Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung. Überschreitung des Vergleichsgruppendurchschnitts. offensichtliches Mißverhältnis. Honorarkürzung. "Beratung vor Kürzung"
Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagter und Revisionskläger |
Tatbestand
Der seit 1969 als Arzt für innere Medizin zur kassenärztlichen Versorgung zugelassene Kläger wendet sich gegen die Kürzung seines kassenärztlichen Honorars für Besuchs- und Beratungsleistungen im Quartal IV/90. In diesem Quartal behandelte er etwa doppelt so viele Patienten wie der Durchschnitt der Gebietsgruppe, sein Rentneranteil war leicht unterdurchschnittlich, und beim Gesamtfallwert überschritt er den Durchschnitt der Gebietsgruppe um ca 9 %. Seine Honorarforderung für Besuche mit anteiligem Wegegeld überschritt den Durchschnitt der Gebietsgruppe um 105 %, und der Ansatz der Beratungsleistung nach Nr 1 des Bewertungsmaßstabes für kassenärztliche Leistungen (BMÄ) überschritt den Durchschnitt um 240 %. Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers gegen die vom Prüfungsausschuß festgesetzte Kürzung des Honorars für Besuche um 10 % und für Beratungsleistungen nach Nr 1 BMÄ auf eine Überschreitung von 100 % des Vergleichsgruppendurchschnitts zurück. Er berücksichtigte bei seiner Entscheidung, daß der Kläger überwiegend hausärztlich tätig ist, und verglich ihn mit den 46 im Bezirk der zu 4) beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) ebenfalls hausärztlich tätigen Internisten, wobei er zu dieser Untergruppe alle Internisten rechnete, die weniger als 5 % Überweisungsfälle aufwiesen. Bei dem Vergleich mit der verfeinerten Vergleichsgruppe ergaben sich Überschreitungen bei den Besuchen um 50 % und bei der Ansatzhäufigkeit der Nr 1 BMÄ um 187 %. Obwohl der Kläger zuletzt im Quartal II/84 von einer Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise betroffen worden war, hielt der Beklagte einen Hinweis oder eine Beratung vor Festsetzung einer Honorarkürzung nicht für erforderlich, weil durch die belassenen Restüberschreitungen von 85 % bei den Besuchen und 100 % beim Ansatz der Nr 1 BMÄ den berechtigten Belangen des Klägers ausreichend Rechnung getragen worden sei (Bescheid vom 3. September 1992).
Während das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen hat (Urteil vom 14. Juli 1993), hat das Landessozialgericht (LSG) auf die Berufung des Klägers die Bescheide des Beklagten und des Prüfungsausschusses aufgehoben. Beide Entscheidungen seien rechtswidrig, weil ihnen entgegen der gesetzlichen Regelung in § 106 Abs 5 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) keine gezielte Beratung vorangegangen sei. Auch der Bescheid des Prüfungsausschusses habe aufgehoben werden müssen, weil er wegen eines Verstoßes gegen diese Bestimmung nicht hätte ergehen dürfen (Urteil vom 20. April 1995, veröffentlicht in MedR 1996, 336).
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte, das LSG habe zu Unrecht auch den Bescheid des Prüfungsausschusses aufgehoben. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung von Entscheidungen der Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung allein der das Verfahren abschließende Bescheid des Beschwerdeausschusses. Im übrigen sei in der Rechtsprechung des BSG geklärt, daß bei Überschreitungen im Bereich des offensichtlichen Mißverhältnisses aus § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V nicht abzuleiten sei, daß Honorarkürzungen nur dann rechtmäßig seien, wenn die Prüfgremien den betroffenen Arzt in vorangegangenen Quartalen iS dieser Vorschriften "beraten" hätten.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. April 1995 abzuändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 14. Juli 1993 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend, weil sich aus der Regelung in § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V ergebe, daß gezielte Beratungen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen sollen. Diese Vorschrift könne nicht so verstanden werden, daß den Prüfgremien ein freies Ermessen dahin eingeräumt worden sei, ob sie vor Festsetzung einer Kürzungsmaßnahme den Arzt beraten wollten oder nicht. Allenfalls in atypischen Fallkonstellationen könne auf eine Beratung verzichtet werden, etwa wenn die Prüfgremien den Eindruck hätten, der betroffene Arzt handele bewußt und gezielt unwirtschaftlich. Das sei bei ihm - dem Kläger - jedoch offensichtlich nicht der Fall.
Die Beigeladene zu 1) schließt sich dem Vorbringen des Beklagten an.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das LSG hat das klageabweisende Urteil des SG zu Unrecht aufgehoben.
Das Urteil des LSG kann zunächst insoweit keinen Bestand haben, als es nicht nur den Bescheid des Beklagten vom 3. September 1992, sondern auch den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 16. Dezember 1991 aufgehoben hat. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats beschränkt sich bei Entscheidungen in Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung die gerichtliche Kontrolle grundsätzlich auf den das Verwaltungsverfahren abschließenden Bescheid des Beschwerdeausschusses. Der Beschwerdeausschuß wird mit seiner Anrufung gemäß § 106 Abs 5 Satz 4 SGB V für das weitere Prüfverfahren, ggf auch für dessen Wiederholung nach einer erfolgreichen gerichtlichen Anfechtung, ausschließlich und endgültig zuständig. Sein Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt des Prüfungsausschusses, der abweichend von § 95 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Fall der Klageerhebung nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens wird. Eine dennoch gegen diesen Bescheid erhobene Klage ist unzulässig (s dazu BSGE 74, 59, 60 = SozR 3-2500 § 106 Nr 22; BSGE 75, 220, 221 = SozR 3-2500 § 106 Nr 24; BSGE 76, 53 ff = SozR 3-2500 § 106 Nr 26).
Von dem genannten Grundsatz sind in der bisherigen Rechtsprechung des Senats und des zeitweise für das Kassenzahnarztrecht zuständig gewesenen 14a-Senats des BSG allerdings Ausnahmen für den Fall zugelassen worden, daß der Bescheid des Prüfungsausschusses wegen formaler Mängel des Verwaltungsverfahrens vom Beschwerdeausschuß ohne Prüfung in der Sache hätte aufgehoben werden müssen (BSGE 60, 69, 74 = SozR 2200 § 368n Nr 42 S 142 f; vgl auch BSGE 72, 214, 221 = SozR 3-1300 § 35 Nr 5 S 12). In seinem Urteil vom 20. September 1995 - 6 RKa 63/94 - (nicht veröffentlicht) hat der Senat offengelassen, ob daran im Hinblick auf die damit verbundenen Unklarheiten, ob und ggf in welcher Weise der Prüfungsausschuß in das Verfahren einzubeziehen ist, in Zukunft festgehalten werden kann. Dies bedarf auch im vorliegenden Rechtsstreit keiner Entscheidung. Welchen Einfluß das Unterbleiben einer gezielten Beratung vor Festsetzung einer Honorarkürzung auf die Rechtmäßigkeit von Kürzungsentscheidungen hat, hängt schon nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung ("sollen ... in der Regel ...") maßgeblich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer generellen Festlegung. Mit der Behauptung, in einem bestimmten Einzelfall hätte eine gezielte Beratung einer Honorarkürzung vorausgehen müssen, wird deshalb schon im Ansatz kein formaler Mangel des Prüfverfahrens iS der Rechtsprechung vor allem des früheren 14a-Senats bezeichnet, der es ausnahmsweise rechtfertigen könnte, einen Bescheid des Prüfungsausschusses zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens zu machen.
Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist entgegen der Rechtsauffassung des LSG nicht deshalb rechtswidrig, weil der Honorarkürzung keine "gezielte Beratung" des Klägers iS des § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V vorangegangen ist. Der Senat hat bereits im Urteil vom 9. März 1994 - 6 RKa 17/92 - (nicht veröffentlicht) ausgesprochen, dieser Vorschrift könne nicht entnommen werden, daß bei Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts im Bereich des offensichtlichen Mißverhältnisses Honorarkürzungen erst nach vorherigen gezielten Beratungen des Arztes erfolgen dürften, weil anderenfalls Honorarkürzungen bei festgestellter unwirtschaftlicher Behandlungsweise eines Kassenarztes von zusätzlichen, in § 106 SGB V nicht vorgesehenen Voraussetzungen abhängig gemacht würden. Der Senat hat dabei auf seine zu § 14 des Arzt/Ersatzkassenvertrages vom 20. Juli 1963 ergangene Entscheidung vom 27. April 1982 - 6 RKa 4/79 - (USK 82178) Bezug genommen, in der ausgeführt worden ist, daß jedenfalls bei Vorliegen eines offensichtlichen Mißverhältnis eine "Abmahnung" des betroffenen Vertragsarztes hinsichtlich der einzelnen Fallüberschreitungen nicht erforderlich sei, weil dieses Mißverhältnis so sehr ins Auge falle, daß der Arzt es entweder erkannt haben müsse oder hätte erkennen müssen. Lediglich für den Fall, daß Kürzungsmaßnahmen bei Überschreitungen unterhalb der Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis vorgenommen werden sollen, hat der Senat erwogen, ob der Honorarkürzung ein entsprechender Hinweis an den Arzt hätte vorausgehen müssen. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.
Die Vorschrift des § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V ist im Verlaufe der Beratungen im Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung in das Gesundheits-Reformgesetz (GRG) eingefügt worden, wobei in den veröffentlichen Materialien keine Hinweise auf die Vorstellungen des Gesetzgebers über den Regelungsbereich der Vorschrift zu finden sind. Die ursprüngliche Fassung des § 114 SGB V idF des Gesetzentwurfs der Fraktionen von CDU, CSU und FDP (BT-Drucks 11/2237, S 40) enthielt die entsprechende Fassung des Abs 5 noch nicht; sie findet sich erstmals in dem Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlüsse des Arbeits- und Sozialausschusses des Deutschen Bundestages (BT-Drucks 11/3320, S 70), ohne daß sich aus dem Ausschußbericht eine Begründung ergibt (BT-Drucks 11/3480, S 60). Dem Wortlaut des § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V ist ein genereller Grundsatz, wonach jeder Honorarkürzung oder jedem Arzneikostenregreß eine gezielte Beratung iS eines Rechtmäßigkeitserfordernisses vorauszugehen habe, nicht zu entnehmen (aA Schroeder-Printzen, BKK 1989, 495, 498). Dagegen spricht schon, daß nach der Formulierung des Gesetzes gezielte Beratungen weiteren Maßnahmen vorangehen "sollen" und dies nur "in der Regel" zu gelten hat. Diese Wendungen deuten darauf hin, daß die Prüfgremien angehalten werden sollten, einzelfallbezogen zu überprüfen, ob dem gesetzgeberischen Ziel einer effektiven Überwachung der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung (§ 106 Abs 1 SGB V) durch eine zielgerichtete Beratung des betroffenen Vertragsarztes hinreichend Rechnung getragen werden kann oder ob den Arzt stärker belastende Maßnahmen erforderlich sind. Zugleich ist verbindlich klargestellt worden, daß die Prüfgremien berechtigt sind, gezielte Beratungshinweise zu beschließen, und darin nicht von vornherein unzulässige Eingriffe in die ärztliche Therapiefreiheit gesehen werden können. Dagegen kann der Vorschrift nichts dafür entnommen werden, daß eine Honorarkürzung oder ein Arzneikostenregreß nur dann rechtmäßig sind, wenn für die geprüften oder vorangegangenen Quartale eine "gezielte Beratung" erfolgt ist.
Gegen ein solches Verständnis des Gesetzes spricht bereits, daß nicht erkennbar ist, wie die Annahme, eine Honorarkürzung sei nur rechtmäßig, wenn ihr eine gezielte Beratung vorangegangen ist, in der Praxis der Wirtschaftlichkeitsprüfung umgesetzt werden könnte. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, ob dem Vorrang der Beratung nur durch einen formell beschlossenen Beratungshinweis des Prüfungsausschusses genügt ist oder ob es ausreicht, wenn die KÄV den betroffenen Arzt formlos auf Bedenken gegen die Wirtschaftlichkeit einer bestimmten Abrechnungsweise aufmerksam gemacht hat. Unklar ist weiterhin, wie die Rechtmäßigkeit von Kürzungsbescheiden zu beurteilen ist, wenn bei relativ konstantem Abrechnungsverhalten eines Arztes der Prüfungsausschuß die Behandlungsweise für einige Vorquartale als unwirtschaftlich angesehen hat, während er für spätere Quartale - möglicherweise nach einem Wechsel in der Person des Vorsitzenden, der im Jahresturnus wechselnd von den Vertretern der Ärzte und der Krankenkassen gestellt wird und dessen Stimme bei Stimmengleichheit den Ausschlag gibt (§ 106 Abs 4 Satz 4 SGB V) - keinen Anlaß für Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung gesehen hat. Ob für zukünftige Quartale dem Beratungserfordernis durch die länger zurückliegenden Entscheidungen noch genügt ist oder ob der Prüfungsausschuß zunächst nur einen formellen Beratungshinweis erlassen dürfte, wird sich kaum generell beantworten lassen. Offen ist ferner, wie der strikte Vorrang der Beratung vor Kürzungsmaßnahmen im Verhältnis von Prüfungs- und Beschwerdeausschuß verwirklicht werden könnte. Zweifel bestehen, ob dem Beratungserfordernis durch eine den Arzt belastende Entscheidung des Prüfungsausschusses zu Vorquartalen auch dann hinreichend entsprochen worden ist, wenn diese Entscheidung bei dem Beschwerdeausschuß keinen Bestand hatte, oder ob der Beschwerdeausschuß zunächst seinerseits nur einen Beratungshinweis erlassen könnte, wenn er für spätere Quartale von Unwirtschaftlichkeit ausgeht. Kaum befriedigend lösbar erscheinen schließlich Konstellationen, in denen Kürzungsbescheide für länger zurückliegende Quartale im gerichtlichen Verfahren aufgehoben werden, die Prüfgremien aber für spätere Quartale vor Erlaß der gerichtlichen Entscheidung eine Beratung im Hinblick auf die früher schon von ihnen festgesetzten Kürzungen nicht mehr für notwendig gehalten haben. Insoweit würde sich die Frage stellen, ob mit der gerichtlichen Aufhebung einer Honorarkürzung auch die mit dieser stets verbundene Beratungswirkung entfällt, so daß Kürzungsbescheide für Folgequartale wiederum allein wegen des Fehlens einer gezielten Beratung aus formellen Gründen aufgehoben werden müßten. Es ist auszuschließen, daß mit der Einführung der Regelung des § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V die Praxis der Wirtschaftlichkeitsprüfung in der dargestellten Weise kompliziert und mit formellen Problemen zusätzlich belastet werden sollte.
Eine andere Auslegung dieser Vorschrift müßte überdies mit der das gesamte Vertragsarztrecht prägenden Regelung in § 12 Abs 1 SGB V kollidieren, wonach die Versicherten Leistungen, die nicht wirtschaftlich sind, nicht beanspruchen können und Leistungserbringer solche Leistungen nicht bewirken dürfen (vgl auch § 2 Abs 1, § 70 Abs 1 und § 72 Abs 2 SGB V). Der Gesetzgeber, der die arztgruppenbezogene Prüfung ärztlicher Leistungen nach Durchschnittswerten als Regelprüfmethode ausdrücklich normiert hat (vgl BSGE 76, 53, 54 = SozR 3-2500 § 106 Nr 26), hat den Prüfgremien nicht die Möglichkeit nehmen wollen, die Honorarforderung eines Vertragsarztes auf das Maß des Wirtschaftlichen zurückzuführen, wenn die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebende Pflicht zur Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes noch nicht Gegenstand einer auf bestimmte ärztliche Leistungen oder eine bestimmte Leistungssparte bezogenen ausdrücklichen "Beratung" des betroffenen Arztes gewesen ist. Die abweichende Auslegung des § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V durch das Berufungsgericht kann auch deshalb nicht zutreffen, weil sie zur Folge hätte, daß in den ersten Quartalen der Tätigkeit eines neu zugelassenen Vertragsarztes unabhängig von der Höhe der Überschreitung der Vergleichswerte stets nur Beratungshinweise gegeben werden dürften. Es unterliegt aber keinem Zweifel, daß jeder Vertragsarzt von Beginn seiner Tätigkeit an das Wirtschaftlichkeitsgebot zwingend zu beachten hat (vgl zur Berücksichtigung des Umstandes der Neuzulassung im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung BSGE 63, 6, 8 f = SozR 2200 § 368n Nr 52 S 179 f). Fraglich wäre auch, ob das Honorar eines Arztes, der schon mehrfach wegen Unwirtschaftlichkeit in einer bestimmten Leistungssparte mit Kürzungen belegt worden war, in einer anderen Sparte gekürzt werden kann, wenn insoweit noch keine ausdrückliche "gezielte" Beratung erfolgt ist. Bei unwirtschaftlicher Abrechnung einzelner Leistungspositionen der Vertragsgebührenordnungen stellen sich diese Probleme noch schärfer. Hier kann die Annahme einer strikten Vorrangigkeit einer auf die konkrete Durchschnittsüberschreitung bezogenen Beratung vor einer Honorarkürzung dazu führen, daß eine effektive Wirtschaftlichkeitsprüfung kaum noch durchführbar wäre, was der Zielsetzung des § 106 SGB V zuwiderlaufen würde.
Der Beklagte hat im übrigen in seiner Entscheidung erkennen lassen, daß er sich der Möglichkeit der Erteilung eines gezielten Beratungshinweises bewußt war, und hat im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums rechtsfehlerfrei angenommen, bei Überschreitungen deutlich oberhalb der Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis sei eine Honorarkürzung geboten und eine Beratung nicht ausreichend. Entgegen der Auffassung des Klägers steht der Rechtmäßigkeit der Honorarkürzung nicht entgegen, daß der Beklagte bei vergleichbaren Abrechnungswerten in den dem hier streitbefangenen Quartal IV/90 vorangehenden Quartalen keine Honorarkürzung festgesetzt hat. Nach § 106 Abs 5 SGB V in der insoweit maßgeblichen Fassung des GRG wurden die Prüfgremien nur auf Antrag der Krankenkasse oder der KÄV tätig. Die Beschwerdeausschüsse sind wiederum nur zur Entscheidung berufen, wenn sie von den betroffenen Ärzten, der Krankenkasse, den betroffenen Landesverbänden oder der KÄV angerufen werden (§ 106 Satz 4 SGB V). Da die Entscheidungsgremien auf ihre Befassung keinen Einfluß haben, kann aus der Tatsache, daß für bestimmte Quartale keine Kürzungsmaßnahmen festgesetzt worden sind, nicht auf eine Selbstbindung der Prüfgremien in dem Sinne geschlossen werden, daß sie bestimmte Abrechnungsergebnisse eines Vertragsarztes (noch) für wirtschaftlich halten. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, daß der Beklagte Gelegenheit hatte, zur Wirtschaftlichkeit des Abrechnungsverhaltens des Klägers insbesondere im Bereich der Besuche und der Beratungsleistungen in Quartalen vor IV/90 Stellung zu nehmen, so daß es für ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers darauf, sein Honorar werde nicht wegen unwirtschaftlicher Abrechnungsweise gekürzt werden, keine Grundlage gibt.
Im übrigen weist der angefochtene Bescheid des Beklagten keine Rechtsfehler auf. Der Prüfantrag des Krankenkassenverbandes Koblenz an die Geschäftsstelle der Prüfeinrichtungen vom 10. Juni 1991 hat ausdrücklich zum Gegenstand, "die Arztabrechnung für das vierte Kalendervierteljahr 1990 zu prüfen". An einer Kürzung des Honorars für Beratungen nach Nr 1 BMÄ ist der Beklagte nicht deswegen gehindert, weil in dem Prüfantrag nicht ausdrücklich eine Honorarminderung speziell bei dieser Leistungsposition gefordert worden ist. Durch den Prüfantrag des Krankenkassenverbandes ist der Prüfungsausschuß berechtigt und verpflichtet worden, insgesamt zu prüfen, ob die Behandlungsweise des Klägers, wie sie in seiner Honorarabrechnung dokumentiert ist, dem Gebot der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung hinreichend entsprochen hat.
Den Besonderheiten der Praxis des überwiegend hausärztlich tätigen Klägers ist dadurch Rechnung getragen worden, daß der Beklagte ihn mit der Gruppe der ebenfalls hausärztlich tätigen Internisten verglichen hat. Auch diese Prüfung anhand der Abrechnungswerte einer verfeinerten Vergleichsgruppe hat Überschreitungen oberhalb der Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis gezeigt. Um dem Vorbringen des Klägers hinsichtlich der besonderen Ausrichtung seiner Praxis nachzukommen, hat der Beklagte schließlich noch berechnet, wie sich die Abrechnungswerte bei den Besuchen einschließlich Wegegebühren des Klägers einerseits und der im Umkreis seiner Praxis in Betzdorf tätigen praktischen Ärzte und Ärzte für Allgemeinmedizin andererseits zueinander verhalten. Wenn sich dabei ergeben hat, daß der Kläger die Durchschnittswerte dieser Ärzte bei den Besuchen um 86,2 % überschreitet, ist dies ein weiteres Indiz dafür, daß der Kläger insoweit tatsächlich unwirtschaftlich gehandelt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
AusR 1997, 13 |
SozSi 1997, 119 |