Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Juli 1996 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 30. November 1995 wird zurückgewiesen, soweit die Beklagte zur Zahlung einer Erwerbsunfähigkeitsrente unter Berücksichtigung der in Polen zurückgelegten ungekürzten Beitragszeiten verurteilt worden ist. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Revision wird im übrigen zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist der monatliche Wert des Rechts auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente für Bezugszeiten ab 17. Oktober 1990 und in diesem Zusammenhang, ob in Polen zurückgelegte Beitragszeiten der Klägerin ungekürzt der Rentenberechnung zugrunde zu legen sind.
Die 1939 geborene Klägerin übersiedelte 1978 von Polen in die Bundesrepublik Deutschland. Sie ist Inhaberin des Vertriebenenausweises A. Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens stellte die Beklagte nach den Vorschriften des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25. Februar 1960 (BGBl I S 93) mit bindend gewordenem Bescheid vom 1. Februar 1980 fest, gemäß § 15 Fremdrentengesetz (FRG) werde die Zeit vom 1. Februar 1955 bis 31. Januar 1958, vom 15. Juni 1958 bis 15. Dezember 1960 sowie vom 15. Februar 1961 bis 5. November 1961 als ungekürzte Beitragszeit anerkannt. Am 5. Januar 1982 erging ergänzend – ebenfalls – auf der Grundlage des FANG vom 25. Februar 1960 bzgl anderer Beitragszeiten nach § 15 FRG ein weiterer bestandskräftig gewordener Bescheid.
Auf ihren Antrag vom 5. Februar 1990 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 30. Mai 1990 eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme, die vom 4. September 1990 bis 16. Oktober 1990 durchgeführt wurde. Für die Zeit vom 7. August bis zum 3. September 1990 sowie für die Dauer der Rehabilitationsmaßnahme erhielt die Klägerin Übergangsgeld ≪Übg≫ (Bescheide vom 13. Dezember 1991 und vom 10. Dezember 1992).
Mit Bescheiden vom 1. November 1991, 24. März 1992 und 6. April 1992 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit und berücksichtigte ua die im Zeitraum vom 1. Februar 1955 bis 5. November 1961 (mit Unterbrechungen) in Polen zurückgelegten Beitragszeiten zu 5/6; sie teilte insoweit mit: „Die früher ergangenen Bescheide über die Feststellung dieser Zeiten werden aufgehoben, soweit sie nicht dem ab 1. Juli 1990 geltenden Recht entsprechen”. Den insoweit eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 1992 zurück und führte ua aus: Nach Art 6 § 4 Abs 3 Buchst a FANG seien frühere Bescheide, die nach dem bis zum 30. Juni 1990 geltenden Recht erteilt worden seien, zu überprüfen, ob sie mit der ab 1. Januar 1996 geltenden Fassung des FRG übereinstimmten; beginne die Rente nach dem 30. Juni 1990, so sei neues Recht anzuwenden. Art 6 § 4 Abs 3 Buchst a FANG ermögliche ohne besondere Voraussetzungen eine Aufhebung der früheren Feststellungsbescheide mit Wirkung für die Vergangenheit, auch zu Ungunsten des Berechtigten.
