/94) waren. Das maschinelle Verfahren sollte nach alledem gerade für eine Übergangszeit ermöglichen, daß bis zur individuellen Rentenberechnung einerseits Überzahlungen vermieden werden, andererseits aber den Betroffenen ein monatlicher Rentenanspruch wenigstens auf der Grundlage eines Entgeltpunktes gewährt werden konnte. Dies war aus den genannten Gründen sachlich gerechtfertigt.
Eine Rechtsgrundlage, die dem Kläger seit dem 1. Juli 1990 übergangsrechtlich einen Anspruch auf eine höhere Altersversorgung einräumt, ist somit nicht erkennbar; sie ergibt sich auch nicht aus den Bestimmungen der EMRK oder aufgrund einer Rechtsfortbildung, die hier unzulässig ist.
Insoweit ist die Revision des Klägers zurückzuweisen.
B Erfolg hat die Revision des Klägers insoweit, als das Urteil des LSG und die Bescheide der Beklagten vom 18. November 1993 sowie der nachfolgende Rentenanpassungsbescheid zum 1. Juli 1994 teilweise aufzuheben sind. Der Bescheid vom 18. November 1993, in dem die Regelaltersrente des Klägers gemäß § 307b Abs 1 bis 3 SGB VI neu festgestellt und berechnet worden ist, ist rechtswidrig, soweit darin Rentenhöchstbeträge festgesetzt worden sind.
Die Beklagte hat am 18. November 1993, als sie gemäß dem Verfügungssatz des Bescheides über den gesamten Rentenanspruch, nämlich über Rentenart, Rentenbeginn und Rentenhöhe abschließend entschieden hat, gegen das Verbot des vorzeitigen Verfahrensabschlusses verstoßen (vgl hierzu BSG SozR 3-1300 § 32 Nr 2 mwN). Danach darf ein die Rente endgültig bewilligender Bescheid erst ergehen, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist und die Rentenhöhe endgültig feststeht. Dies war am 18. November 1993 nicht der Fall. Denn der Bescheid vom 4. Oktober 1993, in dem die BfA als Funktionsnachfolger des Trägers des Zusatzversorgungssystems rentenerhebliche Zeiten und die bei der Rentenberechnung zu berücksichtigenden Arbeitsentgelte festgestellt hat, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestandskräftig.
Anhaltspunkte dafür, daß der Bescheid nur vorläufig – etwa bis zur Bestandskraft des Bescheides vom 4. Oktober 1993 über die Feststellung der bei der Rentenberechnung zu berücksichtigenden Entgelte und die rentenerheblichen Zeiten – gelten sollte, sind objektiv (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫) nicht erkennbar.
Der og, nach § 8 AAÜG ergangene Bescheid vom 4. Oktober 1993 ist auch nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand dieses Verfahrens geworden. Wie der Senat bereits entschieden hat (Teilurteil und Beschluß vom 14. Juni 1995 – 4 RA 28/94), steht der nach § 8 AAÜG ergangene Bescheid nicht in einem derart inneren Zusammenhang, daß er unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Prozeßökonomie in das Verfahren über die Berechnung der Rente nach § 307b Abs 1 bis 4 SGB VI einzubeziehen ist. Er enthält lediglich Feststellungen über eine unselbständige Vorfrage, nämlich über Anspruchselemente, die für die Höhe der Rente maßgebend sind. Der Bescheid ergeht im Rahmen der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus den Sonder- und Zusatzversorgungssystemen in einem vom Gesetzgeber vorgeschriebenen speziellen Verfahren (§ 8 AAÜG). Für dieses Verfahren bestimmt der Gesetzgeber in § 8 Abs 4 AAÜG den zuständigen Versorgungsträger; dieser hat der BfA in ihrer Funktion als Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 8 Abs 5 Satz 1 AAÜG) die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenversicherung unter Berücksichtigung von §§ 6, 7 AAÜG erforderlichen Daten mitzuteilen (§ 8 Abs 1 und 2 AAÜG). Ferner regelt die Vorschrift die Rechtswirkungen dieser den Berechtigten in einem Bescheid bekanntzugebenden Daten (§ 8 Abs 3 AAÜG), die die BfA als Trägerin der Rentenversicherung binden (§ 8 Abs 5 Satz 2 AAÜG). Somit werden die zur Festsetzung der Leistung notwendigen Vorfragen einerseits und die Leistungsbewilligung andererseits – getrennt – von grundsätzlich verschiedenen Verwaltungsträgern in verschiedenen Verfahren vorgenommen. Daß die BfA hier sowohl zuständiger Versorgungsträger als auch zuständiger Träger der gesetzlichen Rentenversicherung ist, ist für die Frage, ob § 96 SGG anwendbar ist, unerheblich. Denn die BfA nimmt insoweit zwei verschiedene Aufgaben war. Einmal befaßt sie sich mit den im Rahmen der Überleitung der Ansprüche in die SGB VI-Rente zu klärenden Fragen nach Art und Höhe der zu berücksichtigenden Entgelte (bzw der Versicherungszeiten), zum anderen setzt sie die endgültige SGB VI-Rente fest.
Unerheblich ist, daß die BfA als Träger der gesetzlichen Rentenversicherung an die in dem Bescheid nach § 8 AAÜG (vom 4. Oktober 1993) getroffenen Feststellungen gebunden ist (§ 8 Abs 5 Satz 2 AAÜG). Diese Bindungswirkung betrifft allein das Verhältnis zwischen Versorgungsträger und dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, nicht jedoch dasjenige zwischen dem Berechtigten und dem Funktionsnachfolger des Zusatzversorgungssystems. Der Berechtigte kann diesen Bescheid – ebenso wie alle anderen ihn belastenden Verwaltungsakte – anfechten. Bindend und somit für die Beklagte feststehend werden die Feststellungen nach § 8 AAÜG infolgedessen erst nach Eintritt der Bestandskraft des – ggf auch abgeänderten – Bescheides.
Nach alledem kann vor diesem Zeitpunkt kein das Rentenverfahren endgültig abschließender Bescheid ergehen. Die Beklagte hätte lediglich mit Hilfe eines einstweiligen Verwaltungsaktes das Rentenrechtsverhältnis vorläufig, dh für einen begrenzten Zeitraum – bis zur Bestandskraft des Bescheides vom 4. Oktober 1993 oder eines diesen ersetzenden Bescheides – regeln können nicht aber bereits am 18. November 1993 einen abschließenden Bescheid erlassen dürfen.
Die Revision hat mithin insoweit zu einem geringen Teil Erfolg, als der Bescheid vom 18. November 1993 und der nachfolgende Rentenanpassungsbescheid in dem im Tenor genannten Umfang aufzuheben sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; dabei ist zu berücksichtigen, daß einerseits auf die Anfechtungsklage der endgültige Rentenbescheid der Beklagten aus verwaltungsverfahrensrechtlichen Gründen teilweise aufzuheben ist, andererseits jedoch der Kläger mit seinem Begehren auf Weiterzahlung und Dynamisierung der Rente aus dem Zusatzversorgungssystem in diesem Verfahren nicht durchdringt.
Fundstellen