Verfahrensgang
LSG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 08.06.1995) |
SG Stralsund (Urteil vom 28.07.1994) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 8. Juni 1995 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten im wesentlichen darüber, ob die Klägerin der Beklagten, Beträge, die ihr in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis 31. Januar 1993 neben der Regelaltersrente als “Vorschuß auf den Sozialzuschlag” gezahlt worden sind, iHv 1.225,12 DM zu erstatten hat.
Seit dem 1. August 1982 bezog die 1921 geborene Klägerin eine Altersrente aus der gesetzlichen Sozialversicherung der DDR. Neben der Rente wurde ihr ab 1. Juli 1990 ein Sozialzuschlag iHv 125,– DM monatlich gezahlt.
Durch Bescheid vom 29. November 1991 wertete die Beklagte die Rente der Klägerin mit Wirkung ab 1. Januar 1992 in eine Regelaltersrente um. Sie gewährte diese Rente (unter Berücksichtigung des Beitrages zur Krankenversicherung) iHv 533,19 DM; zuzüglich eines “Vorschusses auf den Sozialzuschlag” iHv 125,– DM ergab sich ein Gesamtbetrag von 658,19 DM. In dem Bescheid wies die Beklagte unter der Überschrift “Sozialzuschlag” auf folgendes hin:
“Für die Zahlung des Sozialzuschlags gelten ab 01.01.92 neue Regelungen. Ein Sozialzuschlag kann danach nur gezahlt werden, wenn das monatliche Gesamteinkommen des Rentenempfängers und seines Ehegatten den Betrag von 960,– DM nicht überschreitet. Der Sozialzuschlag ist dann der Unterschiedsbetrag zwischen 960,– DM und dem Einkommen.
Für das monatliche Einkommen sind Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen zu berücksichtigen.
Erwerbseinkommen sind
– Arbeitsentgelt,
– Einkommen aus selbständiger Tätigkeit,
– vergleichbares Einkommen.
Erwerbsersatzeinkommen sind
– Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Mutterschaftsgeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Schlechtwettergeld, Arbeitslosengeld, Konkursausfallgeld und vergleichbare Leistungen,
– Altersgeld und vorzeitiges Altersgeld der Altershilfe für Landwirte,
– Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung,
– Leistungen nach § 10 Abs 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes,
– Ruhegehalt sowie Unfallruhegehalt und vergleichbare Bezüge aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis.
Wird neben der Rente von dem Rentenempfänger oder seinem Ehegatten noch weiteres Einkommen bezogen, besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns diese Einkommen unverzüglich mitzuteilen.”
Den Zahlbetrag von 658,19 DM behielt die Beklagte auch über die Anpassungsstichtage 1. Juli 1992 und 1. Januar 1993 hinaus bei.
Im September 1992 gab die Klägerin auf Befragen der Beklagten an, ihr Einkommen und das ihres Ehemannes betrügen insgesamt 1.523,99 DM. Das Familieneinkommen des Jahres 1992 setze sich aus dem Altersübergangsgeld des Ehemannes und ihrer eigenen Rente nebst Sozialzuschlag zusammen. Das Altersübergangsgeld belaufe sich seit dem 1. August 1992 auf wöchentlich 199,80 DM bzw auf monatlich 865,80 DM.
Mit Bescheid vom 6. Januar 1993 erfolgte eine erneute Umwertung der Regelaltersrente der Klägerin. Die Beklagte bewilligte, bei einem unveränderten Zahlbetrag von 533,19 DM für die ersten sechs Monate des Jahres 1992, nunmehr einen monatlichen Zahlbetrag von 586,16 DM ab 1. Juli 1992 und von 614,60 DM ab 1. Januar 1993. Außerdem stellte sie fest, daß die Voraussetzungen für die Zahlung eines Sozialzuschlags fehlten. Bei der Abrechnung für die Zeit bis Januar 1993 ermittelte sie eine Überzahlung iHv 1.225,12 DM. In einem dem Bescheid vom 6. Januar 1993 beigefügten “Bescheidzusatz” forderte die Beklagte die Klägerin zur Erstattung des überzahlten Betrages von 1.225,12 DM auf. Zugleich wurde der Bescheid vom 29. November 1991 aufgehoben.
Ihren gegen den Bescheid vom 6. Januar 1993 gerichteten Widerspruch begründete die Klägerin damit, sie sei nicht bereit, den Betrag von 1.225,12 DM voll zu erstatten, weil sie durch die um den Sozialzuschlag erhöhte Rentenzahlung 1992 eine Reihe von sozialen Nachteilen habe in Kauf nehmen müssen, ua beim Wohngeld. Mit Schreiben vom 10. Februar 1993 wies die Beklagte darauf hin, die Zahlung des Sozialzuschlags sei als Vorschuß erfolgt und habe erst Ende 1992 überprüft werden können. Die Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 26. August 1993 zur Rückforderung des überzahlten Sozialzuschlages unter dem Gesichtspunkt der Vorschußerstattung gemäß § 42 Abs 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) an. Anschließend wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 1994 stützt die Erstattungsforderung auf § 42 Abs 2 SGB I.
Das Sozialgericht (SG) Stralsund hat der Klage mit Urteil vom 28. Juli 1994 stattgegeben und den Bescheid der Beklagten vom 6. Januar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 1994 “insoweit aufgehoben, als damit der für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Januar 1993 gezahlte Sozialzuschlag zurückgefordert wird”.
Mit Urteil vom 8. Juni 1995 hat das Landessozialgericht (LSG) Mecklenburg-Vorpommern die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die Bewilligung des Sozialzuschlages ab 1. Januar 1992 sei zwar rechtswidrig gewesen, da die Klägerin wegen Überschreitung der Einkommensgrenzen hierauf keinen Anspruch gehabt habe. Dennoch stehe der Beklagten der geltend gemachte Erstattungs- bzw Rückzahlungsanspruch nicht zu.
Ein Erstattungsanspruch auf Grundlage des § 42 Abs 2 SGB I scheitere bereits daran, daß die Beklagte den Sozialzuschlag nicht als Vorschuß in diesem Sinne, sondern endgültig bewilligt habe. Die Beklagte habe im Bescheid vom 29. November 1991 nicht hinreichend bestimmt zum Ausdruck gebracht, nur eine einstweilige Regelung treffen zu wollen. Die Bezeichnung einer Leistung als Vorschuß reiche hierfür nicht aus, denn dieser Begriff werde im Rechtsverkehr auch im Zusammenhang mit Abschlagszahlungen, also der teilweisen Erfüllung eines Anspruches, verwendet. Weitere Erläuterungen oder Hinweise auf eine gesetzliche Regelung, aus denen sich der vorübergehende Charakter der Zahlung ergeben könnte, oder die Ankündigung der endgültigen Entscheidung enthalte der Bescheid jedoch nicht. Es sei nicht erkennbar, daß eine Einkommensüberprüfung nicht erfolgt sei. Der bloßen Nennung der gesetzlichen Voraussetzungen für den Sozialzuschlag könne dies nicht entnommen werden. Die Formulierung im Bescheid, der Sozialzuschlag werde als Vorschuß auf den neuen Sozialzuschlag weitergezahlt, sei vor dem Hintergrund, daß die Klägerin auch vor dem 1. Januar 1992 den Sozialzuschlag erhalten habe, als abschließende Bewilligung zu verstehen. Die Darlegung der Mitteilungspflichten, bei deren Verletzung die Bewilligung aufgehoben und Leistungen zurückgefordert werden könnten, zeige nur eine spätere Aufhebungsmöglichkeit auf, weise aber nicht auf die Einstweiligkeit der Bewilligung hin. Eine den Sozialzuschlag betreffende Nebenbestimmung enthalte der Bescheid nicht.
Eine entsprechende Anwendung des § 42 Abs 2 SGB I oder eine Erstattung nach den Grundsätzen einer Vorwegzahlung scheitere ebenfalls an der fehlenden Vorläufigkeit der Bewilligung des Sozialzuschlages im Bescheid vom 29. November 1991.
Die Erstattungsforderung lasse sich auch nicht auf § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm § 45 SGB X stützen, weil die Beklagte bei der Aufhebung des Bewilligungsbescheides kein Ermessen ausgeübt habe und sie dies wegen Ablaufes der Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X auch nicht mehr nachholen könne.
Eine Aufhebung der Bewilligung gemäß § 48 SGB X scheide aus, weil der Bescheid vom 29. November 1991 bereits bei seinem Erlaß rechtswidrig gewesen sei.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 42 Abs 1 und 2 SGB I. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien erfüllt. Der Klägerin habe ab 1. Januar 1992 ein Sozialzuschlag dem Grunde nach zugestanden. Das ergebe sich aus des Art 40 § 1 des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG), der diesen Anspruch dem Grunde nach regele. Art 40 § 2 RÜG regele demgegenüber die Höhe des Sozialzuschlages. Feststellungen zu Art 40 § 2 RÜG habe sie damals nicht treffen können. Wegen der Masse der anfallenden Arbeiten im Rahmen der Umstellung der Renten sei eine ordnungsgemäße Einkommensprüfung für die Gewährung der Sozialzuschläge nicht möglich gewesen. Daher sei die Voraussetzung des § 42 SGB I, daß die Feststellung der Höhe des Anspruches voraussichtlich noch längere Zeit erfordern würde, erfüllt. Unter Berücksichtigung der durch die Rentenumstellung auf das neue Rentenrecht hervorgerufenen Ausnahmesituation habe die Beklagte die Sozialzuschläge daher nur als Vorschuß nach § 42 Abs 1 SGB I zahlen können und dies auch getan.
Der Bescheid vom 29. November 1991 sei hinsichtlich der Vorläufigkeit der Gewährung des Sozialzuschlags auch ausreichend bestimmt gewesen. Hierfür sei nicht erforderlich, den § 42 Abs 1 SGB I im Bescheid zu nennen. Für den Bescheidempfänger sei der Vorschußcharakter ohne weiteres erkennbar gewesen, weil im Bescheid ausdrücklich mitgeteilt worden sei, “der bisher gezahlte Sozialzuschlag werde als Vorschuß auf den neuen Sozialzuschlag weitergezahlt” und dieser Hinweis beim Zahlbetrag nochmals wiederholt worden sei. Zudem seien die geänderten gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung des Sozialzuschlages aufgeführt worden.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
die Urteile des Sozialgerichts Stralsund vom 28. Juli 1994 und des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 8. Juni 1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat kann gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis gegeben haben.
Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, daß die Klägerin nicht zur Rückzahlung des streitigen Betrages verpflichtet ist.
Das vorliegende Verfahren über die Rückforderung des mit Bescheid vom 29. November 1991 bewilligten “Vorschusses auf den Sozialzuschlag” betrifft nur den Erstattungsbetrag iHv 1.225,12 DM. Allerdings hat die Klägerin diesbezüglich für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis 31. Januar 1993 insgesamt 1.625,– DM (13 × 125,– DM) erhalten. Davon sind bereits 399,88 DM dadurch wieder an die Beklagte zurückgeflossen, daß diese durch den Bescheid vom 6. Januar 1993 eine Verrechnung mit den für den streitigen Zeitraum zustehenden, gegenüber den Feststellungen im Bescheid vom 29. November 1991 höheren Rentenbeträgen vorgenommen hat, ohne daß dies von der Klägerin angegriffen worden ist. Diese hat sich vielmehr im gesamten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nur gegen die von der Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid geforderte Erstattung des als verbliebene Überzahlung festgestellten Betrages von 1.225,12 DM gewandt.
Mit diesem Begehren hat die Klägerin – bei sachgerechter Auslegung ihres Anliegens – zugleich die von der Beklagten im “Bescheidzusatz” vom 6. Januar 1993 angeordnete Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 29. November 1991 insoweit angefochten, als ihr Sozialzuschläge iHv 1.225,12 DM gewährt worden sind.
In diesem umfassenden Sinn ist auch der von der Klägerin erstinstanzlich gestellte und vom SG im Urteilstenor inhaltlich übernommene Antrag auszulegen, “den Bescheid der Beklagten vom 6. Januar 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Februar 1994 insoweit aufzuheben, als damit Sozialzuschlag für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Januar 1993 iHv insgesamt 1.225,12 DM zurückgefordert worden ist”. Die Aufhebung der mit Bescheid vom 29. November 1991 erfolgten Bewilligung des Sozialzuschlages ist daher nur iHv 399,88 DM bindend geworden.
Der Bescheid der Beklagten vom 6. Januar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 1994 ist im Umfang seiner Anfechtung rechtswidrig und daher zu Recht insoweit aufgehoben worden (vgl § 54 Abs 1, § 131 Abs 1 SGG).
Die Erstattungsforderung der Beklagten kann nicht auf § 42 Abs 2 SGB I gestützt werden. Nach dieser Bestimmung sind die (gemäß § 42 Abs 1 SGB I gezahlten) Vorschüsse auf die zustehende Leistung anzurechnen. Soweit sie diese übersteigen, sind sie vom Empfänger zu erstatten. Nach Auffassung des erkennenden Senats scheidet diese Regelung schon deshalb als Rechtsgrundlage für die von der Beklagten geforderte Erstattung von 1.225,12 DM aus, weil es sich bei dem mit Bescheid vom 29. November 1991 gewährten “Vorschuß auf den Sozialzuschlag” nicht um einen Vorschuß iS des § 42 Abs 1 SGB I gehandelt hat. Es ist nicht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gekommen, daß ein Vorschuß nach Maßgabe des § 42 SGB I bewilligt werden sollte.
Maßstab für die Auslegung eines Verwaltungsaktes ist die Sicht eines verständigen Empfängers, der als Beteiligter die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl BSG SozR 1200 § 42 Nr 4 S 14; BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2). Da ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein muß (vgl § 33 Abs 1 SGB X), gehen Unklarheiten zu Lasten der Behörde (vgl BSGE 37, 155, 160 = SozR 4600 § 143 Nr 1). Dies gilt auch, soweit Inhalt und Umfang der Vorläufigkeit eines Bescheides betroffen sind (vgl dazu BSG SozR 1200 § 42 Nr 4 S 14). Dabei müssen an die Bestimmtheit des Verwaltungsaktes schon deshalb hohe Anforderungen gestellt werden, weil eine einstweilige Regelung iS von § 42 Abs 1 SGB I mit der Erteilung einer endgültigen Feststellung ohne weiteres erledigt (vgl § 39 Abs 2 SGB X) und eine Rückforderung der bereits geleisteten Beträge gemäß § 42 Abs 2 SGB I ohne Vertrauensschutzprüfung (vgl §§ 45, 48 SGB X) möglich sein soll. Je größer das Erstattungsrisiko für den Leistungsempfänger ist, desto deutlicher muß er auf die Vorläufigkeit der Bewilligung hingewiesen werden.
Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß der mit Bescheid vom 29. November 1991 gewährte, als vorläufige Regelung gedachte “Vorschuß auf den Sozialzuschlag” nach dem damaligen Kenntnisstand der Beklagten einem hohen Rückforderungsrisiko unterlag. Da die Beklagte – ihrer seinerzeitigen Verwaltungspraxis folgend – keinerlei Feststellungen zu den Einkommensverhältnissen, die ab 1. Januar 1992 für den Anspruch auf Sozialzuschlag bedeutsam waren (vgl Art 40 § 2 RÜG), getroffen hatte, mußte sie bei der Leistungsbewilligung mit erheblichen Unsicherheiten rechnen. Namentlich bei verheirateten Rentnerinnen – wie der Klägerin – war davon auszugehen, daß durch Berücksichtigung von Einkommen des Ehemannes die nicht sehr hohe Einkommensgrenze von 960,– DM (welche die Klägerin mit ihrer eigenen Rente schon mehr als zur Hälfte erreichte) überschritten werden würde. Wenn sich die Beklagte gleichwohl zu einer “Vorschußbewilligung” entschloß, so hätte sie folglich deren Vorläufigkeit und damit die naheliegende Möglichkeit einer vollständigen Rückforderung besonders deutlich machen müssen.
Gemessen an diesen Kriterien reichen die in dem Bescheid vom 29. November 1991 zum Sozialzuschlag enthaltenen Angaben nicht aus, um im Hinblick auf § 42 SGB I eine hinreichende Bestimmtheit bejahen zu können. So wird darin nicht ausdrücklich auf § 42 SGB I Bezug genommen. Auch fehlt es an sonstigen eindeutigen Hinweisen darauf, daß die Bewilligung von “Vorschuß auf den Sozialzuschlag” in dem Sinne vorläufig sein sollte, daß auch mit einer vollständigen Rückforderung der gezahlten Leistungen gerechnet werden mußte. Eine derartige Begrenzung der Rechtswirkung des Bescheides läßt sich unter Berücksichtigung eines laienhaften Empfängerhorizontes (zumal im Beitrittsgebiet) insbesondere nicht aus der verwendeten Bezeichnung “Vorschuß auf den Sozialzuschlag” herleiten. Nach seinem allgemeinen Wortsinn wird der hauptsächlich im Arbeitsleben verwendete Begriff “Vorschuß” (im Gegensatz zum “Abschlag”) als Vorauszahlung auf eine noch nicht fällige Leistung verstanden, die dann mit der regelmäßigen Zahlung verrechnet wird (vgl Meyers Enzyklopädisches Lexikon sowie Brockhaus Enzyklopädie, jeweils unter dem Stichwort “Vorschuß”). In der ehemaligen DDR wurde unter diesem Begriff die Erfüllung einer noch nicht entstandenen oder noch nicht fälligen Forderung verstanden, ohne daß eine Rückforderung gewollt war (vgl Köbler/Pohl, Deutsch-Deutsches Rechtswörterbuch, unter “Vorschußleistung”). Dieser Sinn wird im Bescheid vom 29. November 1991 durch den Zusatz “auf den (neuen) Sozialzuschlag” noch betont. Die Verwendung des bestimmten Artikels (“den”) legt für den Bescheidempfänger den Schluß nahe, daß er – jedenfalls dem Grunde nach (vgl dazu auch § 42 Abs 1 SGB I) – auch ab 1. Januar 1992 Anspruch auf Sozialzuschlag habe. Hingegen wird die Möglichkeit, daß kein Anspruch besteht, damit praktisch ausgeschlossen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den im Bescheid vom 29. November 1991 erfolgten Hinweisen auf die Anspruchsvoraussetzungen des Sozialzuschlags. Abgesehen davon, daß das Altersübergangsgeld des Ehemannes der Klägerin darin nicht ausdrücklich als zu berücksichtigendes Einkommen aufgeführt wird, geht daraus auch nicht mit hinreichender Klarheit hervor, daß die Klägerin mit einer vollständigen Rückforderung der gezahlten “Vorschußbeträge” rechnen müsse. Insbesondere wird nichts dazu gesagt, ob und ggf wann bei der Klägerin noch eine Einkommensüberprüfung für die Zeit ab 1. Januar 1992 stattfinden und inwiefern ein Behaltendürfen der gewährten Leistung von dem Ergebnis einer solchen Prüfung abhängen sollte.
Da der Bescheid vom 29. November 1991 nach alledem hinsichtlich einer Vorläufigkeit der Bewilligung von “Vorschuß auf den Sozialzuschlag” zu unbestimmt ist, läßt sich eine Erstattungsforderung der Beklagten auch nicht auf eine entsprechende Anwendung des § 42 Abs 2 SGB I stützen (vgl dazu BSG SozR 3-1200 § 42 Nr 2). Soweit für eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs dieser Norm überhaupt Bedarf besteht (vgl dazu allgemein BSGE 62, 32, 40 ff = SozR 4100 § 71 Nr 22), setzt sie jedenfalls voraus, daß dem Leistungsempfänger klar gemacht worden ist, der “Vorschuß” werde nur unter vollem Rückforderungsvorbehalt gezahlt. Daran fehlt es hier.
Ebensowenig läßt sich die mit Bescheid vom 29. November 1991 erfolgte Bewilligung von “Vorschuß auf den Sozialzuschlag” gemäß § 43 SGB X in eine sog Vorwegzahlung umdeuten, welche die Pflicht zur vollständigen Erstattung materiell zu Unrecht erhaltener Leistungen mit sich bringen würde. Unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen Vorwegzahlungen zulässig sind (vgl dazu BSG SozR 3-1300 § 31 Nr 10; § 32 Nrn 2, 4), ist es auch dabei erforderlich, daß mit hinreichender Bestimmtheit eine einstweilige Regelung getroffen worden ist (vgl BSG SozR 3-1300 § 31 Nr 10 S 12). Davon kann im vorliegenden Fall nach dem Inhalt des Bescheides vom 29. November 1991 gerade nicht ausgegangen werden.
Schließlich kommt als Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderung der Beklagten auch § 50 Abs 1 SGB X nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift sind erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Mit der im “Bescheidzusatz” zum Bescheid vom 6. Januar 1993 und damit in einem Bestandteil dieses Bescheides enthaltenen Anordnung hat die Beklagte einen Verwaltungsakt (vgl § 31 SGB X) zur Aufhebung der mit Bescheid vom 29. November 1991 erfolgten Bewilligung von “Vorschuß auf den Sozialzuschlag” erlassen. Dieser Verwaltungsakt hat jedoch materiell keinen Bestand, weil der Bescheid nicht den Anforderungen des hier einschlägigen § 45 SGB X entspricht. Nach § 45 Abs 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, soweit er rechtswidrig ist, nur unter den Einschränkungen der Abs 2 bis 4 dieser Vorschrift ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Auch wenn die Bewilligung des “Vorschusses auf den Sozialzuschlag” rechtswidrig war, weil hierauf wegen der Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens kein Anspruch bestand, war eine Rücknahme nur nach Maßgabe der Vertrauensschutzgesichtspunkte des § 45 Abs 2 SGB X zulässig. Darüber hinaus stand die Rücknahmeentscheidung im Ermessen der Beklagten. Da der angefochtene Verwaltungsakt keinerlei Ermessensabwägung erkennen läßt (vgl § 35 Abs 1 Satz 2 SGB X), ist er wegen Fehlens der erforderlichen Ermessensausübung als rechtswidrig aufzuheben (BSG SozR 1300 § 45 Nr 39 mwN). Die Erteilung eines neuen Bescheides ist wegen Ablaufs der Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X ausgeschlossen. Damit entfällt zugleich eine Erstattungspflicht nach § 50 Abs 1 SGB X.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen