Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 19.03.1996) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. März 1996 aufgehoben, soweit es den Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit betrifft.
Insoweit wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Streitig ist die Gewährung von Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit (BU).
Der 1952 geborene Kläger begann im Jahre 1966 eine Maurerlehre, die er jedoch nicht abschloß. Nachdem er nach seinen Angaben bei den amerikanischen Streitkräften beschäftigt gewesen war, nahm er an einem vom 28. Oktober bis zum 10. Dezember 1974 dauernden Schweißerlehrgang teil und bestand die Abschlußprüfung im Lichtbogenschweißen. Anschließend war er bis 1979 als Schweißer beschäftigt. Bis zur Aufnahme einer Tätigkeit als Landschaftsgärtner im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungs-Maßnahme im Jahre 1987 war er nur gelegentlich beschäftigt. Seit Beendigung dieser Maßnahme im Jahre 1988 ist der Kläger arbeitslos.
Den im Oktober 1990 gestellten Antrag des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 30. Oktober 1991 mit der Begründung ab, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nicht gegeben, auch sei der Kläger weder berufs- noch erwerbsunfähig. Nachdem die Beklagte im Widerspruchsverfahren verschiedene medizinische Gutachten (ua aufgrund stationärer Untersuchung) eingeholt hatte, wies sie den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 1992 zurück.
Das Sozialgericht Heilbronn (SG) hat die vom Kläger erhobene Klage nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens durch Urteil vom 19. Mai 1994 abgewiesen. Es hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente (EU-Rente), nämlich die Erfüllung der Wartezeit von 60 Kalendermonaten und die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung iS des § 1247 Abs 2a Reichsversicherungsordnung (RVO) seien nach den Feststellungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid erfüllt. Der Kläger sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aber nicht erwerbsunfähig; nach übereinstimmender, die Kammer überzeugender Beurteilung fast aller im Verwaltungsverfahren gehörten Gutachter und des im gerichtlichen Verfahren tätig gewordenen Sachverständigen sei ihm noch eine vollschichtige Arbeitsleistung möglich. Da der Kläger einen Beruf nicht erlernt habe und auch die angelernte Tätigkeit des Schweißers nicht aus zwingenden gesundheitlichen Gründen aufgegeben habe, sei er auf den allgemeinen Arbeitsmarkt breit verweisbar. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß von einem funktionierenden Arbeitsmarkt für breit verweisbare und vollschichtig einsatzfähige Versicherte auszugehen sei, gelte nur dann, wenn die Einschränkungen der Einsatzfähigkeit so erheblich seien, daß von vornherein Zweifel daran bestünden, ob der Versicherte überhaupt in einem Betrieb einsetzbar sei. Dies sei bei dem Kläger nicht der Fall. Auch nach § 44 Abs 2 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) habe der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen EU, da er noch vollschichtig leichte Männerarbeit verrichten könne.
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) hat die Berufung des Klägers durch Urteil vom 19. März 1996 zurückgewiesen und dies im wesentlichen so begründet: Das SG habe zu Recht entschieden, daß dem Kläger die beanspruchte Rente wegen EU bzw BU nicht zustehe. Der Senat erachte diese Entscheidung für zutreffend und umfassend begründet. Das SG habe den rechtserheblichen Sachverhalt umfassend dargestellt, in den Entscheidungsgründen die §§ 1246, 1247 RVO iVm § 300 Abs 1 SGB VI als die Rechtsgrundlagen für einen möglichen Rentenanspruch erörtert und das Beweisergebnis zutreffend gewürdigt. Daraus ergebe sich, daß das SG im Hinblick auf das Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme zutreffend davon ausgegangen sei, daß der Kläger trotz der bei ihm vorhandenen Gesundheitsstörungen und der hieraus resultierenden Leistungseinschränkungen noch körperlich leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten könne und damit bei dem „einfach angelernten” Kläger noch keine BU und somit erst recht keine EU bestehe. Der Senat schließe sich der Beweiswürdigung des SG an, die ausführlich und zutreffend begründet sei. Die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme habe insgesamt die erstinstanzliche Entscheidung voll bestätigt; der Senat beziehe sich daher vollinhaltlich auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und mache sie gemäß § 153 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum Gegenstand seiner Entscheidung.
