Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellungsklage. Rechtsschutzbedürfnis. Möglichkeit der Verpflichtungsklage. berechtigtes Interesse an Feststellung. Wahl des Geschäftsführers. Beamter auf Lebenszeit. Zeitpunkt der Ernennung zum Direktor. Landesversicherungsanstalt. Wahlbeamte. Beamte auf Zeit. Sprungbeförderung. Bindung an Laufbahnvorschriften. irrevisibles Recht. Landesrecht. Grundsatz der Selbstverwaltung. Besoldung
Leitsatz (amtlich)
Ein Beamter, der in die Geschäftsführung einer Landesversicherungsanstalt gewählt worden ist, darf nach bayerischem Landesrecht nur unter Beachtung der beamtenrechtlichen Laufbahnvorschriften zum Direktor ernannt werden. Diese Regelung verstößt weder gegen das Selbstverwaltungsrecht der Sozialversicherungsträger noch gegen das Beamtenrechtsrahmengesetz.
Normenkette
SGG § 55 Abs. 1, § 162; SVwG § 15 Abs. 6-7; RVO § 1344 Abs. 2; BBesG § 19; SGB VI § 145 Abs. 2, § 143; BRRG § 4 Abs. 1 Nr. 3, § 16 Abs. 1, §§ 105, 95 Abs. 2 S. 2, § 121 Nr. 2; SGB IV §§ 36, 29 Abs. 1, §§ 31, 59, 90 Abs. 2; BG BY Art. 19 Abs. 1, Art. 21 Abs. 2 S. 1, Art. 31 Abs. 2; LbV BY §§ 1, 11; BBG § 21 S. 2, § 24 S. 3, § 98 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Mai 1994 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der beklagte Freistaat verpflichtet war, den von der Vertreterversammlung der Klägerin zum Mitglied der Geschäftsführung gewählten Regierungsdirektor Dr. P.… ohne Beachtung der bayerischen Laufbahnverordnung (LbV) unmittelbar zum Direktor bei der Klägerin (Besoldungsgruppe B 3) zu ernennen.
Die Vertreterversammlung der Klägerin wählte am 27. Juli 1991 den seit Jahren bei der Klägerin tätigen, mit Wirkung vom 1. Juni 1989 zum Regierungsdirektor ernannten Dr. P.… zum weiteren Mitglied der Geschäftsführung und bat den Beklagten, Dr. P.… zum frühestmöglichen Zeitpunkt zum Direktor zu ernennen und ihn in die Dienstbezüge der Besoldungsgruppe B 3 einzuweisen. Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit teilte daraufhin dem Landespersonalausschuß mit, daß beabsichtigt sei, Regierungsdirektor Dr. P.… zum nächstmöglichen Zeitpunkt zum Direktor bei der Klägerin zu ernennen. Mit Beschluß vom 23. Januar 1992 versagte der Landespersonalausschuß jedoch seine Zustimmung und ließ lediglich die Ernennung zum Leitenden Regierungsdirektor mit Wirkung vom 1. Februar 1992 und zum Direktor bei der Klägerin mit Wirkung vom 1. August 1992 zu. Diesen zeitlichen Vorgaben entsprechend ernannte der Beklagte Dr. P.… zum Leitenden Regierungsdirektor und zum Direktor bei der Klägerin.
Gegen die Ernennung zum Leitenden Regierungsdirektor erhob Dr. P.… Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht in München und beantragte die Feststellung, daß seine Ernennung insoweit rechtswidrig sei, als anstelle der Ernennung zum Direktor bei der Klägerin eine Ernennung zum Leitenden Regierungsdirektor erfolgt sei. Diese Klage hatte keinen Erfolg (Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. März 1993 – M 5 K 92.2796 – und Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. März 1994 – 3 B 93.1301 –).
Auch die von der Klägerin beim Sozialgericht (SG) erhobene Klage auf Feststellung, daß der Beklagte verpflichtet sei, einen von der Vertreterversammlung der Klägerin gewählten Geschäftsführer ohne Anwendung von § 11 der bayerischen LbV unmittelbar zum Direktor bei der Klägerin (Besoldungsgruppe B 3) zu ernennen, blieb erfolglos (Urteil des SG München vom 21. April 1993 und Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 19. Mai 1994). In den Entscheidungsgründen des LSG wird ua ausgeführt: Die zulässige Feststellungsklage sei unbegründet. Trotz des ihr zustehenden Rechts auf Selbstverwaltung könne die Klägerin nicht verlangen, daß von der Vertreterversammlung gewählte Beamte unter Außerachtlassung des allgemeinen Beamten- und Laufbahnrechts befördert würden. Die Beamten der Klägerin seien gemäß § 145 Abs 2 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) Beamte des Landes. Auf sie müßten deshalb die Vorschriften des bayerischen Beamten- und Besoldungsrechts angewendet werden. Dies gelte auch für die Ernennung bzw Beförderung der durch die Vertreterversammlung zu Geschäftsführern gewählten Beamten. Das Selbstverwaltungsrecht werde dadurch nicht berührt.
Mit der – vom Senat zugelassenen – Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 29 und 36 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) und des § 20 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) iVm mit der Bundesbesoldungsordnung (BBesO) und macht ua geltend:
Der Geschäftsführer sei Landesbeamter, müsse aber – wie sich aus § 20 BBesG iVm mit der BBesO ergebe – nach Besoldungsgruppe B 3 besoldet werden. Amtsentbindung und Amtsenthebung richteten sich nach dem Selbstverwaltungsrecht. Damit werde die Rechtsstellung von Geschäftsführern bei Landesversicherungsanstalten durch das Selbstverwaltungsrecht und durch das Beamtenrecht bestimmt. Zwingende Folge dieses “Nebeneinanders” von Beamtenrecht und Selbstverwaltungsrecht sei es, daß das Beamtenrecht nur in einer durch das Selbstverwaltungsrecht modifizierten Weise angewendet werden dürfe. So habe der Staat keinerlei sachliche Mitwirkungsbefugnis bei der Wahl des Geschäftsführers. Er könne insbesondere nicht geltend machen, daß ein anderer – dienstälterer oder höher besoldeter – Beamter zu wählen sei. Er könne auch nicht verlangen, daß nur ein Beamter gewählt werde. Der Vertreterversammlung stehe es frei, auf Vorschlag des Vorstandes auch einen bei der Landesversicherungsanstalt tätigen Angestellten oder einen externen, nicht im öffentlichen Dienst beschäftigten Bewerber zu wählen. Der Staat dürfe nur prüfen, ob zwingende Hindernisse einer Ernennung zum Beamten entgegenständen. Kein zwingendes Hindernis sei in diesem Sinne das Verbot der Sprungbeförderung in § 11 Abs 1 Satz 1 LbV. Diese Regelung sei schon deshalb nicht auf den zum Geschäftsführer Gewählten anwendbar, weil die Wahl eine vom Beamtenrecht unabhängige Rechtshandlung darstelle, die sich nach dem Selbstverwaltungsrecht, nicht aber nach dem Beamtenrecht richte.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Mai 1994 und des Sozialgerichts München vom 21. April 1993 aufzuheben und festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet war, den von der Vertreterversammlung der Landesversicherungsanstalt Oberbayern gewählten Dr. P.… ohne Anwendung des § 11 der bayerischen Laufbahnverordnung zum frühestmöglichen Zeitpunkt unmittelbar zum Direktor bei der Landesversicherungsanstalt (Besoldungsgruppe B 3) zu ernennen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und macht ergänzend geltend: Selbstverwaltung bedeute, daß die Landesversicherungsanstalten “im Rahmen des Gesetzes und des sonstigen für sie maßgebenden Rechts” ihre Aufgaben in eigener Verantwortung erfüllten. Aufgrund der Beschränkung des Selbstverwaltungsrechts durch das maßgebende Recht könne der Gesetzgeber jedoch bestimmte Bereiche aus dem Wirkungskreis der Sozialversicherungsträger ausgrenzen. Das sei der Fall, soweit das Gesetz die bei Landesversicherungsanstalten beschäftigten Beamten dem Beamtenrecht unterwerfe. Bezüglich ihres Personals ergebe sich das für die Klägerin maßgebende Recht aus § 145 Abs 2 SGB VI, der auf das Landesrecht verweise. Der Staat als Dienstherr aller Beamten – auch der Landesversicherungsanstalten – habe ein berechtigtes Interesse an einer einheitlichen Durchführung des Landesbeamtenrechts und an einer Gleichbehandlung aller Landesbeamten.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision hat keinen Erfolg.
Das Feststellungsbegehren ist zwar zulässig. Der Senat kann offenlassen, ob die Klägerin statt der Feststellungsklage zunächst eine Verpflichtungsklage hätte erheben und – nach Ernennung des in die Geschäftsführung Gewählten zum Direktor bei der Klägerin – zur Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs 1 Satz 3 SGG) übergehen müssen (vgl dazu BSGE 69, 274, 277 = SozR 3-4100 § 91 Nr 1 S 4). Jedenfalls bestehen gegen die Feststellungsklage idF des Revisionsantrages keine Bedenken. Selbst wenn die Feststellungsklage im Zeitpunkt ihrer Erhebung unzulässig gewesen sein sollte, weil eine Verpflichtungsklage den effektiveren Rechtsschutz geboten hätte und deshalb das Rechtsschutzinteresse zu verneinen gewesen wäre (vgl BSGE 43, 148, 150 f = SozR 2200 § 1385 Nr 3, S 4; BSGE 46, 81, 84 = SozR 5420 § 3 Nr 7, S 11; Funk, SGb 1976, 473, 476; Kummer in Sozialrechtshandbuch Bd 13 RdNr 48), ist die Feststellungsklage mit der Ernennung von Dr. P.… zum Direktor zulässig geworden. Denn dadurch ist die Möglichkeit einer Verpflichtungsklage entfallen, so daß jetzt nur die mit dem Revisionsantrag begehrte Feststellung verlangt werden kann.
Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung. Berechtigtes Interesse ist jedes nach der Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigte Interesse, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein kann (Meyer-Ladewig, SGG, Komm, 5. Aufl, § 55 RdNr 15 mwN). Ein rechtliches Interesse ist regelmäßig dann gegeben, wenn Unklarheit über den Inhalt eines Rechtsverhältnisses besteht (BSG, Urteil vom 17. Juli 1985 – 1 RS 6/83 – insoweit nicht abgedruckt in BSGE 58, 247 ff). Es zielt ab auf die Beseitigung einer unsicheren Rechtslage (vgl dazu BSG SozR 3-7815 Art 1 § 3 Nr 2; BSGE 74, 90, 92 = SozR 3-4210 § 9 Nr 1; Meyer-Ladewig, § 55 RdNr 15; Hommel in Peters/Sautter/Wolff, Komm zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl, § 55 Anm 7a). Die Beteiligten vertreten unterschiedliche Auffassungen dazu, ob die Klägerin einen Anspruch darauf hatte, daß der von ihr in die Geschäftsführung gewählte Dr. P.… ohne Rücksicht auf die bayerische LbV zum Direktor zu ernennen war. Die Klärung dieser Frage ist schon deshalb für die Klägerin von Interesse, weil der Beklagte auf seinem bisher eingenommenen Standpunkt beharrt und die Gefahr besteht, daß er es auch in Zukunft ablehnen wird, einen von der Vertreterversammlung in die Geschäftsführung gewählten Beamten ohne Beachtung der bayerischen LbV unmittelbar zum Direktor bei der Klägerin zu ernennen und in die Besoldungsgruppe B 3 einzuweisen (zum berechtigten Interesse wegen Wiederholungsgefahr siehe BSGE 69, 274, 277 = SozR 3-4100 § 91 Nr 1 S 4; BSGE 74, 257, 258 f = SozR 3-5540 § 5 Nr 1 S 2).
Die Vorinstanzen haben die Feststellungsklage jedoch zu Recht abgewiesen. Der Beklagte war nicht verpflichtet, Dr. P.… ohne Anwendung des § 11 der bayerischen LbV unmittelbar zum Direktor bei der Klägerin zu ernennen.
Für die Ernennung von Dr. P.… (hier in der Form der Verleihung eines anderen Amtes, vgl Art 7 Nr 4 des bayerischen Beamtengesetzes ≪BayBG≫) mußten die beamtenrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein. Die Mitglieder der Geschäftsführung einer LVA unterliegen dem Beamtenrecht, denn sie dürfen ihre Tätigkeit nur im Rahmen eines Beamtenverhältnisses ausüben. Nach dem zum Zeitpunkt der Wahl von Dr. P.… noch geltenden § 1344 Abs 1 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) wurden die Mitglieder der Geschäftsführung der landesunmittelbaren (vgl § 90 Abs 2 SGB IV) Träger der Rentenversicherung in das Beamtenverhältnis berufen; Dienstherr war das Land, soweit das Landesrecht nicht durch Gesetz, Rechtsverordnung, Satzung oder Herkommen die LVA zum Dienstherrn machte (vgl § 1344 Abs 2 RVO, § 121 Nr 2 BRRG). Daran hat sich durch das am 1. Januar 1992 in Kraft getretene Recht nichts geändert (vgl BT-Drucks 11/5530 S 48 zu § 146). Zwar fehlt die ausdrückliche Vorschrift, daß die Mitglieder der Geschäftsführung in das Beamtenverhältnis berufen werden. § 145 Abs 1 SGB VI schreibt lediglich vor, daß die landesunmittelbaren Träger der Rentenversicherung die Dienstherrneigenschaft besitzen, soweit sie nach Abs 2 landesgesetzlich zum Dienstherrn ihrer Beamten erklärt werden. Damit geht aber auch das neue Recht von der Beamteneigenschaft der Mitglieder der Geschäftsführung einer LVA aus (so auch Hinz, Geschäftsführer und Vorstände von Sozialversicherungsträgern, 1993, S 80).
Der beamtenrechtliche Status der Mitglieder der Geschäftsführung führt zur Anwendung des Beamtenrechts, was sich auch daraus ergibt, daß § 15 Abs 6 des Gesetzes über die Selbstverwaltung auf dem Gebiet der Sozialversicherung (Selbstverwaltungsgesetz ≪SVwG≫) in der bis zum 1. Januar 1992 geltenden Fassung (vgl Art 26 des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. Dezember 1989, BGBl I 2261) bzw § 36 Abs 5 SGB IV auf die einschlägigen dienstrechtlichen Vorschriften bzw – bei der Wahl – auf die dienstrechtlichen Voraussetzungen hinweisen. Die Verweisung auf das Beamtenrecht gilt unabhängig davon, ob das jeweilige Land von der Möglichkeit des § 145 Abs 2 SGB VI (früher § 1344 Abs 2 RVO) Gebrauch macht und die LVA zum Dienstherrn erklärt oder nicht. Schweigt das Landesrecht (wie in Bayern), sind die Mitglieder der Geschäftsführung unmittelbare Landesbeamte; ihr beamtenrechtliches Grundverhältnis besteht gegenüber dem Staat, der ihr Dienstherr ist, wenngleich sie als Amtswalter ausschließlich Aufgaben der Klägerin wahrnehmen und als solche in den aus der Staatsverwaltung ausgegrenzten Zuständigkeitsbereich der LVA eingegliedert sind (so schon BSGE 67, 160, 161 = SozR 3-2200 § 1344 Nr 1, S 3). Bei der Änderung des beamtenrechtlichen Status durch Beförderung oder Übertragung eines anderen Amtes schließt das die jeweiligen beamtenrechtlichen Laufbahnvorschriften mit ein.
Das Beamtenrecht gilt aber sogar dann, wenn die LVA aufgrund landesrechtlicher Bestimmung als Dienstherr fungiert, wie durch § 121 Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG) und sämtliche Landesbeamtengesetze (vgl Schütz, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Stand: September 1995, Teil C, § 1 RdNr 8 und 10) klargestellt ist. Denn dann handelt es sich um mittelbare Landesbeamte oder um – wie es in den einschlägigen Gesetzen heißt – Beamte einer der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaft. Auch die mittelbaren Bundesbeamten, beispielsweise der bundesunmittelbaren Rentenversicherungsträger (vgl § 143 SGB VI), sind nach § 2 Abs 2 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) in den Geltungsbereich des Beamtenrechts ausdrücklich miteinbezogen.
Das LSG hat aus der Regelung in Art 19 Abs 1 und Art 21 Abs 2 Satz 1 BayBG iVm den §§ 1 und 11 Satz 1 der bayerischen LbV hergeleitet, daß der Beklagte einen Regierungsdirektor nicht unmittelbar zum Direktor bei der Klägerin ernennen dürfe. Der Beamte müsse entsprechend der LbV die darin genannten Ämter durchlaufen und dürfe nicht einzelne Ämter überspringen. Von diesem Verbot enthalte § 1 Abs 2 bis 4 der bayerischen LbV zwar Ausnahmen. Die aufgrund einer Wahl der Vertreterversammlung zu Geschäftsführern von Versicherungsträgern bestellten Beamten gehörten jedoch nicht zu denjenigen, für die die LbV eine Ausnahme vorsehe. Angesichts der Bestellung auf Lebenszeit könne auch nicht von einer “verdeckten Regelungslücke” ausgegangen werden.
An diese Auslegung des bayerischen Beamtenrechts ist der Senat gebunden. Die Revision kann nämlich gemäß § 162 SGG nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt. Das ist bei dem hier anzuwendenden bayerischen Beamtenrecht nicht der Fall. Es handelt sich insoweit um irrevisibles Recht, dessen Auslegung das Revisionsgericht nur in ganz engen Grenzen prüfen darf. So ist es dem Senat verwehrt, der Frage nachzugehen, ob bei der Anwendung irrevisiblen Rechts allgemeine Auslegungsregeln verletzt worden sind. Er kann lediglich darüber befinden, ob das Berufungsgericht bei der Anwendung der irrevisiblen Normen höherrangiges Bundesrecht verletzt hat (BSGE 62, 131, 135 = SozR 4100 § 141b Nr 40, S 153; BVerwGE 51, 104,110).
Das bayerische Landesrecht in der Auslegung durch das LSG verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Daß ein Beamter, der in die Geschäftsführung einer bayerischen LVA gewählt wird, nur unter Beachtung der Laufbahnvorschriften zum Direktor ernannt werden kann, ist mit den Bestimmungen des BRRG vereinbar.
Dieses Gesetz enthält keine verbindliche Vorgabe für den Landesgesetzgeber, im Falle der Wahl eines Beamten in die Geschäftsführung einer LVA oder generell sog Sprungbeförderungen zuzulassen. Nach § 4 Abs 1 Nr 3 BRRG darf in das Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die für seine Laufbahn vorgeschriebene oder – mangels solcher Vorschriften – übliche Vorbildung besitzt (Laufbahnbewerber). Davon läßt das BRRG nur zwei Ausnahmen zu, nämlich für die Beamten auf Zeit (§ 95 Abs 2 Satz 2 BRRG) und für die Hochschulbeamten, insbesondere die beamteten Professoren (§ 105 BRRG). Beamte auf Lebenszeit, die in ein Amt gewählt werden und dort Lebenszeitbeamte bleiben, sind dagegen nicht von der Anwendung der Laufbahnvorschriften ausgenommen. Das spricht dagegen, daß es bundesrechtlich geboten sein könnte, Sprungbeförderungen bei Wahlbeamten auf Lebenszeit unbeschränkt zuzulassen.
Zwar wird die Auffassung vertreten, die in § 95 Abs 2 Satz 2 BRRG vorgesehene Ausnahme von den Laufbahnvorschriften für Beamte auf Zeit müsse auf Wahlbeamte, also auch auf Mitglieder der Geschäftsführung von Landesversicherungsanstalten, analog angewendet werden (Verbandskommentar, § 36 SGB IV RdNr 15 bbb). Unabhängig davon, ob daraus das Gebot abzuleiten wäre, für Wahlbeamte Sprungbeförderungen zuzulassen, sieht der Senat angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschriften des BRRG und des damit verfolgten Zwecks der Gleichbehandlung aller Lebenszeitbeamten keine ausreichende Grundlage für diese Analogie. Außerdem gibt es sachliche Gründe, die Ernennung von Beamten auf Zeit gegenüber derjenigen von Wahlbeamten auf Lebenszeit zu erleichtern. Diesen stehen die mit der Ernennung erworbenen Rechte auf Dauer zu, während jene die Rechtsstellung eines (aktiven) Beamten nur vorübergehend innehaben; daher muß für Zeitbeamte die Übernahme ihrer Aufgabe auch besoldungsrechtlich attraktiver sein, indem ihnen vom Zeitpunkt des Amtsantritts die für das Amt vorgesehene Besoldung gewährt wird. Dabei verkennt der Senat nicht, daß der Gesetzgeber auch Beamte, die auf Dauer in ein Amt gewählt werden, von den Laufbahnvorschriften ausnehmen könnte. Das ist jedoch eine politische Entscheidung. Rechtlich – insbesondere verfassungsrechtlich (vgl Art 3 Grundgesetz) – ist die Gleichstellung aller Wahlbeamten mit den Beamten auf Zeit nicht geboten.
Bei dieser Auslegung des BRRG werden Bewerber um das Amt eines Direktors bei einer LVA, die bereits Beamte sind, gegenüber anderen Bewerbern nicht wesentlich benachteiligt. Vom Verbot der Sprungbeförderung eines beamteten Bewerbers kann der Landespersonalausschuß nach den Feststellungen des LSG Ausnahmen zulassen. Dies ist im vorliegenden Falle auch geschehen. Dr. P.… wurde nach relativ kurzen “Wartezeiten” zum Leitenden Regierungsdirektor und sodann zum Direktor bei der Klägerin ernannt. Andere – nicht beamtete – Bewerber benötigen nach Art 9 Abs 3, Art 31 Abs 2 BayBG, zu denen sich das LSG nicht geäußert hat, nicht nur die Zustimmung, sondern außerdem die Feststellung des Landespersonalausschusses, daß sie für die in Aussicht genommene Laufbahn befähigt sind (so auch § 4 Abs 1 Nr 3, Abs 4, § 16 Abs 1, § 61 Abs 1 BRRG). Damit sind die Aussichten eines zum Mitglied der Geschäftsführung gewählten Beamten, die dienstrechtlichen Hürden einer Ernennung zu überwinden, nicht wesentlich schlechter als diejenigen eines anderen Bewerbers. Beamtete Bewerber genießen den zusätzlichen Vorteil, daß sie ihre bisher erworbene Beamtenrechte (zB die ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten) in das neue Amt mitnehmen.
Das bayerische Beamtenrecht in der Auslegung des LSG steht auch nicht im Widerspruch zu dem der Klägerin bundesrechtlich eingeräumten Recht auf Selbstverwaltung. Nach § 29 Abs 1 SGB IV sind die Träger der Sozialversicherung rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Ihr Selbst verwaltungsrecht ist weder verfassungsrechtlich begründet noch in seinem Bestand durch die Verfassung gewährleistet. Es ist lediglich durch einfaches Gesetz – § 29 Abs 1 SGB IV – eingeräumt worden und besteht nur im Rahmen des Gesetzes, so daß es auch durch Gesetz – dh bei landesunmittelbaren Trägern der Sozialversicherung sowohl durch für sie unmittelbar geltende Bundesgesetze (vgl BSGE 55, 268, 269 = SozR 2200 § 355 Nr 4 S 21) als auch durch Landesgesetze (vgl BSGE 55, 67, 74 = SozR 2200 § 355 Nr 3, S 14) – eingeschränkt werden kann (BVerfGE 36, 383, 393; 39, 302, 314 f; BSGE 52, 294, 298 = SozR 2100 § 89 Nr 2, S 5; BSGE 55, 67, 74 = SozR 2200 § 355 Nr 3, S 14; BSGE 61, 254, 261 = SozR 7223 Art 8 § 2 Nr 3, S 8 mwN). Den Versicherungsträgern steht zwar ein subjektives Recht gegenüber der Staatsverwaltung auf Wahrung ihrer gesetzlich eingeräumten Kompetenzen zu (BSGE 58, 247, 249 ff = SozR 1500 § 51 Nr 38, S 59 ff; BSGE 67, 78, 83 = SozR 3-2400 § 70 Nr 1, S 6). Aber auch insoweit wird der Umfang ihrer Befugnisse durch die Gesetze und das sonstige für sie maßgebende Recht bestimmt (§ 29 Abs 3 SGB IV). Damit können einzelne Bereiche durch normative Verordnung aus dem eigenen Wirkungsbereich der Sozialversicherungsträger ausgegrenzt und ihrer eigenverantwortlichen Selbstverwaltung entzogen werden. Das ist der Fall, soweit das Gesetz die bei der Klägerin beschäftigten Beamten dem Beamtenrecht unterwirft (vgl schon BSGE 58, 247, 250 = SozR 1500 § 51 Nr 38 S 60).
Entgegen der Auffassung der Klägerin gilt hier auch nicht deshalb etwas anderes, weil die Mitglieder der Geschäftsführung eines Versicherungsträgers eine besondere Stellung innehaben (vgl § 36 SGB IV), von der Vertreterversammlung gewählt werden (§ 36 Abs 2 Satz 1 SGB IV) und von ihrem Amt wieder entbunden werden können (§ 59 Abs 2, 3 und 5 SGB IV). Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, daß die Bestimmungen der bayerischen LbV im Einzelfalle beamtete Bewerber, die noch keine höhere Besoldungsgruppe erreicht haben, davon abhalten könnten, sich zum Mitglied der Geschäftsführung eines Versicherungsträgers wählen zu lassen, weil sie damit rechnen müssen, zunächst eine niedrigere Besoldung als die in der BBesO für dieses Amt vorgesehene zu erhalten. Diese – im Hinblick auf die mögliche und hier auch erfolgte Verkürzung der Wartezeit nach § 11 Abs 3 LbV allerdings nur geringfügige – Einschränkung der Wahlmöglichkeiten mag als Nachteil zu werten sein, den die Klägerin jedoch hinzunehmen hat; die Erledigung der von ihr wahrzunehmenden Aufgaben wird dadurch nicht beeinträchtigt, so daß der Grundsatz der Selbstverwaltung nicht verletzt wird.
Der Gesetzgeber hat auch anderweit zu erkennen gegeben, daß die auf dem Grundsatz der Selbstverwaltung beruhende Berechtigung zur Wahl der Geschäftsführung nicht unbeschränkt gelten soll. Im Bereich der Dienstordnungs-Angestellten muß der gewählte Geschäftsführer nach § 15 Abs 7 Satz 1 SVwG bzw § 36 Abs 6 Satz 1 SGB IV entweder die für eine dienstordnungsmäßige Anstellung geltenden Voraussetzungen erfüllen oder die erforderliche Befähigung durch Lebens- oder Berufserfahrung erworben haben. Die Prüfung und Feststellung der Befähigung obliegt nicht etwa dem Selbstverwaltungsorgan, das den Geschäftsführer wählt, sondern der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde. Diese für den Bereich der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung eigens geschaffene Regelung unterscheidet sich nicht wesentlich von den beamtenrechtlichen Beschränkungen bei der Ernennung eines gewählten Mitglieds der Geschäftsführung der Klägerin (Art 21 Abs 2, Art 31 Abs 2 BayBG, § 16 Abs 1 BRRG); für die Geschäftsführung der bundesunmittelbaren Rentenversicherungsträger gelten ganz ähnliche Grundsätze (vgl § 21 Satz 2, § 24 Satz 3, § 98 Abs 1 BBG). Überall ist die Ernennung der Geschäftsführer von (dienstordnungsmäßigen oder beamtenrechtlichen) Laufbahnvorschriften oder von einer besonderen Befähigung abhängig, die von einer Stelle außerhalb der Selbstverwaltung geprüft wird. Die für die Klägerin geltende bayerische Regelung kann daher nicht als Verstoß gegen das Selbstverwaltungsrecht angesehen werden.
Auch daraus, daß die landesunmittelbaren Träger der Rentenversicherung gemäß § 145 Abs 3 SGB VI die Bezüge ihrer Beamten tragen, die Klägerin also den von ihr in die Geschäftsführung Gewählten selbst zu besolden hat, läßt sich nicht herleiten, daß gegen den Beklagten ein Anspruch auf unmittelbare Ernennung eines Beamten zum Direktor und Einweisung in die Dienstbezüge der Besoldungsgruppe B 3 besteht. Die Vorschrift des § 145 Abs 3 SGB VI sagt lediglich, wer die Bezüge der Beamten zu tragen hat, hat im übrigen aber für die Besoldung und die Einstufung der Beamten der Klägerin keine Bedeutung.
Das vom LSG festgestellte bayerische Recht verstößt schließlich auch nicht gegen das BBesG. Dabei kann unterstellt werden, daß Dr. P.… seit seiner Wahl tatsächlich als Mitglied der Geschäftsführung tätig war. Die (einfachen) Mitglieder der Geschäftsführung einer LVA sind nach der Bundesbesoldungsordnung (BBesO = Anlage I zum BBesG) in die Besoldungsgruppe B 3 einzustufen, wenn der Vorsitzende der Geschäftsführung der Besoldungsgruppe B 4 zugeordnet ist. Da diese Besoldungsgruppe neben anderen Ämtern auch dasjenige des Vorsitzenden der Geschäftsführung der LVA Oberbayern erfaßt, trifft diese Voraussetzung zu. § 19 Abs 2 BBesG bestimmt aber, daß die Wahrnehmung der einem Amt im besoldungsrechtlichen Sinne zugeordneten Funktion keinen Anspruch auf die entsprechende Besoldung gibt. Deshalb kann die Klägerin aus der besoldungsrechtlichen Zuordnung der auf Dr. P.… übertragenen Aufgaben als Mitglied der Geschäftsführung keine Rechte herleiten.
Die Revision konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 956138 |
NVwZ-RR 1996, 518 |