Beteiligte
Bergbau-Berufsgenossenschaft |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juli 1997 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt sowohl ein höheres Verletztengeld (bei Wiedererkrankung) als auch die Weitergewährung dieser Leistung über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus.
Der im Juli 1923 geborene Kläger betrieb bis November 1984 ein Bauunternehmen. Er war vom 30. April 1984 bis zum 30. Juli 1988 fortlaufend arbeitsunfähig krank geschrieben. Die Arbeitsunfähigkeit war der Folgezustand eines von der Beklagten zu entschädigenden Arbeitsunfalls des Klägers im Jahre 1957 als Lehrhauer in einem Steinkohlenbergwerk (im wesentlichen ein in Fehlstellung verheilter Oberschenkelbruch rechts; ab 1980 bezog der Kläger eine Verletztenrente in Höhe von 50 % der Vollrente). Das Landessozialgericht (LSG) hat offengelassen, ob der Kläger vor Vollendung des 65. Lebensjahres erwerbsunfähig iS der gesetzlichen Rentenversicherung gewesen sei; eine entsprechende Rentenablehnung der Bundesknappschaft im Jahre 1984 hatte der Kläger zunächst angefochten, die Berufung gegen das klagabweisende sozialgerichtliche Urteil jedoch im Jahre 1990 zurückgenommen. In einem Gerichtsverfahren (S 11 BU 48/87, Sozialgericht ≪SG≫ Gelsenkirchen) über die Höhe des Verletztengeldes hatten die Beteiligten am 21. April 1988 einen Vergleich dahingehend geschlossen, daß sich die Beklagte verpflichtete, einen Jahresarbeitsverdienst (JAV) in Höhe der tatsächlich durch den Kläger im Jahr vor dem Wiedereintritt der Arbeitsunfähigkeit erzielten Einkünfte zugrunde zu legen; der Kläger verpflichtete sich demgegenüber ua, einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1983 vorzulegen. Die Beklagte gewährte mit dem angefochtenen Bescheid vom 20. Juli 1988 Verletztengeld vom 30. April 1984 bis zum 30. Juli 1988 auf der Grundlage eines JAV von DM 46.667,–. Sie lehnte jedoch die Gewährung dieser Leistung über den 30. Juli 1988 hinaus mit der Begründung ab, der Beschwerdeführer habe spätestens mit der Vollendung des 65. Lebensjahres und dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben keinen Anspruch auf Lohnersatz durch Zahlung von Verletztengeld mehr.
Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteil des SG Gelsenkirchen vom 22. Mai 1992, Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 10. Juli 1997). Das LSG hat ausgeführt, der Beschwerdeführer beziehe seit dem 1. August 1988 Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung und habe sich zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig von seiner früher ausgeübten Erwerbstätigkeit gelöst. Zwar handele es sich bei dem Altersruhegeld nicht um eine Leistung, die nach §560 Abs 1 Satz 2 oder 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) zum Ruhen des Verletztengeldes führe. Anders als nach der Rechtslage ab dem 1. Januar 1997 (vgl §48 iVm §46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 Sozialgesetzbuch – Siebtes Buch ≪SGB VII≫ iVm §50 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch ≪SGB V≫) habe die RVO auch keine ausdrückliche Regelung des Inhalts enthalten, daß der Anspruch auf Verletztengeld mit Zuerkennung des Altersruhegeldes ende. Jedenfalls auf die hier vorliegende besondere Fallkonstellation sei jedoch die für das Krankengeld in der gesetzlichen Krankenversicherung geltende Vorschrift des §183 Abs 3 Satz 1 RVO in der bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Fassung bzw des §50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V (in Kraft seit dem 1. Januar 1989) entsprechend anzuwenden. Im Gesetz fehle ein Beendigungstatbestand für das Verletztengeld bei Wiedererkrankung, wenn der noch nicht erwerbsunfähige Unfallverletzte endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sei und eine Rentenleistung der gesetzlichen Rentenversicherung mit voller Lohnersatzfunktion erhalte. Es sei kein sachlicher Grund ersichtlich, den Empfänger von Verletztengeld bei Zuerkennung des Altersruhegeldes besserzustellen als einen Bezieher von Krankengeld, zumal zusätzlich zum Verletztengeld bei Wiedererkrankung noch die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt werde. Würde