Der erkennende Senat hat die Revision gegen das Urteil des LSG zugelassen, soweit es die Gewährung von BU-Rente betrifft. Mit seiner auf diesen Gegenstand beschränkten Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 1246 RVO bzw des § 43 SGB VI sowie der §§ 103, 106 SGG. Das LSG habe seinen „bisherigen Beruf” nicht festgestellt. Da dieser aber nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) Ausgangspunkt für die Beurteilung der BU sei (Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 107, 169), habe das LSG § 1246 RVO bzw § 43 SGB VI unrichtig angewandt, indem es offengelassen habe, von welchem bisherigen Beruf es ausgegangen sei. Da andererseits im Tatbestand festgestellt werde, er sei jahrelang bis 1979 als Schweißer tätig gewesen und habe sogar eine Abschlußprüfung im Lichtbogenschweißen abgelegt, sei er nach dem Mehrstufenschema als Facharbeiter einzustufen. Das LSG habe jedenfalls nicht festgestellt, daß er sich von diesem Facharbeiterberuf gelöst habe; entgegen der ständigen Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn 13, 14, 21) habe es auch nicht festgestellt, wie er in seinem bisherigen Beruf tarifvertraglich eingestuft gewesen sei, obwohl dies das entscheidende Kriterium für die Beurteilung des bisherigen Berufs und damit der BU sei. Insoweit liege eine Abweichung von der genannten Rechtsprechung des BSG und auch eine Verletzung der §§ 103, 106 SGG vor.
Hätte ihn das LSG seiner tarifvertraglichen Entlohnung entsprechend eingestuft, hätte es ihn der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters zuordnen und ihm mangels einer zumutbaren Verweisungstätigkeit die BU-Rente zusprechen müssen. Zumindest aber hätte es ihn nach der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf SozR 2200 § 1246 Nr 109; BSGE 59, 201 = SozR 2200 § 1246 Nr 132; SozR 2200 § 1246 Nr 143) dem oberen Bereich der Angelernten zuordnen und ihm so auch einen konkreten Verweisungsberuf benennen müssen. Entgegen dieser Rechtsprechung habe das LSG indes keinerlei Feststellung getroffen, ob er dem unteren oder dem oberen Bereich der Angelernten zuzuordnen sei, sondern lediglich festgestellt, er sei „einfach angelernt”; damit habe es die Rechtsprechung des BSG der letzten Jahre mißachtet bzw nicht zur Kenntnis genommen. Das Urteil beruhe auf dieser Abweichung, denn das LSG hätte keinen zumutbaren Verweisungsberuf nennen können.
Vorsorglich werde außerdem die Abweichung von der ständigen neueren Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 8) gerügt, nach der das Leistungsvermögen und die Umsetzungsfähigkeit an den konkreten Bedingungen des Arbeitsmarktes zu messen seien; dies habe das LSG nicht getan, sondern seine Entscheidung auf die pauschale Behauptung gestützt, er könne noch körperlich leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten.
Durch die Verweisung auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils nach § 153 Abs 2 SGG werde die Verletzung der Amtsermittlungspflicht nicht geheilt, weil das SG über BU-Rente überhaupt nicht entschieden habe; das Urteil enthalte lediglich Ausführungen zur EU-Rente. Vorsorglich werde als Verfahrensfehler gerügt, daß das Berufungsurteil nicht hinreichend mit Gründen versehen sei und gegen § 153 Abs 2 SGG verstoße.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Abänderung der Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. März 1996 und des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. Mai 1994 sowie des Bescheides vom 30. Oktober 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 1992 zu verurteilen, ihm Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. März 1996 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen, soweit es die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit betrifft.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist iS der teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet, soweit es die Gewährung von BU-Rente betrifft.
Das Berufungsurteil enthält – wie der Kläger zutreffend gerügt hat – hinsichtlich des streitigen Anspruchs auf Gewährung von BU-Rente iS von § 136 Abs 1 Nr 6 SGG keine Entscheidungsgründe und damit einen wesentlichen Verfahrensmangel. Ein solcher ist gegeben, wenn sich aus dem Urteil, in dem das Vorliegen eines geltend gemachten Anspruchs verneint wird, nicht ergibt, weshalb die Voraussetzungen für die begehrte Leistung nicht vorliegen (vgl BSG SozR 1500 § 136 Nrn 1, 2; SozR 2200 § 1246 Nr 152; Urteil vom 21. Juli 1992 – 4 RA 37/91). Das LSG hat in seinem Urteil vom 19. März 1996 einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Rente wegen EU oder BU abgelehnt, ohne daß sich aus seiner Entscheidung ergibt, inwiefern die Anspruchsvoraussetzungen für die geltend gemachte BU-Rente fehlen.
Berufsunfähig ist nach dem hier gemäß § 300 Abs 2 SGB VI anzuwendenden § 1246 Abs 2 RVO ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Welche dieser Voraussetzungen bei dem Kläger aus welchem Grunde nicht gegeben sind, ist dem Berufungsurteil nicht hinreichend deutlich zu entnehmen. Zwar ist es nicht in jedem Fall erforderlich, bei der Erörterung eines Anspruchs auf BU-Rente sämtliche Tatbestandsmerkmale in der Ausformung, die sie durch die Rechtsprechung gefunden haben, ausführlich abzuhandeln, auch wenn an ihrem Vorliegen oder Nichtvorliegen kein ernsthafter Zweifel bestehen kann. Bei einfachen Sachverhalten und klarer Rechtslage mag mithin gelegentlich ein einziger Satz zur Begründung ausreichen. Ist jedoch – wie hier – bereits die Berufsbiographie des Versicherten wechselhaft und unklar und liegen erhebliche Leistungseinschränkungen vor, ist regelmäßig neben der Würdigung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit eine eingehende Erörterung des bisherigen Berufs und dessen Wertigkeit sowie ggf der in Betracht kommenden Verweisungstätigkeiten notwendig, um nachvollziehbar darzulegen, aus welchen Gründen der Anspruch auf BU-Rente gegeben ist oder nicht.
Das LSG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils in erster Linie ausgeführt, das SG habe zu Recht entschieden, daß dem Kläger ua die beanspruchte BU-Rente nicht zustehe, und sich insoweit „vollinhaltlich” auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils bezogen sowie diese gemäß § 153 Abs 2 SGG zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht. Diese Verweisung ist hier jedoch nicht geeignet, die Entscheidungsgründe iS des § 136 Abs 1 Nr 6 SGG zu ersetzen.
Die Bezugnahme auf die Erwägungen des SG geht fehl, denn dieses Gericht hat in seinem Urteil vom 19. Mai 1994 über den Anspruch des Klägers auf BU-Rente nicht entschieden: Bereits im Einleitungssatz wird dort als streitig lediglich die Frage genannt, ob der Kläger Anspruch auf EU-Rente hat. Als Klageantrag des im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Klägers wird im Tatbestand lediglich die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von EU-Rente aufgeführt. In den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils werden als mögliche Anspruchsgrundlagen nur die den Anspruch auf EU-Rente regelnden Vorschriften (§ 1247 RVO bzw § 44 SGB VI) zitiert. Im gesamten Urteilstext werden nur die Begriffe „erwerbsunfähig” und „Erwerbsunfähigkeit” verwandt und das Vorliegen ihrer Voraussetzungen aufgrund der vom SG festgestellten vollschichtigen Leistungsfähigkeit verneint. Von BU ist an keiner Stelle die Rede.
Wenn dort im Anschluß an die Erörterung des Leistungsvermögens dargelegt wird, der Kläger sei auf den allgemeinen Arbeitsmarkt „breit verweisbar”, da er einen Beruf nicht erlernt und auch die angelernte Tätigkeit des Schweißers nicht aus zwingenden gesundheitlichen Gründen aufgegeben habe, so kann dies nur als Teil der Erörterung des EU-Anspruchs angesehen werden. Zwar handelt es sich bei den damit angeschnittenen Fragen des Berufsschutzes und der sozialen Zumutbarkeit von Verweisungstätigkeiten um Gesichtspunkte, die nicht für den vom SG behandelten Anspruch auf EU-Rente, sondern nur im Rahmen der Prüfung von BU Bedeutung haben. Die vom LSG vorgenommene pauschale Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils ist jedoch nicht geeignet, den betreffenden Satz aus dem Begründungszusammenhang, in welchem er vom SG verwandt worden ist, herauszulösen und ihn zur Stützung der vom LSG ausgesprochenen Verneinung von BU heranzuziehen. Es kann nicht dem Sinn und Zweck der in § 153 Abs 2 SGG vorgesehenen Möglichkeit einer Verweisung auf die Begründung der Entscheidung erster Instanz entsprechen, daß der Leser regelrecht gezwungen wird, aus den insgesamt nicht passenden Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils einzelne – möglicherweise aus ihrem Zusammenhang zu reißende – Sätze herauszusuchen, die geeignet sein könnten, im Berufungsurteil als tragfähige Begründungselemente zu dienen.
Die eigenen Ausführungen des LSG zu der vermeintlichen Erörterung eines Anspruchs des Klägers auf BU-Rente im erstinstanzlichen Urteil reichen nicht aus, um als Entscheidungsgründe im oben dargelegten Sinne zu gelten. Die hierfür allein in Betracht zu ziehende Aussage im Berufungsurteil, das SG sei zutreffend davon ausgegangen, daß das bei dem Kläger noch vorhandene Leistungsvermögen in wesentlichem Umfang für körperlich leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bei vollschichtiger Einsatzfähigkeit erhalten sei und damit bei dem „einfach angelernten” Kläger noch keine BU bestehe, ist zu pauschal und unvollständig, um nachprüfbar erkennen zu lassen, welche gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf die begehrte BU-Rente fehlen. So ist daraus bereits nicht ersichtlich, was nach Ansicht des LSG als bisheriger Beruf mit der unklaren Qualität „einfach angelernt” anzusehen ist. Da im Tatbestand mehrere berufliche Tätigkeiten aufgeführt werden, denen der Kläger im Laufe seines Berufslebens nachgegangen ist, beantwortet sich diese Frage nicht von selbst. Auch ergibt sich aus dem Berufungsurteil nicht, inwieweit der Kläger noch in der Lage ist, diesen – nicht genannten – bisherigen Beruf auszuüben.
Die genaue Art und Wertigkeit des bisherigen Berufs des Klägers kann nicht offengelassen werden, denn der Kläger muß sich bereits dann nicht auf „körperlich leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes” verweisen lassen, wenn er in dem vom BSG entwickelten Mehrstufenschema dem oberen Bereich der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters zuzuordnen ist. In diesem Falle dürfte er nämlich nur auf – konkret zu bezeichnende – Tätigkeiten, die sich durch Qualitätsmerkmale auszeichnen (ständige Rspr, vgl etwa BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 45 mwN), verwiesen werden, welche in den Urteilen der Vorinstanzen nicht benannt worden sind. Zumindest die berufliche Tätigkeit des Klägers als Schweißer könnte unter bestimmten Voraussetzungen die Wertigkeit einer Facharbeiter- oder Angelerntentätigkeit des oberen Bereichs besitzen; sie käme zB als bisheriger Beruf in Betracht, wenn sich der Kläger von dieser Tätigkeit aus Gesundheitsgründen gelöst hätte (vgl BSGE 2, 182, 187; BSG SozR Nr 33 zu § 1246 RVO; SozR 2200 § 1246 Nr 158).
Das angefochten Berufungsurteil muß schon wegen des aufgezeigten Verfahrensmangels aufgehoben und an das LSG zurückverwiesen werden (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), zumal auch Tatsachenfeststellungen fehlen, die der erkennende Senat nicht selbst treffen kann (vgl § 163 SGG).
Bei der erneuten Behandlung der Sache wird das LSG zunächst als Ausgangspunkt für die Prüfung von BU den „bisherigen Beruf” (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 107, 169), den der Kläger ausgeübt hat, zu ermitteln haben. In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 130, 164). War eine frühere Tätigkeit qualitativ höherwertiger, so ist sie der „bisherige Beruf”, falls der Versicherte sich nicht freiwillig von ihr gelöst hat. Von vornherein befristete minderqualifizierte Tätigkeiten – zB die Teilnahme an einer Arbeitsbeschaffungs-Maßnahme – führen nicht zur Lösung (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 130). Eine Lösung von der bisherigen Berufstätigkeit ist grundsätzlich rechtlich unerheblich und führt nicht zum Verlust des Berufsschutzes, wenn der Versicherte diese Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann, denn dann haben gerade solche Gründe zur Berufsaufgabe geführt, für welche die gesetzliche Rentenversicherung einzustehen hat (vgl BSGE 2, 182, 187; BSG SozR Nr 33 zu § 1246 RVO; SozR 2200 § 1246 Nr 158). Der Kläger hat solche Gründe hinsichtlich des Schweißerberufs im Verwaltungsverfahren angegeben und auch sinngemäß im Revisionsverfahren vorgetragen. Dem wird das LSG nachzugehen haben.
Falls der Kläger nach den zu treffenden Feststellungen des LSG den so ermittelten bisherigen Beruf mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen nicht mehr ausüben kann, ist er noch nicht berufsunfähig. Vielmehr kommt es darauf an, ob er noch für andere zumutbare Tätigkeiten einsatzfähig ist. Sollten die Ermittlungen des LSG ergeben, daß bisheriger Beruf des Klägers der des Schweißers ist, könnte bei der Bestimmung von dessen Wertigkeit ua in Betracht zu ziehen sein, daß sich ein Teilbereich eines anerkannten Ausbildungsberufs (Schmelzschweißer) zu einem eigenständigen Berufsbild mit Facharbeiterqualität entwickelt haben kann (vgl BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 27). Auch die einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen und die Eingruppierung durch den letzten Arbeitgeber sind in diesem Zusammenhang von Bedeutung (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 46, 111, 116, 122, 123, 164; SozR 3-2200 § 1246 Nr 27).
Falls die Feststellungen des LSG ergeben, daß der Kläger in die Gruppe des Mehrstufenschemas mit dem Leitberuf des Facharbeiters einzustufen ist, kann er sozial zumutbar nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, die zumindest angelernten Tätigkeiten tarifvertraglich gleichgestellt sind (vgl BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 17). Die Benennung einer zumutbaren Verweisungstätigkeit muß hinreichend konkret sein; erforderlich ist die Benennung eines typischen Arbeitsplatzes mit der üblichen Berufsbezeichnung (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 98). Auch wenn der Kläger der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten im oberen Bereich zuzuordnen ist, hätte dies auf die Ermittlung und Benennung einer Verweisungstätigkeit Auswirkungen, denen das LSG Rechnung tragen müßte (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 143). Ergeben die Ermittlungen, daß der bisherige Beruf des Klägers lediglich der Berufsgruppe mit dem Leitbild des angelernter Arbeiters (unterer Bereich) angehört, so kann er auf Arbeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes verwiesen werden; einer konkreten Benennung von Verweisungstätigkeiten bedarf es dann grundsätzlich nicht (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 81, 109; SozR 2200 § 1247 Nr 53; BSG – Großer Senat – Beschlüsse vom 19. Dezember 1996 – 1 bis 4/95). Ausnahmsweise ist allerdings die konkrete Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 104, 117, 136; BSG – Großer Senat –, Beschlüsse vom 19. Dezember 1996 – GS 1 bis 4/95). Im Hinblick auf die bei dem Kläger bestehenden Leistungseinschränkungen, welche durch die tatrichterlich festgestellte Persönlichkeitsstörung und Minderbegabung eine besondere, für die Einsatzfähigkeit in der Arbeitswelt relevante Ausprägung erfahren, dürfte hier eine eingehende Prüfung dieser Frage naheliegen.
Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen