Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlegung der Zustimmungserklärung des Gegners zur Einlegung der Sprungrevision per Telefax. Fortsetzungsfeststellungsklage. Feststellungsinteresse. Anstellung. Vertragsarztpraxis. übereinstimmende Gebietsbezeichnung
Leitsatz (amtlich)
Das Schriftformerfordernis des § 161 Abs 1 S 3 SGG ist gewahrt, wenn der Revisionskläger das Schriftstück, in dem der Rechtsmittelgegner die Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision erteilt, per Telefax an das Gericht weiterleitet (Fortführung von BSG vom 12.11.1996 – 9 RVs 4/96 = BSGE 79, 235 = SozR 3-1500 § 161 Nr 10).
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
SGG § 161 Abs. 1 Sätze 1, 3; BGB § 126 Abs. 1; SGG § 131 Abs. 1 S. 3; SGB V § 103; Ärzte-ZV § 32
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15. März 1995 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten des Beklagten für das Revisionsverfahren zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger, der als Orthopäde an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, beanspruchte die Genehmigung, eine praktische Ärztin in seiner Praxis anstellen zu dürfen. Der Zulassungsausschuß für Ärzte lehnte den Antrag ab, weil die Genehmigung zur Anstellung die gleiche Gebietsarztbezeichnung von Praxisinhaber und anzustellendem Arzt voraussetze (Bescheid vom 29. Oktober 1993). Nachdem die Ärztin für eine Anstellung nicht mehr zur Verfügung stand, erklärte der Kläger den Widerspruch für erledigt und beantragte festzustellen, daß der Beschluß des Zulassungsausschusses rechtswidrig gewesen ist. Der beklagte Berufungsausschuß wies den Widerspruch als unzulässig zurück, weil keine Beschwer des Klägers gegeben und darüber hinaus kein berechtigtes Interesse iS des § 131 Abs 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) festzustellen gewesen sei (Bescheid vom 28. April 1994).
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 15. März 1995) und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Nach der Erklärung des Klägers im Klageverfahren sei nämlich davon auszugehen, daß die Ärztin, deren Anstellung ursprünglich beabsichtigt gewesen sei, im Fall einer positiven Entscheidung des Gerichts für eine Beschäftigung wieder zur Verfügung stehe. Die Genehmigung der Anstellung sei aber zu Recht verweigert worden. Der anzustellende Arzt müsse dieselbe Gebietsbezeichnung führen wie der Praxisinhaber. Dies ergebe sich aus den Vorschriften über die Zulassungsbeschränkungen in den §§ 103, 101 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), auf die sich § 32b Abs 2 Satz 3 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) beziehe.
Mit seiner Sprungrevision, die er per Telefax unter Beifügung der Zustimmungserklärung des Beklagten eingelegt hat, rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts. § 32b Abs 2 Satz 3 Ärzte-ZV sei schon deshalb unwirksam, weil die Ärzte-ZV entgegen der Verordnungsermächtigung in den § 95 Abs 9 Satz 2, § 98 SGB V als Gesetz verabschiedet worden sei. Auch verstoße die Bestimmung, wie das SG München (Urteil vom 22. Dezember 1994 – S 32 Ka 115/94 –) zutreffend entschieden habe, gegen Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG). Selbst bei Zugrundelegung des § 32b Ärzte-ZV habe das SG die Vorschrift unzutreffend angewendet. Die Forderung nach der Fachgebietsidentität könne nicht unter Hinweis auf die Bestimmungen der §§ 103, 101 SGB V begründet werden, sondern hätte ausdrücklich in § 32b Ärzte-ZV aufgenommen werden müssen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Düsseldorf vom 12. März 1995 abzuändern, den Beschluß des Beklagten vom 13. April 1994 aufzuheben und festzustellen, daß der Beschluß des Zulassungsausschusses für Ärzte Düsseldorf vom 6. Oktober 1993 rechtswidrig gewesen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladenen zu 1. und 5. beantragen ebenfalls,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil und verweisen auf das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG) vom 11. Januar 1995 – L 11 Ka 84/94 –.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Sprungrevision ist zulässig. Insbesondere genügt die Übermittlung der schriftlichen Zustimmungserklärung des Rechtsmittelgegners durch den Kläger per Telefax den gesetzlichen Formerfordernissen.
Nach § 161 Abs 1 Satz 1 iVm Satz 3 SGG muß der Revisionsführer, sofern die Revision im Urteil des SG zugelassen worden ist, die schriftliche Zustimmung des Rechtsmittelgegners zur Einlegung der Sprungrevision der Revisionsschrift beifügen. Das ist hier ordnungsgemäß erfolgt. In allen Gerichtszweigen ist nämlich die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax zulässig (vgl BSG-Urteil vom 12. November 1996 – 9 RVs 4/96 – = SozR 3-1500 § 161 Nr 10 mwN). Demgemäß ist auch in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, daß die Einlegung eines Rechtsmittels per Telefax den für fristwahrende Schriftsätze geltenden Schriftlichkeitserfordernis genügt (BSG aaO; BSGE 69, 274, 276 = SozR 3-4100 § 91 Nr 1; BSGE 72, 158, 159 = SozR 3-1500 § 67 Nr 7).
Die schriftliche Zustimmungserklärung des Rechtsmittelklägers ist der Revisionsschrift beigefügt, wenn der Revisionsführer die ihm vom Rechtsmittelgegner per Telefax übermittelte Zustimmungserklärung dem Revisionsgericht im Original vorlegt (BSG SozR 3-1500 § 161 Nr 10). Nichts anderes kann in den Fällen gelten, in denen der Revisionsführer – wie hier der Kläger – dem Gericht die ihm vorliegende Zustimmungserklärung des Rechtsmittelgegners per Telefax, also als Telekopie vom Original, übermittelt. Der für die Zulässigkeit fristwahrender Schriftsätze per Telefax angeführte Grund, nämlich unter Berücksichtigung der Möglichkeiten neuer Nachrichtentechnik die Ausschöpfung der Rechtsmittelfristen zu ermöglichen, gilt auch hier. Demgegenüber erfordert die rechtliche Tragweite der Zustimmungserklärung sowie die Erfordernisse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit keine andere Beurteilung. Im Hinblick darauf, daß mit der Zustimmung zur Sprungrevision auf das Rechtsmittel der Berufung und auf die Möglichkeit, Verfahrensmängel zu rügen, verzichtet wird (§ 161 Abs 4 und 5 SGG), muß im Rahmen des Möglichen jeder Zweifel darüber ausgeschlossen werden, daß der Prozeßgegner die Erklärung tatsächlich abgegeben hat und für ihren Inhalt die Verantwortung übernimmt. Deswegen werden an die Zustimmungserklärung generell dieselben formalen Anforderungen gestellt, die für die Rechtsmittelschrift selber und andere bestimmende Schriftsätze zu beachten sind (vgl zuletzt BSG Urteil vom 19. November 1996 – 1 RK 8/96 – = SozR 3-1500 § 161 Nr 11). Nachdem die Vorlage der Revisionsschrift selbst per Telefax zulässig ist, besteht kein Grund, diesen Übermittlungsweg nicht auch für die Zustimmungserklärung des Gegners zuzulassen. Darüber hinausgehender Anforderungen zum Schutz des Rechtsmittelgegners bedarf es auch deshalb nicht, weil, anders als möglicherweise bei der Vorlage einer Prozeßvollmacht durch einen Prozeßbevollmächtigten (zum im Gegensatz zu § 161 Abs 1 SGG durch § 73 Abs 2 Satz 1 SGG gebotenen Ausschluß der Vorlage einer Prozeßvollmacht in Telekopie: BSG SozR 3-1500 § 161 Nr 10 mwN), der betroffene Rechtsmittelgegner nach Einlegung der Sprungrevision erfährt, daß diese mit seiner Zustimmung eingelegt worden ist.
Die Revision des Klägers ist indessen nicht begründet. Dabei kann offenbleiben, ob die von ihm in entsprechender Anwendung des § 131 Abs 1 Satz 3 SGG erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage bei Verwaltungsakten, die sich wie hier vor Klageerhebung erledigt haben, statthaft ist (bejahend Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, § 131 RdNr 9; Behn, SozVers 1996, 144 ff; Pawlak in Hennig, SGG, § 131 RdNr 59; aM: Bley in SozVers GesKomm, § 131 SGG Anm 4d; Peters/Sautter/Wolff, Komm zur Sozialgerichtsbarkeit, § 131 Anm 3); jedenfalls fehlte es entgegen der Auffassung des SG an dem erforderlichen Feststellungsinteresse. Der Senat hat bereits im Urteil vom 20. September 1995 (- 6 RKa 37/94 – SozR 3-5525 § 32b Nr 1) entschieden, daß in Fällen der vorliegenden Art weder unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr noch unter demjenigen der Klärung weitergehender Folgeansprüche ein Feststellungsinteresse bejaht werden kann, weil es für die Entscheidung über die Genehmigung der Anstellung eines Arztes gem § 32b Ärzte-ZV immer auf die Umstände des einzelnen Falles ankommt. Der Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem SG, nunmehr bestünde die Möglichkeit einer Anstellung der ursprünglich in Betracht gezogenen Ärztin, kann ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ebenfalls nicht rechtfertigen. Nach Erledigung des ursprünglichen Verwaltungsaktes bedarf es für die Genehmigung der Anstellung eines Arztes eines neuen Antrags. Bei der Entscheidung hierüber können andere Gründe für die Versagung der Genehmigung in Betracht kommen als bei dem früheren Antrag.
Ungeachtet dessen hätte die Revision auch in der Sache keinen Erfolg haben können; denn in der vertragsärztlichen Praxis dürfen nur solche Ärzte angestellt werden, die dieselbe Gebietsbezeichnung führen wie der Praxisinhaber, wie der Senat bereits entschieden hat (Urteile vom 19. Juni 1996 (- 6 RKa 84/95 – BSGE 78, 291 = SozR 3-5520 § 32b Nr 2 und – 6 RKa 74/95 –).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
NJW 1998, 1813 |
JurBüro 1999, 280 |
RDV 1998, 113 |
SozR 3-1300 § 16, Nr.2 |
SozSi 1998, 113 |