Im Verlaufe des sich anschließenden sozialgerichtlichen Verfahrens hat die Beklagte der Klägerin eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Dauer rückwirkend ab 17. Oktober 1990 zuerkannt (Bescheide vom 2. Juli 1993, 2. September 1994 und vom 23. Dezember 1994); dabei ging sie davon aus, daß der Versicherungsfall am 5. Februar 1990 eingetreten war.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte mit Urteil vom 30. November 1995 unter Abänderung der og Rentenbescheide verurteilt, bei der Klägerin die in der Zeit vom 1. Februar 1955 bis 5. November 1961 in Polen zurückgelegten „Beschäftigungszeiten” ungekürzt anzurechnen und die sich daraus ergebenden Leistungen mit 4 % ab Fälligkeit zu verzinsen. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG mit Urteil vom 23. Juli 1996 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat im wesentlichen ausgeführt: Gemäß Art 6 § 4 Abs 2 Satz 1 FANG idF des Rentenreformgesetzes (RRG) 1992 sei die streitige polnische „Beschäftigungszeit” nach der ab 1. Juli 1990 geltenden Fassung des FRG nur im zeitlichen Umfang von 5/6 anzurechnen, da der Klägerin vor dem 1. Juli 1990 noch kein fälliger Anspruch auf die monatliche Rente zugestanden habe. Zwar sei der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit am 5. Februar 1990 eingetreten. Auch gelte bei einer erfolglosen Rehabilitationsmaßnahme der Antrag auf Rehabilitation als Rentenantrag. Die Klägerin habe jedoch im Hinblick auf den Anspruch auf Übg bzw auf vorgezogenes Übg für die Zeit vor dem 17. Oktober 1990 keinen Anspruch auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente gehabt.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des Art 6 § 4 Abs 2 Satz 1 FANG idF des RRG 1992 und trägt hierzu vor:
Die streitige „Beschäftigungszeit” sei in analoger Anwendung des Art 6 § 4 Abs 2 Satz 1 FANG idF des RRG 1992 nach § 19 Abs 2 Satz 1 FRG in der bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung ungekürzt anzurechnen. Sie habe bereits vor dem 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für eine Rentengewährung erfüllt. Ein Anspruch auf Rente habe nur deshalb nicht bestanden, weil zunächst eine Rehabilitationsmaßnahme (erfolglos) durchgeführt worden sei, bis zu deren Abschluß gemäß § 18d Abs 2 Satz 1 des Angestelltenversicherungsgesetzs (AVG) ein Anspruch auf Übg bestanden habe. Da der Versicherte durch eine erfolglos durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme keinen wirtschaftlichen Nachteil erleiden solle, sei die im Anschluß an die Maßnahme zu gewährende Rente nach dem Recht zu berechnen, das für den durch den Übg-Anspruch verdrängten Rentenanspruch maßgebend gewesen sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Juli 1996 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 30. November 1995 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils und trägt ergänzend vor:
Die Berücksichtigung der von der Klägerin in Polen zurückgelegten „Beschäftigungszeiten” in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung richte sich nach der jeweils geltenden Fassung des Deutsch-Polnischen Sozialversicherungsabkommens vom 9. Oktober 1975 (DPSVA 1975, BGBl 1976 II S 396) iVm dem Zustimmungsgesetz (GzSVA) vom 12. März 1976 (BGBl II S 393). Wenn eine Rente vor dem 1. Juli 1990 begonnen habe, so sei das DPSVA iVm dem GzSVA vom 12. März 1976 bei der Bestimmung des Wertes der Rente maßgeblich. Nach Art 2 Abs 1 GzSVA seien „Zeiten, die nach polnischem Recht der Rentenversicherung zu berücksichtigen sind, sind gemäß § 4 DPSVA in demselben zeitlichen Umfang in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung in entsprechender Anwendung des FANG zu berücksichtigen, solange der Berechtigte im Geltungsbereich dieses Gesetzes wohnt”. Habe hingegen die Rente nach dem 30. Juni 1990 begonnen, so sei das GzSVA durch Art 20 Nr 2 RRG 1992 modifiziert worden; Art 2 Abs 1 des GzSVA laute nunmehr: „Zeiten, die nach dem polnischen Recht der Rentenversicherung zu berücksichtigen sind, sind bei der Feststellung einer Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung in Anwendung des FRG und des FANG zu berücksichtigen, solange der Berechtigte im Geltungsbereich dieses Gesetzes wohnt”. Die Rente der Klägerin habe erst nach dem 30. Juni 1990 begonnen, so daß die glaubhaft gemachten „Beschäftigungszeiten” nach Art 2 Abs 1 GzSVA im zeitlichen Umfang von 5/6 anzurechnen seien. Art 20 Nr 3 RRG 1992 finde keine Anwendung, da die Klägerin vor dem 1. Juli 1990 lediglich einen Anspruch auf vorgezogenes Übg, nicht aber einen Anspruch auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente gehabt habe. Der verkürzten Anrechnung stehe der bestandskräftige Bescheid vom 1. Februar 1980 nicht entgegen, wie sich aus Art 38 Satz 3 des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I S 1606) ergebe. Im übrigen greife § 19 Abs 2 Satz 1 FRG (aF) bereits deshalb nicht ein, weil der streitbefangene Zeitraum weder zehn Jahre überschreite noch in dieser Zeit Beschäftigungszeiten bei demselben Arbeitgeber von der Klägerin zurückgelegt worden seien.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist überwiegend begründet. Das Urteil des LSG ist aufzuheben und die Berufung der Beklagten, mit Ausnahme des Ausspruchs über die Zinsen, zurückzuweisen; hinsichtlich der Zinsen ist die Berufung zurück- und die Klage abzuweisen.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist – im wesentlichen (siehe oben) – das vorinstanzliche Urteil, in dem auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die kombinierte Anfechtungs- (Verpflichtungs-) und Leistungsklage abgewiesen worden ist, mit der die Klägerin die ungekürzte Berücksichtigung ihrer in Polen in der Zeit vom 1. Februar 1955 bis 5. November 1961 (mit Unterbrechungen) zurückgelegten Beitragszeiten bei der Feststellung des monatlichen Wertes ihrer Erwerbsunfähigkeitsrente begehrt hatte. Insoweit hat die Revision Erfolg, als das Urteil des SG – im wesentlichen – „wiederherzustellen” ist.
Mit dem bindend gewordenen Bescheid vom 1. Februar 1980 hat die Beklagte gemäß Art 6 der Vereinbarung zur Durchführung des DPSVA iVm § 11 Abs 2 der Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO) vom 3. März 1960 (BGBl I S 137) außerhalb des Leistungsfeststellungsverfahrens Versicherungsunterlagen für Zeiten hergestellt, die nach dem FRG anrechenbar waren. Sie hat hierbei die von der Klägerin zurückgelegten, nach dem polnischen Recht versicherungspflichtigen Zeiten in dem streitigen Zeitraum als Beitragszeiten iS des § 15 FRG ohne Kürzung anerkannt. Hieran ist die Beklagte auch im Verfahren zur Feststellung der Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin gebunden.
Bei einem sog Herstellungsbescheid nach § 11 Abs 2 VuVO handelt es sich um einen feststellenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, mit dem der Rentenversicherungsträger gesetzliche Tatbestandsmerkmale einer künftigen Leistungsgewährung ausnahmsweise im voraus feststellen darf (vgl Urteil des Senats vom 29. April 1997 – 4 RA 25/96 – zur Veröffentlichung vorgesehen, mwN). Das durch den Herstellungsbescheid abgeschlossene Herstellungsverfahren dient der (Re-)Konstruktion des Versicherungsverlaufs. Es zielt – wie auch das Vormerkungsverfahren – auf „Beweissicherung” ab, dh auf die möglichst zeitnahe verbindliche Feststellung von Tatsachen, die (nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Feststellung) möglicherweise in einem künftigen Leistungsfall rentenversicherungsrechtlich bedeutsam werden können (vgl Urteil des Senats vom 29. April 1997, aaO, mwN). Anders als beim Rentenbescheid betrifft der bindungsfähige Verfügungssatz eines Herstellungsbescheides auch die in ihm aufgeführten Versicherungszeiten/rentenrechtlichen Zeiten. Die Bindung bezieht sich daher sowohl auf die anerkannten Versicherungszeiten als auch auf deren Wert und auf die dabei vorgenommene Einstufung in Leistungsgruppen (vgl Urteil des Senats vom 29. April 1997, aaO, mwN).
Wie jeder andere Verwaltungsakt bleibt auch ein Herstellungsbescheid wirksam und damit nach Eintritt der Unanfechtbarkeit iS des § 77 SGG zwischen den Beteiligten in der Sache bindend, „solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist” (vgl § 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB X≫). An einem die Wirksamkeit und die Bindungswirkung des Bescheides vom 1. Februar 1980 beseitigenden Tatbestand fehlt es hier. Weder wurde der Herstellungsbescheid nach § 48 SGB X, noch nach § 45 SGB X, noch nach Art 38 RÜG aufgehoben, noch hat sich dieser unmittelbar kraft Gesetzes, etwa durch die Änderung des § 19 FRG iVm Art 38 RÜG, „auf andere Weise” iS des § 39 Abs 2 SGB X erledigt.
Es kann hier dahinstehen, ob sich durch die Änderung des § 19 FRG (iVm Art 4 des DPSVA sowie des Art 2 des GzSVA) die Rechtslage zu Lasten der Klägerin in dem umstrittenen Zeitraum tatsächlich verschlechtert hat; offenbleiben kann auch, ob Art 38 Satz 3 RÜG allein im Falle einer Änderung der Rechtslage oder auch bei einem von Anfang an fehlerhaften Herstellungsbescheid Anwendung finden kann. Denn jedenfalls hat die Beklagte den Herstellungsbescheid weder nach § 48 SGB X noch nach § 45 SGB X aufgehoben und damit die Bindungswirkung des Verwaltungsaktes vom 1. Februar 1980 hinsichtlich des die ungekürzten Beitragszeiten betreffenden Verfügungssatzes beseitigt noch hat sie sich insoweit auf Art 38 RÜG als besondere Aufhebungsermächtigung gestützt. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen; auch insoweit hätte es der Aufhebung des Herstellungsbescheides durch Verwaltungsakt bedurft (vgl Urteil des Senats vom 29. April 1997, aaO).
Nach Art 38 RÜG sind Bescheide, die außerhalb der Rentenbewilligung aufgrund der VuVO oder des FRG Feststellungen getroffen haben, zu überprüfen, ob sie mit den zum Zeitpunkt des Rentenbeginns geltenden Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) oder des Fremdrentenrechts übereinstimmen (Satz 1). Beginnt die Rente nach dem 31. Juli 1991, ist die für diese Rente nach diesem Zeitpunkt maßgebende Fassung des SGB VI und des Fremdrentenrechts von ihrem Beginn an auch dann anzuwenden, wenn der Feststellungsbescheid nach Satz 1 noch nicht durch einen neuen Feststellungsbescheid ersetzt ist (Satz 2 Halbsatz 1); der Feststellungsbescheid ist im Rentenbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen der §§ 24 und 48 SGB X aufzuheben (Satz 2 Halbsatz 2). Nach Art 38 Satz 3 RÜG sind die Sätze 1 und 2 entsprechend auch auf Feststellungsbescheide anzuwenden, die aufgrund des GzSVA vom 12. März 1976 (zum DPSVA) ergangen sind.
Art 38 RÜG kann entgegen der Ansicht der Beklagten nicht dahingehend ausgelegt werden, daß Feststellungsbescheide, soweit sie mit dem FRG bzw SGB VI nicht mehr übereinstimmende Regelungen enthalten, vor Erteilung eines Rentenbescheides überhaupt nicht aufzuheben wären; vielmehr ermächtigt Satz 3 iVm Satz 2 der Vorschrift die Beklagte lediglich dazu, die Aufhebung früherer Feststellungsbescheide zunächst zurückzustellen und eine Aufhebung (erst) im Rentenbescheid vorzunehmen, wenn sich ihre Verwaltung mit den Vorgängen ohnehin zu beschäftigen hat. Feststellungsbescheide müssen bei Erteilung des Rentenbescheides noch nicht aufgehoben sein. Der Aufhebungsakt muß zeitlich nicht vorgelagert und bei Erteilung des Rentenbewilligungsbescheides nicht bereits abgeschlossen sein; er ist als solcher aber nicht entbehrlich.
Die Sätze 1 und 2 iVm Satz 3 des Art 38 RÜG traten am 1. Januar 1992 in Kraft (Art 42 Abs 1 RÜG). In der Begründung des Gesetzentwurfs wurde hierzu ausgeführt: Die Vorschrift entspreche § 11a VuVO und Art 6 § 4 Abs 3a FANG, die durch Art 3 und 4 des Rentenanpassungsgesetzes (RAG) 1990 eingeführt worden sind. Sie bestimme, daß die Ersetzung der ergangenen Feststellungsbescheide erst mit Wirkung zum Rentenbeginn an erfolgen müsse, damit nur das letztlich maßgebende Recht anzuwenden sei. Dadurch werde zugleich sichergestellt, daß die für die Umsetzung der Rentenreform 1992 und des RÜG erforderlichen Kapazitäten nicht vorher durch die Überprüfung früherer Feststellungsbescheide gebunden seien (vgl BT-Drucks 12/405 S 187 zu Art 36 des Entwurfs). Durch Art 14 des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes (Rü-ErgG) vom 24. Juni 1993 (BGBl I S 1038) wurde dem Satz 2 des Art 38 RÜG der jetzige Halbsatz 2 angefügt, wonach der Feststellungsbescheid (spätestens) im Rentenbescheid aufzuheben ist. Zur Begründung dieser Ergänzung wurde im Gesetzentwurf ausgeführt (vgl BT-Drucks 12/4810 S 39 zu Art 15 des Entwurfs), die Vorschrift diene der Klarstellung dahingehend, „daß die bisherigen Feststellungsbescheide aufgrund des nach dem 31. Juli 1991 geltenden neuen Rechts ab Beginn der Rente aufgehoben werden müssen”. Hieraus und aus den geschilderten Motiven zur ursprünglichen Fassung des Art 38 RÜG (vgl BT-Drucks 12/405 S 187 zu Art 36 des Entwurfs) kann mithin nicht der Schluß gezogen werden, durch Art 38 Satz 2 iVm Satz 3 RÜG werde die Bestandskraft von Bescheiden ohne weiteres „von Gesetzes wegen storniert” oder die „Bindungswirkung für Feststellungsbescheide nach dem FRG oder VuVO” beseitigt. Vielmehr werde das Erfordernis einer Aufhebung im Gesetzestext wiederholt und lediglich die Aufhebungsvoraussetzungen hinsichtlich § 24 SGB X und – soweit es überhaupt in Betracht kommt – bei einer Aufhebung für die Vergangenheit bzgl § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X modifiziert.
An einer Aufhebung des Herstellungsbescheides vom 1. Februar 1980 fehlt es. Zwar hat die Beklagte in ihrem (ersten) Rentenbescheid vom 1. November 1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheides verschiedene Regelungen getroffen, jedoch keine des Inhalts, daß der Herstellungsbescheid aufgehoben werde. Ein Verwaltungsakt dieses Inhalts müßte die tatbestandlichen Erfordernisse des § 31 SGB X erfüllen. Danach ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Als Maßnahme ist in Übereinstimmung mit § 33 Abs 2 SGB X auch jedes Verhalten zu verstehen, welches nicht durch Wort, sondern durch Zeichen oder andere Mittel, zB auch durch konkludentes Verhalten etwas zum Ausdruck bringen soll (vgl Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl, § 12 II 1 RdNr 7).
Eine Aufhebung des Herstellungsbescheides kommt im Rentenbewilligungsbescheid vom 1. November 1991 (und den nachfolgenden Rentenbescheiden) nicht hinreichend zum Ausdruck. Es ist objektiv (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫) nicht erkennbar, welchen Bescheid und in welchem Umfang ihn die Beklagte mit der formularmäßigen Floskel „die früher ergangenen Bescheide über die Feststellung dieser Zeiten werden aufgehoben, soweit sie nicht dem ab 1. Juli 1990 geltenden Recht entsprechen”, aufgehoben wissen wollte; dies gilt um so mehr als die Beklagte nunmehr vorträgt, die Voraussetzungen einer ungekürzten Beitragszeit nach § 19 Abs 2 FRG aF hätten im streitigen Zeitraum ohnehin nie vorgelegen. Eine Aufhebung des Bescheides vom 1. Februar 1980 durch konkludentes Verhalten im Widerspruchsbescheid ist ebenfalls nicht anzunehmen, unabhängig davon, daß eine Aufhebung des Herstellungsbescheides im Rahmen eines Widerspruchsbescheides zulässigerweise nicht erfolgen kann, weil insoweit die funktionell unzuständige (Widerspruchs-)Behörde entscheiden würde (vgl BSG SozR 3-1500 § 87 Nr 1). Denn diesem Widerspruchsbescheid kann allenfalls noch mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, daß die Beklagte im Widerspruchsverfahren davon ausging, bei der Feststellung der Rente sei sie nicht an den Herstellungsbescheid gebunden. Aus ihm geht nicht hervor, ob die Beklagte sich berechtigt glaubte, Art 38 Satz 3 iVm Satz 1 und 2 RÜG lasse eine Rentenfeststellung auch ohne vorherige Aufhebung entgegenstehender Herstellungsbescheide zu. Insoweit ist das Ergebnis der Überlegungen der Widerspruchsbehörde allenfalls noch hinreichend deutlich. Nicht jedoch ist zum Ausdruck gebracht worden, daß die Widerspruchsbehörde zu diesem Ergebnis (Wegfall der Bindungswirkung des Herstellungsbescheides) gerade auf dem Weg einer – nicht erfolgten und im übrigen möglicherweise wegen fehlender Ermächtigung zweifelhaften – Aufhebung des – eventuell von Anfang an fehlerhaften – Herstellungsbescheides gelangt ist.
Die Revision der Klägerin hat nach alledem insoweit Erfolg. Hinsichtlich des Zinsanspruchs ist die Revision jedoch zurückzuweisen, weil der Klägerin insoweit ein Anspruch auf Zinsen aus der höheren Rente nicht zusteht; die Klage war insoweit unzulässig, weil die Beklagte den Zinsanspruch nach § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) erst durch Bescheid festzustellen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen