Leitsatz (amtlich)
Auch Rentner können im Rahmen des RVO § 187 Nr 3 iVm der Satzung der KK Anspruch auf den satzungsmäßigen Zuschuß für die Anschaffung eines Hörgeräts haben.
Leitsatz (redaktionell)
Gewährung von Hilfsmitteln nach RVO § 187 Nr 3 an Rentner:
Das Hörgerät ist als Hilfsmittel iS des RVO § 187 Nr 3 anzusehen, da es im Gegensatz zu den Heilmitteln nach den RVO § 182 Abs 1 Nr 1, § 193 die im Zusammenhang mit der Krankenbehandlung einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern sollen, nicht der therapeutischen Einflußnahme, sondern dem Ausgleich bestehender körperlicher Defekte dient.
Unter dem Begriff "Verkrüppelung" iS des RVO § 187 Nr 3 sind alle Körperbehinderungen zu verstehen, die die Arbeitsfähigkeit nach beendetem Heilverfahren beeinträchtigen.
Orientierungssatz
Zur Auslegung der Begriffe "Verkrüppelung" und "Hilfsmittel" in RVO § 187 Nr 3.
Normenkette
RVO § 187 Nr. 3 Fassung: 1911-07-19, § 182 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1967-12-21, § 193 Fassung: 1911-07-19
Tenor
Auf die Sprungrevision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. März 1970 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Ersatz der Kosten eines Hörgerätes in Höhe des satzungsgemäßen Zuschusses für Hilfsmittel zu gewähren.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die 1887 geborene Josefine S (S.) ist bei der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse als Rentnerin krankenversichert. Sie ist schwerhörig und beantragte deshalb im Oktober 1968 die Gewährung eines Zuschusses für ein Hörgerät. Die Beklagte lehnte diesen Antrag jedoch mit der Begründung ab, das Gerät diene nicht zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit. Der Kläger übernahm daraufhin die Kosten des Hörgeräts und meldete seinen Ersatzanspruch bei der Beklagten an, den diese aus den gleichen Gründen ablehnte.
Die Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen und die Berufung zugelassen: Zwar könne gemäß §§ 1531 ff der Reichsversicherungsordnung (RVO) der Sozialhilfeträger, der einen Hilfsbedürftigen nach gesetzlicher Pflicht wegen einer Krankheit für eine Zeit unterstütze, für die dieser wegen der Krankheit einen Anspruch aus der gesetzlichen Krankenversicherung gehabt habe, von dem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung Ersatz beanspruchen. Voraussetzung für einen solchen Anspruch sei aber, daß der Hilfsbedürftige selbst einen entsprechenden Leistungsanspruch gegen seine Krankenkasse gemäß § 179 Abs. 1 und 3 RVO habe. Hieran fehle es jedoch im vorliegenden Fall. Nach § 187 Nr. 3 RVO könne die Satzung einer Krankenkasse Hilfsmittel gegen Verunstaltung und Verkrüppelung nur zubilligen, wenn sie nötig seien, um die Arbeitsfähigkeit des Versicherten herzustellen oder zu erhalten. Der Gesetzgeber habe somit diese Mehrleistung nur dem Personenkreis zukommen lassen wollen, bei welchem zur physischen Arbeitsfähigkeit auch die psychische Arbeitsbereitschaft treffe.
Die Versicherte S. sei aber Rentnerin, übe keinerlei Erwerbstätigkeit mehr aus und beabsichtige auch nicht mehr, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Der Begriff "Arbeitsfähigkeit" erstrecke sich zwar auf jede volkswirtschaftlich sinnvolle Tätigkeit, der Rentner jedoch, der keine Tätigkeit mehr auszuüben beabsichtige, falle nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 187 Nr. 3 RVO. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sei nicht ersichtlich, denn es bestehe ein vernünftiger Grund, Hilfsmittel im Sinne des § 187 Nr. 3 RVO nur an bestimmte Personenkreise zu gewähren.
Mit der Sprungrevision wendet sich der Kläger gegen diese Rechtsauffassung des SG: Die Beschränkung der Versorgung mit Hilfsmitteln zur (Wieder-)Eingliederung in das Arbeitsleben oder in eine andere volkswirtschaftlich sinnvolle Tätigkeit werde dem Wesen und der Aufgabenstellung der sozialen Krankenversicherung nicht gerecht. Denn die Aufgabe der sozialen Krankenversicherung erschöpfe sich keineswegs darin, der Volkswirtschaft Arbeitskräfte zu erhalten, sie erstrecke sich vielmehr darauf, die regelwidrigen Zustände des ihr anvertrauten Personenkreises mit den ihr vom Gesetz zur Verfügung gestellten Mitteln auch dann zu versorgen, wenn sich eine Eingliederung in die Volkswirtschaft nicht mehr erreichen lasse. Verhütung einer Verschlimmerung, Linderung von Schmerzen und Beschwerden, Verlängerung des Lebens kennzeichneten die heutige Aufgabenstellung, die sich vielfach gerade bei den Rentnern in ihrer gesamten Tragweite entfalte und bewähre. Zur Vervollständigung sei schließlich noch darauf hinzuweisen, daß das Bundessozialgericht (BSG) und das Bundesverfassungsgericht die soziale Lage der Rentner in ihrer Rechtsprechung seit eh und je gewürdigt hätten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Stuttgart vom 3. März 1970 aufzuheben und die Beklagte zum Ersatz der Kosten eines Hörgerätes in Höhe des satzungsgemäßen Zuschusses für Hilfsmittel zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
II
Die Sprungrevision des Klägers ist begründet. Der Kläger hat gemäß §§ 1531, 1533 Nr. 3 Satz 1 RVO Anspruch auf Ersatz der Kosten des Hörgeräts der Versicherten S. in Höhe des satzungsgemäßen Zuschusses der Beklagten für Hilfsmittel. Die Versicherte hatte nämlich ihrerseits einen solchen Anspruch gegen die Beklagte.
Nach § 187 Nr. 3 RVO kann die Satzung (einer Kasse) Hilfsmittel gegen Verunstaltung oder Verkrüppelung zubilligen, die nach beendetem Heilverfahren nötig sind, um die Arbeitsfähigkeit des Versicherten herzustellen oder zu erhalten. Die Beklagte hat von dieser Ermächtigung in zulässigem Maße Gebrauch gemacht und auf diese Weise den Kreis ihrer Leistungen erweitert. § 22 Abs. 3 und 9 ihrer Satzung i.V.m. den "Richtlinien über die Gewährung von Zuschüssen für Hörgeräte" vom 8. November 1957 bestimmt nämlich u.a.:
Die Krankenkasse gewährt einen Zuschuß zu den Hilfsmitteln gegen Verunstaltung und Verkrüppelung, die nach beendetem Heilverfahren notwendig sind, um die Arbeitsfähigkeit des Mitgliedes wiederherzustellen oder zu erhalten. Der Zuschuß beträgt 70 v.H. der Kosten - mindestens 70,- DM, höchstens 200,- DM - innerhalb eines Jahres (§ 187 Ziff. 3 RVO).
Bei den Zuschüssen für Hörgeräte handelt es sich um Maßnahmen der Kasse im Sinne des § 187, 3 RVO (Hilfsmittel gegen Verunstaltung und Verkrüppelung) oder § 187, 4 RVO (Verhütung von Erkrankungen). ...
Die Höhe des Zuschusses für ein Hörgerät beträgt für Versicherte 70 % der zuschußfähigen Kosten bis zum satzungsmäßigen Höchstbetrag von 200,- DM. ...
Bedenken gegen diese von der Beklagten in der Satzung vorgenommene rechtliche Einordnung eines Hörgerätes bestehen nicht. Zwar erstreckt sich die gesetzliche Ermächtigung des § 187 Nr. 3 RVO auf die Zubilligung von Hilfsmitteln gegen Verunstaltung, d.h. gegen eine das Schönheitsgefühl störende Entstellung des Körpers, und gegen "Verkrüppelung". Die Schwerhörigkeit ist indes der Verkrüppelung zuzuordnen. Hierunter sind nicht nur - wie in § 9 des Preußischen "Gesetzes betreffend die öffentliche Krüppelfürsorge" vom 6. Mai 1920 (Preußische Gesetzessammlung 1920, 280, 282) - Behinderungen im Gebrauch des Rumpfes oder der Gliedmaßen infolge eines "angeborenen oder erworbenen Knochen-, Gelenk-, Muskel- oder Nervenleidens oder Fehlens eines wichtigen Gliedes oder von Teilen eines solchen" zu verstehen. Diese landesgesetzliche Begriffsbestimmung erfaßte - einer überholten Terminologie folgend - nur einen Teil der Gebrechen, die im Sinne des § 187 Nr. 3 RVO nach beendetem Heilverfahren einer Versorgung mit Hilfsmitteln bedürfen.
Mag auch sonst noch im geltenden Recht (vgl. § 39 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 BSHG einerseits, Nr. 2 bis 6 aaO andererseits) zwischen Körperbehinderung im engeren Sinn und anderen Behinderungen unterschieden werden (vgl. demgegenüber § 39 Abs. 1 des Referentenentwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des BSHG und Nr. 15 der Begründung, wonach die bisherige Aufzählung der Behindertengruppen durch den umfassenden Begriff der "Personen, die nicht nur vorübergehend körperlich, geistig oder seelisch wesentlich behindert sind" ersetzt werden soll), so muß jedenfalls für den Anwendungsbereich des § 187 Nr. 3 RVO der Begriff der "Verkrüppelung" im weitesten Sinne einer Körperbehinderung verstanden werden. Nach der Zweckbestimmung dieser Vorschrift - Herstellung oder Erhaltung der Arbeitsfähigkeit - müßte die Beschränkung der Versorgung mit Hilfsmitteln auf bestimmte Gruppen von Körperbehinderten als unsachgemäße Privilegierung dieser Gruppen angesehen werden, die mit dem die gesetzliche Krankenversicherung beherrschenden Grundsatz der Gleichbehandlung nicht vereinbar wäre. Demnach deckt der Begriff der "Verkrüppelung" im Sinne der genannten Vorschrift alle Körperbehinderungen, die die Arbeitsfähigkeit nach beendetem Heilverfahren beeinträchtigen.
Zutreffend hat die Beklagte auch das Hörgerät als "Hilfsmittel" im Sinne des § 187 Nr. 3 RVO angesehen (ebenso: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand: Juli 1971, 387; RVO-Gesamtk., Stand: Oktober 1971, Anm. 3 zu § 187 RVO; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand: September 1971, Anm. 4 f zu § 182 RVO "in der Regel"; s. ferner die Regelungen in § 1 Abs. 1 Nr. 4 VO zur Durchführung des § 81 Abs. 1 Nr. 3 BSHG vom 27. Mai 1964 - BGBl I 343 -, die berufsgenossenschaftlichen Richtlinien für die Gewährung von Hilfsmitteln, Stand: 1. November 1965 - abgedr. bei Lauterbach, Unfallversicherung, Anhang S. 97, 97/9 - und § 1 Nr. 12 der VO zur Durchführung des § 11 Abs. 3 und der §§ 13 und 15 BVG vom 18. Dezember 1967 - BGBl I 1285). Es dient, im Gegensatz zum Heilmittel im Sinne der §§ 182 Abs. 1 Nr. 1, 193 RVO, das in unmittelbarem Zusammenhang mit der Krankenbehandlung angewendet wird, also einem Heilzweck dient oder einen Heilerfolg sichern soll, nicht der therapeutischen Einflußnahme, sondern dem Ausgleich bestehender körperlicher Defekte (vgl. Sacher, DOK 1959, 244), indem es an die Stelle der in ihrer Funktion beeinträchtigten Gehörorgane tritt.
Dem steht nicht entgegen, daß die Brille, die im allgemeinen ebenfalls dem Ausgleich eines körperlichen Defekts dient, in § 182 Abs. 1 Nr. 1 RVO ausdrücklich den (kleineren) Heilmitteln zugeordnet ist. Diese Zuordnung ist historisch bedingt und geht auf die Regelung im Krankenversicherungsgesetz (KVG) vom 15. Juni 1883 (RGBl 73) zurück, das den Begriff des Hilfsmittels noch nicht kannte und nach dessen § 6 Abschn. I Nr. 1 als Krankenunterstützung vom Beginn der Krankheit an freie ärztliche Behandlung, Arznei sowie Brillen, Bruchbänder und ähnliche Heilmittel zu gewähren waren, während andere kostspieligere Heilmittel gemäß § 21 Abschn. I Nr. 2 KVG zu den zugelassenen Mehrleistungen der Ortskrankenkassen gehörten (von Woedtke, Kommentar zum KVG, 5. Aufl., 1896, S. 143, 219). Der Bericht der Reichstagskommission (zitiert bei von Woedtke, aaO, S. 143), die Motive zu § 6 KVG (Die Arbeiterversorgung 1884, 47) und die Begründung zu Antrag Nr. 84, 5 der 16. Kommission zu § 197 RVO (Nr. 340 der Drucksachen - Bericht I S. 56/57 -) zeigen, daß mit der Formulierung "Brille, Bruchbänder und ähnliche Heilmittel" in erster Linie der finanzielle Rahmen abgesteckt werden sollte, in dem den Ortskrankenkassen Mindestleistungen auferlegt werden sollten: Erst durch den Antrag Nr. 124 der 16. Kommission zu § 202 RVO (aaO, S. 71/72) ist der Begriff des Hilfsmittels in die gesetzliche Krankenversicherung eingeführt, seine Kostenübernahme in das Ermessen der Krankenkassen gestellt und das Hilfsmittel somit als Mehrleistung qualifiziert worden, da Bedenken bestanden, "so kostspielige Mittel unter den Regelleistungen aufzunehmen". Auch hierbei spielten also finanzielle Überlegungen eine entscheidende Rolle, und sie, nicht aber begriffliche Gesichtspunkte, waren der Anlaß dafür, die Brille wegen ihrer relativ geringen Anschaffungskosten auch weiterhin als "Heilmittel" den Regelleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen.
Nicht folgen konnte der erkennende Senat jedoch der Ansicht der Beklagten und des SG, daß ein Kostenersatz für das der Versicherten S. gewährte Hörgerät, dessen Notwendigkeit nicht bestritten wird, deshalb nicht in Betracht komme, weil es nicht zur Herstellung der "Arbeitsfähigkeit" der nicht mehr erwerbstätigen, 83jährigen Rentnerin S. diene (wie hier Brackmann, aaO, S. 454 c; Schmatz/Pöhler, Die Rentnerkrankenversicherung, 2. Aufl., 1968, Anm. II 6 zu § 182; Schlemmer/Zaft, Die Krankenversicherung der Rentner, 1964, S. 101; Jantz, Krankenversicherung der Rentner, Stand: Januar 1970, K 39/40; Podleschny, KrVLeistungsR 1971, 103/104). Zwar stellen die Begriffe Arbeitsfähigkeit und Arbeitsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung auf die vom Versicherten bisher ausgeübte Erwerbstätigkeit ab (BSG 19, 179, 181), weil die gesetzliche Krankenversicherung - ursprünglich ganz, heute vorwiegend - eine Arbeitnehmerversicherung ist, welche im Falle der Arbeitsunfähigkeit die Wiedereingliederung in das Arbeitsleben zum Ziele hat. So geht offensichtlich auch der Wortlaut des § 187 Nr. 3 RVO noch auf diesen ursprünglich im Vordergrund stehenden Zweckgedanken der gesetzlichen Krankenversicherung zurück. Eine strenge Bezugnahme des Begriffs Arbeitsfähigkeit im o.a. Sinne auf den bisher ausgeübten Beruf würde in den Fällen, in denen es sich um Versicherte handelt, die infolge Invalidität oder Alter aus dem Erwerbsleben bereits ausgeschieden sind (Rentner) oder die als mitversicherte Familienangehörige überhaupt nicht am Erwerbsleben teilhaben (Nur-Hausfrauen) oder noch vor dem Eintritt in das Berufsleben stehen (Kinder, Schüler und Studenten) zu einem Ausschluß von den Leistungen nach § 187 Nr. 3 RVO führen.
Der Senat hat solch eine enge Auslegung des Begriffs "Arbeitsfähigkeit" in dem genannten Zusammenhang bei mitversicherten Kindern bereits abgelehnt (vgl. BSG 30, 151, 154, wo es für ausreichend erachtet wurde, daß sich die Versorgung mit einer Prothese günstig auf die Schulfähigkeit auswirkt). Auch bei Rentnern muß "Arbeitsfähigkeit" im weitesten Sinn jedenfalls seit dem Zeitpunkt verstanden werden, seit dem diese durch das Gesetz über Krankenversicherung der Rentner vom 12. Juni 1956 (BGBl I 500) in die gesetzliche Krankenversicherung als "vollwertige Mitglieder" mit "denselben Rechten und Pflichten gegenüber der Kasse wie die im Arbeitsleben stehenden Versicherten" eingegliedert wurden (vgl. den Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik - zur BT-Drucks. II/2256 S. 2). Die damit verbundenen Veränderungen im System der Versicherungsleistungen an Rentner sind bei den Beratungen über die Krankenversicherung der Rentner auch deutlich erkannt worden. Nach dem Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (aaO, S. 1) wurde am damals noch geltenden System der Rentenversicherung bemängelt, daß die Rentner u.a. "- wegen des Ausschlusses von Barleistungen - keine Zuschüsse zum Zahnersatz sowie zu größeren Heil- und Hilfsmitteln erhalten". Diesem Umstand sollte nach dem Bericht (aaO, S. 3) im Neuregelungsgesetz dadurch Rechnung getragen werden, daß die Gleichstellung der Rentner mit den übrigen Versicherten eine Verbesserung der den Rentnern zustehenden Leistungen insoweit zur Folge hat, als sie nunmehr auch "Wochenhilfe, Zuschüsse zum Zahnersatz und den größeren Heil- und Hilfsmitteln sowie ein Sterbegeld nach den Satzungsbestimmungen ihrer Mitgliedskasse" erhalten sollten.
Wenn demnach Rentner den im Arbeitsleben stehenden Versicherten mit denselben Rechten - einschließlich der Kostenzuschüsse bei Hilfsmitteln - an die Seite gestellt werden sollten, so müssen solche dem Arbeitsleben entlehnten Begriffe wie "Arbeitsfähigkeit", die für Rentner nicht passen, sinngemäß für sie abgewandelt werden. Deshalb ist trotz unverändertem Wortlaut des einschlägigen § 187 Nr. 3 RVO der Schluß zu ziehen (vgl. BVerfG 7, 342, 351; BSG 30, 270, 272), daß diese Gesetzesregelung durch die Veränderungen im Mitgliederkreis der gesetzlichen Krankenversicherung insoweit einen Wandel erfahren hat, als die in ihr ausgesprochene Einschränkung - die Arbeitsfähigkeit herzustellen oder zu erhalten - einer auf Rentner bezogenen Auslegung bedarf. Demnach ist dem erklärten Ziel des § 187 Nr. 3 RVO für die Kostenzuschüsse bei Hilfsmitteln - Herstellung oder Erhaltung der Arbeitsfähigkeit - bereits dann genügt, wenn mit dem Hilfsmittel die Fähigkeit, am allgemeinen gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, hergestellt oder erhalten wird (vgl. Bayer. LSG vom 30. Juli 1969, BKK 1970, 164; Winkler, ZfF 1965, 259, 260; WzS 1970, 363, 364).
Nach alledem bleibt somit festzustellen, daß die Beklagte dem Kläger zum Ersatz der Kosten eines Hörgerätes in Höhe des satzungsmäßigen Zuschusses für Hilfsmittel verpflichtet ist. Das angefochtene Urteil des SG war deshalb aufzuheben und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1669281 |
BSGE, 263 |