Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 23.04.1991; Aktenzeichen L 11 Ar 321/90)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. April 1991 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Streitig ist, ob die Beklagte dem Kläger die Kosten der drogentherapeutischen Nachsorgemaßnahme für die Beigeladene zu 2) zu erstatten hat.

Die am 26. Mai 1960 geborene Beigeladene zu 2) war von September 1975 bis April 1982 mit Unterbrechungen versicherungspflichtig beschäftigt. Wegen Drogenabhängigkeit wurde sie im Zeitraum vom 27. August 1982 bis 19. Dezember 1983 im Schloß W. … in G. … behandelt. Die Kosten dieser Behandlung trug die Beklagte. Eine Kostenübernahme für die anschließende Unterbringung der Beigeladenen zu 2) in der therapeutischen Nachsorgegemeinschaft F. … in der Zeit vom 20. Dezember 1983 bis 31. Dezember 1984 lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 18. November und 14. Dezember 1983 hingegen ab.

Der Kläger, der gemäß § 44 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) vorläufig die Kosten der Nachsorge übernommen hatte, machte mit Schreiben vom 20. Februar 1984 gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch geltend. Die Beklagte lehnte diesen Anspruch am 21. März 1984 ab.

Auf die am 23. Dezember 1987 erhobene Klage verurteilte das Sozialgericht Würzburg die Beklagte mit Urteil vom 11. September 1989, dem Kläger die ihm in der Zeit vom 20. Dezember 1983 bis 31. Dezember 1984 entstandenen Kosten in der therapeutischen Nachsorgegemeinschaft in F. … zu erstatten. Die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Zur Begründung seines zurückweisenden Urteils vom 23. April 1991 hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) im wesentlichen ausgeführt:

Der Erstattungsanspruch sei begründet, weil die Beklagte zur Durchführung der Maßnahme verpflichtet gewesen sei. Nach ihrer Weigerung zur Kostenübernahme habe der Kläger als „Vorleistungspflichtiger” die Kosten der Maßnahme übernehmen müssen, er könne nun die aufgewandten Kosten von der Beklagten erstattet verlangen. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, daß die Maßnahme ohne ihre Zustimmung begonnen worden sei, denn sie habe schon zeitig, noch während der Durchführung der von ihr getragenen Entwöhnungsbehandlung Kenntnis von der beabsichtigten weiteren Maßnahme gehabt. Weiterhin habe die Nachsorgemaßnahme unmittelbar im Anschluß an die Entwöhnungsbehandlung durchgeführt werden müssen, um effektiv zu sein. Die Beklagte hätte sich ihren Einfluß auf die Maßnahme dadurch sichern können, daß sie von vornherein die Kostentragung zugesagt hätte.

