Entscheidungsstichwort (Thema)

Härteregelung. Versorgungsausgleich. Rückausgleich. Grenzbetrag. Regelleistungen der Rentenversicherung. Rehabilitations-Leistungen. Splitting. Quasi-Splitting. Versicherungsprinzip

 

Leitsatz (amtlich)

  • Rehabilitationsleistungen sind dann “aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht” iS von § 4 Abs 2 VAHRG gewahrt worden, wenn sie nach Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts gemäß § 1587b Abs 1 oder Abs 2 BGB bewilligt wurden. Unerheblich ist, ob diese Leistungen auch ohne Übertragung oder Begründung der Anwartschaft allein aus dem eigenem Recht des Ausgleichsberechtigten hätten gewährt werden können.
  • Der auf den Versorgungsausgleich entfallende, nach § 4 Abs 2 VAHRG anrechenbare Anteil der Rehabilitationsleistungen wird in entsprechender Anwendung des § 2 Abs 1 VersorgAusglErstV ermittelt.
 

Normenkette

BGB § 1587b; VersorgAusglHärteG §§ 1, 4 Abs. 1-2; AVG §§ 12, 83b Abs. 2 (= RVO §§ 1235, 1304b Abs. 2); VersorgAusglErstV § 1 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 Nr. 2, § 2 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LSG Hamburg (Urteil vom 08.10.1991; Aktenzeichen I ANBf 19/91)

SG Hamburg (Urteil vom 31.01.1991; Aktenzeichen 9 AN 529/89)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 8. Oktober 1991 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Streitig ist, ob die Versichertenrente des Klägers wegen Erwerbsunfähigkeit (EU-Rente) nach Anwendung der Härteregelung in § 4 Abs 2 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) vom 21. Februar 1983 (BGBl I S 105, idF des Gesetzes über weitere Maßnahmen auf dem Gebiet des Versorgungsausgleichs vom 8. Dezember 1986, BGBl I S 2317) auch über den 31. Dezember 1987 hinaus ohne die Kürzung um die seiner früheren Ehefrau übertragenen Rentenanwartschaften zu zahlen ist.

Seit 3. August 1978 bezieht der Kläger eine EU-Rente. Seine Ehe mit Frau E.… M.… L.…, geb P.…, wurde durch Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Bergedorf vom 25. Oktober 1983, rechtskräftig seit 8. Dezember 1983, geschieden. Mit dem Urteil übertrug das Familiengericht vom Rentenkonto des Klägers zugunsten des Rentenkontos seiner ausgleichsberechtigten Ehefrau nach § 1 587b Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), bezogen auf den 31. Dezember 1982, Rentenanwartschaften in Höhe von DM 186,97. Dies entspricht 620,67 Werteinheiten. Die Beklagte teilte dem Kläger mit, daß seine EU-Rente unverändert weitergezahlt werde. Sie sei nach § 83a Abs 4 Satz 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) erst dann um die übertragenen Anwartschaften zu mindern, wenn der Ausgleichsberechtigten ebenfalls eine Rente zu gewähren sei.

Die frühere Ehefrau des Klägers war, abgesehen von einer Unterbrechung wegen Kindererziehung in den Jahren 1966 bis 1970, von 1951 bis November 1985 durchgehend bei der Beklagten pflichtversichert. Seit 17. November 1985 war sie arbeitsunfähig und bezog nach Ende der Lohnfortzahlung Krankengeld bis 16. Mai 1987, anschließend Sozialhilfe. Die Beklagte führte in der Zeit vom 9. April 1986 bis 7. Mai 1986 ein Heilverfahren durch, wofür Gesamtkosten von DM 5.202,22 anfielen. Aufgrund eines Rentenantrags vom 20. Februar 1987 gewährte sie mit Bescheid vom 28. Oktober 1987 unter Annahme des Eintritts des Versicherungsfalles der EU am 17. November 1985 ab 1. Februar 1987 EU-Rente. Die durch den Versorgungsausgleich übertragenen Werteinheiten erhöhten die (Brutto-) Rente um anfänglich DM 216,34 mtl. Frau E.… L.… verstarb am 4. August 1988. Bis dahin wurden von der Beklagten, einschließlich der Aufwendungen für die Krankenversicherung der Rentner (KVdR), Rentenzahlungen in Höhe von DM 22.749,62 geleistet.

Die Beklagte kürzte nunmehr mit Bescheid vom 6. Januar 1988 rückwirkend ab 1. Februar 1987 die EU-Rente des Klägers um den Rentenbetrag, der den übertragenen Werteinheiten entsprach (anfänglich DM 216,34 mtl) und forderte die Überzahlung zurück. Dem gegen die Rückforderung erhobenen Widerspruch half die Beklagte mit Bescheid vom 9. Februar 1988 ab. Sie verfügte, daß die Rentenkürzung erst ab 1. Januar 1988 erfolge, weil der Kläger bis Dezember 1987 von der Rentenbewilligung an seine frühere Ehefrau keine Kenntnis hatte.

Mit Bescheid vom 2. März 1989 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab, die Kürzung der EU-Rente um die übertragenen Rentenanwartschaften nach § 4 VAHRG rückgängig zu machen: Der Grenzbetrag nach § 4 Abs 2 VAHRG (DM 5.551,40) sei mit den erbrachten Rentenleistungen aus der übertragenen Anwartschaft, einschließlich der Aufwendungen für die KVdR, von DM 4.486, 13 und den anteiligen Aufwendungen für das Heilverfahren von DM 1.130,05 überschritten. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 13. November 1989).

Das Sozialgericht (SG) Hamburg hat mit Urteil vom 31. Januar 1991 der Klage stattgegeben. Das Landessozialgericht (LSG) hat diese Entscheidung mit Urteil vom 8. Oktober 1991 bestätigt, jedoch (nach Anschlußberufung des Klägers) mit der Maßgabe, daß dem Kläger die EU-Rente ohne die Kürzung um die auf seine frühere Ehefrau übertragenen Anwartschaften bereits ab 1. Januar 1988 und unter Anrechnung von DM 4.486,13 zu gewähren sei. Das LSG ist folgender Auffassung: Die Beklagte habe zutreffend den “Grenzbetrag” nach § 4 Abs 2 VAHRG mit DM 5.551,40 ermittelt. Anzurechnen seien jedoch nur die anteiligen Rentenleistungen an die Ausgleichsberechtigte, die in entsprechender Anwendung des § 2 Abs 1 der Versorgungsausgleichs-Erstattungsverordnung vom 11. März 1980 (BGBl I S 280, zuletzt geändert durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Versorgungsausgleichs-Erstattungsverordnung vom 20. Dezember 1985, BGBl I S 2553) unter Berücksichtigung der KVdR-Leistungen von der Beklagten zutreffend mit DM 4.486,13 festgestellt worden seien. Weil der “Grenzbetrag” nicht überschritten werde, sei die EU-Rente des Klägers ungekürzt rückwirkend ab 1. Januar 1988 zu gewähren. Nicht zu berücksichtigen seien dagegen die anteiligen Aufwendungen für die Rehabilitationsmaßnahme (Reha-Maßnahme). Zwar gehörten diese Aufwendungen zu den Regelleistungen der Rentenversicherung. Der Leistungsbegriff des § 4 Abs 2 VAHRG sei nicht auf reine Rentenleistungen begrenzt, jedoch seien die Reha-Leistungen nicht “aus dem im Versorgungsausgleich gewährten Anrecht” gewährt worden. Dazu zählten nur solche Leistungen, die aus der Gutschrift für die übertragene Rentenanwartschaft stammten Hier habe die Ausgleichsberechtigte aber bereits aufgrund der eigenen Anwartschaft einen Anspruch auf die Leistungen der medizinischen Reha einschließlich der Zahlung von Übergangsgeld gehabt. Nur wenn bei Hinwegdenken der übertragenen Anwartschaft eine individualisierte Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung nicht oder nicht in ihrer tatsächlichen Höhe gewährt worden wäre, sei die Leistung “aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht” gewährt worden Unzutreffend sei die von der Beklagten und in der Literatur vertretene Ansicht, die Kausalitätsfrage sei abschließend in der Versorgungsausgleichs-Erstattungsverordnung gelöst und es komme nicht darauf an, ob die Anspruchsvoraussetzungen für die Reha-Maßnahme erst durch (fiktiv) anrechenbare Zeiten aus der übertragenen Anwartschaft erreicht werden. Diese Auslegung widerspreche der Intention des § 4 Abs 2 VAHRG. Die Regelung des § 1 Abs 1 Nr 6 der Versorgungsausgleichs-Erstattungsverordnung, die sich nur auf das “Quasi-Splitting” nach § 1587b Abs 2 BGB beziehe, müsse hinter den klaren Wortlaut des ranghöheren und jüngeren formellen Gesetzes zurücktreten. Die EU-Rente des Klägers sei rückwirkend ab 1. Januar 1988 zu erhöhen, nicht erst ab Ende des Todesmonats der Ausgleichsberechtigten (Hinweis auf BSG Urteil vom 8. April 1987, SozR 1300 § 48 Nr 36; BSG Urteil vom 1. September 1988, SozR 5795 § 4 Nr 5).

Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 4 Abs 2 VAHRG. Das Bundessozialgericht (BSG) habe entschieden, daß alle mit der Rentenanwartschaft verbundenen Regelleistungen der gesetzlichen Rentenversicherung unter den Leistungsbegriff des § 4 Abs 2 VAHRG fallen. Sie beruhten “auf der im Versorgungsausgleich erworbenen Anwartschaft”, denn nach der Versorgungsausgleichs-Erstattungsverordnung (§ 1 Abs 1 Nr 6 iVm § 1 Abs 2 Nr 2) komme es allein darauf an, ob die Reha-Maßnahmen nach Rechtskraft des Versorgungsausgleichs bewilligt worden seien. Es sei unerheblich, ob erst mit der übertragenen Anwartschaft die Voraussetzungen für die Bewilligung der Reha-Maßnahme erfüllt worden seien, vielmehr werde die Leistung aus dem “gesamten Konto” gewährt. Dies entspreche dem Versicherungsprinzip, an der sich die Härteregelung des § 4 Abs 2 VAHRG grundsätzlich orientieren dürfe. Verfassungsrechtlich sei diese Orientierung nicht zu beanstanden (Hinweis auf BVerfGE 80, 297 = SozR 5795 § 4 Nr 8). Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gehe offenbar davon aus, daß die Kosten von Reha-Maßnahmen nach der Versorgungsausgleichs-Erstattungsverordnung zu erstatten seien, unabhängig davon, ob erst durch die im Wege des Quasi-Splittings übertragenen Anwartschaften die Voraussetzungen für die Reha-Maßnahme erfüllt worden seien.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 31. Januar 1991 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 8. Oktober 1991 zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässige Revision der Beklagten ist iS der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 SGG). Die vom LSG festgestellten Tatsachen reichen zur abschließenden Entscheidung nicht aus.

Grundlage für den Anspruch des Klägers ist § 4 Abs 2 iVm Abs 1 VAHRG in seiner ab 1. Juli 1977 nunmehr als Dauerregelung geltenden Fassung (§ 13 idF durch Art 30 Nr 2 Buchst b RÜG), wobei die ab 1. Januar 1992 erfolgten Änderungen (Art 62 Nr 2, 85 Rentenreformgesetz ≪RRG≫) zur Berechnung des “Grenzbetrags” nur der neuen Rentenformel beim Tod des Ausgleichsberechtigten nach dem 31. Dezember 1991 Rechnung tragen, ohne die materiellen Auswirkungen zu verändern (vgl BT-Drucks 11/4124 S 235).

Eine Rückübertragung von Anwartschaften findet nicht statt (BSG SozR 5795 § 4 Nr 6). Die Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen nach vorangegangenem Versorgungsausgleich im Wege der Übertragung von Rentenanwartschaften (sog Rentensplitting, § 1587b Abs 1 BGB) oder der Begründung von Rentenanwartschaften bei Beamten und gleichgestellten Personen (sog Quasi-Splitting, § 1587b Abs 2 BGB) ein “Rückausgleich” in der Form stattfindet, daß die Versorgung des Ausgleichsverpflichteten oder seiner Hinterbliebenen aufgrund des Versorgungsausgleichs nicht gekürzt wird. Wurden dem Ausgleichsberechtigten “aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht” Leistungen gewährt, die insgesamt zwei Jahresbeträge einer auf das Ende des Leistungsbezugs aus dem erworbenen Anrecht berechneten Rente (§ 31 Abs 1 Halbs 1 AVG) nicht übersteigen (sog “Grenzbetrag”), wird der Ausgleichsverpflichtete hinsichtlich seiner eigenen und der abgeleiteten Rentenansprüche so behandelt, als hätte der Versorgungsausgleich nicht stattgefunden.

Rechtsfehlerfrei hat das LSG den “Grenzbetrag” mit DM 5.551,40 festgestellt (übertragen wurden 620,67 Werteinheiten. Die allgemeine Bemessungsgrundlage betrug im 2. Halbjahr 1988 ≪Ableben der Versorgungsberechtigten≫ DM 29.814,00. Multipliziert mit den Werteinheiten und dem Faktor 0,00015 nach § 83a Abs 4 AVG errechnet sich ein jährliches Altersruhegeld aus der übertragenen Anwartschaft von DM 2.775,70. Für die Ermittlung des “Grenzbetrags” war dieser Betrag zu verdoppeln).

Nicht zu beanstanden ist auch die Feststellung der “aus dem Versorgungsausgleich erbrachten Leistungen” an die Ausgleichsberechtigte hinsichtlich der Rentenleistungen. Dazu zählt auch der Zuschuß für die Aufwendungen zur KVdR (§ 83e Abs 1 Nr 1 AVG; vgl BSG SozR 3-5795 § 4 Nr 2 mwN). Insgesamt wurden in der Zeit vom 1. Februar 1987 bis 4. August 1988 Rentenleistungen in Höhe von DM 22.749,62 gezahlt. Der “aus dem Versorgungsausgleich” geleistete Anteil wurde vom LSG zutreffend entsprechend § 1 Abs 1 Nr 1, § 2 Abs 1 Versorgungsausgleichs-Erstattungsverordnung mit DM 4.486,13 nach dem Verhältnis der Summe aller Werteinheiten im Rentenbescheid (also mit den Zurechnungszeiten und den Werteinheiten der übertragenen Anwartschaft) zu den Werteinheiten der übertragenen Anwartschaft ermittelt.

Entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanz sind Reha-Leistungen an die Ausgleichsberechtigte auch dann zu berücksichtigen, wenn der Anspruch auf Reha-Leistungen dem Grunde und der Höhe nach aufgrund der eigenen Versicherungszeiten des Ausgleichsberechtigten bestanden hatte und nicht erst durch “fiktive” Versicherungszeiten aufgrund der übertragenen Anwartschaft begründet wurde (vgl § 13 Abs 1a iVm § 83a Abs 5 AVG). Die übertragenen Anwartschaften sind bereits dann – anteilig – “kausal” für den Bezug der Reha-Leistungen, wenn diese nach Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts nach § 1587b Abs 1 BGB erbracht werden.

Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß der Leistungsbegriff des § 4 Abs 2 VAHRG mit dem Begriff der “Regelleistungen” aus der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl § 23 Ziff 1 Buchst a – f Erstes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB I≫, § 12 AVG, § 1235 RVO, § 34 RKG) identisch ist und deshalb Versicherten- und Hinterbliebenenrenten, Abfindungen, Kinderzuschüsse (vgl BSG Urteil vom 26. Juni 1991, SozR 3-5795 § 4 Nr 3), Zuschüsse für die Aufwendungen für die KVdR (vgl BSG Urteil vom 14. Februar 1990, SozR 3-5795 § 4 Nr 2), die in den Halbwaisenrenten enthaltenen Erhöhungsbeträge (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 31. März 1992, SozR 3-5795 § 4 Nr 4), Reha-Leistungen und Beitragserstattungen umfaßt. Insoweit liegt mittlerweile eine gefestigte Rechtsprechung des BSG vor, die auch von der Literatur geteilt wird (Michaelis/Sander, DAngVers 83, 104, 107; Bergner, DRV 83, 215, 235; Soergel-Schmeiduch, Komm BGB, 12. Aufl, Familienrecht I, VAHRG § 4 Rz 8; VerbandsKomm vor RVO 1304 III VAHRG § 4 Anm 3.2). Gestützt wird diese Rechtsprechung vor allem von den Gesetzesmaterialien. Im ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 5. Dezember 1980 (BT-Drucks 9/34) zur Einführung einer Härteregelung, um die Auflagen im Urteil des BVerfG vom 28. Februar 1980 (BVerfGE 53, 257) zu erfüllen, und im Gesetzentwurf der SPD/FDP vom 15. September 1982 (BT-Drucks 9/1981) war jeweils in § 1587w Abs 2 BGB-E der Leistungsbegriff eingeschränkt. Es sollten nur jene Regelleistungen der Rentenversicherung einbezogen werden, “soweit sie ohne die Übertragung oder Begründung der Anwartschaft nicht gewährt worden wären oder nicht zu gewähren sind”. Gesetz wurden aber nicht diese Entwürfe, sondern ein Gesetzentwurf des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags vom 13. Dezember 1982 (BT-Drucks 9/2296). Hier wird einerseits im Vorblatt darauf hingewiesen, daß die Auswirkungen des Versorgungsausgleichs rückgängig gemacht werden, wenn der Berechtigte gestorben ist, ohne angemessene “Leistungen” aus dem Versorgungsausgleich erhalten zu haben. In der Begründung zu den einzelnen Vorschriften ist dann allerdings nur von “Rentenleistungen für kurze Zeit” die Rede (S 2, 14 aaO). Damit wurde aber nur der Hauptanwendungsfall angeführt, der dann auch bei der späteren Erörterung im Bundesrat und Bundestag in Rechenbeispielen erläutert wurde. Die Abkehr von einem einschränkenden Leistungsbegriff iS einer “condicio sine qua non” in Kenntnis des umfassenderen des Rentenversicherungsrechts läßt nur den Schluß zu, daß der Gesetzgeber uneingeschränkt alle mit dem Versicherungsverhältnis verbundenen Regelleistungen unter § 4 Abs 2 VAHRG fallen lassen wollte.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber des VAHRG die anrechnungsfähigen Leistungen nach § 4 Abs 2 anders definieren wollte als der Verordnungsgeber den Katalog der erstattungsfähigen Aufwendungen nach § 83b Abs 2 Satz 2 AVG, vgl § 1 Abs 1 Nrn 1 – 8 der Versorgungsausgleichs-Erstattungsverordnung. Bereits zur Zeit des Gesetzgebungsverfahrens war die Versorgungsausgleichs-Erstattungsverordnung vom 11 März 1980 (BGBl I S 280) in Kraft. Es wäre, worauf der erkennende Senat im Urteil vom 31. März 1992 hingewiesen hat, sinn- und sachwidrig, einerseits den Träger der Versorgungslast zu verpflichten, nach Durchführung des Quasi-Splittings dem Rentenversicherungsträger die anteiligen Leistungen zu erstatten (auch der Reha-Leistungen, § 1 Abs 1 Nr 6 Versorgungsausgleichs-Erstattungsverordnung), andererseits letzterem aber zu untersagen, im Rahmen des VAHRG dem Ausgleichsverpflichteten diese Leistungen entgegenzuhalten. In diesem Zusammenhang ist bedeutsam, daß § 4 VAHRG die Fälle des Rentensplittings und des Quasi-Splittings völlig gleich behandelt. Dies ist systemkonform, denn sowohl beim öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich in Form der Übertragung (§ 1587b Abs 1 BGB, § 3b Abs 1 Nr 1 VAHRG) als auch der Begründung von Rentenanwartschaften ( § 1 587b Abs 2 BGB, §§ 1 Abs 3, 3b Abs 1 Nr 1 VAHRG) werden gleichwertige Versorgungsanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung beim Ausgleichsberechtigten begründet. Eine Unterscheidung hinsichtlich der Voraussetzungen, die zum Rückausgleich beim Splitting und Quasi-Splitting führen, ist sachlich nicht zu rechtfertigen (vgl BVerfGE 80, 297, 314).

Reha-Leistungen nach Durchführung des Versorgungsausgleichs werden entgegen der Meinung des LSG auch dann “aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht” gewährt, wenn ohne die übertragenen Anwartschaften darauf aus eigenem Recht des Ausgleichsberechtigten ein Anspruch bestanden hätte. Bei den Reha-Leistungen handelt es sich zwar nicht (wie beim Kinderzuschuß, den Zuschüssen für die Aufwendungen zur KVdR oder den in der Halbwaisenrente enthaltenen Erhöhungsbetrag, § 46 Abs 1 Sätze 3, 4 AVG) um eine akzessorische und individualisierbare Leistung zu einer Rente, sondern um eine weder einzelnen Beitragszeiten noch der übertragenen Anwartschaft zuordnenbare Leistung aus dem Versicherungsverhältnis in seiner Gesamtheit, das durch die übertragenen Anwartschaften in der Regel lediglich “aufgewertet” wurde. Während bei den Renten nach dem Verhältnis der gesamten Rentenanwartschaften (einschließlich der übertragenen) zu den übertragenen Anwartschaften leicht der auf dem Versorgungsausgleich beruhende Anteil ermittelt werden kann, ist dies bei den Reha-Leistungen, die zudem in das Ermessen des Rentenversicherungsträgers gestellt sind, prinzipiell nicht möglich Dies gilt jedoch auch für beitragsunabhängige Rentenbestandteile, wie dem Erhöhungsbetrag bei der Halbwaisenrente, der nach der Rechtsprechung des Senats (vgl Urteil vom 31. März 1992, aaO) bei der Ermittlung der schädlichen Leistungen nach § 4 Abs 2 VAHRG ebenfalls nach dem Schema für Rentenleistungen aufgeteilt wird, auch wenn er den Großteil der Rentenleistung ausmacht und ohne die übertragenen Anwartschaften in gleicher Höhe gewährt worden wäre. Auch diese Leistung ist nämlich dem Versicherungsverhältnis als Ganzem zuzuordnen und bei der Anwendung des § 4 Abs 2 VAHRG anteilig zu berücksichtigen.

Die Beschränkung der anrechenbaren Leistungen nach § 4 Abs 2 VAHRG auf Fälle, in denen erst durch die übertragenen Anwartschaften die Voraussetzungen für die Reha-Leistungen erfüllt werden – also iS des aufgegebenen § 1587w Abs 2 BGB-E aaO –, führt bei strenger kausaler Betrachtung zu Konsequenzen, die sich auch zum Nachteil der Ausgleichsverpflichteten auswirken können. Zu überlegen wäre dann nämlich, ob nicht der Gesamtbetrag der Reha-Leistungen angerechnet werden müßte, denn ohne die übertragenen Anwartschaften wären keinerlei Reha-Leistungen erbracht worden. Gleiches müßte dann für Rentenleistungen gelten, wenn erst mit den übertragenen Anwartschaften die Wartezeit erfüllt wird (Bergner, aaO; VerbandsKomm, aaO). Dem LSG ist zwar einzuräumen, daß diese Überlegungen nicht zwingend sind, sie zeigen aber auf, daß eine allein auf den zeitlichen Ablauf und nicht auch auf das Versicherungsverhältnis abstellende kausale Betrachtungsweise ebenfalls zu Verwerfungen führt.

Der Senat sieht die Lösung, wie von den Rentenversicherungsträgern praktiziert, in der Heranziehung der Regelungen der Versorgungsausgleichs-Erstattungsverordnung, auch wenn diese den Ausgleich zwischen öffentlich-rechtlichen Trägern, nicht aber die Quantifizierung von Leistungen zum Gegenstand hat, die der Ausgleichsberechtigte aus den übertragenen Anwartschaften erhalten hat. Das Kausalitätsproblem, die rechtliche Zurechenbarkeit also, bleibt gleich, wobei es keinen Unterschied macht, ob – wie beim Splitting – die Versichertengemeinschaft nach dem Versicherungsprinzip die Leistungen “aus” den übertragenen Anwartschaften erbringt, oder – wie beim Quasi-Splitting – die Träger der Versorgungslast, dh in der Regel die Allgemeinheit, die Aufwendungen des Rentenversicherungsträgers “aus” den begründeten Rentenanwartschaften nach § 83b Abs 2 Satz 2 AVG erstatten (BVerfG, aaO). Die Versorgungsausgleichs-Erstattungsverordnung stellt in § 1 Abs 1 Nr 6 die Reha-Leistungen prinzipiell in den Kreis der erstattungsfähigen Leistungen der Rentenversicherung, jedoch nach § 1 Abs 2 Nr 2 erst dann, wenn die Reha-Leistungen nach Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts bewilligt wurden, also vom Zeitpunkt der “Aufwertung” oder Neubegründung des Versicherungsverhältnisses durch die übertragenen Anwartschaften an. Gleichzeitig wird in § 2 Abs 1 das Verfahren, das zur Ermittlung der Höhe der auf dem Versorgungsausgleich beruhenden Rentenleistungen dient, auch auf die Reha-Leistungen erstreckt. Dadurch ist es möglich, pauschalierend die erbrachten Reha-Leistungen in einen erstattungsfähigen bzw nach § 4 Abs 2 VAHRG anrechnungsfähigen Teil und einen nicht anrechnungsfähigen bzw erstattungsfähigen Teil aufzuschlüsseln. Hierdurch wird die Kausalitätsfrage abschließend und für den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einheitlich gelöst. Für weitere Kausalitätserwägungen iS einer “condicio sine qua non” ist kein Raum mehr. Die von Rolland (Komm VAHRG, 1983, § 4 Rz 22) und von Friederici (NJW 1983, 785) geäußerten Bedenken teilt der Senat nicht. Wie das BVerfG im Urteil vom 9. Mai 1989 (aaO, 310) herausgestellt hat, ist die grundsätzliche Orientierung der Härteregelung am System der Rentenversicherung, dem das Versicherungsprinzip immanent ist, ein sachlich vertretbarer Gesichtspunkt, der nicht zur verfassungsrechtlichen Beanstandung des § 4 Abs 2 VAHRG führt. Die Reha-Leistungen wurden von der Versichertengemeinschaft aufgrund des (durch den Versorgungsausgleich “aufgewerteten” oder neu begründeten) Versicherungsverhältnisses des Ausgleichsberechtigten in seiner Gesamtheit erbracht. Deshalb wäre es mit dem Versicherungsprinzip unvereinbar, nur dann die Reha-Leistungen nach § 4 Abs 2 VAHRG anzurechnen, wenn die Voraussetzungen für Reha-Leistungen erstmals mit dem Versorgungsausgleich erworben wurden. Bei dieser Interpretation werden § 4 Abs 2 VAHRG und die Versorgungsausgleichs-Erstattungsverordnung harmonisiert, die vom LSG erörterte Konkurrenzproblematik stellt sich nicht mehr.

Ausgehend von seiner Rechtsauffassung hat das LSG keine tatsächlichen Feststellungen zu dem nach § 4 Abs 2 VAHRG anzurechnenden Betrag getroffen, den die Ausgleichsberechtigte “aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht” als Reha-Leistung erhalten hat Außer Streit sind lediglich die Gesamtaufwendungen von DM 5.202,22 für das Heilverfahren in der Zeit vom 9. April 1986 bis 7. Mai 1986. Die Berechnung der Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid vom 2. März 1989 unter Anwendung der Berechnungsvorschrift des § 2 Abs 1 Satz 2 Versorgungsausgleichs-Erstattungsverordnung ist nicht nachvollziehbar. Bei der Ermittlung der Werteinheiten einer “Rentenanwartschaft”, also einer fiktiven Rente zum Zeitpunkt des Beginns der Reha-Maßnahme, sind nämlich Zurechnungszeiten in gleicher Weise zu berücksichtigen wie im EU-Rentenbescheid der Ausgleichsberechtigten. Auch wenn bis zu Beginn der Reha-Maßnahme fiktiv fünf Monate Ausfallzeiten und danach nur 55 Monate Zurechnungszeiten angerechnet werden, dürfte sich die Gesamtsumme der Werteinheiten einer Rente aus selbst zurückgelegten Zeiten in der gleichen Größenordnung bewegen wie die Gesamtsumme der Werteinheiten im Rentenbescheid (würde mit diesem Wert gerechnet, wären die Reha-Leistungen nur mit DM 1.025,86 anteilig zu berücksichtigen und die Gesamtaufwendungen lägen unter dem Grenzbetrag). Der Senat verweist deshalb den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück.

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI915583

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