Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Tatbestand
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung einkommensabhängiger Leistungen und die Rückforderung von Leistungen streitig, die für die Zeit vom 1. Oktober 1977 bis zum 31. Dezember 1978 gewährt wurden.
Der 1925 geborene Kläger erhält Versorgungsbezüge nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG), die zunächst nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 60 v.H. festgesetzt waren; durch Bescheid vom 19. Dezember 1979 erhöhte sich die MdE rückwirkend vom 1. Januar 1971 an auf 70 v.H. Außerdem bezog der Kläger eine Ausgleichsrente, auf die ab Januar 1977 sein Unterhaltsanspruch gegen seine berufstätige Ehefrau angerechnet wurde (Bescheid vom 7. Juli 1977). In einem am 3. Februar 1978 unterschriebenen und am 9. Februar 1978 beim Versorgungsamt eingegangenen Fragebogen teilte der Kläger mit, daß er seit dem 1. Oktober 1977 unselbständig beschäftigt sei und sich das Arbeitseinkommen seiner Ehefrau seit Januar 1978 erhöht habe. Diese Einkommensänderungen blieben im Formularbescheid vom 28. November 1978 über die Anpassung der Versorgungsbezüge an die Leistungen des Zehnten Anpassungsgesetzes zum 1. Januar 1979 unberücksichtigt.
Am 23. Januar 1979 beantragte der Kläger die Erhöhung der Ausgleichsrente, da er seit dem 1. Januar 1979 arbeitslos sei. In seiner "Verhandlung" vom folgenden Tage erklärte er, unterrichtet worden zu sein, daß seine Arbeitseinkünfte zur Neufeststellung der einkommensabhängigen Leistungen für die Zeit vom 1. Oktober 1977 bis zum 31. Dezember 1978 führen; er bitte in Anbetracht dessen, daß er arbeitslos sei, die entstandene Überzahlung mit monatlich 100,-- DM zu tilgen.
Mit dem streitigen Bescheid vom 6. Juni 1979 nahm der Beklagte eine "endgültige Feststellung gemäß § 60a BVG" für die Zeit von Oktober 1977 bis Juli 1979 vor, indem er auf die einkommensabhängigen Leistungen (Ausgleichsrente, Ehegattenzuschlag) das bis Dezember 1978 erzielte Arbeitseinkommen und den höheren Unterhaltsanspruch gegen die Ehefrau anrechnete. Den mit 4.988,-- DM errechneten Überzahlungsbetrag forderte er zurück. Für die Zeit ab August 1979 wurde Ausgleichsrente nicht mehr und Ehegattenzuschlag in verminderter Höhe gewährt. Den Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 1979 zurück; er führte aus, der angefochtene Bescheid stütze sich auf § 62 Abs. 1 BVG a.F., die Rückforderung auf § 47 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung - VfG (KOV) -.
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat unter Abweisung der weitergehenden Klage den Bescheid vom 6. Juni 1979 und den Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 1979 mit der Maßgabe abgeändert, daß die Höhe der vollen Ausgleichsrente sich nach einer MdE von 70 v.H. richte, der Unterhaltsanspruch des Klägers gegen seine Ehefrau von Januar 1979 bis Juni 1979 mit 262, 25 DM anzunehmen sei und daß nur der 5,-- DM monatlich übersteigende Betrag als überzahlt gelte.
Vor dem Landessozialgericht (LSG) ist in zwei Teilvergleichen insbesondere eine Regelung über die Zeit seit dem 1. Januar 1979 getroffen und dieser Zeitraum aus dem Rechtsstreit ausgeklammert worden; der Kläger hat erklärt, daß er nur die Bescheide vom 6. Juni und 15. Oktober 1979 zum Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits machen wolle. Durch Urteil vorn 3. Juli 1984 hat das LSG die Berufung des Beklagten gegen das sozialgerichtliche Urteil zurückgewiesen sowie auf die Anschlußberufung des Klägers dieses Urteil geändert und den Bescheid des Beklagten vom 6. Juni 1979 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 1979, soweit er die Zeit bis zum 31. Dezember 1979 betrifft, aufgehoben. Es hat ausgeführt: Obwohl der Kläger lediglich eine Anfechtungsklage erhoben habe, komme entgegen der Auffassung des SG bereits das Zehnte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB 10) rückwirkend zur Anwendung, weil eine der kombinierten Aufhebungs- und Leistungsklage rechtsähnliche Situation bestehe (Hinweis auf BSG vom 7. Dezember 1983 - 9a RV 26/82 = SozR 1300 § 45 SGB 10 Nr. 5). In den Verhältnissen des Klägers sei gegenüber dem Bescheid vom 7. Juli 1977 eine wesentliche Änderung eingetreten, die den Beklagten gemäß § 48 SGB 10 zur Neufeststellung der einkommensabhängigen Leistungen berechtigt hätte. Die Rücknahme des für die Zeit ab 1. Oktober 1977 rechtswidrig gewordenen begünstigenden Verwaltungsaktes sei jedoch ausgeschlossen, weil sie nach § 48 Abs. 4 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB 10 innerhalb einer Ausschlußfrist von einem Jahr seit Kenntnis der Tatsachen vollzogen werden müsse, welche die Rücknahme rechtfertigen. Diese Frist sei zum Zeitpunkt der Neufeststellung um vier Monate überschritten gewesen. Sie habe entgegen der Auffassung des Beklagten nicht erst am 1. Januar 1981 zu laufen begonnen, weil sonst die rückwirkende Anwendung neuen Rechts auf Übergangsfälle nicht gewährleistet sei. Da die rückwirkende Aufhebung entfalle, komme auch keine Rückforderung bereits erbrachter Leistungen nach § 50 SGB 10 in Betracht.
Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision rügt der Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Zwar treffe es zu, daß sich die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 6. Juni 1979 nunmehr nach den §§ 48, 50 SGB 10 beurteile; die Einjahresfrist habe aber entgegen der Auffassung des LSG nicht vor dem Inkrafttreten des SGB 10 am 1. Januar 1981 zu laufen begonnen (Hinweis auf BSG, Urteil vom 15. November 1984 - 7 RAr 69/83 = SozR 1300 § 45 SGB 10 Nr. 13). Die Voraussetzungen für die getroffene rückwirkende Neufeststellung lägen vor. In Betracht komme allein § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. Alternative ("nach . . . Erlaß des Verwaltungsaktes ..."). Zwar handle es sich bei der rückwirkenden Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB 10 um eine Sollvorschrift; insoweit kämen aber hier die §§ 60, 61 BVG zur Anwendung. Eine Ermessensprüfung entfalle daher.
Der Beklagte beantragt (sinngemäß),
die Urteile des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 3. Juli 1984 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15. April 1983 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 6. Juni 1979 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 1979, soweit er die Zeit bis zum 21. Dezember 1978 betrifft, in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen,
hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Er ist der Auffassung, daß, sofern die Frist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB 10 nicht verstrichen sei, der Beklagte sein Ermessen ausüben müsse, woran es hier fehle. Im übrigen habe das Berufungsgericht nicht zur Höhe der Rückforderung Stellung genommen; das müsse nachgeholt werden, damit ihm - dem Kläger - der Rechtsweg nicht verkürzt werde.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des landessozialgerichtlichen Urteils und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz begründet. Die Feststellungen des LSG reichen für eine abschließende Entscheidung nicht aus.
Zutreffend hat das LSG erkannt, daß es sich nach neuem Recht, nämlich nach den Vorschriften des SGB 10 beurteilt, ob der Bescheid vom 6. Juni 1970 und der Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober desselben Jahres rechtmäßig sind.
Die Aufhebung von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse regelt § 48 SGB 10. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Satz 2 aaO ergänzt diese Regelung. Der Verwaltungsakt "soll" mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse - also rückwirkend - u.a. aufgehoben werden, soweit (Satz 2 Nr. 3 aaO) "nach Antragstellung oder Erlaß des Verwaltungsaktes" Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Ergänzend hierzu bestimmt Satz 3 aaO, daß in diesen Fällen der Erzielung anrechnungspflichtigen Einkommens oder Vermögens für einen bereits in der Vergangenheit liegenden Zeitraum der Beginn des Anrechnungszeitraums als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt.
Allerdings wurde im vorliegenden Fall nicht nur der mit Wirkung vom 1. Oktober 1977 zum Teil "aufzuhebende" (abzuändernde) Bescheid vom 7. Juli 1977, sondern auch der aufhebende - angefochtene - Bescheid vom 6. Juli 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 1979 vor dem Inkrafttreten des SGB 10 - 1. Januar 1981 - (Art II § 40 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes vom 18. August 1980, BGBl I 1449, 2218) erlassen. Gleichwohl findet § 48 SGB 10 auf Grund der Übergangsbestimmungen Anwendung. Gemäß Art. II § 37 Abs. 1 SGB 10 sind bereits begonnene Verfahren nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen. Die Rechtsprechung versteht darunter das unanfechtbar abgeschlossene Verfahren, bezieht also das anschließende Gerichtsverfahren mit ein (Beschluß des Großen Senats - GrS - des Bundessozialgerichts - BSG - vom 15. Dezember 1982 - 2 GS 2/80 = BSGE 54, 223, 226 f. = SozR 1300 § 44 Nr. 3; ferner BSGE 53, 235 und 52, 98, 100). Auch soweit es in Art. II § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB 10 heißt, daß Art. I §§ 44 bis 49 "erstmals" anzuwenden ist, wenn nach dem 31. Dezember 1980 ein Verwaltungsakt aufgehoben wird, tritt mit der Rechtshängigkeit der Streitsache das Gericht funktionell an die Stelle der Verwaltungsbehörde, sind also für die Frage der Aufhebung nur §§ 44 ff. des Art 1 SGB 10 maßgebend (GrS aaO S. 229).
Nichts anderes ergibt sich aus den Urteilen des Senats vom 11. April 1985 - 4b/9a RV 23/84 (= SozR 1300 Art II § 40 Nr. 7) und vom 26. Juni 1985 - 4b/9a RV 20/84. Dort ist ausgeführt, daß sich § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB 10 in zwei alternative Untertatbestände unterteilt, nämlich zum einen in die Erzielung von Einkommen oder Vermögen nach Antragstellung, aber v o r Erlaß eines Leistungen gewährenden Bescheides, und zum anderen in die Erzielung von Einkommen oder Vermögen n a c h Erlaß eines solchen Bewilligungsbescheides. Er hat die 1. Alternative nicht für anwendbar gehalten, soweit vor dem 1. Januar 1981 Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, und dies mit der unzulässigen Rückwirkung der gegenüber dem bis zum 31. Dezember 1980 geltenden Recht erheblich verschärften Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alternative 1 SGB 10 begründet. Beim Vergleich alten und neuen Rechts konnte auch nicht der gesamte Komplex der §§ 44 bis 49 SGB 10 allgemein bewertet, sondern mußte auf die vorbezeichnete Sonderregelung der 1. Alternative abgehoben werden. Allerdings war die Frage der Rückforderung in die Betrachtung einzubeziehen und zu beachten, daß Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid einheitlich entweder nach neuem oder nach altem Recht zu beurteilen sind (SozR 1300 Art 11 § 40 Nr. 7 S. 7 und die dort zitierte Rechtsprechung).
Vorliegend hat jedoch nicht nur der Beklagte die teilweise rückwirkende Aufhebung auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alternative 2 SGB 10 gestützt; auch das LSG ist davon ausgegangen, daß der Kläger anrechnungspflichtiges und leistungsminderndes Einkommen "nach . . . Erlaß des (begünstigenden) Verwaltungsaktes", nämlich des Bescheides vom 7. Juli 1977, erzielt hat. Der erkennende Senat ist mit dem 9a Senat des BSG (vgl. hierzu dessen Urteil vom 23. Oktober 1985 - 9a RV 1/84) der Auffassung, daß Alternative 2 uneingeschränkt auch für die Zeit vor dem 1. Januar 1981 anwendbar ist (vgl. Urteil vom 16. Januar 1986 - 4b/9a RV 9/85).
Der Auffassung des Berufungsgerichts, nach den nunmehr anzuwendenden Rechtsvorschriften des SGB 10 sei die Rücknahme des ( ab 1. Oktober 1977) rechtswidrig gewordenen Verwaltungsaktes (vom 7. Juli 1977) wegen Zeitablaufs ausgeschlossen, kann jedoch nicht gefolgt werden.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB 10 gilt u.a. § 45 Abs. 4 SGB 10 entsprechend, nach § 48 Abs. 4 Satz 2 gilt (jedoch) § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB 10 nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 aaO (Änderung zugunsten des Betroffenen). Während nun § 45 Abs. 4 SGB 10 in bestimmten Fällen die Rücknahme des Verwaltungsaktes "mit Wirkung für die Vergangenheit" sanktioniert, setzt Satz 2 aaO fest, daß dies die Behörde innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun muß, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. An die Stelle von "rechtswidrigen" ist also bei entsprechender Anwendung gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB 10 "rechtswidrig gewordenen" (begünstigenden Verwaltungsaktes) zu setzen. Zwar liegt, wie das LSG ausgeführt und der Beklagte bereits in seinem Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 1979 eingeräumt hat, zwischen dem der Kenntnis gleichzusetzenden Eingang der Mitteilung des Klägers (9. Februar 1978) und dem Erlaß des Bescheides vom 6. Juni 1979 ein Zeitraum von etwa einem Jahr und vier Monaten. Entgegen der Rechtsauffassung des LSG konnte aber die vorgenannte Ausschlußfrist von einem Jahr vor dem Inkrafttreten des SGB 10 nicht zu laufen beginnen. Mit Recht beruft sich die Beklagte hierfür auf das Urteil des 7. Senats des BSG vom 15. November 1984 (SozR 1300 § 45 SGB 10 Nr. 13), dem sich der erkennende Senat anschließt. Dort (S. 13) ist insbesondere auf den Gesetzeszusammenhang abgestellt und ausgeführt worden, dem Art. II § 37 Abs. 2 SGB 10 (wonach Fristen, deren Lauf vor dem 1. Januar 1981 begonnen hat, nach den bisher geltenden Rechtsvorschriften berechnet werden) liege der Gedanke der Rechtssicherheit zugrunde. Deshalb könne nicht davon ausgegangen werden, die Regelung ordne für neueingeführte Fristen ohne Rücksicht auf dadurch eintretende Rechtsbeeinträchtigungen oder gar Rechtsverluste deren Rückwirkung an; Rechtssicherheit in bezug hierauf könne nur bedeuten, den bisherigen Rechtszustand unangetastet und "auf vorhandene Sachverhalte Auswirkungen aus dem neuen Recht erst mit dessen Inkrafttreten entstehen zu lassen. " Der erkennende Senat folgt dieser Argumentation, und zwar auch in Konsequenz dessen, daß hier unter dem Blickpunkt der Rechtssicherheit und des Erhalts bestehender Rechtspositionen der Behörde ein Schutz eingeräumt wird, wie dies der Senat in den Fällen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alternative 1 SGB 10 zugunsten des Bürgers (Versorgungsberechtigten) getan hat. Im übrigen haben Rechtsprechung und Schrifttum zu § 48 Abs. 4 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vom 25. Mai 1976 (BGBl 1 1253), dem § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB 10 nachgebildet ist, im Hinblick auf eine inhaltlich gleiche Übergangsregelung (§ 96 Abs. 3 VwVfG) ebenfalls die Rückwirkung verneint (vgl. BSG aaO S. 33 m.N.)
Damit weicht der Senat nicht von dem erwähnten Urteil des 9a Senats vom 23. Oktober 1985 ab. Dort ist im Ergebnis offengelassen worden, ob die Jahresfrist des 45 Abs. 4 Satz 2 SGB 10 erst mit dem Inkrafttreten des SGB 10 zu laufen beginnen könne, weil in jenem Fall angenommen worden war, die Verwaltung habe ihre Kenntnis (ohnehin) rechtzeitig ausgewertet (aaO S. 9).
Da mithin die Ausschlußfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB 10 nicht versäumt sein kann, andererseits schon wegen der kurzen Zeitspanne zwischen Kenntniserhalt und Erlaß des Bescheides vom 6. Juni 1979 die Verwirkung eines Aufhebungs- und Rückforderungsrechts der Beklagten ausscheidet, bleibt weiterhin zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB 10 vorliegen, oder ob es - vom Standpunkt des Klagebegehrens aus - an (zumindest)-, einer dieser Voraussetzungen fehlt.
Zu Recht hat das Berufungsgericht eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen gegenüber dem Bescheid vom 7. Juli 1977 mit Wirkung vom 1. Oktober 1977 ( Beginn des Beschäftigungsverhältnisses bejaht (vgl. § 62 Abs. 1 Satz 1 BVG n.F., wonach - negativ abgrenzend - eine vom Einkommen abhängige Leistung nicht "neu festzustellen" ist, solange sich das Bruttoeinkommen seit der letzten Feststellung um weniger als 10,-- DM monatlich erhöht hat). Der Zeitpunkt der wesentlichen Änderung ergibt sich aus § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB 10 (Beginn des Anrechnungszeitraumes) i.V.m. § 60 Abs. 4 Satz 2 BVG (Eintritt der Leistungsminderung im Monat der Einkommenserhöhung).
In die Bestandskraft des früheren Bescheides darf aber nur in bestimmten Grenzen eingegriffen werden, nämlich nur "soweit" sich die Verhältnisse wesentlich geändert haben (vgl. Hauck/Haines/Vöcking, SGB X/1, 2, Stand: 1. März 1985, K § 48 Rz 13). Auch den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, daß mit der Verwendung des Wortes "soweit" eine Aufhebung des Verwaltungsaktes in nur bestimmtem Umfang sichergestellt werden soll, wenn er im übrigen Bestand haben kann, des weiteren, daß der neue Leistungsumfang festgestellt wird (vgl. Entwurf der Bundesregierung eines SGB - Verwaltungsverfahren -, Drucks 8/2034, Vorbemerkungen vor §§ 42 ff. S. 33). Deshalb kann es in Fällen wie dem vorliegenden, in denen erzieltes anrechenbares Einkommen die wesentliche Änderung bewirkt und sich zugleich auf die (Höhe der gewährten) Sozialleistung auswirkt, nicht genügen, lediglich die wesentliche Änderung als solche und deren Eintritt festzustellen. Zum zulässigen Umfang eines Eingriffs in die Bestandskraft des Bescheids vom 7. Juli 1977 hat jedoch das LSG - auf Grund seiner Annahme der versäumten Ausschlußfrist folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Dies nachzuholen ist aber schon deshalb erforderlich, weil der im streitigen Bescheid genannte (Rückforderungs-)Betrag mit dem jetzt noch offenstehenden nicht identisch sein kann; denn Streitgegenstand ist im Gegensatz zu den vom angefochtenen Bescheid erfaßten Zeiten nach den vor dem LSG geschlossenen Teilvergleichen jetzt nur noch der Zeitraum bis Dezember 1978. Die hierzu noch erforderlichen Feststellungen und ggf. auch weitere Ermittlungen zur Höhe des Rückforderungsbetrages muß das LSG als Tatsacheninstanz treffen.
Die Zurückverweisung des Rechtsstreits ist im übrigen angebracht, damit geprüft wird, ob die Voraussetzungen für eine Ermessensausübung durch die Beklagte vorliegen.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB 10 "soll" der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse u.a. aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen der Nr. 3 vorliegen. Das "Sollen" steht schon sprachlich zwischen "Müssen" (z.B. aaO Abs. 1 Satz 1 und 2: "ist . . . aufzuheben") und "Können" (z.B. § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB 10: kann auch . . . zurückgenommen werden"). Es ist in dem hier gegebenen Zusammenhang als ein "Müssen (nur) im Regelfall" zu verstehen; im Ausnahmefall braucht der Verwaltungsakt nicht (teilweise) zurückgenommen zu werden (so bereits mit inhaltlich gleicher Formulierung zu § 48 SGB 10: Urteile des 10. Senats des BSG vom 6. November 1985 - 10 RKg 3/84 S.12 ff. und des 9a Senats vom 23. Oktober 1985 S. 9 ff., BSG SozR 5870 § 2 Nr. 30; zu § 551 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung: BSGE 35, 267, 269 ff.). Dies entspricht auch der Rechtsprechung in der Verwaltungsgerichtsbarkeit (z.B. grundlegend Bundesverwaltungsgericht BVerwGE 12, 284, 285; in letzterer Zeit: 62, 230, 242).
Die Anwendung der "Sollvorschrift" des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB 10 erfordert (nachdem festgestellt ist, daß die Tatbestandsvoraussetzungen der Nrn. 1, 2 oder 3 gegeben sind), zunächst zu untersuchen, ob nach den tatsächlichen Gegebenheiten ein Regel- oder ein atypischer Fall vorliegt. Handelt es sich um einen Regelfall, ist die Behörde gebunden. Bei einer atypischen Fallgestaltung dagegen besteht für die Verwaltung ein Ermächtigungsermessen; nur dann ist sie zur Ausübung des Ermessens berechtigt und verpflichtet. Dagegen ist die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, wie beim unbestimmten Rechtsbegriff nicht schon Teil der Ermessensausübung (BSG, 10. Senat aaO S. 12). Folglich haben die Gerichte in vollem Umfang zu überprüfen, ob ein Regel- oder ein Ausnahmefall vorliegt; handelt es sich um einen Ausnahmefall und hatte die Verwaltungsbehörde demzufolge ihr Ermessen auszuüben, ist die Überprüfungsmöglichkeit des Gerichts dagegen auf etwaige Ermessensfehler beschränkt. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, daß keine atypische Fallgestaltung vorliegt, so ist, sofern die anderen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB 10 gegeben sind, der Aufhebungsbescheid auch dann nicht rechtswidrig, wenn er zur fehlenden Atypik keine Aussage enthält.
Mit dieser Rechtsansicht weicht der Senat nicht vom Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes - GemS - vom 19. Oktober 1971 (BVerwGE 39, 355 = NJW 1972, 1411) ab ( wo zu § 131 Abs. 1, der Reichsabgabenordnung gesagt worden war, der Begriff "unbillig" rage in den Ermessensbereich hinein und bestimme deshalb zugleich Inhalt und Grenzen der pflichtgemäßen Ermessensausübung, so daß sich ein auf diese Vorschrift gestützter Verwaltungsakt als einheitliche Ermessensentscheidung darstelle), und zwar schon deshalb nicht, weil der GemS speziell auf die zu prüfende konkrete Vorschrift abgehoben hat (vgl. hierzu BSGE 43, 153, 159; ferner BVerwGE 40, 353, 356 und 45, 162, 164 f.).
Auch zum Urteil des 9a Senats vom 13. Oktober 1985 setzt sich der erkennende Senat zumindest im Ergebnis nicht in Widerspruch. Zwar ist dort möglicherweise von einer einheitlichen Ermessensentscheidung ausgegangen worden; der 9a Senat hat aber sowohl die Atypik des Falles wie auch die "Ermessensschrumpfung auf NulI" bejaht, so daß der, Aufhebungsbescheid unter jedem Gesichtspunkt rechtswidrig war.
Allgemeine Regeln darüber, wann ein Ausnahmefall vorliegt, lassen sich nicht aufstellen. Zu beachten ist stets Sinn und Zweck der Aufhebungsnorm - hier § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alternative 2 SGB 10 -, darüber hinaus auch derjenigen Vorschriften, aus denen sich die wesentliche Änderung (hier: Einkommensanrechnung) ergibt. Auch die Umstände des Einzelfalles sind in Betracht zu ziehen, so etwa die Rückwirkung des § 48 SGB 10 in den Bereich ursprünglich anderen Rechts sowie im Blick auf eine mögliche besondere Härte wegen der aus der Aufhebung folgenden Erstattungspflicht (§ 50 Abs. 1 SGB 10).
Aus dem im angefochtenen Urteil festgestellten Sachverhalt ist eine Ausnahmelage nicht ersichtlich. Indessen ist zu bedenken, daß das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus mit Recht zu dieser Frage keine Feststellungen zu treffen hatte. Das ist deshalb nachzuholen. Dabei wird auch die Erklärung des Klägers vom 24. Januar 1979 zu würdigen sein.
Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, daß ein Ausnahmefall vorliegt, kann sich die Beklagte nicht - wie im Revisionsverfahren vorgetragen - darauf berufen, sie sei zur Aufhebung verpflichtet, weil insoweit §§ 60, 61 BVG der Regelung des § 48 SGB 10 vorgingen. Hierzu hat bereits der 9a Senat in dem erwähnten Urteil vom 23. Oktober 1985 (S. 13) darauf hingewiesen, die §§ 60, 61 BVG regelten lediglich den Beginn einer Leistung und der Voraussetzung, daß darüber erstmalig oder unter Beseitigung einer Bindungswirkung entschieden werden dürfe oder müsse; ob diese Feststellung zulässig und geboten sei, habe sich früher nach § 62 BVG gerichtet und bestimme sich jetzt nach dem SGB.
Die Kostenentscheidung bleibt der endgültigen Entscheidung des Rechtsstreits vorbehalten.
Fundstellen