Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 28.01.1992; Aktenzeichen L 2 An 77/91)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 28. Januar 1992 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist der Beginn eines Altersruhegeldes.

Die 1922 in Polen geborene und seit 1957 in Israel lebende Klägerin besitzt die israelische Staatsangehörigkeit. Durch ihren jetzigen Prozeßbevollmächtigten beantragte sie am 21. September 1989 Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Mit Bescheid vom 4. September 1990 gewährte ihr die Beklagte Altersruhegeld ab 1. Oktober 1989, nachdem am 30. April 1990 ein Geldinstitut, dem die Klägerin ihre Ansprüche ua auf Rentennachzahlung teilweise abgetreten hatte, die – freiwilligen – (Nachentrichtungs-)Beiträge für den Zeitraum Januar 1956 bis Juni 1980 gezahlt und die Klägerin bereits zuvor – im April 1988 – die israelische Staatsangehörigkeitsbescheinigung vorgelegt hatte.

Dem Rentenverfahren war ein Verwaltungsverfahren über die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nach Art 12 der Durchführungsvereinbarung (DV) zum deutsch-israelischen Sozialversicherungsabkommen (DISVA) iVm Art 2 § 49a Abs 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) vorausgegangen; dieses Verfahren hatte sich wie folgt gestaltet:

Im Juni 1983 beantragte die Klägerin durch ihren jetzigen Prozeßbevollmächtigten die Zulassung zur Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen und die Anerkennung von Ausfallzeiten und führte aus: Für die Nachentrichtung werde eine Bereiterklärung abgegeben; eine Konkretisierung sei erst möglich, wenn der Umfang der Ausbildungszeiten feststehe; hilfsweise sollten sämtliche belegungsfähigen Zeiträume mit Mindestbeiträgen belegt werden. Diesen Nachentrichtungsantrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 19. Oktober 1984), weil die Klägerin innerhalb der ihr gesetzten Frist von sechs Monaten weder den ausgefüllten Antragsvordruck noch den Nachweis der israelischen Staatsangehörigkeit eingesandt habe. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Im März 1985 überreichte sie den – ausgefüllten – Antragsvordruck und im April 1988 die – oben erwähnte – israelische Staatsangehörigkeitsbescheinigung. Nachdem das Bundessozialgericht (BSG) durch Urteil vom 22. Oktober 1987 (BSGE 62, 214 = SozR 1300 § 21 Nr 3) in einem ähnlich liegenden Fall entschieden hatte, daß die Beklagte zu Unrecht eine Ausschlußfrist gesetzt habe, hob die Beklagte den Bescheid vom 19. Oktober 1984 auf und stellte die Berechtigung der Klägerin zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge fest (Bescheid vom 21. Juli 1988). Mit Schreiben vom 20. Juli 1988 forderte sie die Klägerin auf, die geltend gemachte Ausfallzeit innerhalb von neun Monaten zu belegen. Am 30. März 1989 teilte die Klägerin mit, die Nachentrichtung solle „eventuell” innerhalb der Neunmonatsfrist konkretisiert werden. Nach Ablauf der Frist lehnte die Beklagte die Anerkennung von Ausfallzeiten ab (Bescheid vom 5. Juni 1989). Nach Konkretisierung des Nachentrichtungsbegehrens im September 1989 aufgrund einer Aufforderung der Beklagten vom Juni 1989 erteilte die Beklagte mit Bescheid vom 25. Oktober 1989 die Zusicherung, die Rente aus nachentrichteten Beiträgen beginne unter Berücksichtigung der bisherigen Mitwirkung im Verwaltungsverfahren und des Zeitpunkts der Konkretisierung frühestens am 1. Oktober 1989. Mit Bescheid vom 2. November 1989 ließ die Beklagte die Nachentrichtung im beantragten Umfang zu. Am 4. September 1990 erging sodann der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene obengenannte Altersruhegeldbescheid; in diesem war als Zeitpunkt des Rentenbeginns der 1. Oktober 1989 festgesetzt und – in einer Anlage – festgehalten, die Rente sei unter Außerachtlassung der in dem Verfahren vom 25. Oktober 1989 geltend gemachten Ansprüche berechnet worden; sie werde neu festgestellt, wenn und soweit dieses Verfahren zugunsten der Klägerin beendet werde; wegen dieser Ansprüche sei ein Widerspruch oder eine Klage gegen den Rentenbescheid ausgeschlossen.

Mit Bescheid vom 20. November 1990 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Zusicherungsbescheid zurück, weil eine Rente aus nachentrichteten Beiträgen grundsätzlich erst nach tatsächlicher Beitragszahlung beginnen könne und die Voraussetzungen für eine Billigkeitsentscheidung nicht vorlägen; die Klägerin habe an der Klärung der von ihr geltend gemachten Ausfallzeiten nicht mitgewirkt und sich nicht um die Konkretisierung des Nachentrichtungsantrags bemüht.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin einen Rentenbeginn „frühestens zum 1. November 1987 zuzusichern” und ua die Auffassung vertreten, die gegen den Zusicherungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides gerichtete Klage sei zulässig; der Rentenbescheid sei nicht Gegenstand des Vorverfahrens geworden, so daß die streitige Frage über den Rentenbeginn in dem Verfahren über die „Zusicherung” zu klären sei; die Klage sei auch begründet, weil die Beklagte die Klägerin von der Nachentrichtung abgehalten habe.

Auf die – vom SG zugelassene – Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 28. Januar 1992). Es hat ua ausgeführt: Zutreffend sei das SG davon ausgegangen, daß die Klage gegen den Zusicherungsbescheid zulässig sei; wenn die Beklagte – wie hier – in bezug auf den Rentenbeginn in dem Altersruhegeldbescheid nur eine vorläufige Regelung treffe und sich verpflichte, rückwirkend eine Korrektur vorzunehmen, sei die Einbeziehung des Rentenbescheids gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in das Verfahren aus Gründen der Prozeßökonomie nicht geboten. In der Sache stehe der Klägerin jedoch kein Anspruch auf Zusicherung eines früheren Rentenbeginns zu. Voraussetzung für den Beginn der Rente sei ua die Erfüllung der Wartezeit. Dies geschehe durch die tatsächliche Nachentrichtung freiwilliger Beiträge. Die Klägerin könne nicht so gestellt werden, als hätte sie diese zu einem früheren Zeitpunkt entrichtet. Sogar dann, wenn man den Nachentrichtungsantrag – entsprechend der Verwaltungspraxis der Beklagten – als ausreichende Bereiterklärung iS von § 142 Abs 1 Nr 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) ansehe, fehle es an der erforderlichen – angemessenen – Mitwirkung. Es sei der Klägerin zumutbar gewesen, auch in der Zeit, in der ihr Nachentrichtungsrecht bestritten gewesen sei, verfahrensfördernd tätig zu werden, insbesondere die Staatsangehörigkeitsbescheinigung beizubringen und den gestellten Nachentrichtungsantrag zu konkretisieren. Eine Vorverlegung des Rentenbeginns unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben komme im Hinblick auf das Verhalten der Klägerin nicht in Betracht. Die Beklagte habe auch keine ihr insoweit gegenüber der Klägerin obliegende Pflicht verletzt, so daß ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ausscheide.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung von §§ 67 Abs 1, 142 Abs 1 Nr 2, 142 Abs 2 AVG, § 2 Abs 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) und § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und trägt vor:

Zutreffend sei das LSG davon ausgegangen, daß sie bei Antragstellung 1983 eine Bereiterklärung zur Nachentrichtung abgegeben habe. Das LSG habe jedoch verkannt, daß eine Nachentrichtung erst nach Erlaß eines Nachentrichtungsbescheids habe durchgeführt werden können. Da die Beklagte bis 1989 sie weder zur Konkretisierung aufgefordert noch einen Nachentrichtungsbescheid erlassen habe, habe sie auch nicht innerhalb einer „angemessenen Frist” die Beiträge nachentrichten können.

Die Beklagte habe auch verkannt, daß nach Erlaß des Bescheides vom Oktober 1984 die Beteiligten eine Ruhensvereinbarung bis zur Entscheidung des BSG getroffen hätten mit der Folge, daß Mitwirkungspflichten nicht hätten entstehen können. Wesentlich mitursächlich für die fehlende Mitarbeit sei allein das Verhalten der Beklagten nach Einlegung des Widerspruchs gewesen; die Beklagte habe damit zu erkennen gegeben, daß die versäumte Mitwirkungshandlung nicht mehr nachgeholt werden könne. Im Hinblick darauf sei jede weitere Mitarbeit bis zur Entscheidung des BSG sinnlos gewesen. Darüber hinaus sei auch durch die Übersendung des Staatsangehörigkeitsnachweises erkennbar geworden, daß sie das Nachentrichtungsverfahren nach Maßgabe des Antragsschreibens, also mit der Hilfskonkretisierung, habe weiter betreiben wollen.

Nachdem die Beklagte sie zur Konkretisierung aufgefordert habe, habe sie fristgerecht konkretisiert und auch die Nachentrichtung ordnungsgemäß durchgeführt. Eine Verzögerung sei auch nicht etwa dadurch eingetreten, daß sie innerhalb der neun Monate nicht den Nachweis für die Ausbildungszeiten erbracht habe, denn sie habe noch vor Ablauf der Frist mitgeteilt, daß Unterlagen hierfür nicht vollständig eingereicht werden könnten. Die Beklagte sei aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben auch verpflichtet gewesen, sie auf die Rechtsfolgen einer fehlenden Mitwirkung hinzuweisen. Daher würden auch die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zur Anwendung gelangen. Wegen des weiteren Vorbringens der Klägerin wird auf den Schriftsatz vom 24. Juni 1992 Bezug genommen (Bl 44 ff der BSG-Akte).

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 28. Januar 1992 aufzuheben mit der Maßgabe, daß frühester Rentenbeginn der 1. Mai 1988,

hilfsweise der 1. Mai 1989, ist.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist ergänzend darauf hin: Eine Rückwirkung nach Einzahlung des Nachentrichtungsbetrages im April 1990 auf den Zeitpunkt der Konkretisierung im September 1989 ergebe sich nicht etwa aus einer entsprechenden Anwendung des § 142 Abs 1 Nr 2 AVG. Insoweit handele es sich lediglich um eine Billigkeitsregelung. Diese solle bewirken, daß die Dauer des Verwaltungsverfahrens nicht zu Lasten des Versicherten gehe. Die verspätete Beitragsnachentrichtung sei von ihr weder durch die unrichtige Bezeichnung der Sechsmonatsfrist als Ausschlußfrist noch durch die Nichtbearbeitung des Antrags nach Erlaß des ablehnenden Bescheids vom 19. Oktober 1984 verursacht worden. Denn selbst wenn sie das Widerspruchsverfahren nach Einlegung des Widerspruchs bearbeitet hätte, hätte sie jedenfalls bis zum Eingang der Staatsangehörigkeitsbescheinigung am 14. April 1988 keinen Zulassungsbescheid erlassen können.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Im Ergebnis zutreffend hat das LSG die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Altersruhegeld für die Zeit vor Oktober 1989 steht der Klägerin nicht zu.

Der Senat kann in der Sache entscheiden, ohne abschließend zu klären, ob das Geldinstitut, dem die Klägerin ihren Anspruch ua auf Rentennachzahlung (nur) teilweise abgetreten hat, notwendig beizuladen gewesen wäre. Denn die vom LSG mit Bindungswirkung für den erkennenden Senat getroffenen Feststellungen (§ 163 SGG) zwingen zu dem rechtlichen Schluß, daß die Klage in jedem Fall abgewiesen werden mußte. Wenn jedoch Rechte eines notwendigen Beizuladenden unter keinem denkbaren Gesichtspunkt beeinträchtigt werden können, darf das Revisionsgericht auch ohne Beiladung in der Sache entscheiden (vgl BSGE 66, 144 = BSG SozR 3-5795 § 6 Nr 1 mwN sowie BSG SozR 3-2200 § 1232 Nr 3).

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der von der Klägerin erhobene Anspruch auf Gewährung von Altersruhegeld für die Zeit vor Oktober 1989 und damit der Altersruhegeldbescheid vom 4. September 1990, in dem als Rentenbeginn der 1. Oktober 1989 festgestellt worden ist. Dieser ist in – entsprechender oder direkter – Anwendung von § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden. Die gegenteilige Rechtsauffassung des LSG ist nicht nur nicht zutreffend, sondern steht auch im Gegensatz zu seinen Ausführungen. Denn das LSG hat sich allein mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Klägerin ein (Rechts-)Anspruch auf Altersruhegeld zu einem früheren Zeitpunkt zusteht, nicht hingegen hat es die Frage erörtert, ob die Beklagte eine Zusage über einen früheren Rentenbeginn im Rahmen des § 34 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ermessensfehlerfrei abgelehnt hat (vgl zur Ermessensvorschrift: BSGE 56, 249 = BSG SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 13). Das LSG hat das Vorbringen der Klägerin auch insoweit zutreffend ausgelegt. Denn das Begehren der Klägerin war – ungeachtet der Formulierung ihres Antrags (§ 123 SGG) – unter verständiger Würdigung ihres Vorbringens stets auf die endgültige Zuerkennung von Altersruhegeld für die Zeit vor Oktober 1989 und nicht auf die Erteilung einer entsprechenden Zusage gerichtet. Dies kann sie jedoch – wovon das LSG auch inzidenter ausgegangen ist – nur durch Abänderung des zum Gegenstand des Vorverfahrens gewordenen Rentenbescheids erreichen. Dieser hat die Rentenleistungen nach Art, Beginn und Höhe geregelt und damit den Ausspruch im Zusicherungsbescheid über einen frühest möglichen Rentenbeginn hinfällig werden lassen (vgl hierzu entsprechend: BSGE 47, 168 = BSG SozR 1500 § 96 Nr 13; 2200 § 1276 Nr 11; BSGE 67, 104 ff = SozR 3-1300 § 32 Nr 2). Die Zusicherung enthält nämlich lediglich die verbindliche Zusage der zuständigen, zu seiner Erteilung nicht verpflichteten Behörde, später einen begünstigenden Verwaltungsakt – unter bestimmten, noch vom Adressaten herbeizuführenden Voraussetzungen – zu erlassen (vgl hierzu BSGE 56, aaO). Sie bereitet somit einen späteren Verwaltungsakt vor, so daß bei dessen Erlaß für eine auf Erteilung einer Zusage gerichtete Klage kein Rechtsschutzbedürfnis mehr besteht (vgl hierzu BSG SozR 1500 § 53 Nr 2).

Hier enthielt der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Altersruhegeldbescheid zwei Verfügungssätze. Zum einen wurde der Klägerin ein Altersruhegeld in bestimmter Höhe ab Oktober 1989 bewilligt. Zum anderen wurde ein Rentenanspruch vor diesem Zeitpunkt abgelehnt. Der Zusatz in der Anlage zum Altersruhegeldbescheid besagt – unabhängig von einer möglichen anderen rechtlichen Wertung durch die Beklagte – nichts anderes. Denn dort wird allein darauf hingewiesen, daß eine Korrektur hinsichtlich des Rentenbeginns nach Abschluß des Verfahrens erfolgen könne. Damit wird die Endgültigkeit der Entscheidung nicht in Frage gestellt. Es wird vielmehr nur die Möglichkeit eines Eingriffs in den Regelungsgehalt des Altersruhegeldbescheides aufgezeigt, die in den gesetzlich geregelten Fällen (§§ 44 bis 49 SGB X) ohnehin immer besteht (vgl hierzu BSGE 67 aaO). Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob § 86 SGG direkt oder – wie in den Fällen, in denen der Rentenbescheid im Verlaufe eines Vormerkungs-, Herstellungs- oder Wiederherstellungsstreits ergeht – entsprechend anzuwenden ist. Die unterschiedliche Anwendung der Vorschrift würde nur dann zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, wenn eine Einbeziehung des Rentenbescheids gegen den Willen der Klägerin erfolgt wäre (vgl hierzu BSGE 47, aaO, BSG SozR 1500 § 96 Nr 18; 1500 § 53 Nr 2). Dies ist jedoch – wie ausgeführt – nicht der Fall.

Ein Anspruch auf Altersruhegeld für die Zeit vor Oktober 1989 steht der Klägerin jedoch nicht zu.

Gemäß § 67 Abs 1 Satz 2 AVG, der in seiner mit dem 1. Januar 1992 außer Kraft getretenen Fassung (Art 83 Nr 1 des Rentenreformgesetzes 1992 ≪RRG 1992≫) nach § 300 Abs 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) noch anzuwenden ist, wird Altersruhegeld iS von § 25 Abs 5 AVG vom Ablauf des Monats an gewährt, in dem seine Voraussetzungen erfüllt sind, jedoch vom Beginn des Antragsmonats an, wenn der Antrag später als drei Monate nach Erfüllung der Voraussetzungen gestellt wird. § 67 Abs 1 Satz 2 AVG wird durch die Bestimmungen des deutsch-israelischen Abkommensrechts nicht verdrängt (BSGE 63, 195, 198 ff = SozR 2200 § 1290 Nr 22; Urteile des Senats vom 1. September 1988 – 4/11a RA 32/87 und 4/11a RA 46/87).

Nach § 25 Abs 5 AVG erhält auf Antrag der bzw die Versicherte Altersruhegeld, die das 65. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit nach Abs 7 Satz 3 aaO erfüllt hat.

Diese Vorschrift greift gemäß Art 3 Abs 1 Buchst a DISVA zugunsten der Klägerin ein, weil sie israelische Staatsangehörige ist (vgl Art 1 Nr 2 DISVA) und sich im Gebiet Israels gewöhnlich aufhält (vgl Art 1 Nr 1 DISVA). Die Voraussetzungen von § 25 Abs 5 AVG hat sie jedoch frühestens im April 1990 erfüllt. Zwar hatte sie bereits im Oktober 1987 das 65. Lebensjahr vollendet. Den Eintritt der weiteren Voraussetzungen hatte sie jedoch nicht vor Entrichtung der freiwilligen Beiträge im April 1990 bewirkt. Bis zu diesem Zeitpunkt war sie nämlich weder in der deutschen Rentenversicherung „versichert” noch hatte sie die Wartezeit, eine Versicherungszeit von mindestens 60 Kalendermonaten, erfüllt.

Da Art 3 Abs 1 DISVA ua die Staatsbürger Israels bei Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften den deutschen Staatsangehörigen gleichstellt, konnte die Klägerin die Versicherteneigenschaft ebenso wie die Erfüllung der Wartezeit nur durch Entrichtung von Beiträgen (oder – was hier nicht in Betracht kommt – durch Kindererziehungszeiten) erwerben, wobei „Entrichtung” die tatsächliche Zahlung von Geldbeträgen bedeutet (vgl BSGE 10, 139, 146; BSG SozR 2200 § 1290 Nr 13; BSGE 63, 195, 200 = SozR 2200 § 1290 Nr 22; obengenannte Urteile des Senats vom 1. September 1988 sowie vom 17. November 1992 – 4 RA 2/92). Für den Anspruch auf Altersruhegeld und für dessen Beginn kam es demnach entscheidend darauf an, daß die in Israel wohnende Klägerin israelische Staatsangehörige war und möglichst zeitnah vor dem gewünschten Beginn des Altersruhegeldes eine nach deutschem Recht anrechnungsfähige Versicherungszeit erwarb. Die Klägerin hat jedoch diese Voraussetzungen tatsächlich erst durch Übersendung der israelischen Staatsangehörigkeitsbescheinigung im April 1988 und durch die Beitragszahlung im April 1990 herbeigeführt.

Altersruhegeld ab einem früheren Zeitpunkt – ab Mai 1988 bzw ab Mai 1989 -könnte der Klägerin daher nur gewährt werden, wenn einer der Ausnahmen gegeben wäre, in denen eine „Rückwirkung” der Beitragsleistung rechtlich möglich wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Gemäß § 142 Abs 1 Nr 2 AVG steht zwar der Entrichtung von freiwilligen Beiträgen iS von § 140 AVG ua die „Bereiterklärung” des Versicherten zur Nachentrichtung gegenüber einer zuständigen Stelle gleich, wenn die Beiträge binnen angemessener Frist entrichtet werden. Dahingestellt bleiben kann, ob diese Bestimmung für Beitragsnachentrichtungen gemäß Art 2 § 49 Abs 2 AnVNG gesetzes-oder rechtsanalog oder aus Billigkeitsgründen angewendet werden kann (offengelassen ua in: BSGE 56, 28, 31 = SozR 2200 § 1290 Nr 18; BSGE 63, 195, 202 ff = SozR 2200 § 1290 Nr 22 und obengenanntes Urteil des Senats vom 17. November 1992, aaO). Denn es fehlt bereits für die Zeit vor September 1989 an einer hinreichend konkretisierten „Bereiterklärung”.

Eine Konkretisierung des Nachentrichtungsbegehrens hinsichtlich der zu belegenden Monate und der Höhe der Beiträge, die für eine Bereiterklärung nach § 141 Abs 2 AVG jedenfalls ausgereicht hätte (vgl BSG SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 29; SozR 2200 § 1419 Nr 7; BSGE 51, 230 = SozR 2200 § 1419 Nr 9; SozR 2200 § 1419 Nr 10), war von der Klägerin bis September 1989 nicht vorgenommen worden. Der im Juni 1983 gestellte Nachentrichtungsantrag reichte hierfür nicht aus. Er enthielt zwar dem Wortlaut nach eine Bereiterklärung, wies inhaltlich aber den erforderlichen Bestimmtheitsgrad nicht auf. Eine Konkretisierung wurde ausdrücklich erst dann als möglich bezeichnet, wenn der Umfang der Ausbildungszeiten feststehe. Eine derartige Konkretisierung ergab sich aus dem Antrag vom Juni 1983 auch nicht insofern, als hilfsweise sämtliche belegungsfähige Zeiträume mit Mindestbeiträgen belegt werden sollten. Denn die Bedingung für das Wirksamwerden dieser „Hilfskonkretisierung” war, daß der Umfang der Ausbildungszeiten feststehe und dann eine mögliche anderweitige Konkretisierung nicht vorgenommen würde. Diese Bedingung trat erst nach Ablehnung der Anerkennung von Ausbildungszeiten durch die Beklagte im Juni 1989 sowie nach Konkretisierung durch die Klägerin im September 1989 ein (vgl zur „Hilfskonkretisierung”: BSG SozR 3-2200 § 1419 Nr 1 sowie Urteil des 4. Senats vom 17. November 1992, aaO).

Offenbleiben kann, ob unter bestimmten Voraussetzungen schon vor der Konkretisierung eine Bereiterklärung angenommen werden kann, um den Besonderheiten von Beitragsnachentrichtungen Rechnung tragen zu können (vgl BSG SozR 3-2200 § 1419 Nr 1 mwN, sowie des 4. Senats aaO). Denn selbst wenn man eine Bereiterklärung vor der Konkretisierung für zulässig halten würde, müßte der Antragsteller von Anfang an sorgfältig und fristgerecht in angemessener Weise entsprechend der Aufforderung des Versicherungsträgers an der Fortführung des Nachentrichtungsverfahrens mitgewirkt haben. Die rechtskundig vertretene Klägerin hat aber entgegen der ihr schon im März 1984 von der Beklagten unter Setzung einer – insoweit zulässigen (§§ 9, 26 SGB X) – angemessenen Verfahrensfrist von sechs Monaten es unterlassen, ua die israelische Staatsangehörigkeitsbescheinigung vorzulegen, obwohl dem Prozeßbevollmächtigten bekannt war und wegen des ausdrücklichen Hinweises der Beklagten auch bekannt sein mußte, daß eine der Klägerin günstige Sachentscheidung über den Nachentrichtungsantrag (wie auch über den späteren Rentenantrag) frühestens nach Vorlage der Bescheinigung ergehen konnte. Die darüber hinausgehende Verwaltungsübung der Beklagten, Beitragsnachentrichtungen als zu dem Zeitpunkt erfolgt zu behandeln, in dem der Nachentrichtungsantrag gestellt worden ist, falls eine ununterbrochene Mitwirkung im Nachentrichtungsverfahren erfolgt ist, entspricht nicht dem Gesetz und vermag daher keinen Anspruch auf Gleichbehandlung zu begründen (vgl SozR 2200 § 1290 Nr 21 mwN sowie das Urteil des 4. Senats vom 17. November 1992, aaO). Auf das Vorbringen der Klägerin hierzu ist daher nicht einzugehen.

§ 142 Abs 2 AVG führt ebenfalls nicht zu einer „Rückwirkung” der im April 1990 gezahlten Beiträge. Nach dieser Vorschrift werden die Nachentrichtungsfristen des § 140 AVG um die Zeiten einer schwebenden Beitragsstreitigkeit oder eines schwebenden Rentenverfahrens verlängert. Es kann dahinstehen, ob diese Vorschrift überhaupt auf Beitragsnachentrichtungen gemäß Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG – entsprechend – anzuwenden ist. Die Rechtsfolge der Norm verlängert nämlich nur die Frist, in der Beiträge wirksam entrichtet werden können. Über eine Rückwirkung mit Blick auf den Rentenbeginn bestimmt sie jedoch nichts.

Der vorliegende Rechtsstreit entspricht auch keiner der Fallgruppen, in denen das BSG (BSGE 63, 195, 201 f mwN sowie Urteil des 4. Senats vom 17. November 1992, aaO) die Möglichkeit einer „Rückwirkung” der Beitragszahlung aus besonderen, eine Ausnahme rechtfertigenden Umständen erwogen hat. Voraussetzung hierfür ist, daß den Versicherten kein oder kein erhebliches Verschulden an der späten Entrichtung der Beiträge trifft oder daß der Versicherungsträger das Nachentrichtungsrecht zu Unrecht bestritten und den Versicherten so von einer früheren Einzahlung abgehalten hat. Diese besonderen Umstände liegen hier nicht vor.

Die Beklagte hat die Klägerin im Rentenverfahren nicht daran gehindert, mit dem Rentenantrag eine israelische Staatsangehörigkeitsbescheinigung vorzulegen; dasselbe gilt für die Befugnis der Klägerin, unter Vorlage der Staatsangehörigkeitsbescheinigung jedenfalls Nachentrichtungsbeiträge im Mindestumfang (vgl die „Hilfskonkretisierung” vom Juni 1983) zu zahlen.

In jedem Fall war – wie der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin ua aufgrund des Hinweises der Beklagten vom März 1984 wissen mußte – die Vorlage einer israelischen Staatsangehörigkeitsbescheinigung für einen der Klägerin günstigen Ausgang des Rentenverfahrens unumgänglich. Ebenso durfte die Beklagte das behauptete Nachentrichtungsrecht frühestens zu dem Zeitpunkt anerkennen, als die israelische Staatsangehörigkeit der Klägerin feststand. Es oblag allein der Klägerin, die Staatsangehörigkeitsbescheinigung alsbald einzureichen (§§ 60 Abs 1 Satz 1 Nr 3 Regelung 2, 65 Abs 1 SGB I, § 21 Abs 2 Satz 1 SGB X, Urteil des 4. Senats vom 17. November 1992, aaO). Diese, allein in ihrem Interesse liegende Mitwirkungshandlung war ihr möglich und zumutbar, wie sich auch daraus ergibt, daß sie die Bescheinigung unaufgefordert im April 1988 vorgelegt hat.

Der Auffassung der Klägerin, eine Vorverlegung des Beginns der Rente komme aus Billigkeitserwägungen deshalb in Betracht, weil sie seit der Vorlage der Staatsangehörigkeitsbescheinigung ordnungsgemäß am Verfahren mitgewirkt habe, kann somit bereits aus diesem Grunde nicht gefolgt werden. Selbst wenn man von ihrer Rechtsauffassung ausgehen wollte, das Verfahren könne hinsichtlich der Beurteilung der Mitwirkungshandlungen in verschiedene Verfahrensabschnitte aufgeteilt werden, so daß die in einem Verfahrensabschnitt unterlassene – oder verzögerte -Mitwirkung sich nicht nachteilig auf die Beurteilung der Mitwirkung bei den weiteren Verfahrensabschnitten auswirken dürfe, so ergibt sich keine für die Klägerin günstigere Entscheidung. Denn die Klägerin war auch noch nach Vorlage der Staatsangehörigkeitsbescheinigung ihrer seit Antragstellung im Jahr 1983 obliegenden Pflicht, die Ausbildungszeiten nachzuweisen – oder auf ihre Geldtendmachung zu verzichten –, nicht nachgekommen.

Im Hinblick darauf, daß somit keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, die Klägerin sei aufgrund von unverschuldeten, ihrer Beeinflussung entzogenen Umständen gehindert gewesen, die Voraussetzungen für den begehrten früheren Rentenbeginn herbeizuführen, besteht weder zum Ausgleich eines durch die Beklagte verursachten sozialversicherungsrechtlichen Nachteils noch aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben noch aus dem der Billigkeit ein Anspruch der Klägerin, die im April 1990 erfolgte Beitragszahlung rechtlich so zu behandeln, als wäre sie bereits vor Mai 1988 bzw vor Mai 1989 vorgenommen worden.

Nach alledem war die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Berufungsgerichts zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173912

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