Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. Zuordnung eines volkseigenen Betriebes zur industriellen Produktion bzw zum Bauwesen oder zu einem anderen Bereich der Volkswirtschaft. Hauptzweck des Betriebes. VEB Denkmalpflege
Leitsatz (amtlich)
Die Zuordnung eines bestimmten volkseigenen Betriebes zur industriellen Produktion (bzw zum Bauwesen) oder zu einem anderen Bereich der Volkswirtschaft hängt entscheidend davon ab, welche Aufgabe dem volkseigenem Betrieb das Gepräge gegeben hat. Die Tatsacheninstanzen haben auf Grund der tatsächlich wahrgenommenen Aufgaben, der Organisation und der Mittelverwendung durch Beweiswürdigung zu klären, welcher Hauptzweck vom Betrieb tatsächlich verfolgt wurde (Fortführung von BSG vom 10.4.2002 – B 4 RA 10/02 R = SozR 3-8570 § 1 Nr 5).
Normenkette
AAÜG § 1 Abs. 1 S. 1, § 5 Abs. 1, § 8 Abs. 1-2, 3 S. 1; AAÜG Anl. 1 Nr. 1; ZAVtIV § 1; ZAVtIVDBest 1; ZAVtIVDBest 2 § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; VoEigKombV § 1; DenkmalPflG § 1 Abs. 1, § 8 Abs. 1; SGG § 128
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 26. März 2003 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist, ob die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für Beschäftigungszeiten des Klägers Tatbestände von Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) vom 1. September 1978 bis 30. Juni 1990 sowie die entsprechenden Arbeitsverdienste festzustellen.
Der im Jahre 1939 geborene Kläger war nach dem Studium der Titel “Diplom-Ingenieur für Maschinenbau” verliehen worden. Bis zum 31. August 1978 war er zunächst bei verschiedenen volkseigenen Betrieben beschäftigt. Vom 1. September 1978 bis 30. April 1981 war er in verschiedenen Funktionen bei der “Aufbauleitung für ausgewählte Gesellschaftsbauten beim Rat des Bezirkes S.…” tätig. Ab 1. Mai 1981 bis über den 30. Juni 1990 hinaus war er als technischer Direktor beim “VEB Denkmalpflege S.…” beschäftigt.
Nach den Feststellungen des LSG wurde der “VEB Denkmalpflege S.…” 1978 gegründet und war dem Ministerium für Kultur unterstellt. Seine Aufgabe bestand in der Planung und Ausführung von Sanierungen, Rekonstruktionen und Restaurierungen kulturhistorisch wertvoller Altbausubstanzen, wie zB der Schlösser S.…, L.… und G.…. Es wurden auch Neubauten geplant und errichtet. Die denkmalpflegerischen Maßnahmen hätten jedoch überwogen und dem VEB das Gepräge gegeben. Der Kläger war dort als technischer Leiter insbesondere für die Bau- und Ausrüstungstechnik des Betriebes zuständig.
Mit Bescheid vom 25. Oktober 2000 stellte die Beklagte die Zugehörigkeit des Klägers zur AVItech vom 1. Mai 1964 bis 31. August 1978 sowie die in dieser Zeit erzielten Entgelte fest. Die Feststellung der Zeiten vom 1. September 1978 bis 30. Juni 1990 lehnte die Beklagte ab, weil der Kläger nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb bzw einer gleichgestellten Einrichtung beschäftigt gewesen sei. Den gegen die ablehnende Entscheidung eingelegten Widerspruch wies die Beklagte aus denselben Gründen mit Widerspruchsbescheid vom 13. März 2001 zurück. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29. August 2002). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 26. März 2003) und im Wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 5 Abs 1 AAÜG. Der Kläger erfülle nicht alle (drei) Voraussetzungen, um Zeiten der Zugehörigkeit zur technischen Intelligenz (ohne Erteilung einer ausdrücklichen Versorgungszusage) festzustellen. Er sei im streitigen Zeitraum nicht in einem Betrieb tätig gewesen, der von diesem Zusatzversorgungssystem erfasst werde. Die “Aufbauleitung für ausgewählte Gesellschaftsbauten beim Rat des Bezirkes S.…” habe als Hauptauftraggeber (HAG) für Gesellschaftsbauten fungiert. Diese sei derart intensiv in die Bauausführung integriert gewesen, dass sie noch als produzierender Baubetrieb angesehen werden könne. Sie sei jedoch kein volkseigener Betrieb (VEB) des Bauwesens gewesen. Die “Aufbauleitung” sei auch nicht als gleichgestellter Betrieb iS des § 1 Abs 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (2. DB zur VO-AVItech) anzusehen. Sie lasse sich keiner der in dieser Vorschrift genannten Einrichtungen zuordnen. Der “VEB Denkmalpflege S.… ” sei kein Produktionsbetrieb des Bauwesens gewesen. Seine eigentliche Aufgabe habe in der Restaurierung, Erstellung und Wiederherstellung besonders schutzwürdiger Bauwerke, nicht in der Produktion von Bauwerken, bestanden. Soweit der “VEB Denkmalpflege” im größeren Umfang Neubauten realisiert habe, habe diese Aufgabe dem Betrieb nicht das Gepräge gegeben. Soweit im Rahmen der Denkmalpflege Neubauten errichtet worden seien, habe die Beachtung denkmalpflegerischer Aspekte im Vordergrund gestanden.
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt sinngemäß eine Verletzung der §§ 1, 5 AAÜG und trägt vor: Die “Aufbauleitung” sei eine gleichgestellte Einrichtung iS der 2. DB gewesen. Bei den Gesellschaftsbauten habe es sich im Wesentlichen um den Neubau des Klinikums S.…, den Neubau eines Straßenbahn-Bahnhofs mit Werkstätten sowie die Planungen zum Neubau eines Kulissenhauses für das M.… Staatstheater S.… gehandelt. Der “VEB Denkmalpflege” sei ein Produktionsbetrieb des Bauwesens gewesen, der produktive Bauleistungen erbracht habe. Er sei dem Ministerium für Kultur unterstellt gewesen. Das Ministerium für Bauwesen, das zuvor für die Erhaltung der Baudenkmäler zuständig gewesen sei, sei nicht vollständig von dieser Verantwortung entbunden gewesen. Dies ergebe sich ua aus einer Rahmenvereinbarung zwischen den Ministerien für Bauwesen und Kultur vom 21. Juli 1985.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 26. März 2003 und das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 29. August 2002 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Ablehnung weiterer Feststellungen im Bescheid vom 25. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. März 2001 zu verpflichten, die Zeiten der Beschäftigung des Klägers vom 1. September 1978 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (Anlage 1 Nr 1 zum AAÜG) und die entsprechenden Arbeitsverdienste festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass das AAÜG auf den Kläger nicht anwendbar sei (§ 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG). Er habe am 30. Juni 1990 keine Rechtsposition innegehabt, nach der er bei Eintritt des Leistungsfalles darauf hätte vertrauen dürfen, dass ihm aus dem Zusatzversorgungssystem der AVItech eine Leistung gewährt worden wäre. In seiner am 30. Juni 1990 ausgeübten Beschäftigung habe er die betrieblichen Voraussetzungen des Zusatzversorgungssystems der AVItech nicht erfüllt. Der “VEB Denkmalpflege S.…” sei zwar ein volkseigener Betrieb gewesen, dieser sei jedoch nach den Feststellungen des LSG dem Ministerium für Kultur unterstellt gewesen. Die Aufgabe der Denkmalpflege habe diesem Betrieb auch das Gepräge gegeben. Er sei demnach kein Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gewesen. Der Betrieb sei auch nicht nach der 2. DB gleichgestellt gewesen. Wegen der fehlenden Anwendbarkeit des AAÜG sei es unerheblich, ob die bei der “Aufbauleitung für ausgewählte Gesellschaftsbauten beim Rat des Bezirkes S.…” ausgeübte Tätigkeit dem Geltungsbereich der AVItech unterfalle.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Das LSG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) durchsetzbaren Anspruch auf Feststellung von Tatbeständen an Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech im streitgegenständlichen Zeitraum (1. September 1978 bis 30. Juni 1990) sowie auf Feststellung der in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte hat (§ 8 Abs 3 Satz 1 iVm Abs 1 und 2 AAÜG), denn die Vorschriften des AAÜG finden auf den Kläger schon keine Anwendung.
