Entscheidungsstichwort (Thema)
gewöhnlicher Aufenthalt. befristete Aufenthaltserlaubnis. Ausländerin
Orientierungssatz
Im Unterschied zu einem Asylbewerber, der nur im Besitz einer Aufenthaltsgestattung nach § 20 AsylVfG ist oder dessen Aufenthalt nur nach § 17 AuslG aF geduldet ist, hält sich ein Ausländer, der kein Asylbewerber ist und eine befristete zukunftsoffene Aufenthaltserlaubnis hat, in dem von der Befristung umfaßten Zeitraum gewöhnlich im Gebiet der Bundesrepublik iS von § 30 Abs 3 S 2 SGB 1 auf. Die Rechtslage bezüglich des gewöhnlichen Aufenthalts hat sich durch Art 20 Nr 1 RRG 1992 nicht geändert, diese Vorschrift ist "nur" als Klarstellung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthaltes iS der Rechtsprechung des BSG aufzufassen.
Normenkette
SozSichAbk POL Art 1; SozSichAbk POL Art 21; SozSichAbk POL Art 27; RV/UVAbk POL Art 1 Nr. 2; RV/UVAbk POL Art 5; SGB I § 30 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung einer Witwenrente ab 1. Oktober 1989.
Die am 10. September 1929 geborene und seit dem 30. November 1977 verwitwete Klägerin ist polnische Staatsangehörige. In der Zeit vom 30. November 1977 bis 31. August 1981 bezog sie in Polen vom dortigen Sozialversicherungsträger eine Witwenrente. Am 9. August 1981 reiste sie im Wege des Familiennachzuges in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 18. August 1981 einen Antrag auf Gewährung von Asyl, der am 7. Februar 1983 wegen fehlender politischer Verfolgung der Klägerin abgelehnt wurde. Für die Dauer des Asylverfahrens hatte die Klägerin von der Ausländerbehörde eine auf den Bereich der Freien und Hansestadt Hamburg räumlich begrenzte Aufenthaltserlaubnis erhalten (Ausstellungsdatum: 13. Oktober 1981). In der Folgezeit wurde ihr Aufenthalt zunächst geduldet. Ab dem 9. September 1986 erhielt sie laufend eine befristete Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen sowie seit dem Inkrafttreten des neuen Ausländergesetzes (1. Januar 1991) eine befristete Aufenthaltsbefugnis, zuletzt bis zum 21. Juni 1994, mit der Auflage, daß die Wohnung nur in Hamburg genommen werden dürfe. Die Klägerin ist im Besitz eines deutschen Fremdenpasses sowie eines bis zum 13. Dezember 1995 gültigen polnischen Konsularpasses.
Am 2. Oktober 1989 stellte die Klägerin bei der Beigeladenen einen Antrag auf Gewährung von Hinterbliebenenrente. In einer formularmäßigen "Erklärung zum Aufenthalt" vom 17. Juni 1992 gab sie an, sich seit dem 9. August 1981 dauernd in der Bundesrepublik Deutschland aufzuhalten und gleichzeitig ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Volksrepublik Polen aufgegeben zu haben; die gesamte Familie habe ausreisen müssen. In einer Bescheinigung zur Vorlage bei der Landesversicherungsanstalt vom 18. September 1992 bestätigte das Einwohner-Zentralamt der Freien und Hansestadt Hamburg, daß mit einer Abschiebung der Klägerin nicht zu rechnen sei. Die Beigeladene nahm deshalb ausweislich eines Aktenvermerkes vom 29. Oktober 1992 an, daß erst durch diese Bestätigung ein gewöhnlicher Aufenthalt der Klägerin in Deutschland begründet worden sei, weshalb das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit vom 8. Dezember 1990 (BGBl II 1991 S 743, in Kraft ab dem 1. Oktober 1991 gemäß Art 6 des Zustimmungsgesetzes ≪ZustG≫ vom 18. Juni 1991, BGBl II S 741 ≪DPSVA 1990≫) anzuwenden und die Zuständigkeit der Beklagten gegeben sei. Der Vorgang wurde deshalb an die Beklagte abgegeben. Auf Anfrage der Beklagten teilte das Einwohner-Zentralamt unter dem 7. April 1993 mit, daß die Klägerin zZ im Besitz einer bis zum 24. Juni 1993 befristeten Aufenthaltsbefugnis sei. Bei Vorliegen der ausländerrechtlichen Voraussetzungen werde diese auch weiterhin verlängert. Mit einer Abschiebung sei grundsätzlich nicht zu rechnen, es sei denn, daß die Klägerin strafrechtlich in Erscheinung trete.
Mit Bescheid vom 27. April 1993 lehnte die Beklagte die Gewährung der Witwenrente ab, weil die Klägerin sich lediglich im Besitz einer befristeten Aufenthaltserlaubnis befinde und damit nicht von einem unbefristeten rechtmäßigen Aufenthalt gesprochen werden könne. Dies gelte sowohl nach den Bestimmungen des DPSVA 1990 als auch des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung vom 9. Oktober 1975 (BGBl II 1976 S 396, in Bundesrecht übertragen durch das ZustG vom 12. März 1976, BGBl II S 393, in Kraft gemäß Art 8 des ZustG iVm der Bekanntmachung im BGBl vom 31. März 1976, BGBl II S 463 ab dem 1. Mai 1976 ≪DPSVA 1975≫) iVm Art 1a des ZustG zu diesem Abkommen (eingefügt durch Art 20 Nr 1 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung vom 18. Dezember 1989 - Rentenreformgesetz 1992 -, BGBl I S 2261 und 1990 I S 1337, ≪RRG 1992≫). Der Klägerin wurde anheimgestellt, bei Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis bzw Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit erneut einen Rentenantrag zu stellen. Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 1993 als unbegründet zurück.
Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Hamburg (SG) den Bescheid der Beklagten vom 27. April 1993 idF des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 1993 aufgehoben und die Beigeladene dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin ab dem 1. Oktober 1989 eine Witwenrente zu gewähren (Urteil vom 17. Dezember 1993) und zur Begründung ua ausgeführt: Die Beigeladene sei als für die Rentengewährung zuständiger Versicherungsträger zur Zahlung einer Witwenrente ab dem 1. Oktober 1989 verpflichtet. Rechtsgrundlage sei § 1264 der Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm Art 5 DPSVA 1975. Nach Art 4 DPSVA 1975 iVm Art 1 Buchst c der Durchführungsvereinbarung vom 11. Januar 1977 (BGBl II S 586) sei die Beigeladene der für die Leistung zuständige Rentenversicherungsträger. Da die Klägerin ihren Wohnort vor dem 1. Januar 1991 in die Bundesrepublik Deutschland verlegt habe, sei eine Zuständigkeit der Beklagten nach dem DPSVA 1990 nicht gegeben. Auch seien die Voraussetzungen des Art 4 Abs 2 DPSVA 1975 erfüllt. Nach den vorliegenden Auskünften des polnischen Sozialversicherungsträgers sei die Wartezeit von 60 Kalendermonaten Versicherungszeit gemäß § 1263 Abs 2 RVO allein durch die polnischen Beitragszeiten des verstorbenen Ehemannes der Klägerin erfüllt. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe die Klägerin auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt bereits ab dem 9. September 1986 (erstmalige Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen) von Polen in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verlegt. Die Rente sei der Klägerin jedoch erst ab dem 1. Oktober 1989 zuzusprechen, dem Ersten des Monats, in dem sie bei der Beigeladenen einen Rentenantrag gestellt habe (§ 1290 Abs 3 Satz 1 RVO).
Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt die Beigeladene die Verletzung materiellen Rechts durch das Vordergericht (§ 30 Abs 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch - ≪SGB I≫, Art 1 Nr 2 DPSVA 1975, Art 1a ZustG vom 12. März 1976 und Art 1 Nr 10 DPSVA 1990) und macht geltend: Ohne unbefristete Aufenthaltserlaubnis gemäß §§ 2 Abs 1, 7 Abs 2 des Ausländergesetzes vom 28. April 1965 - BGBl I S 353 - (AuslG aF) bzw ohne Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 des Ausländergesetzes vom 9. Juli 1990 - BGBl I S 1354 - (AuslG nF) könne ein gewöhnlicher Aufenthalt iS des § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I nicht begründet werden.
Die Beigeladene beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 17. Dezember 1993 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte und die Klägerin stellen keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Sprungrevision der Beigeladenen ist nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das SG die Beigeladene verurteilt, der Klägerin Witwenrente ab 1. Oktober 1989 zu gewähren.
Über den Anspruch der Klägerin ist noch unter Anwendung der Vorschriften der RVO zu entscheiden, denn die Klägerin hat vor dem 1. Januar 1992 für einen vor diesem Zeitpunkt liegenden Zeitraum Ansprüche geltend gemacht (§ 300 Abs 2 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch -).
Der Rentenanspruch der Klägerin ist gemäß §§ 1264 Abs 1, 1290 Abs 3 Satz 1 RVO iVm Art 5 Abs 1 bis 3 DPSVA 1975 begründet. Nach dessen Art 5 Abs 1 und 2 hat der deutsche Versicherungsträger nach Einstellung der Rentenzahlung durch den polnischen Versicherungsträger die begehrte Rente zu zahlen, nachdem die Klägerin als Rentnerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verlegt hatte.
Nach Art 1 Nr 2 DPSVA 1975 bedeuten für die Anwendung dieses Abkommens die Begriffe "Wohnort" und "Wohnen" für die Bundesrepublik Deutschland den Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes oder "sich gewöhnlich aufhalten". Im gesamten Vertragswerk wurde keine Bestimmung darüber getroffen, daß der Ausdruck "gewöhnlicher Aufenthalt" oder "sich gewöhnlich aufhalten" anders als in § 30 Abs 3 SGB I zu verstehen ist. Nach ständiger und einheitlicher Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) - vgl SozR 3-6710 Art 4 Nr 5 und SozR 3-1200 § 30 Nr 5 mwN - wollten die Vertragschließenden zur Vermeidung einer Rechtsanwendungskollision erkennbar an den innerstaatlichen Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes anknüpfen, der in § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I umschrieben ist.
Vom streitigen Zeitpunkt an, dh ab 1. Oktober 1989, hat sich die Klägerin iS von § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gewöhnlich aufgehalten. Nach der in dieser Vorschrift enthaltenen Definition ist der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes in erster Linie nach den objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnissen zu beurteilen. Danach ist entscheidend, ob die Klägerin den örtlichen Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland hatte. Dauerhaft ist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist. Hierbei ist ein Domizilwille, der mit den tatsächlichen Umständen nicht übereinstimmt, rechtlich unerheblich (vgl BSG SozR 3-5850 § 3c Nr 2). Da es auf die Tatsachen ankommt, die während des streitigen Zeitraumes objektiv vorlagen (vgl dazu im einzelnen BSG SozR 3-1200 § 30 Nr 5; BSGE 67, 243 = SozR 3-7833 § 1 Nr 2; SozR 3-7833 § 1 Nr 3; BSGE 65, 261 = SozR 7833 § 1 Nr 7; SozR 3-6180 Art 13 Nr 2, jeweils mwN), ist eine spekulative Abwägung bzw Prognose zukünftiger Geschehnisse unzulässig.
Nur bei Ausländern wird der an tatsächlichen Umständen zu messende Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes durch rechtliche Voraussetzungen eingeschränkt. Dies hat der 4. Senat in seinem Urteil vom 30. September 1993 (4 RA 49/92 = SozR 3-6710 Art 1 Nr 1) unter Aufrechterhaltung der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung verdeutlicht. Dem hat sich der erkennende Senat im Urteil vom 27. Januar 1994 (5 RJ 16/93, zur Veröffentlichung in SozR 3 vorgesehen) angeschlossen und verbleibt weiterhin bei seiner Rechtsauffassung. Ausländer stehen - wie auch die Klägerin - in aller Regel als Staatsbürger ihres Heimatstaates zu diesem in einem besonderen Rechtsverhältnis, das sie grundsätzlich unter dessen Schutz und Fürsorge stellt und ihnen rechtlich die jederzeitige Heimkehr dorthin erlaubt. Andererseits ist ein Ausländer, der sich in Deutschland aufhält, nach § 12 Abs 1 AuslG aF bzw § 42 Abs 1 AuslG nF zur Ausreise verpflichtet, wenn er eine nach den Vorschriften des AuslG erforderliche Aufenthaltsgenehmigung nicht oder nicht mehr besitzt. Es wäre widersprüchlich, wenn die Rechtsordnung den rechtswidrigen Aufenthalt eines ausreisepflichtigen Ausländers als gewöhnlichen Inlandsaufenthalt anerkennen und den daran anknüpfenden Erwerb von Rechten und Ansprüchen zulassen würde. Deshalb hat ein Ausländer, der tatsächlich dauerhaft im Inland verweilt, nur dann einen gewöhnlichen Aufenthalt, wenn er sich berechtigterweise hier aufhält (BSGE 65, 261 = SozR 7833 § 1 Nr 7).
Infolgedessen fehlt es - wie der Senat in seinem oben zitierten Urteil vom 27. Januar 1994 hervorgehoben hat - bei Ausländern an der für den gewöhnlichen Aufenthalt erforderlichen Dauerhaftigkeit iS der Zukunftsoffenheit nur, wenn der Aufenthalt des Ausländers im jeweils streitigen Zeitraum nach einer bereits vorliegenden Entscheidung der dafür allein zuständigen Ausländerbehörde auflösend befristet (Aufenthaltserlaubnis für eine von vornherein bestimmte Zeit) oder auflösend bedingt (Aufenthaltserlaubnis für einen bestimmten Zweck) gestattet worden ist. Dies ist bei einer "schlicht" befristeten Aufenthaltserlaubnis nicht der Fall, weil eine solche Entscheidung nur die Wirksamkeit der Aufenthaltserlaubnis befristet und nicht das Ende eines berechtigten Aufenthaltes feststellt, vielmehr die Berechtigung für die Zukunft offen läßt und somit den Aufenthalt "dauerhaft" gestattet. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Auslegung der befristeten Aufenthaltserlaubnis ergibt, daß sie eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung über das endgültige Ende des Aufenthaltes enthält. Im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten stellen zwar die befristete Aufenthaltserlaubnis (§§ 2, 7 Abs 2 AuslG aF) und die befristete Aufenthaltsbefugnis (§ 30 AuslG nF) in der Rangfolge nach der Aufenthaltsgestattung gemäß § 20 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) oder einer Duldung gemäß § 17 AuslG aF nur eine schwache Form des Aufenthaltsstatusses dar, weil die Erlaubnis lediglich für eine begrenzte Zeit gilt und während der Geltungsdauer noch nicht ohne weiteres erkennbar ist, ob und in welcher Weise sich der ausländerrechtliche Status nach dem Fristablauf verfestigt. Es ist auch nicht zu verkennen, daß eine Aufenthaltsberechtigung (§ 8 AuslG aF) als stärkere Form des Aufenthaltsrechts (vgl hierzu Kanein, Kommentar zum Ausländergesetz, 4. Aufl, 1988, § 8 RdNrn 1 und 5; Hailbronner, Ausländerrecht, 2. Aufl, 1989, RdNr 239) zur Folge hat, daß ein Ausländer nur noch beschränkt ausgewiesen werden kann (§ 11 Abs 1 AuslG aF). Einen ähnlichen Schutz verleiht § 48 AuslG nF. Andererseits sind aber auch diese Aufenthaltsrechte nicht uneingeschränkt auf Dauer garantiert, so daß bei einer befristeten Aufenthaltserlaubnis der Umstand der Befristung nicht allein entscheidend ist. Es kommt vielmehr maßgebend auf die Zukunftsoffenheit an. Im Unterschied zu einem Asylbewerber, der nur im Besitz einer Aufenthaltsgestattung nach § 20 AsylVfG ist oder dessen Aufenthalt nur nach § 17 AuslG aF geduldet ist, hält sich deshalb ein Ausländer, der kein Asylbewerber ist und eine befristete zukunftsoffene Aufenthaltserlaubnis hat, in dem von der Befristung umfaßten Zeitraum gewöhnlich im Gebiet der Bundesrepublik iS von § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I auf. Der erkennende Senat schließt sich nach eigener Prüfung auch der vom 4. Senat vertretenen Auffassung an, daß sich die Rechtslage bzgl des gewöhnlichen Aufenthalts durch Art 20 Nr 1 RRG 1992 nicht geändert hat, diese Vorschrift "nur" als Klarstellung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthaltes iS der Rechtsprechung des BSG aufzufassen ist (vgl im einzelnen Urteil vom 30. September 1993, aaO).
Hiervon ausgehend hatte die Klägerin jedenfalls vom streitigen Zeitpunkt an ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Nach den im Verfahren der Sprungrevision nicht mit Verfahrensmängeln angreifbaren und somit für den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen des SG (§§ 161 Abs 4, 163 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) ist die Klägerin am 9. August 1981 im Wege des Familiennachzuges in die Bundesrepublik eingereist und hat seitdem hier faktisch dauerhaft den Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse gehabt.
Nach den bindenden Feststellungen des SG hatte die Klägerin im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1986 bis zum 31. Dezember 1990 zwar nur befristete Aufenthaltserlaubnisse nach §§ 2, 7 AuslG aF und ab 1. Januar 1991 befristete Aufenthaltsbefugnisse nach § 30 AuslG nF. Dieser aufenthaltsrechtliche Status der Klägerin erfüllte aber zumindest ab 1. Oktober 1989 bereits die Voraussetzungen eines gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet iS von § 30 Abs 3 SGB I sowie Art 1 und 5 DPSVA 1975. Da die zuständige Ausländerbehörde der Klägerin seit 9. September 1986 durchgehend fortlaufende (befristete) Aufenthaltserlaubnisse bzw Aufenthaltsbefugnisse erteilt hatte, war dieser Aufenthalt materiell-rechtlich und iS der Zukunftsoffenheit rechtlich beständig. Die Ausländerbehörde hat ausdrücklich keine bindende, den rechtmäßigen Aufenthalt auflösend befristende oder auflösend bedingende Entscheidung getroffen. Den Befristungen der Wirksamkeit der einzelnen Aufenthaltsbefugnisse kann auch sinngemäß keine Entscheidung des Inhalts entnommen werden, der Klägerin dürfe nach Ablauf der jeweiligen Frist keine Aufenthaltserlaubnis mehr erteilt werden. Ebensowenig ist zum Ausdruck gebracht worden, die Klägerin müsse zu einem bestimmten Zeitpunkt oder bei Eintritt bestimmter gewöhnlicher Bedingungen (wozu die außerhalb der Aufenthaltsbefugnis erwähnte Straffälligkeit nicht gerechnet werden kann) die Bundesrepublik Deutschland verlassen. Erst recht ist keine Ausweisung angeordnet worden (§§ 10, 23 AuslG aF, 45 AuslG nF). Die Ausländerbehörde hat im Gegenteil am 18. September 1992 und 7. April 1993 erklärt, daß mit einer Abschiebung der Klägerin im Regelfall nicht zu rechnen sei.
Aufgrund der für den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen des SG ist auch davon auszugehen, daß die Klägerin die Wartezeit von 60 Kalendermonaten Versicherungszeit gemäß § 1263 Abs 2 RVO durch die polnischen Beitragszeiten ihres verstorbenen Ehemannes erfüllt hat.
Gemäß Art 4 DPSVA 1975 iVm Art 1 Buchst c der Durchführungsvereinbarung vom 11. Januar 1977 sowie §§ 1329, 1630 RVO ist die Beigeladene der für die Leistung zuständige Rentenversicherungsträger, weil die Klägerin unter der Geltung des DPSVA 1975 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bezirk der Beigeladenen hatte. Das SG hat zutreffend erkannt, daß die Beklagte nicht leistungspflichtig ist, denn die insoweit maßgeblichen Art 1 Nr 4, 21 Abs 2 und 3 DPSVA 1990 finden im Falle der Klägerin keine Anwendung. Nach der ausdrücklichen Regelung in Art 27 DPSVA 1990 gilt dieses Abkommen (nur) für die Ansprüche derjenigen Personen, die nach dem 31. Dezember 1990 ihren Wohnort in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates verlegen, dort erneut begründen oder in einem Drittstaat haben. Dies trifft auf die Klägerin nicht zu, weil sie - wie ausgeführt wurde - bereits vor diesem Stichtag ihren Wohnort im Bundesgebiet hatte und durchgehend auch beibehalten hat.
Schließlich hat das SG zutreffend entschieden, daß der Klägerin die Rente gemäß § 1290 Abs 3 Satz 1 RVO erst vom Beginn des Antragsmonats an (1. Oktober 1989) zusteht.
Nach alledem war die Sprungrevision der Beigeladenen zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen