Beteiligte
Klägerin und Revisionsklägerin |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Beigeladenen zu 3) und 4), Beschäftigte der zu 1) beigeladenen W…W… -, GmbH (W.), Mitglieder der klagenden Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) oder - wie bisher - der beklagten Innungskrankenkasse (IKK) sind, zu deren Trägerinnungen die beigeladene Bäckerinnung des Stadt- und Landkreises D… gehört. Die W. ist seit 1977 als alleiniger Betriebsinhaber mit dem Bäckermeister L- H. als Betriebsleiter in die Handwerksrolle eingetragen.
Die Feststellungsklage vom 10. September 1975, daß die versicherungspflichtig Beschäftigten der W. bei der AOK krankenversicherungspflichtig seien, hat das Sozialgericht (SG) Darmstadt durch Urteil vom 16. Juni 1977 abgewiesen. Es hat darauf abgestellt, daß die W. in die Handwerksrolle eingetragen und Mitglied der beigeladenen Trägerinnung der Beklagten ist und daß Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit dieser Eintragung fehlen. Mit der Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, aus der Größe des Einsatzes von Kapital und Maschinen, aus der Höhe des Umsatzes, dem Umfang der kaufmännischen Verwaltung, der Fließbandproduktion und der Entlohnung der Beschäftigten in Anlehnung an einen Industrietarifvertrag folge, daß die Eintragung in die Handwerksrolle offensichtlich zu Unrecht weiterbestehe. Dies werde auch eine Betriebsbesichtigung der W. ergeben. Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin durch Urteil vom 8. Oktober 1980 zurückgewiesen. Es hat ebenfalls auf die nicht als nichtig erkennbare Eintragung in die Handwerksrolle abgestellt und deshalb eine Betriebsbesichtigung nicht für erforderlich erachtet.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der Aufklärungspflicht des LSG (§ 103 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), des § 250 Abs. 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und der allgemeinen Grundsätze über die Nichtigkeit von Verwaltungsakten. Sie meint, neben den zur Berufungsbegründung vorgebrachten Tatsachen spreche auch die Rechtsform der W., ihre Marktführerschaft in der Produktion von Frischbackwaren und Spezialbrötchen und ihre internationale Kapitalverflechtung für einen Industriebetrieb. Wenn auch die W. ursprünglich zu Recht in die Handwerksrolle eingetragen worden sei, so sei dies doch inzwischen unter keinen Umständen mehr gerechtfertigt; sie sei in die Nichtigkeit der Eintragung in die Handwerksrolle "hineingewachsen". Aus diesem Grunde habe das LSG auch die beantragte Betriebsbesichtigung durchführen müssen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Oktober 1980 und das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 16. Juni 1977 aufzuheben und festzustellen, daß die versicherungspflichtig beschäftigten Beigeladenen zu 3) und 4) der Beigeladenen zu 1) Pflichtmitglieder der Klägerin sind.
Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1) und 2) beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Die übrigen Beteiligten haben keine Anträge gestellte.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist nicht begründet. Sie ist zurückzuweisen.
Soweit als Verfahrensmangel geltend gemacht wird, das LSG habe die ihm obliegende Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) dadurch verletzt, daß es dem Antrag der Klägerin auf Besichtigung des Betriebes der W. nicht entsprochen habe, kann die Revision keinen Erfolg haben, weil es vom sachlich-rechtlichen Standpunkt des LSG aus auf die personelle und maschinelle Ausstattung der W. nicht ankam. Nach der sachlich-rechtlichen Auffassung des LSG, die nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei der Beurteilung gerügter Verfahrensmängel maßgebend ist (vgl. BSG in SozR Nrn. 7 und 40 zu § 103 SGG), haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht zu prüfen, ob die Eintragung in die Handwerksrolle zu Recht besteht. Grundsätzlich haben sie vielmehr die Entscheidung der Handwerkskammer ohne weitere Prüfung hinzunehmen und ihrer Entscheidung zugrunde zu legen, sofern die Eintragung nicht nichtig ist. Da das LSG die Nichtigkeit der Eintragung verneint hat, km es von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht mehr darauf an, durch Betriebsbesichtigung Einblick in die Arbeitsweise und Personalausstattung der W. zu gewinnen. Die Entscheidung fiel bereits aufgrund der Eintragung der W. in die Handwerksrolle. Das LSG hat somit § 103 SGG nicht verletzt, wenn es von der beantragten Betriebsbesichtigung absah.
Die nach § 55 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGG zulässige Klage, festzustellen, daß die AOK und nicht die IKK der zuständige Versicherungsträger für die Beigeladenen zu 3) und 4) ist (vgl. BSG 18, 190 = SozR Nr. 1 zu § 245 RVO; SozR 1500 § 55 Nr. 4), setzt voraus, daß die Beigeladenen zu 3) und 4) nicht gemäß § 250 Abs. 2 RVO als Mitglieder der Beklagten angehören, sondern mangels dieser Mitgliedschaft gem. § 234 Abs. 1 RVO Mitglieder der Klägerin sind. An diesen Voraussetzungen fehlt es jedoch.
Wie das LSG festgestellt und die Revision auch nicht in Zweifel gezogen hat, ist die Beigeladene zu 2) Trägerinnung der Beklagten. Mitglied der Trägerinnung ist die W. Festgestellt hat das LSG endlich auch, daß die W. in die Handwerksrolle eingetragen ist. Unter diesen Voraussetzungen gehören die Beigeladenen zu 3) und 4) als im Betrieb der W. beschäftigte Versicherungspflichtige gem. § 250 Abs. 2 RVO der Beklagten an, so daß hier die Auffangzuständigkeit der klagenden AOK aus § 234 Abs. 1 RVO entfällt.
Es mag sein, daß die personelle und maschinelle Ausstattung der W. den überkommenen Vorstellungen von einem Handwerksbetrieb nicht mehr entspricht. Darauf kommt es jedoch für die hier zu beurteilende Kassenzuständigkeit nicht an. Der Gesetzgeber hat nämlich nicht darauf oder auf bestimmte personelle, maschinelle oder finanzielle Größenordnungen abgestellt, sondern aus Gründen dir Praktikabilität das formale Merkmal der Eintragung in die Handwerksrolle als maßgeblich für den Vorrang der auf handwerksbetrieblicher Initiative beruhenden Zuständigkeit der IKK vor der Auffangzuständigkeit der AOK erklärt.
Der Auffassung der Revision, die ursprünglich rechtmäßige Eintragung der W. in die Handwerksrolle sei durch ihre betriebliche Entwicklung schließlich nichtig geworden, die W. sei also in die Nichtigkeit der Eintragung in die Handwerksrolle hineingewachsen, vermag der Senat nicht zu folgen. Der Begriff der Nichtigkeit bedeutet rechtlich, daß die einem bestimmten Tatbestand zugedachte oder aus ihm hergeleitete Rechtsfolge mit dem Eintritt dieses Tatbestandes erkennbar nicht verbunden gewesen ist. Der nichtige Verwaltungsakt hat keinerlei Rechtswirkungen (vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Band 1, 10. Aufl. S. 227). Im Gegensatz zum fehlerhaften - aufhebbaren - Verwaltungsakt ist es gerade die Besonderheit des nichtigen Verwaltungsaktes, von Anfang an keinerlei Rechtswirkungen - nicht einmal einen Rechtsschein - zu erzeugen. Der selbst nach Auffassung der Klägerin ursprünglich rechtmäßige Verwaltungsakt der Eintragung der W. in die Handwerksrolle konnte deshalb durch die mit dem Zeitablauf eintretenden Änderungen in ihrer Größe und Arbeitsweise allenfalls fehlerhaft und damit aufhebbar werden, begrifflich aber nicht, wie die Revisionsklägerin meint, in die Nichtigkeit "hineinwachsen".
Nach der von den Vorinstanzen zutreffend beachteten ständigen Rechtsprechung des BSG ist die Eintragung in die Handwerksrolle jedenfalls dann für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bei der Beurteilung handwerksrechtlicher Fragen bindend, wenn sie sich nicht nach allgemeinen Gesichtspunkten als von Anfang an nichtig erweist. Solche Gesichtspunkte hat weder die Revision vorzutragen vermocht, noch sind sie unter Berücksichtigung des gem. Art. II § 37 Abs. 1 des 10. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 10) hier bereits zu beachtenden § 40 SGB 10 in dem vom LSG festgestellten Sachverhalt erkennbar. Die Vorderrichter haben sich deshalb zutreffend an die von der Revision angeführte ständige Rechtsprechung des BSG (BSGE 24, 13, 15; 28, 111, 113; 37, 135, 136) gehalten, wonach sie an die Eintragung in die Handwerksrolle gebunden sind. Solange die Eintragung der W. in die Handwerksrolle fortbesteht, muß die Klägerin dies ebenso gegen sich gelten lassen, wie die Mitgliedschaft der W. bei der beigeladenen Bäckerinnung und die Trägerschaft dieser Innung bei der Beklagten. Sie kann deshalb die im Betrieb der W. versicherungspflichtig Beschäftigten nicht als ihre Mitglieder beanspruchen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen