Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenhilfe. Sperrzeit. Zumutbarkeit einer beruflichen Bildungsmaßnahme. Pendelzeit. variable Teilnahmezeiten. Beweglichkeit der Maßnahme. hinreichende Bestimmtheit
Leitsatz (amtlich)
Zur Zumutbarkeit einer beruflichen Bildungsmaßnahme bei variabler Teilnahmemöglichkeit bzw bei Beweglichkeit der Maßnahme als solcher.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
AFG § 103 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. b Fassung: 1981-12-22, Abs. 2 S. 1, § 119 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Fassung: 1981-12-22, Abs. 3, § 134 Abs. 4 S. 1 Fassung: 1981-12-22; ZumutbarkeitsAnO 1982 § 1 S. 1, § 3 Abs. 1 S. 1, § 14
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 13. Juni 1996 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über den Eintritt von zwei achtwöchigen Sperrzeiten ab 11. Juli 1991 und 24. Dezember 1991 bzw 15. Januar 1992 und die damit verbundenen leistungsrechtlichen Konsequenzen.
Der am 22. Januar 1948 geborene Kläger wohnt in G. … -K. …. Er erhielt seit mehreren Jahren Arbeitslosenhilfe (Alhi), zuletzt ab 26. März 1991 (Bescheid vom 6. Mai 1991). Am 10. Juli 1991 schlug die Beklagte ihm die Teilnahme an einem „Beruflichen Förderkurs” mit dem Ziel der Wiedereingliederung in das Berufsleben vor. Die Maßnahme sollte vom 19. August 1991 bis 18. Juli 1992 beim Institut für Arbeits- und Sozialpädagogik (IfAS) in P. … durchgeführt werden. In dem schriftlichen Angebot wurde darauf hingewiesen, daß der Kläger während der Teilnahme an der Maßnahme Leistungen zum Lebensunterhalt mindestens in Höhe seiner bisher bezogenen Alhi sowie sonstige Leistungen nach § 45 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erhalten werde. Auf der Rückseite des Angebots war die Rechtsfolgenbelehrung „R 1” angekreuzt. Der Kläger lehnte die Teilnahme an der Maßnahme am selben Tag (mündlich) ab. Daraufhin stellte die Beklagte den Eintritt einer achtwöchigen Sperrzeit (11. Juli bis 4. September 1991) fest, hob die Bewilligung der Leistung für die Zeit vom 11. bis 15. Juli 1991 auf und forderte die Erstattung der erbrachten Leistungen in Höhe von 178,40 DM mit dem Hinweis, dieser Betrag werde nach Ablauf der Sperrzeit von den laufenden Leistungen einbehalten (Bescheid vom 6. August 1991). Gleichzeitig machte die Beklagte darauf aufmerksam, daß der Leistungsanspruch erlösche, wenn der Kläger in Zukunft erneut Anlaß für den Eintritt einer acht- oder zwölfwöchigen Sperrzeit gebe. Ab 5. September 1991 wurde dem Kläger Alhi (bis zum 15. April 1992) weiterbewilligt (Verfügung vom 14. August 1991). Die Leistungen für die Zeit vom 16. Juli bis 4. September 1991 wurden ihm nachträglich erbracht.
Am 23. Dezember 1991 bot die Beklagte dem Kläger (mündlich) die Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme in der Übungsfirma des Berufsförderungswerkes (BFW) des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in S. … (in der Zeit vom 6. Januar bis 3. Juli 1992) an. Der Kläger lehnte die Teilnahme am selben Tag (schriftlich) ab. Am 14. Januar 1992 händigte die Beklagte dem Kläger über dieselbe Maßnahme ein schriftliches Angebot aus, in dem darauf hingewiesen wurde, daß er während der Teilnahme an der Maßnahme Leistungen zum Lebensunterhalt mindestens in Höhe seiner bisher bezogenen Alhi sowie sonstige Leistungen nach § 45 AFG erhalten werde. Auf der Rückseite des Angebots war die Rechtsfolgenbelehrung „R 2” angekreuzt. In der Folgezeit stellte die Beklagte den Eintritt einer (weiteren) achtwöchigen Sperrzeit fest und hob die Alhi-Bewilligung ab 24. Dezember 1991 mit der Begründung auf, der Leistungsanspruch sei erloschen, weil der Kläger schon einmal Anlaß für den Eintritt einer das Normalmaß umfassenden Sperrzeit gegeben habe (Bescheid vom 20. Februar 1992).
Die Widersprüche des Klägers blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheide vom 10. und 16. September 1992). Das Sozialgericht (SG) hat (mit zwei Urteilen) die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, Alhi über den 23. Dezember 1991 hinaus nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren (Urteile vom 29. März 1995). Das Landessozialgericht (LSG) hat im ersten Verfahren die Berufung zugelassen, beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und – nach Vernehmung der Arbeitsberaterin G. und des Arbeitsvermittlers H. als Zeugen – die Berufungen der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen (Urteil vom 13. Juni 1996).
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, weder die in P. … (19. August 1991 bis 18. Juli 1992) noch die in S. … vorgesehene Bildungsmaßnahme (6. Januar bis 3. Juli 1992) seien dem Kläger zumutbar gewesen. In beiden Fällen sei das bei Vollzeitarbeit für Wegezeiten vorgegebene Zeitlimit von zweieinhalb Stunden (§ 3 Abs 1 Satz 1 Zumutbarkeits-Anordnung ≪ZumutbarkeitsAnO≫) überschritten worden. Im ersten Fall hätte sich die Gesamtwegezeit auf zwei Stunden und 35 Minuten belaufen, wobei Wartezeiten vor dem Beginn und nach dem Ende der Maßnahme nicht einbegriffen seien. Im zweiten Fall hätte die reine Fahrzeit zwei Stunden und 45 Minuten betragen; unter Berücksichtigung eines erforderlichen Fußweges von 19 Minuten hätte die Gesamtwegezeit über drei Stunden gelegen. Aus § 3 Abs 2 ZumutbarkeitsAnO, wonach längere Pendelzeiten (als zweieinhalb Stunden) zumutbar seien, soweit sie in der Region bei vergleichbaren Arbeitnehmern üblich seien, lasse sich kein anderes Ergebnis herleiten. Für die Auslegung des Begriffs der „Region” seien bei flächenmäßig kleinen Bundesländern wie dem Saarland die Pendelzeiten sämtlicher Arbeitnehmer heranzuziehen. Die Gesamtzahl der saarländischen Berufspendler habe nach dem Ergebnis der Volkszählung von 1987 bei 208.470 gelegen, wovon der überwiegende Teil (165.539) mit dem PKW, ein geringer Teil (38.997) mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit gefahren sei. Bei dem überwiegenden Teil sei für Hin- und Rückfahrt ein Zeitaufwand von weniger als zwei Stunden angefallen. Darüber, wie hoch der Zeitaufwand der Berufspendler je nach benutztem Verkehrsmittel gewesen sei, existierten keine verläßlichen Unterlagen, was sich letztlich zu Lasten der Beklagten auswirke. Im übrigen ergäben sich gegen die Rechtmäßigkeit des zweiten Sperrzeitbescheides auch deshalb Bedenken, weil die Beklagte es bei ihrem Angebot vom 23. Dezember 1991 unterlassen habe, den Kläger darauf hinzuweisen, welche Leistungen ihm im Fall der Teilnahme zuständen.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 119 AFG und § 3 ZumutbarkeitsAnO. Der Begriff der „Region” iS des § 3 Abs 2 ZumutbarkeitsAnO lasse sich nur von Fall zu Fall bestimmen. Vergleichbar seien Arbeitnehmer, die nach den für den jeweiligen Arbeitslosen maßgebenden Umständen pendelten. Benutze der Arbeitslose einen PKW, seien seine Pendelfahrten Vergleichsmaßstab. Sei er auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen, müsse ein Vergleich zur Gruppe der mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahrenden Pendler gezogen werden. Bei lang andauernder Arbeitslosigkeit seien längere Pendelzeiten ohne Vergleich zumutbar. Das Angebot der Beklagten vom 23. Dezember 1991 sei für eine Maßnahme unterbreitet worden, in die der Kläger jederzeit hätte eintreten können. Deshalb habe die am 14. Januar 1992 erteilte schriftliche Maßnahmezusage Wirkung für die Zukunft mit der Folge entfaltet, daß der Leistungsanspruch am 15. Januar 1992 erloschen sei.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das zweitinstanzliche Urteil für zutreffend. Aufgrund der Angaben des Statistischen Landesamtes zur Volkszählung 1987 stehe fest, daß längere Pendelzeiten als zweieinhalb Stunden im Saarland nicht üblich seien. Die am 14. Januar 1992 erteilte schriftliche Maßnahmezusage könne schon deshalb keine Wirkung entfalten, weil sie nicht vor Beginn der Bildungsmaßnahme abgegeben worden sei.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist iS der Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Die tatsächlichen Feststellungen des LSG reichen nicht für die Beurteilung der Frage aus, ob die angefochtenen Bescheide mit der Rechtslage in Einklang stehen.
Gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 und 2 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, hier die Alhi-Bewilligung ab 26. März 1991 (Bescheid vom 6. Mai 1991) bzw 5. September 1991 (Verfügung vom 14. August 1991), mit Wirkung für die Zukunft und unter bestimmten Voraussetzungen auch mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche wesentliche Änderung kann sich, wie von der Beklagten im Bescheid vom 6. August 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 1992 angenommen, hier ab 11. Juli 1991 ergeben haben, wenn eine Sperrzeit nach § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG eingetreten wäre. Nach dieser Vorschrift (in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung ≪Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz – AFKG≫ vom 22. Dezember 1981 – BGBl I 1497) tritt eine Sperrzeit von acht Wochen ein, wenn sich der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen geweigert hat, an einer Maßnahme iS des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Buchst b AFG teilzunehmen, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Gemäß § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Buchst b AFG (idF des AFKG) steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer ua bereit ist, an zumutbaren Maßnahmen zur beruflichen Ausbildung, Fortbildung und Umschulung sowie zur Verbesserung der Vermittlungsaussichten teilzunehmen. Sowohl § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 3 als auch § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Buchst b AFG gelten nicht nur für Ansprüche auf Arbeitslosengeld (Alg), sondern, da insoweit Besonderheiten der Alhi nicht entgegenstehen, auch für die Alhi (§ 134 Abs 4 Satz 1 Halbs 1 AFG idF des AFKG). Ob der Kläger die Teilnahme an einer zumutbaren Maßnahme im vorbezeichneten Sinne verweigert hat, läßt sich in bezug auf das Bildungsangebot vom 10. Juli 1991 nach den bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht beantworten.
Wie bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Beschäftigungen sind bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Maßnahmen zur beruflichen Ausbildung, Fortbildung und Umschulung sowie zur Verbesserung der Vermittlungsaussichten alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (§ 103 Abs 2 Satz 1 AFG idF des AFKG; § 1 Satz 1 der ZumutbarkeitsAnO vom 16. März 1982 – ANBA S 523). Die Bestimmungen der ZumutbarkeitsAnO zur Zumutbarkeit von Beschäftigungen gelten entsprechend, soweit die Besonderheiten der Förderung der beruflichen Bildung nicht entgegenstehen (§ 14 ZumutbarkeitsAnO).
Hinsichtlich der Zumutbarkeit von Wegezeiten bei Beschäftigungen bestimmt § 3 Abs 1 ZumutbarkeitsAnO: Für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und zurück ist bei Vollarbeitszeit ein zeitlicher Aufwand bis zu insgesamt etwa zweieinhalb Stunden zumutbar (Satz 1). Bei täglicher Arbeitszeit unter sechs Stunden ist eine Pendelzeit bis zu insgesamt etwa zwei Stunden zumutbar (Satz 2).
Vorliegend hat das LSG die Zumutbarkeit der Wegezeit nach § 3 Abs 1 Satz 1 ZumutbarkeitsAnO schon deswegen verneint, weil sich die Gesamtwegezeit des Klägers auf zwei Stunden und 35 Minuten belaufen hätte. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden; denn die §§ 3 Abs 1 Satz 1, 14 ZumutbarkeitsAnO erklären für eine Bildungsmaßnahme von sechs Stunden und mehr, um die es sich hier handelt, einen Zeitaufwand „bis zu insgesamt etwa zweieinhalb Stunden” für zumutbar. Danach ist, anders als das LSG meint, eine Gesamtwegezeit von zwei Stunden und 35 Minuten nicht schlechthin unzumutbar. Schon aus diesem Grund kann das zweitinstanzliche Urteil keinen Bestand behalten. Es ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Das LSG hat – aus seiner Sicht zu Recht – ungeprüft gelassen, ob das Bildungsangebot vom 10. Juli 1991 unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalles unzumutbar gewesen ist (§ 103 Abs 2 Satz 1 AFG; § 1 Satz 1 ZumutbarkeitsAnO. Dies wird ggf nachzuholen sein. Bei der entsprechenden Prüfung könnte sich die Frage stellen, ob noch Wartezeiten vor dem Beginn und nach dem Ende der Maßnahme in die Gesamtwegezeit von zwei Stunden und 35 Minuten einzubeziehen waren, wie das LSG anzunehmen scheint. Doch wird insoweit auch zu beachten sein, daß für die am 19. August 1991 beginnende Maßnahme nach einem Vermerk in den Ersatz-Verwaltungsakten – abweichend von der üblichen Zeit (8.30 Uhr bis 15.30 Uhr) – individuelle Zeiten festgelegt werden konnten.
Da Gesamtwegezeit und angebotene Beschäftigung bzw Bildungsmaßnahme immer in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen müssen (§ 103 Abs 2 Satz 1 AFG; § 1 Satz 1 iVm § 14 ZumutbarkeitsAnO), lassen sich aus der Sicht des Senats gegen die Rechtmäßigkeit des § 3 Abs 1 Satz 1 ZumutbarkeitsAnO keine überzeugenden Argumente anführen. Im übrigen ist – abgesehen davon, daß Pendelzeiten „bis zu insgesamt etwa zweieinhalb Stunden” in vielen Gebieten der Bundesrepublik als selbstverständlich angesehen werden – nicht zu übersehen, daß der Gesetzgeber die Zumutbarkeitsgrenze für die Gesamtwegezeit mit Wirkung ab 1. Januar 1998 noch deutlich verschärft hat. Ab dann sind als unverhältnismäßig lang im Regelfall Pendelzeiten (erst) von insgesamt drei Stunden bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden und Pendelzeiten von zweieinhalb Stunden bei einer Arbeitszeit von sechs Stunden und weniger anzusehen (§§ 121 Abs 4 Satz 2, 144 Abs 1 Nr 3 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung).
Schließlich ist nach der Rechtsprechung ein Bildungsangebot nur dann zumutbar, wenn es in sich hinreichend bestimmt ist, die Maßnahme als solche geeignet und notwendig ist sowie eine schriftliche Leistungszusage gemacht und eine ausreichende Rechtsfolgenbelehrung erteilt worden ist (BSGE 52, 63 = SozR 4100 § 119 Nr 15; BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 13). Die beiden letztgenannten Voraussetzungen scheinen hier nach den Verwaltungsakten erfüllt zu sein. Doch können sich Bedenken dagegen ergeben, ob das Angebot inhaltlich hinreichend bestimmt und die Maßnahme als solche für den Kläger geeignet und notwendig war. Veranlassung, diesen beiden Gesichtspunkten des näheren nachzugehen, könnte für das LSG bestehen, weil ein Angebot „Beruflicher Förderungskurs – Wiedereingliederung in das Berufsleben” in sich wenig aussagekräftig ist und sich der Kläger schon im Widerspruchsverfahren darauf berufen hat, es handele sich in Wirklichkeit nicht um eine berufliche Fortbildungsmaßnahme.
Sollte das LSG zu dem Ergebnis gelangen, daß in der Zeit vom 11. Juli bis 4. September 1991 eine Sperrzeit eingetreten ist, wird es zur Anwendbarkeit bzw Nichtanwendbarkeit des § 152 Abs 3 AFG nF Stellung zu nehmen haben. Hierzu liegt bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor (vgl jedoch BSG, Urteile vom 28. November 1996 – 7 RAr 56/95 – und 23. April 1997 – 7 RAr 66/96 –, beide zur Veröffentlichung vorgesehen).
War dem Kläger die Wegezeit nach § 3 Abs 1 Satz 1 ZumutbarkeitsAnO zuzumuten oder war das Bildungsangebot unter Berücksichtigung weiterer Umstände unzumutbar, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Voraussetzungen des § 3 Abs 2 ZumutbarkeitsAnO verwirklicht sind, wonach längere Pendelzeiten (als bis zu insgesamt etwa zweieinhalb Stunden) zumutbar sind, soweit sie in der Region bei vergleichbaren Arbeitnehmern üblich sind. Der Senat hält es deshalb für untunlich (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), sich zur Auslegung des § 3 Abs 2 ZumutbarkeitsAnO bereits jetzt umfassend zu äußern.
Ab 24. Dezember 1991 bzw 15. Januar 1992 ist, anders als die Beklagte im Bescheid vom 20. Februar 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 1991 bzw in der Revisionsinstanz ausgeführt hat, eine wesentliche Änderung iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X nicht etwa wegen Erlöschens des Alhi-Anspruchs gemäß § 119 Abs 3 AFG eingetreten.
Nach § 119 Abs 3 AFG (idF des AFKG) erlischt ein noch zustehender Anspruch auf Alg, wenn der Arbeitslose erneut Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von acht Wochen gibt, nachdem er nach Entstehung des Anspruchs bereits einmal Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von acht Wochen gegeben und hierüber einen schriftlichen Bescheid erhalten hat. Für den Anspruch auf Alhi gilt nach § 134 Abs 4 Satz 1 Halbs 1 AFG entsprechendes (BSGE 47, 101, 102 = SozR 4100 § 119 Nr 5; BSGE 48, 109, 110 = SozR 4100 § 119 Nr 8; BSGE 66, 140, 141 = SozR 3-4100 § 119 Nr 1). Allerdings tritt nach § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG eine Sperrzeit nur dann ein, wenn dem Arbeitslosen schriftlich zugesagt worden ist, welche Leistungen ihm im Fall der Teilnahme an der Bildungsmaßnahme dem Grunde nach zustehen (BSGE 66, 140 = SozR 3-4100 § 119 Nr 1; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 4). An einer solchen schriftlichen Zusage mangelt es im Zusammenhang mit dem (mündlich gemachten) Angebot vom 23. Dezember 1991, was auch die Beklagte einräumt. Darauf, daß es darüber hinaus an der schriftlichen Rechtsfolgenbelehrung gefehlt haben dürfte, kommt es nicht mehr an.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Alhi-Anspruch des Klägers auch am 15. Januar 1992 oder später nicht gemäß § 119 Abs 3 AFG erloschen. Zwar hat die Beklagte dem Kläger am 14. Januar 1992 über die bereits am 23. Dezember 1991 (mündlich) angebotene Maßnahme ein schriftliches Angebot gemacht, in dem darauf hingewiesen wurde, daß der Kläger während der Teilnahme an der Maßnahme Leistungen zum Lebensunterhalt mindestens in Höhe seiner bisher bezogenen Alhi sowie sonstige Leistungen nach § 45 AFG erhalten werde; des weiteren war auf der Rückseite des Angebots die Rechtsfolgenbelehrung angekreuzt, daß der Leistungsanspruch, wenn der Kläger – ohne wichtigen Grund – an der angebotenen Bildungsmaßnahme nicht teilnehme, von dem Tage nach der Ablehnung an ganz erlösche, wenn er, der Kläger, erneut Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von acht Wochen gebe (§ 119 Abs 3 AFG), da er, seit Entstehung seines gegenwärtigen Anspruchs auf Leistungen bereits einmal Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von mindestens acht Wochen gegeben und hierüber einen schriftlichen Bescheid erhalten habe. Indes hätte am 15. Januar 1992 eine Sperrzeit nur dann eintreten können, wenn die Beklagte den Kläger am 14. Januar 1992 ausdrücklich darauf hingewiesen hätte, daß es sich bei dem Angebot um eine bewegliche Bildungsmaßnahme handele, die auch noch ab 15. Januar 1992 oder später angetreten werden könne. Daß dem Kläger am 14. Januar 1992 ein Angebot in diesem Sinne unterbreitet worden ist, ist nach den Ausführungen des LSG nicht erwiesen. Nach den unangegriffenen und deshalb für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist die Behauptung des Klägers, eine ausdrückliche Aufforderung, die Maßnahme am darauffolgenden Tage oder später anzutreten, sei anläßlich der Vorsprache am 14. Januar 1992 nicht erfolgt, durch die Vernehmung der Zeugen G. und H. vor dem LSG nicht widerlegt worden. Auch läßt sich, wie das LSG für den Senat ebenfalls bindend festgestellt hat, den von der Zeugin G. vorgelegten Beratungsunterlagen nicht mit Sicherheit entnehmen, die Behauptung des Klägers sei falsch. Ist sonach nicht erwiesen, ob am 14. Januar 1992 ein entsprechendes Angebot von der Beklagten ausgesprochen wurde, geht das nach allgemeinen Beweislastregeln zu Lasten der Beklagten mit der Folge, daß der Alhi-Anspruch des Klägers weder am 15. Januar 1992 noch später wegen Eintritts einer weiteren Sperrzeit von acht Wochen erloschen ist (§ 119 Abs 3 AFG).
Dies schließt, anders als das LSG offenbar gemeint hat, nicht von vornherein eine Klageabweisung aus. Sollte dem Kläger nämlich aufgrund der Ablehnung vom 23. Dezember 1991 die Bereitschaft gefehlt haben, auch bei vorheriger Zusage ausreichender Förderung an zumutbaren Maßnahmen der beruflichen Bildung – wie der ihm angebotenen – teilzunehmen, stand er mangels Bildungsbereitschaft der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung (§ 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 Buchst b AFG), und die Aufhebung der Alhi-Bewilligung bzw die Versorgung der Neubewilligung (ab 16. April 1992) könnte sich aus diesem Grund als berechtigt erweisen (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 4; BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 13). Zur Prüfung dieser Frage dürfte für das LSG ua deshalb Anlaß bestehen, weil sich der Kläger nach den Verwaltungsakten ausdrücklich geweigert hat, eine schriftliche Erklärung in dem Sinne abzugeben, daß er für jede zumutbare Bildungsmaßnahme zur Verfügung stehe.
Für die Zeit ab 24. Dezember 1991 wird das LSG im übrigen zu beachten haben, daß dem Kläger durch Verfügung vom 14. August 1991 (Bescheid vom 20. August 1991) Alhi für die Zeit vom 5. September 1991 bis 15. April 1992 bewilligt worden war. Das wirkt sich auf den vom Kläger zu stellenden Antrag aus. Für die Zeit bis zum 15. April 1992 wird dem Klagebegehren mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) genügt; die Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) ist unzulässig, was schon das SG übersehen hatte. Allein für die Zeit ab 16. April 1992 kommt die Leistungsklage in Betracht, wobei die Vorschrift des § 139a AFG zu beachten ist.
Schließlich wird das LSG über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 1174545 |
NZA 1999, 168 |
NZS 1998, 295 |
SozR 3-4465 § 3, Nr.1 |
SozSi 1998, 277 |