Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschäftigung, unentgeltlich, arbeitnehmerähnlich. Mithilfe. Gefälligkeit. Familienangehörige. häusliche Gemeinschaft. Eigeninteresse des Verletzten. dingliches Wohnrecht. Mehrfamilienhaus
Leitsatz (amtlich)
Zum Versicherungsschutz bei unentgeltlicher Mitarbeit von nahen Familienangehörigen, die in häuslicher Gemeinschaft leben.
Normenkette
RVO § 539 Abs. 2 iVm, Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 15.07.1992; Aktenzeichen L 17 U 224/90) |
SG Duisburg (Urteil vom 31.07.1990; Aktenzeichen S 26 (1) 74/89) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Juli 1992 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger am 20. September 1986 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Der im Jahre 1927 geborene Kläger ist gelernter Dreher. Er war bis zum Jahre 1978 Alleineigentümer eines Dreifamilienhauses in Essen. Zum 1. Januar 1979 übertrug der Kläger das Eigentum an dem Haus auf seine einzige Tochter. Diese bewohnt gemeinsam mit ihrem Ehemann die Erdgeschoßwohnung des Hauses. Eine weitere Wohnung bewohnt der Kläger, dem seit der Eigentumsübertragung ein mieffreies Dauerwohnrecht zusteht. Das Wohnungsrecht erstreckt sich nach dem notariellen Übertragungsvertrag mit seiner Tochter auch auf eine Garage. Zu dem Haus, dessen dritte Wohnung vermietet ist, gehören insgesamt drei aneinandergebaute Garagen. Nachdem das Dach dieser Garagen undicht geworden war, beschlossen der Kläger und der Ehemann seiner Tochter, das Dach in Eigenarbeit mit Eternitplatten neu zu decken. Die Arbeiten sollten zwei Tage dauern. Sämtliche anfallenden kleineren Reparaturen am Haus waren zuvor im Rahmen der Selbsthilfe erledigt worden. Nach den Angaben der Tochter des Klägers war diese Selbsthilfe “Hand in Hand” erfolgt, da beiderseits ein Interesse an der Erhaltung des Hauses und des Grundstückes bestand. Der Unfall des Klägers ereignete sich am 20. September 1986. Der Kläger stürzte ab und fiel aus 2,50 m Höhe auf den Garagenboden, wobei er sich ua ein gedecktes Schädelhirntrauma, eine ausgedehnte Schädelfraktur und ein intercerebrales Hämatom mit erheblichen neurologischen Folgen und Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates zuzog.
Die Beklagte anerkannte zunächst mit Schreiben vom 8. Januar 1987 den Unfall gegenüber der Krankenkasse des Klägers (DAK) als Arbeitsunfall iS von § 657 Abs 1 Nr 7 Reichsversicherungsordnung (RVO). Mit Bescheid vom 27. September 1988 und Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 1989 lehnte sie dem Kläger gegenüber jedoch die Anerkennung des Ereignisses vom 20. September 1986 als Arbeitsunfall ab. Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 31. Juli 1990 die Beklagte verurteilt, dem Kläger Verletztenrente zu gewähren. Der Kläger habe gemäß § 539 Abs 2 iVm § 539 Abs 1 Nr 1 RVO unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Die Reparaturarbeiten des Klägers an dem Garagendach könnten aufgrund ihres Umfangs und ihrer Qualität nicht mehr als durch familienhafte Mithilfe geprägte Gefälligkeitshandlungen angesehen werden. Sie seien vielmehr Leistungen, wie sie typischerweise in einem Arbeitsverhältnis erbracht würden. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 15. Juli 1992 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das Tätigwerden des Klägers sei wesentlich von der engen verwandtschaftlichen Beziehung zu der Tochter gekennzeichnet gewesen. Die Hilfeleistung habe ihr Gepräge durch die nahe Beziehung in dem gemeinsam bewohnten Haus erhalten. Der Kläger habe sich für sein früheres Haus noch mitverantwortlich gefühlt, was sich auch darin zeige, daß er zuvor anfallende Reparaturarbeiten miterledigt habe. Ziel und Zweck der Tätigkeit sei die Erhaltung des gemeinsamen Hauses gewesen. Zwar seien die Arbeiten an den Garagendächern aufwendig gewesen und vergleichbar umfangreiche Leistungen innerhalb der Familie bislang nicht erbracht worden. Der Kläger habe jedoch über größere handwerkliche Vorbildung und Erfahrung verfügt. Der Schwiegersohn des Klägers habe die Garagenbedachung selbst “als kleinere Reparatur” bezeichnet. Insofern seien diese Arbeiten aufgrund der Enge des Gemeinschaftsverhältnisses familienhaft geprägt gewesen. Im übrigen habe der Kläger als dinglich Wohnungsberechtigter gemäß §§ 1093 iVm 1041 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Sache zu erhalten und für ihren wirtschaftlichen Bestand zu sorgen. Die Reparaturen hätten daher objektiv im eigenen Interesse des Klägers gelegen, da er auch eigenen Verpflichtungen als Inhaber der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit an der Garage nachgekommen sei.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom LSG zugelassenen Revision, mit der er vor allem eine Verletzung des § 539 Abs 2 RVO rügt. Das Entfernen und Neuaufdecken von Eternitplatten auf dem Garagendach hätte nach einem zunächst eingeholten Kostenvoranschlag Kosten in Höhe von mehreren tausend DM verursacht. Derart aufwendige Arbeiten habe er zuvor für das Haus niemals verrichtet. Er habe lediglich kleinere Gefälligkeitshandlungen für seine Tochter vorgenommen. Dementsprechend sei die Familie seiner Tochter davon ausgegangen, daß er nicht verpflichtet sei, die Arbeiten unentgeltlich durchzuführen. Hätte er seine Mithilfe abgelehnt, so hätte eine Firma beauftragt werden müssen. Ein Eigeninteresse an der Reparatur habe nicht bestanden. Er habe das Nutzungsrecht an den Garagen aufgegeben. In seiner Garage sei ein Werkraum eingerichtet worden. Die Verpflichtung zur Dachreparatur habe ausschließlich bei seiner Tochter als Eigentümerin gelegen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. Juli 1992 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Entscheidung des LSG sei unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 539 Abs 2 RVO zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ( § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet.
Der Kläger kann, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, keine Rechte daraus ableiten, daß die Beklagte mit Schreiben vom 8. Januar 1987 gegenüber der DAK den Unfall “als entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall iS von § 657 Abs 1 Nr 7 RVO” anerkannt und auch Erstattungsansprüche der Krankenkasse befriedigt hat. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß der Entschädigungsanspruch eines Verletzten gegen den Träger der Unfallversicherung einerseits und der gegen letzteren gerichtete Erstattungsanspruch des Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung andererseits zwei verschiedene Streitgegenstände darstellen, obwohl die Entscheidung über jeden von beiden jeweils verlangt, auch über ein und denselben Unfall zu urteilen (zuletzt BSG, Urteil vom 30. April 1991 – 2 RU 78/90 –; BSGE 62, 118, 123; BSG SozR 2200 § 776 Nr 8; zustimmend Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung 11. Aufl, S 968g). Mithin kann die in dem Erstattungsrechtsverhältnis gegenüber der DAK abgegebene Erklärung der Beklagten vom 8. Januar 1987 – ungeachtet ihrer Rechtsnatur – keine Bindungswirkung zugunsten des Klägers entfalten.
Der Kläger hat am 20. September 1986 keinen Arbeitsunfall erlitten. Nach § 548 RVO ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Es liegen keine Anhaltspunkte für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Klägers zu seiner Tochter gemäß § 539 Abs 1 Nr 1 RVO vor. Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 15 RVO kommt ebenfalls nicht in Betracht. Der Kläger ist auch nicht wie ein nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO Versicherter tätig geworden (§ 539 Abs 2 RVO). Eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit iS des § 539 Abs 2 RVO liegt nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG vor, wenn eine ernstliche, dem in Betracht kommenden fremden Unternehmen dienende Tätigkeit verrichtet wird, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und ihrer Art nach auch von Personen verrichtet werden kann, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen; sie muß ferner unter solchen Umständen geleistet werden, daß sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist (s BSGE 57, 91; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 8, 15, 16; BSG SozR 2200 § 539 Nr 43, 49, 55, 66, 108, 134, jeweils mwN; sowie die Urteile des Senates vom 21. August 1991 – 2 RU 2/91 – HV-Info 1991, 2234, 30. April 1991 – 2 RU 78/90 –, 26. April 1990 – 2 RU 39/89 –, 27. März 1990 – 2 RU 32/89 –, 25. Oktober 1989 – 2 RU 14/89 – HV-Info 1990, 372, 1. März 1989 – 2 RU 40/88 – HV-Info 1989, 1025, 30. Mai 1988 – 2 RU 81/87 – HV-Info 1988, 1629; sowie Brackmann aaO S 475m ff; Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 539 RVO Anm 99; Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl, Kennz 302 S 1; KassKomm/Ricke, § 539 RVO RdNr 108 ff) Ein Versicherungsschutz nach § 539 Abs 2 RVO ist bereits ausgeschlossen, wenn eine Person im Rahmen und im Interesse ihres eigenen Unternehmens für dieses als oder wie ein Unternehmer tätig wird (zuletzt Urteile des Senats vom 25. November 1992 – 2 RU 48/91 – HV-Info 1993, S 301 und 2 RU 49/91; SozR 3-2200 § 539 Nr 16 RVO jeweils mwN). Das LSG hat hierzu ausgeführt, der Kläger sei als dinglich Wohnungsberechtigter jedenfalls objektiv Unternehmer der Bauarbeiten an der Garage gewesen, da er zu diesen Reparaturarbeiten zivilrechtlich verpflichtet gewesen sei. Ob der rechtlichen Schlußfolgerung des LSG, der Kläger sei selbst – nichtversicherter – Unternehmer der Dacharbeiten an der Garage gewesen, gefolgt werden kann, braucht indessen nicht entschieden zu werden. Die Anwendung des § 539 Abs 2 RVO wird jedenfalls nicht dadurch ausgeschlossen, daß die zum Unfall führende Verrichtung zugleich auf für den Tätigwerdenden selbst oder einen Dritten von Nutzen ist (vgl Brackmann, aaO, S 475p I, 475q mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Die Reparatur des Daches für alle drei Garagen oblag nicht dem Kläger, da sich sein Nutzungsrecht nur auf eine der Garagen bezog. Mithin dürfte es sich bei dem Dachdecken um eine sogenannte gemischte Tätigkeit gehandelt haben. Der Senat kann dies jedoch dahinstehen lassen, ebenso wie das Vorbringen des Klägers, er habe sein Nutzungsrecht an der Garage vollständig aufgegeben und der Unfall habe sich ereignet, als nur noch Arbeiten an einer für den Kläger fremden Garage zu vollenden waren, was dafür sprechen würde, daß die zum Unfall führende Tätigkeit des Klägers insgesamt fremdnützig gewesen war. Eine Zurückverweisung an das LSG gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG zur Aufklärung dieser Umstände kann hier unterbleiben, da jedenfalls die weitere tatbestandliche Voraussetzung des § 539 Abs 2 RVO – das Vorliegen einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit – nicht gegeben ist. Der Senat hat hierzu zwar stets betont, daß dem Versicherungsschutz des § 539 Abs 2 RVO nicht entgegensteht, daß der Tätigwerdende ein Verwandter des Unternehmers ist (BSG SozR 2200 § 539 Nr 32, 33, 49, 55, 108, 134). Der Senat hat in den zitierten Urteilen aber auch stets hervorgehoben, daß bei Gefälligkeitshandlungen, die unter Verwandten vorgenommen werden und von familiären Beziehungen zwischen Angehörigen geprägt sind, ebensowenig Versicherungsschutz besteht wie beispielsweise bei Verrichtungen aufgrund mitgliedschaftlicher oder körperschaftlicher Verpflichtung (hierzu BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 15; vgl insbesondere SozR 2200 § 539 Nr 43, 55, 108, 134; Brackmann, aaO, S 475v). Versicherungsschutz gemäß § 539 Abs 2 RVO besteht mithin nicht, wenn es sich bei der zum Unfall führenden Tätigkeit um Gefälligkeitsdienste handelt, die ihr gesamtes Gepräge von den familiären Bindungen zwischen Angehörigen erhalten. Je enger eine Gemeinschaft ist, umso größer wird regelmäßig der Rahmen sein, innerhalb dessen bestimmte Tätigkeiten ihr Gepräge daraus erhalten (vgl insbesondere die Urteile des Senats vom 25. Oktober 1989 und 30. Mai 1988, aaO; sowie BSG Urteil vom 30. Juli 1987 – 2 RU 17/86 – USK 8757 und BSG SozR 2200 § 539 Nr 49, 55, 66). Dabei sind die gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu beachten, insbesondere Art, Umfang und Zeitdauer der verrichteten Tätigkeiten sowie die Stärke der tatsächlichen verwandtschaftlichen Beziehungen (BSG, aaO). Gerade die tatsächlichen Beziehungen zwischen dem Kläger und der Familie seiner Tochter sprechen hier für das Vorliegen einer sehr engen Familiengemeinschaft, die den Rahmen normalerweise zu erwartender Hilfeleistungen weit spannt Der Kläger war hier zunächst als Vater gemäß § 1589 BGB mit der Unternehmerin im ersten Grad in gerader Linie verwandt. Die Eltern-Kind-Beziehung als engstes verwandtschaftliches Gemeinschaftsverhältnis kann – wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat – auch Tätigkeiten von erheblichem Umfang und größerer Zeitdauer ihr Gepräge geben (BSG SozR 2200 § 539 Nr 134 – Pflegeleistungen einer Tochter –, BSG SozR 2200 § 539 Nr 108 – Abschleppen des Kraftfahrzeugs des Sohnes –; Urteil vom 30. Mai 1988, aaO, – Reparatur an einer Presse im väterlichen Betrieb –). Darüber hinaus lebten der Kläger und die Familie seiner Tochter in einer häuslichen Gemeinschaft “unter einem Dach” (hierzu BSG SozR 2200 § 539 Nr 49). Auch nach Angaben der Tochter des Klägers waren zuvor von dem Kläger zahlreiche Hilfeleistungen zur Erhaltung des Hauses und im Rahmen alltäglicher Gefälligkeiten erbracht worden, die zeigen, daß es sich um einen intakten Familienverband in einer Hausgemeinschaft handelte. Schließlich ist der Kläger bis 1979 selbst Eigentümer des Hauses gewesen, das seit seiner Erbauung im Eigentum der Familie gestanden hatte. Hierzu hat das LSG gemäß § 163 SGG bindend festgestellt, nach den Angaben der Tochter habe ein “gemeinsames Interesse an der Erhaltung des Hauses” bestanden. Hierbei hätten die beiden Familien “Hand in Hand” zusammengearbeitet. Als weiterer Gesichtspunkt, der die tatsächlichen verwandtschaftlichen Beziehungen prägt, hat das LSG die besondere handwerkliche Ausbildung und das handwerkliche Geschick des Klägers hervorgehoben. Der Kläger und sein Schwiegersohn trauten sich die Reparatur der Garagendächer durchaus zu, wobei nach den bindenden Feststellungen des LSG der mitarbeitende Schwiegersohn die Erneuerung der Eternitplatten noch als “kleinere Reparatur” betrachtet hat. Somit sprechen die gesamten Umstände der Beziehung zwischen dem Kläger und seiner Tochter für ein sehr enges gemeinschaftliches Verhältnis, das über die bloße familienrechtliche Verwandtenstellung weit hinaus geht und zusätzlich durch das Zusammenleben in einer Hausgemeinschaft geprägt wird. Durch diese enge Gemeinschaft in einem seit Generationen der Familie gehörenden Haus erhielt auch die Reparatur am Garagendach ihr Gepräge. Der Kläger und sein Schwiegersohn hielten es – auch aufgrund ihrer handwerklichen Kompetenz – gleichsam für normal und selbstverständlich, daß die anfallende Reparatur innerhalb der Haus- und Familiengemeinschaft erledigt wird. Zwar kann nicht übersehen werden, daß das Auswechseln von Eternitplatten auf dem Garagendach vom Umfang und der Zeitdauer her (zwei Arbeitstage für zwei Arbeitskräfte) objektiv betrachtet eine nicht mehr alltägliche Reparatur und Verrichtung darstellt. Der Senat hat hierzu in einzelnen Entscheidungen Tätigkeiten von vergleichbarer Dauer und Schwierigkeit (Streichen eines überstehenden Daches mit Imprägniermittel, Urteil vom 30. April 1991 – 2 RU 78/90 –; dreitägiger Neuanstrich eines Hauses mit Aufbau eines Schnellgerüstes, Urteil vom 21. August 1991, aaO) als nicht mehr familienhaft geprägt betrachtet. Rechtlich maßgeblich war hierbei jedoch nicht die objektive Schwierigkeit und Dauer der Bau- oder Anstreicharbeiten an sich, sondern der Umstand, daß diese Arbeiten aufgrund der nur entfernten verwandtschaftlichen und tatsächlichen Beziehungen nicht mehr als selbstverständlich oder gemeinschaftsgeprägt betrachtet werden konnten. Entscheidungserheblich waren dort also die im Verhältnis zum vorliegenden Fall geradezu lockeren tatsächlichen und die entfernteren verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen dem jeweils Verletzten und dem Unternehmer. Auch bestand in keinem der beiden Fälle eine so enge häusliche und tatsächliche Gemeinschaft “unter einem Dach”, wie sie hier zwischen dem Kläger und seiner Tochter gegeben war. Damit lag die zweitägige Reparatur des Garagendaches noch im Rahmen dessen, was aufgrund der engen Familien- und Hausgemeinschaft von dem Kläger als Gefälligkeit erwartet werden konnte. Der Senat setzt insoweit seine ständige Rechtsprechung fort, daß im Rahmen des § 539 Abs 2 RVO die familienhafte Prägung einer (auch möglicherweise objektiv schweren) Tätigkeit umso eher zu bejahen sein wird, je enger die tatsächlich gelebten Beziehungen und die familienrechtlichen Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den Beteiligten sind (insbesondere BSG SozR 2200 § 539 Nr 43, 49, 66, 108, 134; sowie die Urteile des Senats vom 25. Oktober 1989, 30. Mai 1988 und 30. Juli 1987 jeweils aaO).
Nach alledem war die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 915578 |
NJW 1994, 676 |