Die Voraussetzungen des § 5 AAÜG dürfen – anders als dies das LSG getan hat – erst geprüft werden, wenn das AAÜG überhaupt anwendbar ist. Maßstabsnorm ist insoweit § 1 Abs 1 AAÜG. Nach Satz 1 dieser Bestimmung gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die auf Grund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden haben. War ein Verlust der Versorgungsanwartschaft deswegen eingetreten, weil die Regelungen der Versorgungssysteme ihn bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust nach Satz 2 dieser Vorschrift als nicht eingetreten. Beide Tatbestände erfüllt der Kläger nicht.
1. Der Kläger hatte bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 keinen “Anspruch” auf Versorgung (= Vollrecht), denn der Versorgungsfall (Alter, Invalidität) war zu diesem Zeitpunkt nicht eingetreten. Er war auch nicht Inhaber einer bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 bestehenden Versorgungsanwartschaft. Dies beurteilt sich allein nach dem zu diesem Zeitpunkt gültigen Bundesrecht. Dabei untersagt das bundesrechtliche Neueinbeziehungsverbot, neue Versorgungsberechtigungen ab 1. Juli 1990 zu begründen. Dies folgt aus Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9 Buchst a Satz 2 Halbsatz 2 zum Einigungsvertrag (EV) vom 31. August 1990 (BGBl II 889) iVm dem am 3. Oktober 1990 zu sekundärem Bundesrecht gewordenen § 22 Abs 1 des Rentenangleichungsgesetzes der DDR vom 28. Juni 1990 (GBl I 495). Hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten ist daher rückschauend auf den 30. Juni 1990 abzustellen.
Eine Einzelfallentscheidung (auf Grund eines verwaltungsrechtlichen Vertrags oder eines Verwaltungsakts), durch die dem Kläger zum 1. August 1991 eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden ist, liegt nicht vor. Eine entsprechende Regelung ist nicht durch eine positive bindende Statusentscheidung der Beklagten erfolgt. Diese hat in dem Bescheid vom 25. Oktober 2000 unter Anwendung der §§ 5 und 8 AAÜG die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. Mai 1964 bis 31. August 1978 bindend als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech und die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festgestellt. Damit hat sie jedoch nicht entschieden, dass der Kläger zu dem für die Geltung des AAÜG maßgeblichen Zeitpunkt (1. August 1991) einen Versorgungsanspruch oder eine Versorgungsanwartschaft auf Grund der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der AVItech erworben hatte.
Es liegt nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) auch keine frühere Versorgungszusage in Form eines nach Art 19 Satz 1 EV bindend gebliebenen Verwaltungsakts vor. Der Kläger war auch nicht auf Grund eines Einzelvertrages oder einer späteren Rehabilitationsentscheidung in das Versorgungssystem der AVItech einbezogen worden. Dies wird vom Kläger auch nicht behauptet.
2. a) Bei Personen, die am 30. Juni 1990 nicht einbezogen waren und auch nicht nachfolgend auf Grund originären Bundesrechts (Art 9 Abs 2, 17, 19 EV) einbezogen wurden, ist allerdings auf Grund einer vom Senat vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs 1 AAÜG zu prüfen, ob die Nichteinbezogenen aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (vgl Urteile des Senats vom 9. und 10. April 2002, SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 12 f, Nr 3 S 20, Nr 4 S 26 f, Nr 5 S 32, Nr 6 S 39, Nr 7 S 51 f, Nr 8 S 73).
Dieser fiktive bundesrechtliche Anspruch auf Erteilung einer Zusage im Bereich der AVItech hängt gemäß § 1 der VO-AVItech vom 17. August 1950 (GBl S 844) und § 1 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 der 2. Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech vom 24. Mai 1951 (GBl S 487) von drei Voraussetzungen ab (vgl Urteile des Senats vom 9. und 10. April 2002, SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40, Nr 7 S 60, Nr 8 S 74):
Generell war dieses System eingerichtet für:
(1) Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und
(2) die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar
(3) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 Satz 1 der 2. DB) oder einem durch § 1 Abs 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
b) Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG war der Kläger am 30. Juni 1990 berechtigt, den Titel eines Diplomingenieurs für Maschinenbau zu führen. Er hat auch als technischer Leiter, der insbesondere für die Bau- und Ausrüstungstechnik des Betriebes zuständig war, bei dem “VEB Denkmalpflege S.…” eine seiner Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit ausgeübt. Nach den Feststellungen des LSG war jedoch der “VEB Denkmalpflege S.…” kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens.
aa) Der “VEB Denkmalpflege S.…” war zwar nach den Feststellungen des LSG ein volkseigener Betrieb iS des § 1 der Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe (Kombinats-VO) vom 8. November 1979 (GBl I S 355, nämlich “eine ökonomisch und rechtlich selbständige Einheit der materiellen Produktion oder eines anderen Bereichs der Volkswirtschaft”, der einem Staatsorgan oder wirtschaftsleitenden Organ unterstellt war, einen Namen mit der Bezeichnung “VEB” führen musste und in das Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen war. Er gehörte jedoch nicht zu den Produktionsbetrieben der Industrie oder des Bauwesens, sondern zum gesellschaftlichen Bereich außerhalb der materiellen Produktion.
Die Zuordnung eines bestimmten VEB zur industriellen Produktion (bzw zum Bauwesen) oder zu einem anderen Bereich der Volkswirtschaft hängt entscheidend davon ab, welche Aufgabe dem VEB das Gepräge gegeben hat (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 5 S 34 f). Hierfür kommt es maßgeblich auf die tatsächlichen Verhältnisse des jeweiligen Betriebes an. Die Tatsacheninstanzen haben nach Bundesrecht auf Grund der tatsächlich wahrgenommenen Aufgaben, der Organisation und der Mittelverwendung durch Beweiswürdigung (§ 128 SGG) zu klären, welcher Hauptzweck tatsächlich verfolgt wurde. Hierfür können zB Eintragungen in die Liste der volkseigenen Betriebe, Statuten und Geschäftsunterlagen, ebenso aber auch die Zuordnung zu bestimmten Ministerien der DDR wichtige Hilfstatsachen (Indizien) sein, welche bei der Beweiswürdigung für die Geprägefeststellung erheblich werden können.
bb) Vorliegend hat das LSG ohne Verstoß gegen Bundesrecht festgestellt, dass dem “VEB Denkmalpflege S.…” – auch wenn dieser Betrieb zum Teil Bauvorhaben durchgeführt hat – die eigentliche Aufgabe der Denkmalpflege das Gepräge gegeben hat. Der tatsächlich überwiegend und vorherrschend durchgeführte Hauptzweck dieses Betriebes bestand nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG in der Restauration, Erhaltung und Wiederherstellung von bereits vorhandenen, besonders schutzwürdigen Bauwerken, wie zB der Schlösser S.…, L.… und G.…. Da das LSG die Vorgaben des Bundesrechts insoweit richtig angewandt hat und weil der Kläger keine Verfahrensrügen gegen die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen erhoben hat, musste der Senat die Feststellung des LSG zu Grunde legen, der “VEB Denkmalpflege S.…” sei tatsächlich durch den Zweck geprägt gewesen, Denkmäler zu erschließen und zu erhalten.
cc) Dieser tatsächlich verfolgte Hauptzweck war im Übrigen durch das DDR-Recht vorgegeben. Mit dem Gesetz zur Erhaltung der Denkmale in der DDR (Denkmalpflegegesetz) vom 19. Juni 1975 (GBl I S 458) wurde die Erhaltung und Erschließung der Denkmale Bestandteil des “kulturellen Lebens der sozialistischen Gesellschaft” und damit als Aufgabe auf dem Gebiet der Kultur angesehen (vgl Präambel zum Denkmalpflegegesetz; dazu auch: Verwaltungsrecht ≪der DDR≫, 1. Aufl 1979, S 552 ff; Verwaltungsrecht ≪der DDR≫, 2. Aufl 1988, S 331 f, 340 ff). Für die Denkmalpflege war dementsprechend als zentrales Staatsorgan der Minister für Kultur (§ 7 Abs 1 Denkmalpflegegesetz) und als örtliches Organ der Staatsmacht der DDR die Räte der Bezirke verantwortlich; letzteren oblag vor allem die Durchführung der erforderlichen denkmalpflegerischen Arbeiten unter fachwissenschaftlicher Anleitung (§ 8 Abs 1 und 3 Denkmalpflegegesetz). Diese Anleitung erfolgte durch das dem Minister für Kultur unterstellte “Institut für Denkmalpflege” (§ 7 Abs 4 Denkmalpflegegesetz). Entsprechend dem in fünf Arbeitsstellen gegliederten “Institut für Denkmalpflege” wurden zur fachgerechten Erledigung der vielfältigen Instandhaltungs-, Instandsetzungs-, Konservierungs- und Restaurierungsaufgaben (vgl § 2 der Durchführungsbestimmung zum Denkmalpflegegesetz vom 24. September 1976, GBl I S 489) fünf “VEB Denkmalpflege” in Berlin, Dresden, Erfurt, Halle und S.… gegründet (vgl Herbst/Ranke/Winkler, So funktionierte die DDR, Band 1, Stichwort “Institut für Denkmalpflege”). Diese Betriebe hatten die Aufgabe, durch entsprechende Maßnahmen Denkmäler zu erhalten und zu erschließen (§ 1 Abs 1 und § 8 Abs 1 Denkmalpflegegesetz). Auch nach der normativen Aufgabenstellung des Betriebes waren demnach vorherrschend und überwiegend denkmalpflegerische Maßnahmen durchzuführen, die zum “kulturellen Leben der sozialistischen Gesellschaft” und damit zum gesellschaftlichen Bereich außerhalb der materiellen Produktion gehörten.
c) Der “VEB Denkmalpflege S.…” war auch kein Betrieb, der einem volkseigenen Produktionsbetrieb (der Industrie oder des Bauwesens) durch § 1 Abs 2 der 2. DB gleichgestellt war. In dieser Bestimmung sind keine Betriebe oder Einrichtungen der Denkmalpflege aufgeführt. Die gemäß § 5 VO-AVItech ermächtigten Ministerien haben § 1 Abs 2 der 2. DB bis zum 30. Juni 1990 nicht ergänzt. Die am 30. Juni 1990 nicht gegebene Gleichstellung der Denkmalpflege kann nachträglich nicht durch die vollziehende oder rechtsprechende Gewalt korrigiert werden. Der EV hat nur die Übernahme damals bestehender Versorgungsansprüche und Versorgungsanwartschaften von Einbezogenen in das Bundesrecht versprochen und Neueinbeziehungen ausdrücklich verboten (EV Nr 9; § 22 Rentenangleichungsgesetz der DDR). Art 3 Abs 1 und 3 GG gebietet nicht, von jenen historischen Fakten, aus denen sich Ungleichheiten ergeben könnten, abzusehen und sie “rückwirkend” zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen (vgl bereits Urteile des Senats vom 9. und 10. April 2002, SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 16, Nr 7 S 68 f, Nr 8 S 79 sowie Urteil des Senats vom 18. Juni 2003 – B 4 RA 1/03 R, SGb 2003, 518).
3. Für den Kläger gilt auch nicht § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG, denn er hatte, wie bereits ausgeführt, nach den Feststellungen des LSG vor dem 30. Juni 1990 keine Rechtsposition inne, die er hätte verlieren können. Nur in diesen Fällen wird nach der Rechtsprechung des Senats eine Anwartschaft nach § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG fingiert (vgl Urteile des Senats vom 9. und 10. April 2002, SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15, Nr 3 S 20 f).
4. Da es für die Anwendbarkeit des AAÜG auf die am 30. Juni 1990 gegebene Sachlage ankommt, ist es bundesrechtlich unerheblich, ob die Annahme des LSG, auch die “Aufbauleitung für ausgewählte Gesellschaftsbauten beim Rat des Bezirkes S.…” sei kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens und auch kein gleichgestellter Betrieb gewesen, zutreffend ist.
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 26. März 2003 ist mithin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen