Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung. Befugnis der Partner der Gesamtverträge zum Ausschluß der Kostenerstattung im Vorverfahren ab 1.1.1989 entfallen
Leitsatz (amtlich)
Mit dem Inkrafttreten des § 106 SGB 5 zum 1. Januar 1989 ist die Befugnis der Partner der Gesamtverträge entfallen, entgegen § 63 SGB 10 die Erstattung von Kosten der Beteiligten in Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung auszuschließen (Bestätigung von BSG vom 14.10.1992 – 14a/6 RKa 3/91 = SozR 3-1300 § 63 Nr 4).
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
SGB V § 106 Abs. 3 S. 1; RVO § 368n Abs. 5 S. 3; SGB X § 63 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. Dezember 1995 abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 2/3 der Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert von 22.186,38 DM zu erstatten.
Die weitergehende Revision des Klägers wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger 1/10 der Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Verpflichtung zur Erstattung von Kosten im Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung.
Der Prüfungsausschuß bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) Westfalen-Lippe kürzte durch Bescheid vom 29. Oktober 1991 das Honorar des Klägers, eines niedergelassenen Zahnarztes, für die Quartale I/87 bis IV/89 wegen Unwirtschaftlichkeit um insgesamt 120.453,– DM. Dabei wurde das Honorar je Behandlungsfall auf den durchschnittlichen Fallwert der Fachgruppe herabgesetzt. Auf den Widerspruch des Klägers, eingelegt und begründet durch seine Prozeßbevollmächtigten, hob der beklagte Beschwerdeausschuß durch bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 18. März 1993 den Bescheid des Prüfungsausschusses auf und setzte eine Honorarkürzung in Höhe von 18.876,87 DM fest. Eine Kostenentscheidung enthielt der Bescheid nicht.
Der Kläger beantragte die Übernahme seiner Anwaltskosten in Höhe von 5.739,08 DM. Der Beklagte lehnte dies ab, weil die Zuziehung eines Rechtsanwaltes im Vorverfahren nicht erforderlich gewesen sei (Bescheid vom 26. Januar 1994).
Das hiergegen angerufene Sozialgericht (SG) Münster hat den Beklagten unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, dem Kläger 5/6 der Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert von 120.000,– DM zu erstatten (Urteil vom 4. August 1994). Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 13. Dezember 1995). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, die Berufung sei nicht nach § 144 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen. In der Sache ergebe sich der Ausschluß der Kostenerstattung aus § 5 Abs 8 der Verfahrensordnung für die kassenzahnärztliche Versorgung in Westfalen-Lippe vom 11. April 1985, wonach Kosten im Vorverfahren nicht zu erstatten seien. Die Vorschrift sei auch nach Inkrafttreten des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) anwendbar. Sie halte sich insbesondere im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage des § 106 Abs 3 Satz 1 SGB V, nach der die Partner des Gesamtvertrages die Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach § 106 Abs 2 SGB V gemeinsam vereinbarten. Damit sei – entgegen der in einer Entscheidung des 14a-Senats des Bundessozialgericht ≪BSG≫ (SozR 3-1300 § 63 Nr 4) geäußerten Auffassung – den Vertragspartnern des Gesamtvertrages nicht die Regelungsbefugnis für das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung entzogen worden. Weder der Wortlaut noch die Gesetzesbegründung zu § 106 Abs 3 Satz 1 SGB V ließen erkennen, daß neben den in § 106 Abs 5 Sätze 6 und 7 SGB V in Bezug genommenen Normen des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) die Vorschrift des § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) über die Kostenerstattung im Vorverfahren Anwendung finden solle.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die angefochtene Entscheidung verstoße gegen § 63 SGB X. Diese Regelung sei auch auf die Verwaltungsverfahren im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung anzuwenden, soweit Abweichendes nicht bestimmt sei. Mit dem Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) zum 1. Januar 1989 habe der Gesetzgeber den Gesamtvertragspartnern die Regelungskompetenz für das Verwaltungsverfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung entzogen; denn anders als die Vorläuferregelung des § 368n Abs 5 Satz 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) enthalte § 106 Abs 3 Satz 1 SGB V nicht mehr die Formulierung, daß die Partner des Gesamtvertrages auch „das Verfahren vor den Ausschüssen” zu vereinbaren hätten. Diese Auslegung des § 106 Abs 3 Satz 1 SGB V werde durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bekräftigt. So sei in der Begründung des Bundesrates zu § 114 Abs 2 SGB X idF des Entwurfs (BT-Drucks 11/2493 S 28) klargestellt worden, daß das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung ein Verwaltungsverfahren iS des SGB X darstelle.
Der Kläger beantragt sinngemäß
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. Dezember 1995 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 4. August 1994 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er trägt vor, eine Kostenerstattung nach § 63 SGB X scheide hier schon deshalb aus, weil das Prüfverfahren die Quartale I/87 bis IV/89 umfaßt und damit Zeiträume betroffen habe, die vor dem 1. Januar 1989 lägen. Für die Zeit bis zum 31. Dezember 1988 sei aber nach der Rechtsprechung des BSG das im Zeitpunkt der Prüfquartale geltende Recht anzuwenden. Für diesen Zeitraum sei der Ausschluß der Kostenerstattung als zulässig beurteilt worden. Die bis dahin anzuwendende Verfahrensordnung könne auch noch für eine Übergangszeit angewendet werden, so daß insoweit auch der Ausschluß der Kostenerstattung zulässig sei. Im übrigen sei § 63 SGB X auf Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung ohnehin nicht anwendbar. Wie sich aus § 106 Abs 5 Satz 7 SGB V ergebe, gelte das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuß zwar als Vorverfahren iS des § 78 SGG, sei aber tatsächlich kein Vorverfahren. Wegen der insoweit eingeschränkten Verweisung des § 106 SGB V auf Vorschriften des SGG sei der Regelung das Prinzip zu entnehmen, daß immer dann, wenn es um die Wirtschaftlichkeitsprüfung gehe, die allgemeinen Regelungen des SGB X nicht anzuwenden seien. Dem entspreche auch die Rechtsprechung des BSG, die die spezifischen Bedingungen im Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung berücksichtige. Hinzu komme, daß bei Geltung des § 63 SGB X auch eine Kostenerstattung für Krankenkassen und KZÄVen bei erfolgreicher Beschwerde in Betracht zu ziehen sei. Dies erweise sich indessen aus der Natur der Sache heraus als abwegig. Der Ausschluß der Kostenerstattung für Vertrags(zahn)ärzte ergebe sich auch daraus, daß der Vertrags(zahn)arzt als Mitglied der K(Z)ÄV durch die Zulassung in ein besonderes Gewaltverhältnis gestellt werde, welches ihm bestimmte Verpflichtungen auferlege. Hieraus leite sich ab, daß er in einem Verfahren zur Überprüfung seiner Behandlungsweise auf Wirtschaftlichkeit nicht eine vergleichbare Stellung innehabe wie der Bürger in einem allgemeinen Verwaltungsverfahren. Auch der Inhalt des Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahrens spreche gegen die Anwendung des § 63 SGB X. In dem Verfahren gehe es mehr um Fragen tatsächlicher Art, nämlich, wie, warum und unter welchen Umständen die ärztliche Behandlung von Versicherten speziell und im allgemeinen erfolgt sei. Angesichts der Ausbildung und der Kenntnisse des Vertrags(zahn)arztes im spezifisch medizinisch ausgerichteten Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung bedürfe es regelmäßig nicht der Hinzuziehung eines Anwalts. Erfolge sie dennoch, habe dies auf eigene Kosten des Vertrags(zahn)arztes zu geschehen. Andere Grundsätze würden erst im sich an die Entscheidung des Beschwerdeausschusses anschließenden gerichtlichen Verfahren gelten.
Die Beigeladenen zu 2) – 4) beantragen ebenfalls,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist hinsichtlich seines Kostenerstattungsanspruchs für die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Quartale I/89 bis IV/89 begründet. Die weitergehende Revision ist zurückzuweisen.
Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß § 144 Abs 4 SGG, der den Ausschluß der Berufung bei Kosten des Verfahrens betrifft, der Statthaftigkeit der Berufung nicht entgegensteht; denn bei den hier in Streit befindlichen Kosten des Vorverfahrens handelt es sich nicht um Kosten des Verfahrens iS des § 144 Abs 4 SGG (BSG SozR 1500 § 144 Nr 27 S 47 f zur gleichlautenden Vorschrift des § 144 Abs 3 SGG aF).
Nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X idF des Gesetzes vom 18. August 1980 (BGBl I 1469) hat, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Vorschrift regelt somit die Kostenerstattungspflicht beim sogenannten isolierten Vorverfahren, einem Verfahren also, dem sich kein gerichtliches Verfahren anschließt. Sie findet auf das Verfahren des Beschwerdeausschusses in der kassen- bzw vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung trotz der zum Widerspruchs- bzw Vorverfahren des SGG (§§ 78 ff SGG) bestehenden strukturellen Unterschiede (hierzu: BSGE 74, 59 = SozR 3-2500 § 106 Nr 22) Anwendung. Zwar hat der Senat zunächst eine (lediglich) analoge Anwendung der Norm erwogen (Urteil vom 11. Dezember 1985 = BSGE 59, 211, 212 = SozR 2200 § 368n Nr 40; s auch die Bemerkung in BSGE 59, 216, 217 = SozR 1300 § 63 Nr 7). In einer weiteren Entscheidung (Urteil vom 15. Dezember 1987 = SozR 1300 § 63 Nr 12) hat er jedoch § 63 SGB X unmittelbar auf das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung – hier im Ersatzkassenbereich – angewandt. Der Senat hat in Urteilen vom 11. Dezember 1985 (6 RKa 30/84 = BSGE 59, 211 = SozR 2200 § 368n Nr 40; 6 RKa 33/84 = USK 85219) zugleich entschieden, daß die Vertragsparteien des Gesamtvertrages durch eine Vereinbarung die Anwendung des § 63 SGB X ausschließen konnten. Er hat diese Befugnis aus der bis zum 31. Dezember 1988 gültig gewesenen Vorschrift des § 368n Abs 5 Satz 3 RVO hergeleitet. Hierin war normiert, daß die Vertragsparteien des Gesamtvertrages das Verfahren zur Überwachung und Prüfung der Wirtschaftlichkeit „sowie das Verfahren vor den Ausschüssen” vereinbaren. Aus der Zuweisung dieser Kompetenz zur Regelung des Verfahren „vor den Ausschüssen” ergab sich danach die Berechtigung der Gesamtvertragsparteien zur Abbedingung des § 63 SGB X.
Im Bereich des beklagten Beschwerdeausschusses haben die Parteien des Gesamtvertrages eine entsprechende Vereinbarung getroffen. Die hier noch maßgebliche Bestimmung § 5 Abs 8 der Verfahrensordnung für die kassenzahnärztliche Versorgung in Westfalen-Lippe vom 11. April 1985 regelt, daß Aufwendungen der Beteiligten für das Verfahren nach dieser Verfahrensordnung nicht erstattungsfähig sind. Sie schließt mithin entgegen § 63 Abs 1 S 1 SGB X die Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen bei erfolgreichem Widerspruch aus. § 5 Abs 8 der Verfahrensverordnung hat für den Rechtszustand unter der Geltung der RVO, also bis zum 31. Dezember 1988, rechtswirksam die Anwendung des § 63 SGB X für das in der Verfahrensordnung geregelte Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung verdrängt. Die Regelung ist auch auf die Wirtschaftlichkeitsprüfungen anzuwenden, die nach dem Außerkrafttreten der RVO weiterhin unter Zugrundelegung des alten Rechts durchzuführen sind. Änderungen des materiellen Rechts erfassen zeitlich davor liegende Sachverhalte regelmäßig nicht, es sei denn, das neue Recht wolle nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis regeln. Das ist bei § 106 SGB V nicht der Fall. Der Senat hat deshalb im Rahmen der kassen- bzw vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit für Abrechnungsquartale, die vor dem 1. Januar 1989 lagen, der rechtlichen Beurteilung stets das Recht der RVO bzw des EKV-Ä damaliger Fassung zugrunde gelegt. Dieses ließ vom SGB X abweichende Regelungen von Kostenerstattungen zu. § 5 Abs 8 der Verfahrensordnung mit dem Ausschluß der Kostenerstattung in Verfahren, die Wirtschaftlichkeitsprüfungen für die Quartale bis IV/88 betrafen, war somit weiterhin anzuwenden, auch wenn die Verwaltungsentscheidung notwendigerweise nach dem Zeitpunkt des Außerkrafttretens der RVO erging.
Für die Quartale bis IV/88 war mithin ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten des Beschwerdeverfahrens wirksam ausgeschlossen worden.
Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die den Zeitraum ab dem 1. Januar 1989, also seit dem Inkrafttreten des SGB V idF des GRG, betreffen, hat seine Revision jedoch Erfolg. Insoweit steht der Ausschluß der Anwendbarkeit des § 63 SGB X auf das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuß nicht mehr mit höherrangigem Recht in Einklang (vgl bereits insoweit – allerdings nicht tragend – auch BSG SozR 3-1300 § 63 Nr 4; in diesem Sinne auch Krasney, KassKomm, § 63 SGB X RdNr 10; Spellbrink, Wirtschaftlichkeitsprüfung im Kassenarztrecht, 1994, RdNr 336; Schroeder-Printzen, SGB X, 3. Aufl 1996, § 63 RdNr 3; aA: Raddatz, WKR, 4.2, S 28).
Nach § 106 Abs 3 Satz 1 SGB V idF des GRG vereinbaren die Landesverbände der Krankenkassen und die K(Z)ÄVen die Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Abs 2 gemeinsam. Die Regelung des SGB V knüpft zwar an § 368n Abs 5 Satz 3 RVO an, ohne dessen Wortlaut jedoch zu übernehmen. Die Vorschriften unterscheiden sich zum einen dadurch, daß nunmehr „die” Verfahren der Prüfung der Wirtschaftlichkeit vereinbart werden sollen. Zum anderen ist der „sowie”-Halbsatz des § 368n Abs 5 Satz 3 RVO, der ausdrücklich die Befugnis zur Regelung des Verfahrens vor den Ausschüssen betraf, entfallen. Damit umfaßt die Zuweisung der Regelungsermächtigung gerade nicht mehr „das” Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung, unter dem man – unter Inkaufnahme einer gewissen begrifflichen Unschärfe – sowohl die Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit als auch das Verfahren vor den Ausschüssen hätte verstehen können. Die demgegenüber vom LSG vertretene Auffassung kann für sich allein die Verwendung des Begriffs des „Verfahrens” ins Feld führen. Sie berücksichtigt indessen nicht in ausreichendem Umfang den Sinngehalt der unterschiedlichen Formulierungen in den entsprechenden Vorschriften. Der Begriff „die Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit” (§ 106 Abs 3 Satz 1 SGB V) stellt sich im Verhältnis zu den in § 368n Abs 5 Satz 3 RVO verwendeten Begriffen „das Verfahren zur Überwachung und Prüfung der Wirtschaftlichkeit” bzw „das Verfahren vor den Ausschüssen” als der engere dar. Die Formulierung des § 106 Abs 3 Satz 1 SGB V bezieht sich seinem Sinngehalt nach, wie die systematische Abfolge der Abs 2 und 3 des § 106 SGB V ausweist, auf die in dem vorhergehenden Absatz der Vorschrift genannten Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit. Gemeint sind damit die Beweismethoden zur Feststellung von Unwirtschaftlichkeit, deren nähere Ausgestaltung notwendigerweise den Partnern des Gesamtvertrages obliegt. Der in § 106 Abs 3 SGB V verwendete Begriff „die Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit” betrifft nach dem Regelungszusammenhang dagegen nicht das eigentliche Verwaltungsverfahren iS des § 8 SGB X, ungeachtet dessen, daß sich ein Prüfverfahren als Verwaltungsverfahren iS des SGB X darstellt.
Diese Auslegung des § 106 Abs 3 Satz 1 SGB V wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift, während der gerade über die Anwendung des SGB X auf das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung kontrovers verhandelt wurde, bestätigt (eingehend zur Entstehungsgeschichte, jedoch mit entgegengesetzter Schlußfolgerung: Raddatz, WKR, 4.2, S 26 ff). Insofern trifft die Aussage des Berufungsgerichts nicht zu, aus den Materialien ergäben sich keine Aufschlüsse zur Auslegung der Norm. In dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum Entwurf eines GRG lautete Abs 2 Satz 1 der entsprechenden Vorschrift des Entwurfs (§ 114) noch wie folgt: „Die Vertragsparteien des Gesamtvertrages vereinbaren das Verfahren zur Überwachung und Prüfung der Wirtschaftlichkeit sowie das Verfahren der Ausschüsse” (BT-Drucks 11/2237, S 40). Demgegenüber hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Entwurf des GRG folgende Fassung des § 114 Abs 2 SGB V vorgeschlagen: „Die Vertragsparteien des Gesamtvertrages vereinbaren gemeinsam Regelungen zur Überwachung und Prüfung der Wirtschaftlichkeit. Sie haben dabei auch die Überwachung und Prüfung der Wirtschaftlichkeit für die Fälle zu regeln, in denen die Krankenkasse dem Versicherten nach §§ 29 und 30 Kosten erstattet. Soweit die Vorschriften über das Verwaltungsverfahren des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch nicht entgegenstehen und nachfolgend nichts anderes bestimmt wird, vereinbaren die Vertragsparteien des Gesamtvertrages das Verfahren einschließlich des Verfahrens der Ausschüsse.” Zur Begründung wird ausgeführt, daß durch die Neufassung des Abs 2 klargestellt werde, daß das zur Überwachung der Wirtschaftlichkeit von den Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen durchgeführte Verfahren ein Verwaltungsverfahren iS der Vorschriften über das Verwaltungsverfahren des SGB X ist. Diese gesetzlichen Vorschriften müßten Vorrang vor öffentlich-rechtlichen Verträgen haben, wie sie Gesamtverträge darstellten (BT-Drucks 11/2493, S 28, Nr 89). Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme zum Vorschlag des Bundesrates dargelegt, daß ihm insoweit gefolgt werde, als gemeinsame Regelungen zur Überwachung und Prüfung der Wirtschaftlichkeit vorgeschlagen würden. Satz 3 solle dagegen nicht übernommen werden, um bestehende Sonderregelungen in den Prüfvereinbarungen auch künftig zu ermöglichen (BT-Drucks 11/2493 S 63, zu Nr 89). Die Vorschrift des § 114 SGB V idF des Entwurfs zum GRG wurde in der Folge durch den Beschluß des BT-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung neu gefaßt. Der nunmehr einschlägige Abs 3 Satz 1 erhielt folgende Fassung: „Die in Abs 2 Satz 3 genannten Vertragspartner vereinbaren die Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Abs 2 gemeinsam” (BT-Drucks 11/3320, S 70). Zur Begründung heißt es, die nähere Ausgestaltung der Prüfverfahren und ihrer Durchführung bleibe im einzelnen den Vertragspartnern überlassen (BT-Drucks 11/3480, S 60, zu § 114 Abs 3). Die durch den BT-Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung beschlossene Fassung ist Gesetz geworden. Mit ihr ist dem Anliegen des Bundesrates, die Regelung des Verfahrens vor den Ausschüssen aus der Regelungskompetenz der Vertragspartner des Gesamtvertrages auszunehmen, dadurch Rechnung getragen worden, daß nicht mehr, wie im ursprünglichen Entwurf vorgesehen, das Verfahren zur Überwachung und Prüfung der Wirtschaftlichkeit sowie das Verfahren der Ausschüsse, sondern vielmehr die Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit vereinbart werden müssen. Vor dem Hintergrund dieser Entstehungsgeschichte wäre, um die Befugnis annehmen zu können, das Verwaltungsverfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung könne durch Gesamtvertrag abweichend vom SGB X geregelt werden, eine ausdrückliche Erwähnung im Wortlaut des Gesetzes erforderlich gewesen. Hieran fehlt es jedoch.
Die entgegenstehende Auffassung ist zudem dem Einwand ausgesetzt, daß der Ausschluß der Kostenerstattung im Beschwerdeverfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung geeignet ist, wegen des auch bei erfolgreicher Durchführung bestehenden Kostenrisikos die Wahrnehmung des Rechtsschutzes durch den betroffenen Bürger zu erschweren. Auch dieser Gesichtspunkt läßt es geboten erscheinen, einer Auslegung der Vorschrift des § 106 Abs 3 S 1 SGB V den Vorzug zu geben, bei der dieses Ergebnis nicht eintritt. Im übrigen läßt § 63 Abs 1 S 1 SGB X den Ausschluß von Kostenerstattungen im Einzelfall zu, wenn die abhelfende Entscheidung des Rechtsträgers nicht dem Widerspruch zuzurechnen ist (BSG SozR 3-1300 § 63 Nr 3).
Nach alledem verstieß der Ausschluß der Kostenerstattung für das Beschwerdeverfahren in § 5 Abs 8 der Verfahrensordnung ab dem 1. Januar 1989 gegen höherrangiges Recht.
Dem Kläger steht mithin, soweit seine Beschwerde gegen die Entscheidung des Beklagten für die Quartale I bis IV/89 erfolgreich war, ein Kostenerstattungsanspruch zu. Er beläuft sich, nachdem die Kürzungen für die Quartale I bis IV/89 im Bescheid des Prüfungsausschusses zunächst auf 22.186,38 DM festgesetzt und nach erfolgter Anrufung des Beschwerdeausschusses durch diesen auf 7.210,81 DM verringert worden waren, auf 2/3 der Kosten, ausgehend von einem Gegenstandswert von 22.186,38 DM.
Die Kostenentscheidung für das gerichtliche Verfahren beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1174284 |
SozR 3-1300 § 63, Nr.10 |
AGS 1999, 22 |
AusR 1998, 30 |
SozSi 1998, 240 |