Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerpflegebedürftigkeit. Leistung. häusliche Pflegehilfe. Geldbetrag. Pflegegeld. Pflegebedarf. Hilfebedarf. Sicherstellung. Gleichstellungssachverhalt. Zeitaufwand. Abrufbereitschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Umfang der Feststellungen bei der Ermittlung von Gleichstellungssachverhalten als Voraussetzung für die Annahme von Schwerpflegebedürftigkeit (Fortführung von BSG SozR 3-2500 § 53 Nr 5 und 6).

 

Normenkette

SGB V §§ 53, 57

 

Verfahrensgang

LSG Bremen (Urteil vom 27.05.1993; Aktenzeichen L 1 Kr 24/92)

SG Bremen (Urteil vom 29.10.1992; Aktenzeichen S 7 Kr 63/92)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 27. Mai 1993 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Die Beklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von Pflegegeld wegen Schwerpflegebedürftigkeit.

Die 1928 geborene Klägerin ist als Rentnerin Mitglied der beklagten Krankenkasse (KK). Bei ihr besteht ein Zustand nach Poliomyelitis mit schwersten Atrophien im Bereich der rechten Schulter, einer Kyphoskoliose der Lendenwirbelsäule, Lumbalgien und Dorsalgien bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und eine manisch-depressive Gemütskrankheit. Sie ist als Schwerbehinderte anerkannt mit einem Grad der Behinderung von 80. Ihr im November 1991 gestellter Antrag auf Gewährung von häuslicher Pflegehilfe in Gestalt eines monatlichen Pflegegeldes von 400,00 DM gemäß §§ 55 und 57 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 7. Februar 1992 abgelehnt. Die Beklagte stützte ihre Entscheidung auf ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung. Dieser kam zu dem Ergebnis, daß die Klägerin nach ärztlicher Beurteilung nicht schwerpflegebedürftig sei. Sie sei trotz ihrer Behinderungen in der Lage, sich im wesentlichen selbst zu versorgen. Ein Hilfebedarf bestehe im Bereich der Mobilität nur beim Treppensteigen, im Bereich der Ernährung nur bei der Zubereitung der Nahrung, im Bereich der Hygiene nur gelegentlich beim Baden und beim An- und Auskleiden sowie häufig bei hauswirtschaftlichen Verrichtungen. Die Klägerin erhalte private Hilfe für 4 bis 5 Stunden in der Woche. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 1992).

Das Sozialgericht hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 29. Oktober 1992). Das Landessozialgericht (LSG) hat der Berufung – mit Ausnahme des vor der Antragstellung liegenden Zeitraums – stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei in ihrer Mobilität außerordentlich stark eingeschränkt. Im Bereich der Hygiene sowie bei den mit dem Wohnen zusammenhängenden Verrichtungen bedürfe sie in sehr hohem Maße fremder Hilfe. Auch im Bereich der Ernährung sei die Lebensgestaltung der Klägerin in verschiedener Weise erheblich eingeschränkt. Ihre Pflege werde durch zwei Pflegepersonen, die die wichtigsten Pflegeaufgaben in einem zeitlichen Umfang von etwa 6 Stunden wöchentlich leisteten, in geeigneter Weise und in ausreichendem Umfang sichergestellt.

Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Beklagten. Sie rügt eine Verletzung der §§ 128, 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das LSG sei bei seiner Entscheidung zu Unrecht allein vom subjektiven Empfinden der Klägerin und ihrer Pflegeperson ausgegangen. Zur Ermittlung des objektiven Sachverhalts sei es jedoch erforderlich gewesen, weitere Ermittlungen auf medizinischem Gebiet durchzuführen, etwa eine ergänzende Befragung des Gutachters des Medizinischen Dienstes. Das LSG habe sich zudem damit auseinandersetzen müssen, daß sich die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin nach ihrer Darstellung im Verlaufe des Verfahrens stark ausgeweitet hätten. Das LSG habe den insoweit bestehenden Widersprüchen nachgehen müssen. In materiell-rechtlicher Hinsicht verletze das Urteil § 53 SGB V. Das LSG habe den Begriff der Schwerpflegebedürftigkeit verkannt. Dieser setze einen Hilfebedarf bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen in sehr hohem Maße voraus. Ein solcher Hilfebedarf lasse sich aus den Feststellungen des LSG nicht ableiten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 27. Mai 1993 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen zurückzuweisen,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 27. Mai 1993 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist iS der Zurückverweisung begründet. Mit den bisher getroffenen Feststellungen durfte das LSG die Beklagte nicht verurteilen, Pflegegeld wegen Schwerpflegebedürftigkeit zu zahlen. Ob Schwerpflegebedürftigkeit iS des § 53 SGB V vorliegt, wie sie nach Erlaß des angefochtenen Urteils vor allem im Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. September 1993 (SozR 3-2500 § 53 Nr 4) umschrieben wurde, dem sich der erkennende Senat angeschlosen hat (BSG SozR 2500 § 53 Nr 5 und 6; Urteile vom 9. März 1994, 3/1 RK 7 und 44/93), läßt sich erst nach weiteren Tatsachenermittlungen beurteilen.

Nach § 53 SGB V erhalten Versicherte, die nach ärztlicher Feststellung wegen einer Krankheit oder Behinderung so hilflos sind, daß sie für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer in sehr hohem Maße der Hilfe bedürfen (Schwerpflegebedürftige), häusliche Pflegehilfe. Nach § 57 Abs 1 SGB V kann die KK schwerpflegebedürftigen Versicherten auf ihren Antrag anstelle der häuslichen Pflegehilfe einen Geldbetrag von 400,00 DM je Kalendermonat zahlen, wenn die Schwerpflegebedürftigen die Pflege durch Pflegepersonen in geeigneter Weise und in ausreichendem Umfang selbst sicherstellen können.

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß es sich bei der Schwerpflegebedürftigkeit iS von § 53 SGB V um einen gerichtlich voll überprüfbaren Rechtsbegriff handelt. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind weder an den Inhalt der Richtlinien zur Abgrenzung des Personenkreises der Schwerpflegebedürftigen (vom 9. August 1989, BArbBl 1989, 43 = BKK 1989, 595; abgedruckt bei Hauck/Haines, SGB V, C 400) noch an ergänzende Richtlinien der Spitzenverbände der KKn, insbesondere die Begutachtungsanleitung bei Schwerpflegebedürftigkeit (vom 8. Oktober 1990, BKK 1990, 67 ff) sowie ein gemeinsames Rundschreiben vom 28. November 1990 (Die Leistungen 1991, 4 f) rechtlich gebunden. Bei der Beurteilung des Pflegebedarfs sind neben den Verrichtungen des Grundbedarfs in Abweichung von den Richtlinien auch Verrichtungen des hauswirtschaftlichen Versorgungsbedarfs zu berücksichtigen. Dies ergibt sich, wie in den genannten Entscheidungen bereits dargelegt worden ist, vor allem aus § 55 Abs 1 Satz 3 SGB V.

Zur Beurteilung des Grades der Pflegebedürftigkeit ist zunächst festzustellen, bei welchen der im Ablauf des täglichen Lebens regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen der Anspruchsteller fremder Hilfe bedarf, wobei auf dieser Stufe der Ermittlungen noch nicht auf die Intensität der erforderlichen fremden Hilfe abzustellen ist. Auszugehen ist von einem Katalog von insgesamt 18 Verrichtungen (vgl die og Urteile des BSG), der sich wie folgt zusammensetzt:

  • Verrichtungen des Grundbedarfs:

    1. Aufstehen/Zubettgehen, 2. Gehen, 3. Stehen, 4. Treppensteigen, 5. Waschen oder Duschen oder Baden, 6. Mundpflege, 7. Haarpflege, 8. An- und Auskleiden, 9. Nahrungsaufnahme, 10. Nahrungszubereitung, 11. Benutzung der Toilette, 12. Sprechen, 13. Sehen, 14. Hören.

  • Verrichtungen des hauswirtschaftlichen Versorgungsbedarfs:

    15. Einkauf von Nahrungs- und Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens, 16. Wohnungsreinigung, 17. Reinigung und Pflege der Wäsche, 18. sonstige hauswirtschaftliche Arbeiten (zB Reinigung von Haushaltsgegenständen; Einräumen von Wäsche, Geschirr etc. Versorgung der Heizung).

Den Feststellungen des LSG kann entnommen werden, daß bei der Klägerin bei 10 Verrichtungen ein Hilfebedarf besteht. Hierbei handelt es sich um die oben unter Ziff 1, 4, 5, 8, 10 und 11 sowie 15 bis 18 genannten Verrichtungen. Sechs Verrichtungen sind ohne fremde Hilfe möglich; der Hilfebedarf bei zwei Verrichtungen (Mundpflege und Haarpflege) ist vom LSG nicht ermittelt worden. Ob die von der Revision gegen diese Feststellungen vorgebrachten Rügen durchgreifen, kann dahinstehen. Das angefochtene Urteil unterliegt schon deshalb der Aufhebung, weil die Feststellungen des LSG nicht erkennen lassen, ob der Pflegebedarf der Klägerin durch erschwerende Umstände (sog Gleichstellungssachverhalte – vgl BSG SozR 3-2500 § 53 Nr 4) geprägt wird, der ihren Hilfebedarf als genauso umfassend erscheinen lassen könnte, wie denjenigen eines eindeutig Schwerpflegebedürftigen, der – wie im Gesetzgebungsverfahren vorausgesetzt (BT-Drucks 11/2237, S 183) – sich “nahezu in allen Bereichen” nicht selbst versorgen kann. Als eindeutig schwerpflegebedürftig kann die Klägerin nicht eingestuft werden, denn auch unter Berücksichtigung des noch nicht ermittelten Hilfebedarfs bei der Mund- und Haarpflege ist die Klägerin allenfalls bei 12 Verrichtungen auf fremde Hilfe angewiesen. Besteht ein Hilfebedarf bei 9 bis einschließlich 13 der og Verrichtungen, so liegt Schwerpflegebedürftigkeit nur vor, wenn besondere Gleichstellungssachverhalte erfüllt sind (vgl BSG SozR 2500 § 53 Nr 5 und 6). Dies ist etwa der Fall, wenn

  • die Hilfe bei Verrichtungen des Grundbedarfs, unabhängig von der Anzahl der erforderlichen Einsätze, einen Zeitaufwand von mehr als drei Stunden erforderlich macht oder
  • besondere körperliche oder seelische Erschwernisse mit den Hilfeleistungen verbunden sind, die sich aus der Eigenart des Hilfebedarfs für die Pflegeperson ergeben.

Zum Umfang des Hilfebedarfs bei einzelnen Verrichtungen hat das LSG folgende Feststellungen getroffen:

  • Beim Aufstehen und Zubettgehen benötigt die Klägerin verschiedentlich Hilfe zum Abstützen und Hochziehen.
  • Beim Treppensteigen ist ständiger Hilfebedarf erforderlich. Die Klägerin ist in ihrem unmittelbaren Wohnumfeld einschließlich eines Einkaufszentrums jedoch nicht auf die Benutzung von Treppen angewiesen. Der vom LSG insoweit festgestellte Hilfebedarf bei besonderen Anläßen (zB Aufsuchen des Sitzungssaals für einen Erörterungstermin des LSG) muß unberücksichtigt bleiben, da nur der Hilfebedarf bei regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen maßgebend ist.
  • Gründliches Waschen, Duschen, Baden ist ohne fremde Hilfe nicht möglich; eine Hilfeleistung ist insbesondere beim Abtrocknen und Einreiben erforderlich. Hierfür nimmt die Klägerin zweimal wöchentlich die Hilfe einer Pflegeperson in Anspruch. Oberflächlich kann sie sich ohne fremde Hilfe waschen.
  • Beim An- und Auskleiden wird für einige Kleidungsstücke wie Korsett, Mantel und Schuhe fremde Hilfe benötigt.
  • Bei der Nahrungszubereitung besteht insoweit ständiger Hilfebedarf, als die Klägerin nicht in der Lage ist, Nahrungsmittel durch Schneiden oder Brechen zu zerkleinern, Kochtöpfe und andere Behälter zu bewegen und Flaschen, Gläser und Dosen zu öffnen.
  • Bei der Benutzung der Toilette kann sich die Klägerin manchmal nicht allein erheben.
  • Hinsichtlich der Verrichtungen des hauswirtschaftlichen Versorgungsbedarfs hat das LSG festgestellt, daß die üblichen Haushaltsarbeiten bis auf leichtes Staubwischen in normaler Höhe und Zurechtlegen des Bettes nicht möglich sind. Einkäufe kann die Klägerin in dem von ihrer Wohnung aus erreichbaren Einkaufszentrum tätigen, sofern es sich um Gegenstände von kleinerem Umfang und Gewicht handelt.

Aufgrund dieser Feststellungen kann nicht entschieden werden, ob der bei der Klägerin bestehende Pflegebedarf einen der oben beschriebenen Gleichstellungssachverhalte erfüllt oder nicht. Der erkennende Senat hat bereits deutlich gemacht, daß die Tatsachengerichte die bei den einzelnen Verrichtungen bestehenden Defizite und die erforderlichen Hilfeleistungen so konkret umschreiben müssen, daß die hieraus abgeleitete Bewertung des Gesamtpflegebedarfs nachvollziehbar ist (BSG SozR 3-2500 § 53 Nr 6). Die Subsumtion der vom Tatsachengericht festgestellten Tatsachen unter den unbestimmten Rechtsbegriff “Schwerpflegebedürftigkeit” ist vom Revisionsgericht zumindest insoweit voll überprüfbar, als es um die Vollständigkeit der für die Subsumtion erforderlichen Tatsachen geht.

Das Tatsachengericht genügt den an die Sachverhaltsermittlung zu stellenden Anforderungen nicht, wenn es zwar die Verrichtungen, bei denen die Versicherte fremder Hilfe bedarf, im einzelnen beschreibt, aber nicht feststellt, in welchem zeitlichen Umfang die Hilfe täglich bzw im Wochenrhythmus erforderlich ist. Das LSG hat festgestellt, die Klägerin setze die Pflegekräfte Frau A… und Frau G… in einem zeitlichen Umfang von insgesamt sechs Stunden wöchentlich ein. Hierdurch wird der für eine Gleichstellung mit einem eindeutig Pflegebedürftigen erforderliche Zeitaufwand nicht erreicht. Ob der erforderliche Zeitaufwand bei der Klägerin insgesamt dadurch entsteht, daß sie daneben Hilfeleistungen von einer Nachbarin “verschiedentlich” in Anspruch nimmt, läßt sich nicht feststellen, weil das LSG den zeitlichen Umfang dieser Hilfe nicht beschrieben hat. Den Feststellungen des LSG ist vor allem nicht zu entnehmen, ob die Hilfe der Nachbarin nur dann in Anspruch genommen wird, wenn diese gerade (zufällig) in ihrer Wohnung anwesend ist, oder ob die Nachbarin in einem bestimmten zeitlichen Rahmen auf Abruf für Hilfeleistungen bereit steht. Falls eine derartige Abrufbereitschaft zur Sicherstellung einer ausreichenden Pflege erforderlich ist, was das LSG bislang nicht festgestellt hat, wäre dieser Zeitaufwand im Rahmen der Gleichstellung zu berücksichtigen.

Bei Hilfeleistungen, die nur mehr oder weniger zufällig erbracht werden, weil die Hilfsperson nur gelegentlich ohne Bindung an einen mit dem Pflegebedürftigen abgestimmten Zeitplan zur Verfügung steht, ist zu prüfen, ob die erforderliche Pflege ausreichend sichergestellt ist. Dies folgt aus § 57 Abs 2 SGB V. Selbst wenn man es nach dem Sinn der Regelung entgegen dem Wortlaut ausreichen läßt, daß die Pflege nicht nur von einer einzelnen, sondern von mehreren Pflegepersonen durchgeführt werden kann (vgl Zipperer, in: Maaßen ua, SGB V, § 57 RdNr 12; Krauskopf, SGB V, § 57 RdNr 1), so wollte der Gesetzgeber mit dieser Regelung doch deutlich machen, daß die Pflegepersonen zeitlich in einem solchen Umfang verfügbar sein müssen, daß die Pflege sichergestellt ist.

Hieraus folgt, daß nach § 57 Abs 1 SGB V im Rahmen des Pflegebedarfs solche Hilfeleistungen nicht berücksichtigt werden können, die bei einer üblichen Lebensführung zwar sachgerecht wären, vom Pflegebedürftigen tatsächlich aber nicht in Anspruch genommen werden. Soweit der Pflegebedürftige den notwendigen Hilfebedarf durch selbstbeschaffte Pflegepersonen nicht sicherstellen kann, verweist ihn das Gesetz auf die häusliche Pflegehilfe als Sachleistung gemäß § 55 SGB V.

Die Feststellungen des LSG sind in diesem Punkt nicht eindeutig. Einerseits hat es dargelegt, die Klägerin sei in der Lage, ihre Pflege durch Frau G… und Frau A… als Pflegepersonen in geeigneter Weise und in ausreichendem Umfang sicherzustellen. Andererseits verweist es auf einen Hilfebedarf beim An- und Auskleiden, den die Klägerin an den Tagen, an denen ihr keine Pflegeperson zur Verfügung stehe, dadurch vermeide, daß sie nur leichte Bekleidung anlege, für die sie keine Hilfe benötige. Auch bezüglich des Hilfebedarfs beim gründlichen Waschen kann eine Diskrepanz zwischen tatsächlich geleisteter und an sich notwendiger Hilfe bestehen. Die Feststellungen des LSG lassen jedenfalls nicht zweifelsfrei erkennen, ob die Klägerin ihre notwendige Körperpflege durch die zweimal wöchentliche Inanspruchnahme von Pflegepersonen sicherstellen kann oder nicht.

Kommt das LSG aufgrund der nachgeholten Tatsachenfeststellungen zu dem Ergebnis, daß die Anspruchsvoraussetzungen für das Pflegegeld erfüllt sind, wird es die Beklagte nur dann zur Leistung verurteilen können, wenn eine andere Entscheidung der Beklagten nicht in Betracht kommt. § 57 Abs 1 SGB V räumt der Krankenkasse insoweit ein Ermessen ein, als sie anstelle der vorrangig vorgesehenen häuslichen Pflegehilfe als Sachleistung (§ 55 SGB V) das Pflegegeld gewähren kann. Ob bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 57 SGB V faktisch eine Ermessensschrumpfung “auf Null” eintritt (so Zipperer, in: Maaßen ua, SGB V, § 57 RdNr 2 und 3) bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

Wegen der fehlenden Feststellungen ist der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Hierbei hat das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI911846

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