jene Regelungslücke nicht entsprechend geschlossen, so käme es zu einer nicht zu rechtfertigenden Überversorgung des betroffenen Personenkreises, die der Gesetzgeber sehenden Auges so nicht geregelt hätte. Diese Auffassung stehe zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), insbesondere zu den Urteilen vom 30. März 1988 - 2 RU 52/87 - und vom 14. Februar 1973 - 8/2 RU 138/69 -, nicht in Widerspruch. Auch die zuerkannte Höhe des Verletztengeldes sei nicht zu beanstanden. Bei der Berechnung des JAV habe die Beklagte den Kläger wesentlich günstiger gestellt als nach der gesetzlichen Regelung; sie habe neben der anteiligen Berücksichtigung des Gewinns für 1983 (DM 11.200,–) den im Steuerbescheid für 1984 ausgewiesenen Gewinn (DM 39.200,–, geschätzt) voll (und nicht nur anteilig) berücksichtigt. Daß der Kläger einen höheren Gewinn erreicht habe als von ihm versteuert, lasse sich nicht feststellen.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des §560 Abs 1 Satz 1 bis 3 RVO sowie des §15 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) iVm §4 Abs 3 Satz 1 und 2 Einkommensteuergesetz (EStG). Der Bezug von Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung habe seinen Anspruch auf Verletztengeld nicht ausgeschlossen. Dies ergebe sich bereits aus der inzwischen erfolgten Neuregelung in §46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VII. Sein Verletztengeld sei insoweit zu niedrig bemessen, als die an ihn im Bemessungszeitraum erfolgten Zahlungen der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse sowie die Zuschüsse des Arbeitsamtes zum Schlechtwettergeld und zur Rentenversicherung (insgesamt ca DM 15.000,–) nicht berücksichtigt worden seien.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen und des Bescheides vom 20. Juli 1988 die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztengeld nach einem Jahresarbeitsverdienst von DM 218.593,– für den Zeitraum vom 30. April 1984 bis zum 28. Februar 1993 zu gewähren und die Nachzahlung mit 9 vH zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Zu Recht habe das LSG entschieden, daß der Bezug von Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung seit dem 1. August 1988 die Weitergewährung des Verletztengeldes an den Kläger ausgeschlossen habe. Die Ausschlußvorschriften für das Zusammentreffen von Verletztengeld und Krankengeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung seien auf diese Fallgestaltung analog anzuwenden. Bei der Neuregelung in §46 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VII dürfte es sich eher um die Klarstellung der bestehenden Rechtslage durch Füllung der auch vom Berufungsgericht erkannten Lücke handeln. Zu Recht habe auch das LSG die Berechnung des JAV nicht beanstandet. In den Steuerbescheiden für 1983 und 1984 seien die vom Kläger geltend gemachten Zahlungen der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse des Baugewerbes und Zuschüsse des Arbeitsamtes Bochum zum Schlechtwettergeld, Wintergeld und zur Rentenversicherung nicht als Gewinn verzeichnet. Für den Fall, daß die Steuerbescheide entsprechend geändert würden, habe sie mit dem unter Vorbehalt erteilten Bescheid vom 20. Juli 1988 eine Neuberechnung des Verletztengeldes zugesagt.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
II
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Er hat weder Anspruch auf Verletztengeld für den Zeitraum ab 1. August 1988 (1) noch steht ihm für die Zeit vom 30. April 1984 bis zum 30. Juli 1988 ein Verletztengeld nach einem höheren JAV zu (2).
Zu (1)
Für den Zeitraum ab 1. August 1988 stand dem Kläger neben dem damals bezogenen Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung kein Verletztengeld nach Wiedererkrankung zu.
Die Ansprüche des Klägers richten sich noch nach den bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der RVO, da sie sich auf Zeiträume vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 beziehen (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, §214 SGB VII; vgl Kater/Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII, 1997, §214 RdNrn 2, 9; Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, SGB VII, §214 RdNr 7).
Nach §560 Abs 1 Satz 1 RVO erhält der Verletzte, solange er infolge des Arbeitsunfalls arbeitsunfähig iS der Krankenversicherung ist und keinen Anspruch auf Übergangsgeld hat, Verletztengeld. Diese Vorschrift gilt entsprechend im Falle der Wiedererkrankung an Unfallfolgen, es sei denn, daß der Verletzte erwerbsunfähig iS des §1247 Abs 2 RVO ist (§562 Abs 2 Satz 1 RVO).
Ob beim Kläger Erwerbsunfähigkeit iS der gesetzlichen Rentenversicherung bestand, konnte das LSG offenlassen. Denn bereits der Umstand, daß der Kläger seit dem 1. August 1988 Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezog und er sich zu diesem Zeitpunkt vollständig von seiner früher ausgeübten Erwerbstätigkeit gelöst hatte, schloß – wie das LSG zutreffend erkannt hat – seinen Anspruch auf Verletztengeld bei Wiedererkrankung aus.
Dieser Ausschlußtatbestand ergab sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Hiernach schloß lediglich ein Anspruch auf Übergangsgeld nach den §§568, 568a Abs 2 oder 3 RVO den Anspruch auf Verletztengeld aus (§560 Abs 1 Satz 1 RVO); der Anspruch auf Verletztengeld ruhte, soweit der Verletzte laufendes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erhielt (§560 Abs 1 Satz 2 RVO), und ferner, solange er Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Unterhaltsgeld, Mutterschaftsgeld, Kurzarbeitergeld oder Winterausfallgeld bezog (§560 Abs 1 Satz 4 RVO). Ein besonderer Ausschlußgrund für das Verletztengeld bei Wiedererkrankung galt für den Fall der Erwerbsunfähigkeit iS des §1247 Abs 2 RVO (§562 Abs 2 Satz 1 RVO idF bis zum 31. Dezember 1991, vor redaktioneller Anpassung an das Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch durch das Rentenreformgesetz 1992).
Für den Fall des Bezugs eines Altersruhegeldes war dagegen ein Ausschluß oder Ruhen des Anspruchs auf Verletztengeld oder Verletztengeld bei Wiedererkrankung nicht gesetzlich geregelt. Dies steht jedoch der vom LSG gefundenen Analogie nicht entgegen.
Zuzugeben ist, daß Literatur und Verwaltungspraxis praktisch einhellig davon ausgingen, daß nach dem Recht der RVO idF des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) vom 30. April 1963 (BGBl I 241) mit der Gewährung von Altersruhegeld der Anspruch auf Verletztengeld nicht wegfalle, sondern im Gegenteil – wenn zuvor Krankengeld gewährt worden war – mit der Gewährung von Altersruhegeld gerade erst einzusetzen habe: Eine Parallelbestimmung zu §183 Abs 3 RVO (Ende des Anspruchs auf Krankengeld ab dem Tage, von dem ab Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Altersruhegeld von einem Träger der Rentenversicherung zugebilligt wird) enthalte das Dritte Buch der RVO gerade nicht (s zB Braun, ZfS 1964, 1, 2; Podzun, ZfS 1964, 45, 46; Laschka, Mitt LVA Oberfr 1987, 257, 264; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band III S 564 u, v – Stand: 1986; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand: 31. Januar 1988, §183 RVO Anm 11a mwN; Peter Schmidt, Konkurrenz von Renten-, Pensions- und anderen Versorgungsansprüchen im Arbeits- und Sozialrecht, Diss Würzburg 1972, S 76 f mwN). Diese Ansicht wird auch im Referat von Töns auf dem Deutschen Krankenkassentag 1964 („Integrierung sozialer Leistungen”, abgedruckt in DOK 1965, 265, 296) deutlich: Töns knüpfte an die Feststellung (aaO 301), daß – neben weiteren Ungereimtheiten des Leistungsrechts – die Gewährung von Altersruhegeld keinen Einfluß auf das Verletztengeld habe, die (rechtspolitische) „Forderung, das Verhältnis von Dauerleistungen zu vorübergehenden Geldleistungen in allen Bereichen (des Sozialleistungsrechts) gleich zu bestimmen”.
Die – soweit ersichtlich – einzige Gegenstimme (Schmatz/Pöhler, Die Rentnerkrankenversicherung, 2. Aufl 1968, §183 RVO, Anm 2b) wollte auch auf das Verletztengeld die für das – funktionsidentische – Krankengeld geltende Regelung des §183 RVO anwenden. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß damit durch Auslegung ein Ergebnis erzielt würde, das der Gesetzgeber verworfen hatte. Denn im Gesetzgebungsverfahren hatte der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften vorgeschlagen, in §562 RVO (vor Abs 2 des Entwurfs = Abs 2 der Gesetzesfassung) einen weiteren Absatz aufzunehmen:
„Für das Verletztengeld gilt §183 Abs 3 und 5 entsprechend”
und dies wie folgt begründet:
„§183 Abs 3 und 5 regeln das Zusammentreffen von Krankengeld aus der Krankenversicherung und von Rente aus der Rentenversicherung mit dem Ziel, Doppelleistungen zu verhindern. Zu einem gleichen Zusammentreffen von Leistungen kommt es, wenn die Krankheit auf einem Arbeitsunfall beruht und Verletztengeld zu zahlen ist. Nach dem Grundsatz, für gleiche Tatbestände auch eine gleiche Lösung vorzusehen, erscheint eine Verweisung auf §183 Abs 3 und 5 angebracht” (Arbeitsgrundlage zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung, S 61).
Der Gesetzgeber ist dem jedoch nicht gefolgt. Die Ausschußprotokolle (Deutscher Bundestag, 4. Wahlperiode 1962 – 20. Ausschuß -, Protokoll, 18. Sitzung des Ausschusses für Sozialpolitik, 10. Mai 1962, S 18/14 ff) weisen hierzu aus, daß der Vertreter des Bundesarbeitsministeriums vorgeschlagen hatte, den auch vom Handwerk und von den Arbeitgebern unterstützten Vorschlag der gewerblichen Unfallversicherung nicht umzusetzen:
„Soweit es sich ... um Bezieher des Altersruhegeldes aus der Unfallversicherung (gemeint: Rentenversicherung) handle, halte das Arbeitsministerium eine Übernahme der entsprechenden Bestimmung aus der Krankenversicherung (§183), also einen Wegfall des Verletztengeldes, für ungerecht und mit den Grundsätzen der Unfallversicherung nicht vereinbar. Wenn jemand, der – wie dies bei der Vollbeschäftigung oft der Fall sei – über das 65. Lebensjahr hinaus noch im Erwerbsleben stehe, seinen Arbeitsplatz ausfülle und sein volles Arbeitsentgelt bekomme, einen Arbeitsunfall erleide, bestehe kein innerer Grund, das Verletztengeld der Unfallversicherung entfallen zu lassen.”
Die endgültige Fassung des §562 RVO wurde vom Ausschuß in seiner 28. Sitzung am 15. November 1962 (aaO S 28/14 f) ohne weitere Diskussion zur Konkurrenz zwischen Verletztengeld und Altersruhegeld angenommen.
Die Vorgänge im Gesetzgebungsverfahren des UVNG schließen damit zwar die generelle entsprechende Anwendung des Ausschlußtatbestandes der Zubilligung von Altersruhegeld für das Krankengeld (§183 Abs 3 RVO) auf das Verletztengeld aus. Sie stehen jedoch einer Analogie nicht entgegen, die sich zum einen auf das Verletztengeld bei Wiedererkrankung nach §562 Abs 2 RVO beschränkt und zum anderen auf den Fall, daß der noch nicht erwerbsunfähige Unfallverletzte endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist. Letzteres wiederum hat das LSG im Fall des Klägers daraus entnommen, daß der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen das von ihm betriebene selbständige Baugewerbe zum 1. Dezember 1984 abgemeldet hatte, daß er objektiv zumindest die zuletzt ausgeübte Tätigkeit, aber auch andere körperlich belastende Tätigkeiten im Baugewerbe nicht mehr verrichten konnte und letztlich über zwei Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit begehrt hatte. Diese Feststellungen hat die Revision nicht angegriffen.
Zwar reicht als Rechtfertigung für eine Analogie nicht aus, daß eine Gesetzeslücke besteht (wie vom Berufungsurteil, S 14 unter Berufung auf Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl 1991, S 375, ausgeführt); es muß außerdem die Übertragung der für einen Tatbestand (A) gegebenen Regel auf den vom Gesetz nicht geregelten, ihm „ähnlichen” Tatbestand (B) möglich sein (Larenz aaO 381). Diese ist im vorliegenden Fall als Analogie zu §183 Abs 3 RVO, verbunden mit einer teleologischen Reduktion (Larenz aaO S 391 ff) zu begreifen: Die zu weit gehende Analogie wird zum einen durch die Beschränkung auf Sachverhalte nach endgültiger Aufgabe der Berufstätigkeit reduziert; sie erfaßt damit jene Fälle der Rentnerbeschäftigung nicht, die der Gesetzgeber im Auge gehabt hat, als er den Leistungsausschluß für das Krankengeld bei Zubilligung des Altersruhegeldes gerade nicht auf das Verletztengeld übertragen wollte. Zum anderen bewirkt die Beschränkung auf das Verletztengeld bei Wiedererkrankung, daß die Möglichkeit erhalten bleibt, Verletztengeld so lange neben dem Altersruhegeld zu beziehen, wie noch keine Verletztenrente gewährt wird (s §580 Abs 2 und 3 RVO).
Die Auffassung des Senats steht nicht im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des BSG. Diese ging davon aus, es gebe ohne besondere gesetzliche Regelung keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, daß beim Zusammentreffen von Sozialleistungen, denen mehr oder weniger Lohnersatzfunktion zukomme, stets nur ein Anspruch auf eine dieser Leistung bestehen könne.
In Anwendung dieser Erkenntnis hat der Senat im Urteil vom 14. Februar 1973 (8/2 RU 138/69 = USK 7306; ebenso im Urteil vom 21. März 1974, BSGE 37, 189) einen Anspruch auf Verletztengeld neben dem auf Altersruhegeld angenommen. Er hatte damals über einen Fall zu entscheiden, in dem der Arbeitsunfall sich erst nach Beginn des Altersruhegeldes ereignet hatte und es sich um Verletztengeld nach §560 RVO handelte; damit aber war jene Fallkonstellation angesprochen, die im Gesetzgebungsverfahren als Begründung dafür angeführt worden war, daß grundsätzlich das Verletztengeld bei Bezug eines Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht wegfalle. Daß dies jedoch eine Analogie nicht ausschließt, die sich zum einen auf das Verletztengeld bei Wiedererkrankung nach §562 Abs 2 RVO beschränkt und zum anderen auf den Fall, daß der noch nicht erwerbsunfähige Unfallverletzte endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist, ist oben bereits näher ausgeführt worden.
Ebensowenig sieht sich der Senat im Widerspruch zum Urteil des BSG vom 30. März 1988 – 2 RU 52/87 = USK 8832. Diese Entscheidung verneint eine planwidrige Gesetzeslücke für den Fall des Zusammentreffens von Verletztengeld bei Wiedererkrankung mit Rente wegen Berufsunfähigkeit dann, wenn der Verletzte noch nicht endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist und nur die Arbeitsunfähigkeit infolge des Arbeitsunfalls ihn daran hindert, seine Erwerbstätigkeit fortzusetzen. Sie hat damit über eine andere Sachlage entschieden als der Senat im vorliegenden Fall. Bei einer Berufsunfähigkeitsrente handelt es sich nicht um die höchststufige Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung; vielmehr geht sie gerade davon aus, daß der Rentner während des Rentenbezugs weiterhin (wenn auch unterwertig) beschäftigt ist. Zum anderen wird auch beim Krankengeld zwischen dem Bezug der Rente wegen Berufsunfähigkeit und dem Altersruhegeld unterschieden: Im ersteren Fall wird das Krankengeld gekürzt (§183 Abs 5 Satz 1 RVO; §50 Abs 2 Nr 2 SGB V); im letzteren Falle endet der Anspruch.
Zu (2)
Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des LSG zur Berechnung des JAV.
Nach §561 Abs 3 RVO erhalten Unfallverletzte, die wie der Kläger als selbständiger Bauunternehmer keine Arbeitnehmer iS des Abs 1 dieser Vorschrift sind, Verletztengeld je Kalendertag in Höhe des 450. Teils des JAV. Als JAV gilt der Gesamtbetrag aller Arbeitsentgelte und -einkommen des Verletzten im Jahre vor dem Arbeitsunfall (§571 Abs 1 Satz 1 RVO, Fassung bis 31. Dezember 1992). Im Falle der Wiedererkrankung an Unfallfolgen tritt anstelle des Zeitpunkts des Arbeitsunfalls der Zeitpunkt des Beginns der erneuten Arbeitsunfähigkeit (§574 RVO, Fassung bis zum 31. Dezember 1992). Zu Recht sind die Beteiligten in ihrem am 21. April 1988 vor dem SG Gelsenkirchen geschlossenen Vergleich davon ausgegangen, daß es insoweit nicht auf den im Rahmen der Unternehmerversicherung für die Tätigkeit als Bauunternehmer versicherten JAV ankommt (dem in Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand: 1. Januar 1996, §574 RVO RdNr 4 zitierten Urteil des BSG vom 8. September 1977, SozR 2200 §574 Nr 2 lag ein Verletztengeld bei Wiedererkrankung aufgrund eines bereits im Rahmen der Unternehmerversicherung erlittenen Arbeitsunfalls zugrunde), weil der Arbeitsunfall als Versicherungsfall während der Beschäftigung des Klägers als Lehrhauer eingetreten ist. Wegen der Wiedererkrankung an den Folgen dieses Arbeitsunfalls ist also maßgebend der JAV des Zeitraums vom 30. April 1983 bis 29. April 1984. In diesem hat der Kläger zwar kein Arbeitsentgelt (§14 SGB IV) erzielt, wohl aber Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit. Zu Recht geht das LSG davon aus, daß ein höheres Arbeitseinkommen, als von der Beklagten zugrunde gelegt, nicht festgestellt werden kann.
Arbeitseinkommen ist nach §15 Satz 1 SGB IV (hier in der bis zum 31. Dezember 1994 geltenden Fassung) der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Zu diesem Gewinn im steuerlichen Sinn gehören, wie das LSG richtig ausgeführt hat, jedenfalls nicht die Zahlungen der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse für das Baugewerbe und auch nicht die Zuschüsse des Arbeitsamtes Bochum zum Schlechtwettergeld, Wintergeld und zur Rentenversicherung. Es handelt sich hierbei um durchlaufende Posten iS des §4 Abs 3 Satz 2 EStG (Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden). Diese können schon deshalb für die Berechnung des Gewinns nach §15 SGB IV – unabhängig von der Art der Gewinnermittlung (Bilanz: §4 Abs 1 und 2 EStG oder Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben: §4 Abs 3 EStG) – nicht zum Ansatz kommen, weil die oben genannten Beträge dem versicherten Selbständigen nicht in ähnlicher Weise zur Lebenshaltung zur Verfügung stehen wie das Arbeitsentgelt dem abhängig Beschäftigten. Zwar findet §4 Abs 3 Satz 2 EStG nur bei einer Gewinnermittlung durch Überschußrechnung gemäß §4 Abs 3 EStG Anwendung, nicht jedoch bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (Bilanz) nach §4 Abs 1 und §5 Abs 1 EStG. Auch dann jedoch sind derartige Zahlungen grundsätzlich gewinneutral; dies wird durch den Ansatz gleich hoher Wertzugänge und Wertabgänge sichergestellt (BFH vom 4. Dezember 1996, BFHE 182, 131; BFH vom 13. August 1997, BFHE 184, 311).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §193 SGG.
Fundstellen