Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachzahlung von Beiträgen aus Versorgungsbezügen der VBL zur Krankenversicherung der Rentner. notwendige Beiladung der VBL
Orientierungssatz
Ist streitig, ob der Kläger von Bezügen, die er von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) erhält, Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) nachzuzahlen hat, ist die VBL zu dem Rechtsstreit notwendig beizuladen.
Normenkette
SGG § 75 Abs. 2; RVO § 393a Abs. 2 Sätze 2, 6, 8, § 180 Abs. 5 Nr. 2, Abs. 8 S. 2 Nr. 5
Verfahrensgang
SG Hildesheim (Entscheidung vom 03.03.1987; Aktenzeichen S 2 Kr 4/87) |
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 01.07.1987; Aktenzeichen L 4 Kr 28/87) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) von Versorgungsbezügen nacherheben kann.
Der Kläger bezieht eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und ist bei der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) krankenversichert. Auf einem Fragebogen gab er im Januar 1983 an, er habe als Einkünfte eine Rente von monatlich 1.517 DM. Außerdem habe er die Zusatzversorgung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) beantragt. Beiträge von der Zusatzversorgung wurden zunächst weder von der Beklagten eingezogen noch von der VBL einbehalten und abgeführt.
Auf einem weiteren Fragebogen gab der Kläger im August 1986 an, daß er seit dem 1. Februar 1983 eine Zusatzversorgung von der VBL beziehe und teilte deren jeweilige Höhe bis August 1986 mit. Nunmehr verlangte die Beklagte mit Bescheid vom 30. Oktober 1986 vom Kläger die Nachzahlung von 1.126,37 DM auf die Bezüge von der VBL für die Zeit vom 1. Februar 1983 bis zum 30. September 1986, bat den Kläger um Einzahlung eines Monatsbeitrages von 24,66 DM für Oktober bis Dezember 1986 und teilte mit, daß die Beiträge von Januar 1987 an durch die VBL einbehalten würden. Der Kläger erhob Widerspruch und machte geltend, ihn treffe an dem Unterbleiben der Beitragsentrichtung kein Verschulden. Aus den Bescheiden der VBL habe er nicht erkennen können, ob Beiträge einbehalten worden seien. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 1986).
Das Sozialgericht (SG) Hildesheim hat die Klage durch Urteil vom 3. März 1987 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat durch Urteil vom 1. Juli 1987 das Urteil des SG und den angefochtenen Bescheid aufgehoben, soweit die Beitragspflicht für laufende Zahlungen im Streit ist. Gemeint sind hier die Beiträge, die fällig geworden sind, nachdem der Kläger erstmalig die Versorgungsbezüge von der VBL erhalten hat. Hinsichtlich der Beitragspflicht für die Nachzahlung, die er damals erhalten hat, hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es bezüglich der laufenden Beiträge im wesentlichen ausgeführt: Im Falle des Klägers sei die VBL nach § 393a Abs 2 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) verpflichtet gewesen, die Beiträge einzubehalten und sie an die Beklagte zu entrichten. Die Beklagte stütze ihr Einzugsrecht gegenüber dem Kläger zu Unrecht auf § 393a Abs 2 Satz 6 RVO, wonach der Beitragseinzug der Krankenkasse obliege, wenn die Einbehaltung weiterer Beiträge ohne Verschulden der Zahlstelle unterblieben sei. Denn hier treffe die VBL ein Verschulden, weil ihr der Rentenbescheid vorgelegen haben müsse, sie daraus die Versicherungspflicht des Klägers als Rentner habe entnehmen und damit auch ihre Pflicht zum Einbehalt und zum Abführen der Beiträge habe erkennen müssen. Der Bescheid sei hingegen rechtmäßig, soweit die Beklagte Beiträge von der Nachzahlung erhoben habe. Dies ergebe sich aus § 393a Abs 2 Satz 8 RVO.
Gegen das Urteil richtet sich die - vom erkennenden Senat zugelassene - Revision der Beklagten, mit der sie geltend macht: Die VBL habe notwendig beigeladen werden müssen. In materiell-rechtlicher Hinsicht könne der VBL nicht generell ein Verschulden zur Last gelegt werden, wenn sie die Krankenversicherungspflicht anhand des Rentenbescheides nicht erkenne und vom Einbehalt der Beiträge absehe.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen, soweit das LSG den angefochtenen Bescheid aufgehoben hat.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er beruft sich im wesentlichen auf das Urteil des LSG.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit das angefochtene Urteil die Beitragspflicht für laufende Zahlungen der VBL betrifft. Das LSG hat die notwendige Beiladung der VBL unterlassen.
Der Kläger ist als Rentner nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO versicherungspflichtig. Er hat nach § 381 Abs 2 Satz 1, § 180 Abs 5 Nr 2, § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 5 RVO auch vom Zahlbetrag der Bezüge Beiträge zu tragen, die er von der VBL erhält. Diese Beiträge sind gemäß § 393a Abs 2 Satz 2 RVO von Zahlstellen wie der VBL von den Versorgungsbezügen einzubehalten und an die Krankenkasse zu entrichten. Sind in einem Monat keine Beiträge von den Versorgungsbezügen einbehalten worden, so dürfen sie nach § 393a Abs 2 Satz 5 RVO nur bei der nächsten Zahlung von Versorgungsbezügen einbehalten werden. Sodann bestimmt der Satz 6 des § 393a Abs 2 RVO, daß der Beitragseinzug der zuständigen Krankenkasse unterliegt, wenn die Einbehaltung weiterer Beiträge ohne Verschulden der Zahlstelle unterblieben ist.
Fraglich ist, was hiernach im einzelnen gilt, wenn die Einbehaltung aus Verschulden der Zahlstelle unterblieben ist, wobei auch zu prüfen ist, wann ein Verschulden der Zahlstelle vorliegt. Für den Fall eines Verschuldens der Zahlstelle wird vertreten, daß die Krankenkasse den Beitrag beim Versicherten einziehen dürfe und aus § 393a Abs 2 Satz 6 RVO im Umkehrschluß lediglich entnommen werden könne, daß die Zahlstelle für Verschulden hafte, wenn der Beitragseinzug endgültig erfolglos bleibe (Kierstein/Krückel, Komm zur KVdR Nr 285, § 393a RVO Anm 3.5.). Folgt man dagegen der Auffassung des LSG, das § 393a Abs 2 Satz 6 RVO bei Verschulden der Zahlstelle ein Freiwerden des aus Versicherten von der Beitragszahlungspflicht annimmt, so kommt in Betracht, aus § 393a Abs 2 Satz 6 RVO eine Pflicht der Zahlstelle herzuleiten, die Beiträge zu tragen und zu zahlen (vgl Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 393a Anm 4). Wenn die Beklagte weder den Kläger noch die Zahlstelle in Anspruch nehmen könnte, fiele sie mit der Beitragsforderung aus.
Die dargelegten Zusammenhänge zeigen, daß an dem Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten hinsichtlich der Frage, wer die Beiträge zu tragen und zu zahlen hat, die VBL derart beteiligt ist, daß die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Sie war daher nach § 75 Abs 2 SGG notwendig beizuladen. Da das Revisionsgericht die Beiladung nicht vornehmen kann (§ 168 SGG), mußte das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen werden.
Das LSG wird bei einer abschließenden Entscheidung auch über die Erstattung außergerichtlicher Kosten - einschließlich des Revisionsverfahrens - zu befinden haben.
Fundstellen