Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 22.09.1994; Aktenzeichen L 1 An 146/93)

SG Stade (Urteil vom 30.03.1992)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 22. September 1994 und des Sozialgerichts Stade vom 30. März 1992 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung ihres Bescheides vom 10. August 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 1991 verurteilt, bei der Festsetzung des Betrages der Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin den Vomhundertsatz der zugleich mit Beitragszeit und Anrechnungszeit belegten Monate von November 1959 bis März 1968 mit dem Wert und der Qualifikation der im jeweiligen Monat höherwertigen Zeit zu berechnen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist die Höhe einer Erwerbsunfähigkeitsrente.

Die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gewährte der 1943 geborenen Klägerin mit streitigem Bescheid vom 10. August 1990 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit seit dem 10. Mai 1989. Zur Berechnung der persönlichen Rentenbemessungsgrundlage legte die Beklagte die Zeit von November 1959 bis März 1968 als durchgehende Ausfallzeit (Schul- und Hochschulausbildung) zugrunde. Die von der Klägerin für den gleichen Zeitraum freiwillig geleisteten 77 Beiträge der Klasse 200 und 24 Beiträge der Klasse B berücksichtigte die Beklagte nicht, da die Anrechnung des Zeitraumes als Ausfallzeit nach der Vergleichsberechnung eine höhere Rente ergebe.

Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 20. September 1991 mit der Begründung zurückgewiesen, bei der Vergleichsberechnung seien nicht die Werteinheiten einzelner Monate gegenüberzustellen, vielmehr sei die Summe aller Werteinheiten der Ausfallzeit mit deren Durchschnitt zu vergleichen.

Das Sozialgericht (SG) Stade hat die Klage mit Urteil vom 30. März 1992 abgewiesen, weil das Gesetz keine isolierte monatliche Betrachtungsweise zulasse. Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat die Entscheidung des SG in seinem Urteil vom 22. September 1994 bestätigt und im wesentlichen ausgeführt: Nach Sinn und Zweck des § 32 Abs 7 Satz 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) seien die sich unter Zugrundelegung der Ausfallzeiten insgesamt ergebenden Werte mit denen zu vergleichen, die sich unter Berücksichtigung aller Beitragswerte des fraglichen Zeitraums ergeben. Eine monatliche Vergleichsberechnung sei auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 8. Februar 1983 (SozR 2200 § 1255 Nr 17) nicht geboten. Die Beklagte des dem BVerfG vorgelegten Rechtsstreits und der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, auf deren Stellungnahmen sich das BVerfG gestützt habe, seien offenbar von einer pauschalen Vergleichsberechnung ausgegangen.

Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 32 Abs 7 Satz 2 AVG. Das BVerfG habe in seiner Entscheidung der Einzelfallgerechtigkeit Vorrang vor einer Typisierung eingeräumt. Die Notwendigkeit einer Typisierung sei unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung zum Berechnungszeitpunkt zu beurteilen. Seit der Entscheidung des BVerfG im Jahre 1977 sei die Möglichkeit, Einzelfälle mit elektronischer Datenverarbeitung zu erfassen, wesentlich verbessert worden. Aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit sei daher eine monatsweise Vergleichsberechnung vorzunehmen.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Entscheidungen des SG Stade und des LSG Niedersachsen den Bescheid der Beklagten vom 10. August 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 1991 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab dem 10. Mai 1989 Erwerbsunfähigkeitsrente zu zahlen unter Berücksichtigung der von der Klägerin in der Zeit von November 1959 bis März 1968 freiwillig gezahlten Beiträge anstelle der Ausfallzeiten bei der Bemessung der persönlichen Rentenbemessungsgrundlage.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Sie führt aus: Die Berücksichtigung der von der Klägerin geleisteten freiwilligen Beiträge anstelle der Ausfallzeiten im Zeitraum vom 1. Januar 1966 bis zum 31. März 1968 verletze § 32 Abs 7 Satz 2 AVG, da sich damit die Rentenhöhe verringere. Lediglich für den Zeitraum vom 1. Dezember 1959 bis zum 31. Dezember 1994 ergebe sich durch die Berücksichtigung der freiwilligen Beiträge ein geringfügiger höherer Monatsdurchschnitt als bei der Zugrundelegung der Ausfallzeiten. Die sich zusätzlich ergebenden 38,74 Werteinheiten repräsentierten derzeit einen Gegenwert von 17,82 DM monatlicher Rente.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist begründet. Die Beklagte hat – entgegen den Vorinstanzen – die Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin nicht zutreffend festgestellt. Bei der Ermittlung der persönlichen Rentenbemessungsgrundlage der Versicherten hätte sie die Zeit von November 1959 bis März 1968 nicht als durchgehende Anrechnungszeit (§ 300 Abs 4 Satz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ≪SGB VI≫) bzw Ausfallzeit (Schul- und Hochschulausbildung) zugrundelegen dürfen. Sie mußte vielmehr bei der Bildung des Durchschnitts für die gesamten zurückgelegten Zeiten den höheren Wert für jeden im Sinne des § 32 Abs 7 Satz 2 AVG zweifach belegten Monat feststellen und diesen bei der Berechnung des „Vomhundertsatzes” zugrundelegen. Diese Berechnungsweise hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 21. Juli 1992 (SozR 3-2200 § 1255 Nr 4) als allein mit den rechtlichen Vorgaben vereinbar erachtet. Auch nach erneuter Prüfung der Rechtslage hält er daran fest.

Die Ermittlung der persönlichen Rentenbemessungsgrundlage der Klägerin ist nach § 32 Abs 7 Satz 2 AVG vorzunehmen. Die Anwendung der §§ 70 ff SGB VI auf den am 10. Mai 1989 entstandenen Anspruch scheidet nach § 300 Abs 2 SGB VI aus. Nach § 32 Abs 7 Satz 2 AVG bleiben Beiträge, die ua a) während einer anzurechnenden Ausfallzeit oder b) für Kalendermonate, die auch mit einer anzurechnenden Ausfallzeit belegt sind, für die der Versicherte ganz oder teilweise Beiträge nach § 112b AVG getragen hat, entrichtet worden sind, bei der Ermittlung der für den Versicherten maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage nach den Absätzen 1 und 3 unberücksichtigt, wenn dies eine höhere Rente ergibt.

Beiträge im Sinne des § 32 Abs 7 Satz 2 Buchst a AVG (= § 1255 Abs 7 Satz 2 Buchst a RVO) sind neben Pflichtbeiträgen auch freiwillige Beiträge (BSG, SozR 2200 § 1255 Nr 16 S 33; SozR Nr 13 zu § 1255 RVO S Aa 16). Die von § 32 Abs 7 Satz 2 Buchst a AVG genannten Ausfallzeiten umfassen alle in § 36 Abs 1 Satz 1 Nrn 1 bis 6 AVG (= § 1259 Abs 1 Satz 1 Nrn 1 bis 6 RVO) aufgezählten Ausfallzeiten, mithin auch die Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung der Klägerin.

Nach den den Senat bindenden (§§ 163, 164 Abs 2 Satz 3 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG ist die „gesamte Zeit von November 1959 bis März 1968” sowohl mit Ausfallzeiten der Schul- bzw Hochschulausbildung als auch mit freiwilligen Beiträgen belegt. Letztere sind damit ausnahmslos „während einer anzurechnenden Ausfallzeit” im Sinne des § 32 Abs 7 Satz 2 Buchst a AVG entrichtet worden. Die Problematik der sog Randmonate (vgl dazu Senatsentscheidung vom 21. Juli 1992 – 4/1 RA 63/90; BSG, Urteil vom 12. Februar 1992 – 8 RKn 16/90, SozR 2200 § 1255 Nr 25 S 56 ff) stellt sich damit vorliegend nicht.

Der Jahresbetrag der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ist nach § 30 Abs 1 und 2 Satz 1 AVG für jedes anrechnungsfähige Versicherungsjahr (§ 35 AVG) 1,5 vom Hundert der für den Versicherten maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage (§ 32 AVG); er erhöht sich um die Steigerungsbeträge für entrichtete Beiträge der Höherversicherung (§ 38 AVG) und um den Kinderzuschuß (§ 39 AVG). Die für den Versicherten maßgebende Rentenbemessungsgrundlage ist der Vomhundertsatz der allgemeinen Bemessungsgrundlage, der dem Verhältnis entspricht, in dem während der zurückgelegten Beitragszeiten das Bruttoarbeitsentgelt des Versicherten zu dem durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelt aller Versicherten der Rentenversicherung der Angestellten und der Arbeiter ohne Lehrlinge und Anlernlinge gestanden hat (§ 32 Abs 1 AVG).

Der im Sinne des § 32 Abs 1 Satz 1 AVG maßgebende (§ 32 Abs 3 Satz 3 AVG) Vomhundertsatz der allgemeinen Bemessungsgrundlage ist der Durchschnitt der nach § 32 Abs 3 Satz 1 Buchst a bis d AVG (Beitragszeiten) sowie nach § 32a AVG (sonstige anrechnungsfähige Zeiten) festgestellten Werte für die gesamten zurückgelegten Zeiten (§ 32 Abs 3 Satz 2 AVG). Zur Ermittlung der Werte der Beitragszeiten stellt § 32 Abs 3 Satz 1 Buchst a bis d AVG grundsätzlich auf das Verhältnis des Jahresarbeitsentgelts zum Durchschnittsentgelt aller Versicherten ab. Als Zwischenschritt sind dazu, wie § 30 Abs 4 bis 6a AVG zu entnehmen ist, monatliche Beitragswerte zu ermitteln und durch monatlichen Vergleich in den Verhältniswert des jeweiligen Jahres einzurechnen. Die Werte der Ausfallzeiten sind demgegenüber nach § 32a Abs 2 und 3 AVG zu bestimmen (§ 32a Abs 1 AVG). Danach ist für die vor dem 1. Januar 1965 liegenden Zeiten der Monatsdurchschnitt bis zu einem Höchstwert zugrunde zu legen, der sich aus der Bewertung der bis zu diesem Zeitpunkt zurückgelegten Beitragszeiten ergibt (§ 32a Abs 2 AVG). Für die nach dem 31. Dezember 1964 liegenden Zeiten wird der Monatsdurchschnitt ebenfalls bis zu einem Höchstwert zugrunde gelegt, der sich aus der Bewertung der Versicherungs- und Ausfallzeiten ergibt, die bis zum Ende des Kalenderjahres vor der zu bewertenden Zeit zurückgelegt worden sind (§ 32a Abs 3 AVG).

Die von der Beklagten vorgenommene Berechnungsweise ist danach nicht mit § 32 Abs 7 Satz 2 AVG zu vereinbaren. Zwar enthält die Vorschrift keine ausdrückliche Regelung darüber, auf welchem Wege rechnerisch zu ermitteln ist, ob die Berücksichtigung der Ausfall- oder die der Beitragszeit zu einem höheren Vomhundertsatz und damit zu einer höheren Rente führt. Die Bezugnahme auf die allgemeinen Regeln der Ermittlung des maßgebenden „Vomhundertsatzes” in § 32 Abs 7 Satz 2 AVG „bei der Ermittlung … nach den Absätzen 1 und 3”) und der verfassungsrechtlich gebotene (vgl BVerfG SozR 2200 § 1255 Nr 17) Sicherungszweck verlangen indes eine monatliche Gegenüberstellung.

Die durch das Rentenanpassungsgesetz 1985 vom 5. Juni 1985 (BGBl I 913) mit Wirkung zum 1. Juli 1985 in die heutige Fassung gebrachte gesetzliche Bestimmung dient der Beseitigung von Härten bei der Bewertung an sich beitragsloser, gleichwohl aber mit Beiträgen belegter Zeiten. Dem Urteil des BVerfG vom 8. Februar 1983 (SozR 2200 § 1255 Nr 17) Rechnung tragend (vgl BR-Drucks 523/84 S 12), soll die Vorschrift ein Absinken des für die Berechnung der persönlichen Bemessungsgrundlage maßgebenden Vomhundertsatzes vermeiden und die Rentenberechtigten so vor den wirtschaftlichen Nachteilen bewahren, die ihnen aus einer Rentenberechnung unter ausnahmsloser Berücksichtigung der geleisteten Beiträge bzw der Ausfallzeiten entstehen würden. Beiträge, die während einer höher zu bewertenden Ausfallzeit entrichtet wurden, sind in der Regel nur sehr niedrig und würden sich damit rentenmindernd auswirken. Versicherte mit niedrigen Beiträgen während einer Ausfallzeit sollen nicht schlechter gestellt werden als Versicherte ohne Beitragsleistungen während der Ausfallzeit (vgl BSG, Urteil des 5. Senats vom 12. September 1990 – 5 RJ 55/89, insoweit nicht abgedruckt in DStR 1991, 392). Andererseits soll durch zeitgleiche Ausfallzeiten kein Verlust an gegenüber den Ausfallzeiten höherwertigen Beitragsleistungen erfolgen.

Der Durchschnittswert aller zurückgelegten Zeiten ist danach derart zu ermitteln, daß die Summe aller Werteinheiten durch die Anzahl der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre (in Kalendermonaten) dividiert und (für den Jahresbetrag) mit zwölf multipliziert wird. In die Summe der Werteinheiten aus allen Versicherungszeiten gehen die je Kalendermonat ermittelten Werteinheiten ein.

Die von der Beklagten vorgenommene Zusammenrechnung aller Werteinheiten der in Betracht kommenden Beitragsmonate genügt der oben beschriebenen – verfassungsrechtlich gebotenen – Zielsetzung nicht. Sie vermag nicht zu gewährleisten, daß für jeden Monat der nach den allgemeinen Regeln höherwertige Beitrag nicht durch eine im Monat der Beitragszahlung zurückgelegte niederwertigere Ausfallzeit bzw die höherwertige Ausfallzeit durch einen im Monat der Ausfallzeit geleisteten niedrigeren Beitrag verdrängt wird. Durch die Zusammenrechnung wird nur ein Durchschnittswert für den Beitragsmonat in die Vergleichsberechnung eingestellt. Denn höhere Werteinheiten werden auf diesem Wege durch niedrigere ausgeglichen. In gleicher Weise erfolgt auf der Seite der Ausfallzeiten eine Pauschalierung, die zur Beschränkung des Günstigkeitsprinzips führt.

Da die Versicherungszeiten in der Regel als gegenüber den Ausfallzeiten stärkere Momente diese bei der Rentengewährung verdrängen, enthält die Anordnung einer Vergleichsberechnung in § 32 Abs 7 Satz 2 AVG eine Ausnahme von der Rangfolge der für die Rentenberechnung relevanten Zeiten (BSG SozR 2200 § 1255 Nr 9 S 15) und ist dementsprechend eng auszulegen (BSG SozR 3-2200 § 1255 Nr 4 S 7; SozR 2200 § 1255 Nr 16 S 32). Mit der Gesetzesänderung zum 1. Juli 1985 verfolgte der Gesetzgeber das Ziel – entsprechend der Vorgabe des BVerfG – den nach der bisherigen Rechtslage im Einzelfall möglichen Verlust von grundsätzlich vorrangigen, gegenüber zeitgleichen Ausfallzeiten höherwertigen Beitragszeiten zu verhindern. Demgegenüber bestand kein Grund dafür, die bisherige Regelung abzuändern, nach der bei der Berechnung des Vomhundertsatzes Ausfallzeiten die im selben Monat zurückgelegten geringerwertigen Beitragszeiten verdrängen.

Der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 32 Abs 7 Satz 2 AVG (BT-Drucks 10/2705 S 11, 15) kann demgegenüber kein entscheidendes Gewicht gegen eine monatliche Vergleichsberechnung zukommen (vgl Senatsentscheidung vom 21. Juli 1992 – 4/1 RA 63/90, SozR 3-2200 § 1255 Nr 4 S 8 f). Nach der dort anzutreffenden Erläuterung soll die Vergleichsberechnung in der Weise erfolgen, daß alle Kalendermonate, die sowohl Beitrags- als auch Ausfallzeiten sind, bei der Ermittlung des Jahresrentenbetrages zunächst als Beitragszeiten und dann als Ausfallzeiten berücksichtigt werden.

Die sog Gesetzesmaterialien sind allerdings als Vorarbeiten eines Gesetzes nur mit einer gewissen Zurückhaltung und in der Regel nur unterstützend heranzuziehen (so schon RGZ 128, 111; vgl auch Senatsentscheidung vom 21. Juli 1992 – 4/1 RA 63/90, SozR 3-2200 § 1255 Nr 4 S 8 f). Die Vorstellungen der Bundesregierung, die nicht „der Gesetzgeber” ist, dürfen dem objektiven Gesetzesinhalt nicht gleichgesetzt werden. Vielmehr kann sogar der historische „Wille des Gesetzgebers” (also des Parlaments) bei der Auslegung eines Gesetzes nur insoweit berücksichtigt werden, als er in dem Gesetz selbst hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden hat (stellvertretend BVerfGE 11, 126/130).

Die in den Materialien anzutreffende Begründung der Bundesregierung ist indes weder eindeutig noch mit dem Gesetzestext zu vereinbaren. So läßt der Hinweis, die Vergleichsberechnung solle in der Weise erfolgen, daß „alle” Kalendermonate, die sowohl Beitrags- als auch Ausfallzeiten sind, bei der Ermittlung des „Jahresrentenbetrages” zunächst als Beitragszeiten und dann als Ausfallzeiten zu berücksichtigen seien, offen, ob die Gegenüberstellung „jeweils aller” oder die „aller insgesamt” gemeint ist. Darüber hinaus kommt nach dem Wortlaut des § 32 Abs 7 Satz 2 AVG eine Vergleichsberechnung nur für die „Ermittlung der für den Versicherten maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage nach den Absätzen 1 und 3” in Betracht, nicht hingegen für die des „Jahresrentenbetrages” im Sinne des § 30 AVG, insbesondere nicht für die Ermittlung der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre, wie hingegen die Gesetzesbegründung anzunehmen scheint.

Auch verwaltungstechnische Praktikabilitätserwägungen sprechen nicht entscheidend gegen eine monatliche Vergleichsberechnung. Die Rente im Sinne des § 32 Abs 7 Satz 2 AVG erhöht sich, wenn bei der Addition der Werteinheiten als Summand ein doppelt belegter Kalendermonat mit der höheren Werteinheit berücksichtigt wird. Sowohl der monatliche Wert der Ausfallzeiten als auch derjenige der Beitragszeiten können unabhängig voneinander ermittelt werden. Denn – wie dargelegt – ergibt sich der Wert der Ausfallzeiten gemäß § 32a Abs 2 und 3 AVG für die vor dem 1. Januar 1965 liegenden Zeiten bis zu einem Höchstwert aus dem Monatsdurchschnitt, der sich aus der Bewertung der bis zu diesem Zeitpunkt zurückgelegten Beitragszeiten ergibt (§ 32a Abs 2 AVG), und für die nach dem 31. Dezember 1964 liegenden Zeiten ebenfalls bis zu einem Höchstwert aus dem Monatsdurchschnitt, der sich aus der Bewertung der Versicherungs- und Ausfallzeiten ergibt, die bis zum Ende des Kalenderjahres vor der zu bewertenden Zeit zurückgelegt sind (§ 32a Abs 3 AVG). Der Wert der Beitragszeiten ergibt sich demgegenüber ausschließlich aus dem Verhältnis des Jahresarbeitsentgelts zum Durchschnittsentgelt aller Versicherten grundsätzlich im Jahr der Beitragsentrichtung; bei einem Versicherungsfall in der Zeit vom 1. Januar bis zum 30. Juni eines Jahres ist die allgemeine Bemessungsgrundlage des voraufgegangenen Kalenderjahres maßgebend. Beide Werte sind damit voneinander unabhängig. Bei der Ermittlung des Wertes der in der Durchschnittsberechnung nach § 32 Abs 3 Satz 2 AVG einzubeziehenden Summanden ist folglich ohne große Schwierigkeiten festzustellen, welchen rentenerhöhenden Wert ein Kalendermonat als Beitrags-oder als Ausfallzeit hat.

Liegen – wie hier – derartige Kalendermonate in mehreren Jahren vor, gilt nichts anderes. Ist der gesamte Versicherungsverlauf bis zum ersten doppelt belegten Monat nach den allgemeinen Regeln bewertet worden, liegt dessen Wert sowohl als Beitrags- als auch als Ausfallzeitmonat fest und geht nach dem Günstigkeitsprinzip nach § 32 Abs 7 Satz 2 AVG mit der höherwertigen Qualifikation in die weitere Bewertung der nachfolgenden Monate und Jahre ein, ohne daß nachträglich Unklarheiten über die Werte der anzurechnenden Versicherungszeiten entstehen. Einmal festgestellte Werte früherer Zeiten werden durch Berücksichtigung des günstigeren Wertes aus der Vergleichsberechnung verändert.

Nach alledem war der Revision der Klägerin stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173748

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