Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersrente für langjährig Versicherte. Vertrauensschutzregelung. 45 Jahre Pflichtbeiträge. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die Rentenabschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente für langjährig Versicherte und die Vertrauensschutzregelung aufgrund von 45 Jahren mit Pflichtbeiträgen nach dem Rentenreformgesetzes 1999 verstoßen nicht gegen das Grundgesetz.
Orientierungssatz
1. Die Privilegierung von Versicherten mit 45 Pflichtbeitragsjahren ist durch deren dauerhafte und berechenbare Beitragsleistung zur Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung gerechtfertigt. Dies hat das BVerfG zur wortgleichen Vertrauensschutzregelung für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (§ 237 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB 6 idF des RRG 1999 vom 16.12.1997 bzw ab 1.1.2000: § 237 Abs 4 S 1 Nr 3 SGB 6) entschieden (vgl BVerfG vom 11.11.2008 - 1 BvL 3/05 ua = BVerfGE 122, 151, vom 5.2.2009 - 1 BvR 1631/04). Für die Altersrente für langjährig Versicherte gilt nichts anderes.
2. Wegen des besonders nachhaltigen Beitrags zur Rentenfinanzierung durfte der Gesetzgeber die Gruppe der Versicherten, die 45 Jahre Pflichtversicherungsbeiträge gezahlt haben, begünstigen (vgl BVerfG vom 11.11.2008, 1 BvL 3/05 aaO und BSG vom 27.8.2009 - B 13 R 14/09 R). Damit hat das BVerfG der Schlechterstellung freiwillig Versicherter gegenüber Pflichtversicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegengesetzt.
Normenkette
SGB 6 § 236 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1997-12-16, S. 3 Fassung: 1997-12-16, S. 4 Fassung: 1997-12-16, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1997-12-16; SGB 6 § 237 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Fassung: 1997-12-16, Abs. 4 S. 1 Nr. 3 Fassung: 1997-12-16; SGB 6 § 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; SGB 6 Anl 21; RRG; RRG 1999; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten nur noch über die Höhe der dem Kläger ab 1.1.2002 gewährten Altersrente für langjährig Versicherte; streitig ist, ob der Zugangsfaktor wegen vorzeitiger Inanspruchnahme gekürzt werden durfte.
Der am 1938 geborene Kläger hat von Februar 1955 bis Januar 1965 und von Juli 1965 bis Dezember 1965 insgesamt 126 Kalendermonate an Pflichtbeitragszeiten in der Angestelltenversicherung erworben. Von Februar 1965 bis Juni 1965 und von Januar 1966 bis Dezember 1967 war er wegen Überschreitens der Pflichtversicherungsgrenze von der Versicherungspflicht befreit. Er entrichtete in diesen Zeiten freiwillige Beiträge zur Angestelltenversicherung. Bei Einführung der uneingeschränkten Pflichtversicherung auch für Angestellte zum 1.1.1968 wurde er auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit. Er entrichtete in der Folgezeit weiterhin freiwillige Beiträge bis Ende 2000 (insgesamt für 422 Kalendermonate). Mit seinem Arbeitgeber vereinbarte er am 5.1.2000, sein bisheriges Dienstverhältnis als Altersteilzeitarbeitsverhältnis für die Zeit vom 1.1.2000 bis 31.12.2001 fortzuführen und mit Ablauf dieses Zeitraums zu beenden.
Auf seinen Antrag von August 2001 bewilligte ihm die Beklagte ab 1.1.2002 Altersrente für langjährig Versicherte mit einem monatlichen Zahlbetrag von 1.396,60 Euro (Bescheid vom 12.2.2002 und Widerspruchsbescheid vom 17.1.2003). Aufgrund der mit Pflicht- und freiwilligen Beiträgen belegten Zeiten ermittelte sie insgesamt 59,4513 Entgeltpunkte (EP). Wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente vor Vollendung des 65. Lebensjahrs minderte sie den Zugangsfaktor für 24 Kalendermonate um jeweils 0,003, also um 0,072 ("Abschlag" von 7,2 vH), sodass sie einen gekürzten Zugangsfaktor von 0,928 und damit persönliche EP von 55,1708 (59,4513 EP x 0,928) in die Rentenformel einstellte. Ohne Kürzung des Zugangsfaktors hätte der monatliche Zahlbetrag 1.504,95 Euro betragen.
Die auf die Gewährung einer abschlagsfreien Altersrente gerichteten Klage- und Berufungsverfahren blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 11.12.2003; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Rheinland-Pfalz vom 8.12.2004). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger erfülle nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Gewährung einer Altersrente für langjährig Versicherte ab 1.1.2002 ohne Abschlag (§ 236 Abs 1 und 2 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch ≪SGB VI≫) . Diese Vorschriften seien auch nicht verfassungswidrig. Der Kläger könne eine abschlagsfreie Altersrente auch nicht aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch herleiten. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Beklagte aus Anlass der Befreiung von der Versicherungspflicht in den 60iger Jahren dem Kläger mündlich zugesichert habe, dass freiwillige Beiträge hinsichtlich Anspruch und Leistungshöhe wie Pflichtbeiträge behandelt werden. Selbst wenn der Kläger unrichtig informiert worden wäre, ließe sich ein eingetretener wirtschaftlicher Nachteil nicht, wie erforderlich, durch eine zulässige Amtshandlung ausgleichen.
Nachdem der Kläger im Revisionsverfahren (noch unter dem Az B 4 RA 5/05 R) seinen prozessualen Anspruch eingeschränkt hat und die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem 4. Senat am 16.5.2006 einen Teilvergleich geschlossen haben, hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Teilurteil vom selben Tag (B 4 RA 5/05 R) die Revision des Klägers gegen das angefochtene Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 8.12.2004 als unzulässig verworfen, soweit der Kläger die Feststellung des dynamisierbaren Geldwertes seines Rechts auf Altersrente ab 1.1.2002 auf der Rechtsgrundlage einer Altersrente nach Altersteilzeitarbeit (Zugangsfaktor 1,0) begehrt hat.
Soweit die Gewährung der Altersrente für langjährig Versicherte im Streit steht, hat das BSG mit Beschluss vom selben Tag, B 4 RA 5/05 R, das Verfahren gemäß Art 100 Abs 1 Grundgesetz (GG) ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Fragen zur Verfassungsmäßigkeit der Rentenminderung bei vorzeitiger Inanspruchnahme vorgelegt.
Das BVerfG hat über den Vorlagebeschluss noch nicht entschieden. Der Berichterstatter des dortigen Verfahrens (1 BvL 5/06) hat mit Schreiben vom 21.1.2009 auf den Beschluss des BVerfG vom 11.11.2008, 1 BvL 3/05 bis 1 BvL 7/05, hingewiesen, wonach die Begünstigung von Versicherten mit 45 Pflichtbeitragsjahren beim Bezug einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (§ 237 Abs 4 Satz 1 Nr 3 SGB VI) und die Abschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme dieser Altersrente (§ 237 Abs 3 iVm § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI) mit dem GG vereinbar sind, und angefragt, ob an den konkreten Normenkontrollen festgehalten werde.
Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 4.11.2009 den Aussetzungsbeschluss des 4. Senats vom 16.5.2006 aufgehoben und das Verfahren unter dem Az B 13 R 5/09 R fortgesetzt.
Der Kläger hält an seinem Vortrag fest, dass § 236 Abs 1 Satz 2 bis 4 und Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI iVm der Anlage 21 zum SGB VI idF des Rentenreformgesetzes 1999 (RRG 1999) vom 16.12.1997 (BGBl I 2998) iVm § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI gegen Art 3 Abs 1 GG und Art 14 Abs 1 GG verstießen. Die vom BVerfG entschiedenen Fälle seien nur bedingt vergleichbar. In Folge der gesetzlichen Änderungen durch das RRG 1999 erhalte der Kläger nur deshalb eine Rente mit Abschlag, weil er freiwillige und nicht Pflicht-Beiträge gezahlt habe. Angesichts seiner langen Versicherungszeit und der über 43 Jahre unveränderten Gesetzeslage habe er ein Recht auf ungekürzte Altersrente erworben. Insofern könne dahinstehen, ob die ihm 1966 erteilte Auskunft falsch gewesen sei oder eine Zusicherung darstelle.
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Der Kläger beantragt sinngemäß, |
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die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. Dezember 2004 und des Sozialgerichts Speyer vom 11. Dezember 2003 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ab 1. Januar 2002 die Altersrente für langjährig Versicherte unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0 statt 0,928 festzustellen und ihm entsprechend höhere Altersrente zu zahlen. |
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Entsprechend dem Einverständnis der Beteiligten hat der Senat ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG entschieden.
Aufgrund des Geschäftsverteilungsplans des BSG ist nicht mehr der 4., sondern der erkennende Senat für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig.
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf abschlagsfreie Gewährung von Altersrente für langjährig Versicherte nicht zu (1.); von der Vertrauensschutzregelung des § 236 Abs 2 SGB VI idF des RRG 1999 vom 16.12.1997 (BGBl I 2998) wird er nicht erfasst (2.); ein Anspruch aus einer Zusicherung bzw der sozialrechtliche Herstellungsanspruch stehen dem Kläger nicht zu (3.); die Abschlagsregelung und die Vertrauensschutzregelung sind verfassungsgemäß (4.), sodass der Vorlagebeschluss vom 16.5.2006 aufzuheben war.
1. Voraussetzung für die Altersrente für langjährig Versicherte ist nach der zum Rentenbeginn am 1.1.2002 anzuwendenden Gesetzesfassung (vgl § 300 Abs 1 SGB VI) , dass der Versicherte vor dem 1.1.1948 geboren ist, das 63. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt hat (§ 236 Abs 1 Satz 1 SGB VI idF des RRG 1999) . Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger. Die Altersgrenze von 63 Jahren wird für Versicherte, die - wie der Kläger - nach dem 31.12.1936 geboren sind, angehoben (§ 236 Abs 1 Satz 2 SGB VI idF des RRG 1999) . Die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente ist möglich (§ 236 Abs 1 Satz 3 SGB VI idF des RRG 1999) . Die Anhebung der Altersgrenze und die Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme bestimmen sich nach Anlage 21 zum SGB VI (§ 236 Abs 1 Satz 4 SGB VI idF des RRG 1999) .
Nach der Anlage 21 in der damaligen Fassung wurde die Altersgrenze von 63 Jahren bei Altersrenten für langjährig Versicherte für im Dezember 1938 Geborene um 24 Monate auf 65 Jahre angehoben; die ab dem vollendeten 63. Lebensjahr mögliche vorzeitige Inanspruchnahme führte zu Abzügen nach § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI. Für den Kläger war daher eine abschlagsfreie Inanspruchnahme der Altersrente nicht vor dem ersten Monat nach Vollendung des 65. Lebensjahres möglich. Tatsächlich hat er sie bereits im ersten Monat nach Erreichen des 63. Lebensjahres (Januar 2002) - und damit um 24 Monate vorzeitig - in Anspruch genommen. Dies haben die Beklagte und das LSG rechtsfehlerfrei festgestellt.
Die vorzeitige Inanspruchnahme der Rente mit Absenkung des Zugangsfaktors führt zu einer geringeren Rentenhöhe. Denn der Zugangsfaktor als Berechnungselement der persönlichen EP (vgl § 63 Abs 6, § 64 Nr 1 SGB VI) beträgt für EP, die noch nicht Grundlage von persönlichen EP einer Rente waren, gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI bei Renten wegen Alters grundsätzlich 1,0. Bei Renten wegen Alters, die frühzeitig in Anspruch genommen werden, ist der Zugangsfaktor jedoch gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0. Mit der um 24 Monate vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrente war der Zugangsfaktor mithin um 24 x 0,003 (also um 0,072 ≪Minderung um 7,2 vH≫) zu verringern. Dadurch wurde der Zugangsfaktor von 1,0 auf 0,928 abgesenkt. Auch hiervon sind die Beklagte und das LSG rechtsfehlerfrei ausgegangen.
2. Eine Vertrauensschutzregelung zum abschlagsfreien Bezug der Altersrente kommt dem Kläger nicht zugute. § 236 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI idF des RRG 1999 sieht eine Anhebung der Altersgrenze für Versicherte vor, die vor dem 1.1.1942 geboren sind und 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben; die zweite Alternative der Vertrauensschutzregelung (bei Bezug von Vorruhestandsgeld oder Überbrückungsgeld der Seemannskasse) kommt für den Kläger von vornherein nicht in Betracht.
Zwar ist er vor dem 1.1.1942 geboren, jedoch weist sein Versicherungsverlauf nicht 45 Jahre bzw 540 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung bzw Tätigkeit auf. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat der Kläger nur 126 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung. Die für 422 Kalendermonate entrichteten freiwilligen Beiträge bleiben hingegen insoweit unberücksichtigt; der insoweit nicht auslegbare Gesetzestext erlaubt keine Gleichstellung der freiwilligen Beiträge mit Pflichtbeiträgen. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl BSG vom 22.6.1988, BSGE 63, 246 = SozR 2400 § 25 Nr 1 mwN, zu § 25 Abs 3 AVG; bestätigt durch BVerfG, Kammerbeschluss vom 6.7.1989, 1 BvR 1171/88, SozR 5755 Art 2 § 7a Nr 2; BSG vom 13.10.1992, SozR 3-2200 § 1248 Nr 7, zu § 25 Abs 2 AVG = § 1248 Abs 2 RVO; bestätigt durch BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.1.1994, 1 BvR 10/93, NZS 1994, 226) .
3. Dem Kläger steht eine abschlagsfreie Altersrente weder aus einer Zusicherung noch aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu.
Eine Zusicherung (§ 34 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) der Beklagten aufgrund einer 1966 erteilten Auskunft hat das LSG nicht festgestellt; sie kann auch deshalb ausgeschlossen werden, weil es damals noch keine Rentenabschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme gab.
Sofern sich der Kläger auf eine unzutreffende Auskunft der Beklagten beruft, steht ihm auch nicht der sozialrechtliche Herstellungsanspruch zur Seite.
Der Herstellungsanspruch erfordert eine Pflichtverletzung und einen hierdurch hervorgerufenen Schaden auf dem Gebiet des Sozialrechts; als Rechtsfolge ist der Zustand wiederherzustellen, der ohne die Pflichtverletzung bestehen würde, wobei dies jedoch nur durch eine zulässige Amtshandlung geschehen darf (vgl zu den Einzelheiten zB Senatsurteil vom 11.3.2004, BSGE 92, 241, 243 f = SozR 4-2600 § 58 Nr 3 RdNr 19 mwN) .
Hier wäre das Sozialrechtsverhältnis selbst bei einem - unterstellten - pflichtwidrigen Verwaltungshandeln nicht durch eine zulässige Amtshandlung zu berichtigen. Das Gesetz sieht im Fall des Klägers einen Anspruch auf abschlagsfreie Altersrente für langjährig Versicherte nicht vor.
Auch wenn die Beklagte dem Kläger im Jahre 1966 fehlerhaft mitgeteilt hätte, dass freiwillig geleistete Beiträge - hinsichtlich Leistungsanspruch und Leistungshöhe - stets wie Pflichtbeiträge behandelt würden und er deshalb - aus welchem Rechtsgrund auch immer - verlangen könnte, dass seine Rente entsprechend berechnet wird, könnte der Kläger keine abschlagsfreie Altersrente beanspruchen. Denn die genannte Auskunft kann sich nur auf die Einführung der uneingeschränkten Pflichtversicherung auch für Angestellte zum 1.1.1968 bezogen haben, anlässlich derer der Kläger auf eigenen Antrag von der Versicherungspflicht befreit worden ist. Ab Januar 1968 hat der Kläger aber für nur 393 Monate freiwillige Beiträge gezahlt, so dass zuzüglich der 126 Monate an Pflichtbeitragszeiten insgesamt 519 Monate vorlägen (entsprechend 43 Jahre und 3 Monate); der Kläger mithin auch dann die erforderlichen 540 Monate (45 Jahre) an Pflichtbeitragszeiten nicht erfüllt hätte.
4. Die Vorschriften über (a) die Bestimmung von Abschlägen bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente für langjährig Versicherte (§ 236 Abs 1 Satz 2 bis 4 SGB VI iVm der Anlage 21 zum SGB VI idF des RRG 1999 iVm § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI) und (b) die Vertrauensschutzregelung aufgrund von 45 Jahren mit Pflichtbeiträgen (§ 236 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI idF des RRG 1999) verstoßen nicht gegen das GG. Sie stellen eine zulässige gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung des Art 14 Abs 1 Satz 1 GG dar und verletzen nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG.
a) Dass die in den Abschlagsregelungen liegende Einschränkung der Rentenanwartschaft verfassungsmäßig ist, hat das BVerfG bereits für die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (§ 237 Abs 3 SGB VI iVm § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI) entschieden (vgl BVerfG vom 11.11.2008, 1 BvL 3/05 ua, BGBl I 2008, 2792; DVBl 2009, 117; vom 5.2.2009, 1 BvR 1631/04, NZS 2009, 621 mwN; hierzu auch Senatsurteil vom 5.5.2009, B 13 R 77/08 R, ArbuR 2009, 371) . Für die Einschränkung der Rentenanwartschaft bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente für langjährig Versicherte gilt entgegen der Auffassung des Klägers nichts anderes.
Die mit dem Rentenreformgesetz 1992 (RRG 1992) vom 18.12.1989 (BGBl I 2261) eingeführte Verlängerung der Lebensarbeitszeit (vgl BT-Drucks 11/4124, S 144) durch eine schrittweise Anhebung der Altersgrenzen (§ 41 Abs 1 und 2 SGB VI idF des RRG 1992) betraf die Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit (§ 38 SGB VI), für Frauen (§ 39 SGB VI) und für langjährig Versicherte (§ 36 SGB VI) . Die damit verbundenen Abschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrenten durch die Einführung des Zugangsfaktors (§ 77 Abs 2 Nr 1 SGB VI idF des RRG 1992) dienten dem Ziel des gesamten Reformvorhabens, namentlich der Kostenneutralität vorgezogener Rentenleistungen und dem Gemeinwohlzweck der Stabilisierung der Finanzen in der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl BVerfG vom 11.11.2008, 1 BvL 3/05 ua, Juris RdNr 81 f; vom 5.2.2009, 1 BvR 1631/04, Juris RdNr 15 mwN) .
Im Rahmen seines Gestaltungsermessens durfte der Gesetzgeber den Zugangsfaktor nach den von ihm gewählten versicherungsmathematischen Berechnungen für die gesamte Dauer des Rentenbezugs kürzen. Eine für die Versichertengemeinschaft kostenneutrale Leistung bei vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrenten war nur durch dauerhafte Rentenkürzungen gewährleistet. Die Belastung der Bezieher vorzeitiger Altersrenten ist auch nicht unverhältnismäßig; den Abschlägen stehen die Vorteile eines früheren Ruhestandes gegenüber (vgl BVerfG vom 11.11.2008, 1 BvL 3/05 ua, Juris RdNr 83 ff; vom 5.2.2009, 1 BvR 1631/04, Juris RdNr 17 f; hierzu auch Senatsurteil vom 5.5.2009, B 13 R 77/08 R, Juris RdNr 20) .
Die Abschlagsregelungen bei vorzeitigem Altersrentenbezug verletzen auch nicht den Grundsatz des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes. Ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand von Modalitäten des im Jahre 1992 angelegten langfristigen Übergangskonzepts zur Anhebung der Altersgrenzen bei der Altersrente für langjährig Versicherte - wonach für den Geburtsjahrgang des Klägers (1938) und einem Rentenbeginn zum 1.1.2002 geringere Rentenabschläge vorgesehen waren (§§ 36, 41 Abs 2, 77 Abs 2 Nr 1 SGB VI idF RRG 1992; BT-Drucks 11/4124, S 24, 163; vgl auch Beenen/Hannen, LVA Rheinprovinz 1998, 413 f; Löns, NZS 1998, 461) - konnte nicht entstehen. Denn es war absehbar, dass dieses Übergangskonzept an die Finanzentwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst werden musste. Dies geschah durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) vom 25.9.1996 (BGBl I 1461) , mit dem die Anhebung der Altersgrenzen bei der Altersrente für langjährig Versicherte vorverlegt und beschleunigt wurde (§ 41 Abs 3 SGB VI iVm der Anlage 21 idF des WFG). Für rentennahe Jahrgänge (vor dem 1.1.1942 Geborene) wurde dem Vertrauensschutz durch den zum 1.1.2000 durch das RRG 1999 eingeführten § 236 Abs 2 SGB VI Rechnung getragen (vgl Götz/Stahl/Wollschläger, DRV 1998, S 2, 4 f). Diese Regelung sollte langjährig Versicherten der Geburtsjahrgänge vor 1942 die durch das RRG 1992 festgelegte günstigere Anhebung der Altersgrenzen erhalten (vgl BT-Drucks 13/8011, S 62; zum Vertrauensschutz bei der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente wegen Arbeitslosigkeitbzw nach Altersteilzeitarbeit vgl BVerfG vom 11.11.2008, 1 BvL 3/05 ua, Juris RdNr 89; vom 5.2.2009, 1 BvR 1631/04, Juris RdNr 19 ff; zur Gesetzeshistorie von § 237 SGB VI vgl auch BSG vom 25.2.2004, BSGE 92, 206, 208 f = SozR 4-2600 § 237 Nr 1, RdNr 13 ff; Senatsurteil vom 5.8.2004, B 13 RJ 40/03 R, SozR 4-2600 § 237 Nr 6, RdNr 28 ff) ; wenn der Kläger die insoweit geltenden Voraussetzungen nicht erfüllt (s hierzu oben bei 2.), ist auch dies verfassungsgemäß (hierzu sogleich unter b).
Die dauerhaften Abschläge bei vorzeitigem Bezug der Altersrente für langjährig Versicherte verstoßen auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG. Von vornherein trägt ein Vergleich mit jenem Personenkreis nicht, der bei gleichen EP eine ungekürzte Altersrente bezieht. Der Rentenkürzung liegt ein versicherungsmathematischer Ansatz zu Grunde, der die gesamte Versichertengemeinschaft erfasst; dieser berücksichtigt generalisierend und typisierend das individuelle Risiko, eine (abschlagsfreie) Altersrente kürzer oder länger in Anspruch zu nehmen. Eine individuelle Betrachtungsweise verbietet sich daher (vgl BVerfG vom 11.11.2008, 1 BvL 3/05 ua, Juris RdNr 92 ff) .
b) Die Vertrauensschutzregelung des § 236 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI idF des RRG 1999 ist mit Art 3 Abs 1 GG insofern vereinbar, als die Norm nur diejenigen vor dem 1.1.1942 geborenen Versicherten begünstigt, die 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit aufweisen, ohne denjenigen - wie den Kläger - zu begünstigen, der zwar eine Versicherungszeit von 45 Jahren, aber nur zusammen mit freiwilligen Beiträgen erfüllt hat. Die Vorschrift verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) , der gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (stRspr, zB BVerfG vom 27.2.2007, BVerfGE 117, 272, 300 f = SozR 4-2600 § 58 Nr 7) . Die Begünstigung danach, ob ein Versicherter 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen aufweisen kann, führt zu einer sachlich gerechtfertigten Differenzierung.
Die Privilegierung von Versicherten mit 45 Pflichtbeitragsjahren ist durch deren dauerhafte und berechenbare Beitragsleistung zur Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung gerechtfertigt. Dies hat das BVerfG zur wortgleichen Vertrauensschutzregelung für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (§ 237 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB VI idF des RRG 1999 bzw ab 1.1.2000: § 237 Abs 4 Satz 1 Nr 3 SGB VI) entschieden (vgl BVerfG vom 11.11.2008, 1 BvL 3/05 ua, Juris RdNr 61 ff, 70; vom 5.2.2009, 1 BvR 1631/04, Juris RdNr 28) . Entgegen der Rechtsmeinung des Klägers gilt für die Altersrente für langjährig Versicherte nichts anderes.
Pflichtversicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung haben in der Regel nach Beitragszeit, Beitragsdichte und Beitragshöhe in wesentlich stärkerem Maße durch die Zahlung von Pflichtbeiträgen zur Versichertengemeinschaft beigetragen und konnten sich anders als freiwillig Versicherte ihrer Beitragspflicht nicht entziehen. Freiwillig Versicherte können über die Höhe ihrer Beitragszahlungen innerhalb des vorgegebenen Rahmens (§ 161 Abs 2 SGB VI) selbst bestimmen. Sie können die freiwilligen Beitragszahlungen auch jederzeit einstellen. Pflichtversicherte, mit deren Beiträgen die Rentenversicherung dauerhaft und kalkulierbar rechnen kann, sind insofern die tragende Säule der Finanzierung des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung. Wegen des besonders nachhaltigen Beitrags zur Rentenfinanzierung durfte der Gesetzgeber daher die Gruppe der Versicherten, die 45 Jahre Pflichtversicherungsbeiträge gezahlt haben, begünstigen (vgl BVerfG vom 11.11.2008, 1 BvL 3/05 ua, Juris RdNr 72).
Damit hat das BVerfG der Schlechterstellung freiwillig Versicherter gegenüber Pflichtversicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegengesetzt. Der Senat hat schon darauf hingewiesen, dass das BVerfG eine Schlechterstellung der in der gesetzlichen Rentenversicherung freiwillig Versicherten gegenüber den Pflichtversicherten in seiner Rechtsprechung durchgehend als verfassungsgemäß erachtet hat (vgl Senatsurteil vom 27.8.2009, B 13 R 14/09 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, mwN zur Rspr des BVerfG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
NZS 2010, 636 |
Breith. 2010, 661 |