Es habe sich auch um eine medizinische Leistung zur Rehabilitation gehandelt, dabei sei es unmaßgeblich, daß bei der Maßnahme in der therapeutischen Nachsorgeeinrichtung kein Arzt hinzugezogen worden sei. Nach der Aufzählung in § 1237 Reichsversicherungsordnung (RVO) umfaßten medizinische Leistungen nicht nur ärztliche Behandlungen sondern auch andere Maßnahmen, insbesondere Belastungserprobung und Arbeitstherapie. Die Therapie sei in der Einrichtung in Einzel- und Gruppensitzungen durch geschultes Personal durchgeführt worden, und es unterliege keinem Zweifel, daß im Bedarfsfall ein in dieser Behandlung erfahrener Facharzt hinzugezogen werden konnte. Wenn auch das Leistungsprogramm in der Wohngemeinschaft berufliche Förderungsmaßnahmen wie Vorbereitung auf Erlangung der mittleren Reife und eine stundenweise versicherungsfreie Beschäftigung eingeschlossen habe, seien diese Maßnahmen dem Ziel der Festigung der Persönlichkeit untergeordnet gewesen. Die Erwerbsfähigkeit der Versicherten sei erheblich gefährdet und die Maßnahme aus ärztlicher Sicht erforderlich gewesen. Die günstige Einschätzung der Erwerbsfähigkeit im Entlassungsbericht vom 27. Januar 1984 stehe dem nicht entgegen, denn eine Maßnahme nach den §§ 1236, 1237 RVO sei nicht nur indiziert, wenn die Erwerbsfähigkeit gemindert, sondern auch dann, wenn sie erheblich gefährdet sei, was bei der Beigeladenen zu 2) der Fall gewesen sei. Eine ambulante Behandlung sei nicht ausreichend gewesen, denn die Beigeladene zu 2) sei bei einer Rückkehr zu ihren Eltern, die eine Gastwirtschaft betrieben, erheblich mehr gefährdet gewesen. Außerdem könnten die Erfahrungen in Gruppensitzungen und die Kontakte zu Mitpatienten in ambulanter Betreuung nicht vermittelt werden.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung der §§ 104 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X), 1236 und 1237 RVO. Fälschlicherweise gehe das LSG davon aus, daß es sich bei der streitbefangenen Maßnahme um eine medizinische Leistung zur Rehabilitation gemäß § 1237 RVO handele, deren Kosten grundsätzlich der Rentenversicherungsträger zu übernehmen habe. Zum Zeitpunkt der Verlegung der Versicherten in die therapeutische Nachsorgegemeinschaft im Anschluß an die Langzeittherapie im Schloß W. … hätten keine Aspekte einer medizinischen Rehabilitation im Vordergrund gestanden. Vielmehr sei die Beigeladene zu 2) im Entlassungsbericht vom 27. Januar 1984 als drogenfrei und vollschichtig einsatzfähig für leichte und mittelschwere Arbeiten angesehen worden. Die Aussichten für eine weitere Drogenabstinenz seien günstig gewesen und eine Stabilisierung bei sozialer und beruflicher Integration sei zu erwarten gewesen. Die Aufnahme in die therapeutische Wohngemeinschaft habe nicht der Wiederherstellung oder wesentlichen Besserung der Erwerbsfähigkeit gedient, sondern der sozialen Wiedereingliederung, denn das Ziel der Maßnahme sei die Festigung der Persönlichkeit gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. April 1991 und das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11. September 1989 aufzuheben und die Klage vom 23. Dezember 1987 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene zu 1) stellt keinen Antrag. Sie geht davon aus, daß keine Maßnahme der beruflichen Rehabilitation, sondern der sozialen Rehabilitation, vorgelegen habe.

Die Beigeladene zu 2) stellt ebenfalls keinen Antrag.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG.

Nach § 104 Abs 1 Satz 1 SGB X ist der Leistungsträger, demgegenüber der Berechtigte vorrangig einen Leistungsanspruch hat oder hatte (von hier nicht bedeutsamen weiteren Voraussetzungen abgesehen), dem nachrangigen Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn dieser dem Berechtigten Sozialleistungen erbracht hat.

Die formellen Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch sind hier gegeben. Der Kläger als Sozialhilfeträger hat nach Verweigerung der Leistung durch die Beklagte gemäß § 44 BSHG gegenüber der Beigeladenen zu 2) Leistungen erbracht und die Erstattung der dafür aufgewandten Kosten gegenüber der Beklagten innerhalb der zwölfmonatigen Ausschlußfrist des § 111 SGB X geltend gemacht. Die Leistungen aus der Rentenversicherung sind nach § 2 Abs 1 BSHG gegenüber Leistungen der Sozialhilfe auch vorrangig.

Obwohl der Erstattungsanspruch des Klägers auch nach § 104 Abs 1 Satz 1 SGB X selbständig und unabhängig von einem Anspruch des Berechtigten gegen den erstattungspflichtigen vorrangigen Leistungsträger entsteht (vgl BSG SozR 1300 § 104 Nr 6; SozR 2200 § 1237 Nr 21), ist dieser eng mit dem Anspruch des Berechtigten gegen den in Anspruch genommenen vorrangigen Sozialleistungsträger verbunden. Das heißt, in der Person der Beigeladenen zu 2) müssen alle Voraussetzungen für einen Anspruch gegen die Beklagte hinsichtlich der Leistung, wie sie hier von dem Kläger erbracht wurde, gegeben sein.

Der Anspruch der Beigeladenen zu 2) gegen die Beklagte richtet sich noch nach den §§ 1236, 1237 RVO, da sie zur Zeit der Antragstellung (Juni/Juli 1982) galten (§ 301 Abs 1 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch – ≪SGB VI≫).

Nach § 1236 Abs 1 Satz 1 RVO kann der Träger der Rentenversicherung in dem Fall, daß die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist, Leistungen zur Rehabilitation erbringen, wenn die Erwerbsfähigkeit durch diese Leistungen wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder wenn bei einer bereits geminderten Erwerbsfähigkeit durch diese Leistung der Eintritt der Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit abgewendet werden kann. Der Umfang der Leistungen richtet sich nach den §§ 1237 bis 1237b RVO. Der Träger der Rentenversicherung bestimmt im Einzelfall Art, Umfang und Durchführung der Leistungen zur Rehabilitation sowie die Rehabilitationseinrichtung unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit nach pflichtgemäßem Ermessen.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rehabilitationsmaßnahme (§ 1236 Abs 1a RVO) liegen vor. Die Beigeladene zu 2) hat in den 24 Monaten, die dem Beginn der Rehabilitation (27. August 1982) vorausgegangen sind, für mehr als 6 Monate eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt. Eine erneute Prüfung bei Beginn jeder weiteren Maßnahme hat nicht zu erfolgen, wenn es sich um aneinander anschließende Maßnahmen zur Erreichung eines einheitlichen Ziels handelt. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

Auch hat die Beigeladene zu 2) die Maßnahme beantragt; denn ihr ursprünglicher Antrag auf Rehabilitation erstreckt sich auf alle Leistungen, die erforderlich sind, um das Rehabilitationsziel zu erreichen (vgl Urteil des Senats vom 23. April 1992 – 13/5 RJ 12/90 –). Die erforderliche Zustimmung zu der hier streitigen Maßnahme ist ebenfalls nicht streitig.

Umstritten ist hingegen, ob es sich bei der Nachsorgebehandlung um eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation handelte und ob diese erforderlich und geeignet war. Zur Abgrenzung des Bereichs medizinischer Rehabilitation hat der erkennende Senat bereits ausführlich Stellung genommen (BSG SozR 3-2200 § 1237 Nr 2 S 9 ff). Danach erstreckt sich medizinische Rehabilitation auf alle Maßnahmen, die erforderlich und geeignet sind, eine Krankheit oder eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung in der Weise zu beeinflussen, daß durch diese Leistungen die Erwerbsfähigkeit gebessert oder wiederhergestellt werden kann (§ 1236 Abs 1 Satz 1 RVO). Dabei kommt es nicht darauf an, ob mit der Maßnahme zugleich weitere Ziele, wie das der Eingliederung in Beruf und Gesellschaft gefördert werden (BSG aaO).

Das Gesetz gibt in § 1237 RVO keinen festen Maßnahmenkatalog vor; es läßt sich daraus auch nicht ableiten, daß generell nur ärztlich betreute oder überwachte Maßnahmen als Maßnahmen medizinischer Rehabilitation in Betracht kommen (vgl BSGE 54, 54; BSGE 66, 87; SozR 2200 § 1237 Nr 22, SozR 3-2200 § 1237 Nr 1). Insoweit hat das LSG festgestellt, daß die Therapie in der Wohngemeinschaft in F. … in Einzel- und Gruppensitzungen durch geschultes Personal (Sozialarbeiter, Psychotherapeuten) durchgeführt wurde und im Bedarfsfall ein erfahrener Facharzt hinzugezogen worden wäre. Die Maßnahme in der therapeutischen Wohngemeinschaft kann daher als medizinische Leistung angesehen werden, selbst wenn neben der Drogenbehandlung zur Wiederherstellung der Drogenabstinenz noch Allgemein- und Berufskenntnisse vermittelt wurden und die Eingliederung in die Gesellschaft angestrebt wurde.

Dementsprechend kann die Beklagte ihre Leistungspflicht nicht ohne weiteres mit dem Hinweis verneinen, daß an der streitigen Maßnahme keine Ärzte mitgewirkt hätten und daß der Besuch der Realschule hierdurch ermöglicht worden sei. Entscheidend ist allein, ob aus medizinischen, durch ärztliche Gutachten belegten Gründen eine Aufnahme der Beigeladenen zu 2) in die Nachsorgeeinrichtung erforderlich war und diese Maßnahme für ihren Zustand auch geeignet war, das gesetzliche Rehabilitationsziel zu erreichen.

Es steht außer Zweifel, daß die Erwerbsfähigkeit der Beigeladenen zu 2) zu Beginn der Maßnahme im Langzeitprogramm Schloß W. … wegen der Drogenabhängigkeit gemindert war und diese therapeutische Maßnahme ihrer Wiederherstellung diente. Inwieweit dies jedoch nach erfolgreicher Beendigung der Behandlung in Schloß W. … noch der Fall war, läßt sich den Feststellungen des LSG nicht mit Sicherheit entnehmen. Zwar führt das LSG aus, daß die Erwerbsfähigkeit der Beigeladenen zu 2) wegen Krankheit bzw körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung weiterhin erheblich gefährdet war, und stellt dabei darauf ab, daß die Persönlichkeit der Beigeladenen zu 2) noch gefestigt und ein Rückfall vermieden werden mußte. Konkrete Feststellungen über den gesundheitlichen Zustand der Beigeladenen zu 2) und dessen Auswirkungen auf ihre Erwerbsfähigkeit fehlen jedoch. Auch reichen hierzu Äußerungen der behandelnden Ärzte regelmäßig nicht aus. Es bedarf insoweit einer gründlichen Prüfung durch einen unabhängigen Sachverständigen (Urteil des erkennenden Senats vom 23. April 1992 – 13 RJ 27/91 –). Dies gilt besonders auch im vorliegenden Fall. Der ärztliche Entlassungsbericht vom 27. Januar 1984, auf den sich das LSG stützt, beinhaltet nur, daß die Beigeladene zu 2) bei Beendigung der Maßnahme in Schloß W. … … am 19. Dezember 1983 seit Therapiebeginn drogenfrei war und die Aussichten für eine weitere Drogenabstinenz als günstig beurteilt wurden. Eine langfristige Stabilisierung sei bei sozialer und beruflicher Integration zu erwarten.

Auch aus dem Bericht der behandelnden Ärztin vom 5. Dezember 1983 ergibt sich nur, daß die Behandlung in Schloß W. … sehr positiv verlaufen sei. Die Beigeladene zu 2) habe sich in der beschützenden Umgebung sehr stabilisiert, sie sei aber noch erheblich gefährdet. Von ärztlicher Seite werde deshalb dringend von einer Rückkehr in das Elternhaus abgeraten.

Das LSG muß deshalb noch eine gründliche Abklärung der Erforderlichkeit herbeiführen und dabei insbesondere der Frage nachgehen, ob die erhebliche Gefährdung nur bei einer Rückkehr ins Elternhaus bestanden hätte. In einem solchen Fall hätte die Maßnahme im wesentlichen der Beschaffung einer gesicherten Unterkunft und damit der Eingliederung in die Gesellschaft gedient.

Falls das LSG nach erneuter Überprüfung zu der Feststellung kommt, daß die Erwerbsfähigkeit der Beigeladenen zu 2) nach Beendigung der Langzeittherapie in Schloß W. … noch gemindert war, und sich weitere medizinische Rehabilitationsleistungen anschließen mußten, kommt es noch darauf an, ob die durchgeführte Maßnahme (auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten) geeignet war, den angestrebten Erfolg möglichst schnell und nachhaltig herbeizuführen. Auch hierzu müssen noch weitere Feststellungen getroffen werden, für die es regelmäßig der Heranziehung eines Sachverständigen bedarf.

Da es sich sowohl bei der Feststellung der Erforderlichkeit als auch in abgeschwächtem Maße bei der Frage der Eignung um Prognosen handelt, müssen diese Fragen zunächst aus den bei Beginn der Maßnahme vorliegenden Umständen und Erkenntnissen beantwortet werden. Eine rückschauende Betrachtung kann hierfür Hinweise bringen, ist aber allein nicht entscheidend.

Bei Maßnahmen wie der vorliegenden, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, muß – wie der erkennende Senat bereits mehrfach entschieden hat -(Urteile vom 23. April 1992 – 13 RJ 27/91 – und vom 8. Oktober 1992 – 13 RJ 57/91 –), die Erforderlichkeit ebenso wie die Eignung außerdem in gewissen Abständen überprüft werden.

Das LSG hat es als ausreichend angesehen, daß die Therapie erfolgreich war bzw zumindest nichts bekannt geworden ist, was den Erfolg in Frage gestellt hätte. Es hat aber keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Erforderlichkeit der Sicherung oder Besserung der Erwerbsfähigkeit während der gesamten Dauer der Maßnahme in der therapeutischen Wohngemeinschaft vorgelegen hat. Aus den Unterlagen des Klägers geht dazu hervor, daß zunächst ärztlicherseits am 12. September 1983 eine Nachsorge von ca 6 Monaten als erforderlich angesehen wurde und diese auf Antrag einer Sozialarbeiterin der Jugendberatung und Jugendhilfe ohne ärztliche Bestätigung am 12. April 1984, am 12. September 1984 und am 5. Dezember 1984 vom Kläger weiterhin bestätigt und letztlich bis 31. Dezember 1984 fortgesetzt wurde. Dies reicht jedoch nicht. Zwar können – wie dargelegt – auch nicht ärztlich betreute Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation gerechnet werden; Erforderlichkeit und Eignung müssen jedoch grundsätzlich ärztlich geprüft und begründet werden. Dies gilt nicht nur für den Beginn der Maßnahme, sondern auch für Überprüfungen von sich zeitlich länger hinziehenden Maßnahmen. Rehabilitationsleistungen nach §§ 1236 ff RVO werden nur dann gewährt, wenn die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert bzw gefährdet ist. Das Vorliegen von Krankheit als regelwidriger körperlicher und geistiger Zustand (BSG SozR 2200 § 1277 Nr 2) und Behinderung als medizinisch bedeutsame Abweichung vom Normalzustand (BSG SozR 2200 § 1237b Nr 3) kann aber nur medizinisch – regelmäßig durch einen Arzt – beurteilt werden.

Ergibt sich aus den Feststellungen des LSG, daß die streitige Maßnahme während der gesamten Dauer erforderlich und geeignet war, die Erwerbsfähigkeit der Beigeladenen wiederherzustellen, so kann sich die Beklagte nicht mehr darauf berufen, daß sie auf Einleitung und Durchführung der Maßnahme keinen Einfluß nehmen konnte. Es war ihre Aufgabe, nach Eingang des Rehabilitationsantrages einen umfassenden Rehabilitationsplan aufzustellen und von sich aus die erforderlichen weiteren Maßnahmen einzuleiten.

Da sie dies jedoch unterlassen hat, mußte der Kläger zunächst einmal durch Kostenübernahme die Durchführung der Behandlung sichern. Er hat dementsprechend einen Erstattungsanspruch, sofern die Maßnahme die oben dargelegten Anforderungen an Erforderlichkeit und Eignung erfüllt.

Nach allem war auf die Revision der Beklagten das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen. Dieses wird auch über die Kosten zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1173196

RsDE 1994, 97

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