Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 11.02.1993) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 11. Februar 1993 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin ab Juni 1984 gemäß § 186a des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) eine Umlage zu den Mitteln für die Produktive Winterbauförderung zu leisten hat.
Die Klägerin, ein Straßenfräsunternehmen, bearbeitet mit Hilfe teilweise selbst entwickelter Spezialmaschinen Straßenbeläge und Industriehallenböden. Im Bundesgebiet gibt es 23 vergleichbar strukturierte Betriebe, welche im Verband Deutscher Straßenfräsunternehmen in Köln zusammengeschlossen sind. Nach Darstellung der Klägerin, die auch das Landessozialgericht (LSG) seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat, werden von ihrer betrieblichen Arbeitszeit ca 50 % für die Neukonstruktion, den Umbau und die Reparatur von Maschinen und Fahrzeugen benötigt, ferner 5 % auf den Verkauf von Verschleißteilen; die restlichen 45 % entfallen auf den Einsatz der Maschinen. Hierbei werden Straßen- und Bodenbeläge entweder völlig beseitigt (Gesamtabbau), verkleinert (Rückbau) oder teilweise abgetragen (Teilabbau), bevor andere Unternehmen sie neu aufbauen. Diese Tätigkeiten werden zu 85 % an Straßen und Wegen und zu 15 % an Hallen- bzw Industrieböden ausgeführt. Bei den Straßen und Wegen dienen ca 50 % der Arbeitszeit dem Gesamtabbau, 40 % dem Teilabbau und 10 % dem Rückbau; bei den Industrieböden entfallen jeweils rund 50 % auf Gesamt- und Teilabbau.
Eine arbeitsgerichtliche Klage der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG als Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes gegen die Klägerin auf Auskunftserteilung wurde – letztinstanzlich durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) – abgewiesen: Die Bautarife fänden mangels Verbandszugehörigkeit auf die Klägerin keine Anwendung; diese befasse sich überwiegend mit solchen Abbrucharbeiten, die aus der Allgemeinverbindlicherklärung der Bautarife ausgenommen seien (BAG vom 28. März 1990 – 4 AZR 615/89 = AP Nr 130 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Mit Grundlagenbescheid vom 2. November 1987 zog die Beklagte die Klägerin ab Juni 1984 zur Winterbauumlage heran. Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Das LSG hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 11. Februar 1993 zurückgewiesen: Die Klägerin betreibe ein Baugewerbe, erbringe überwiegend Bauleistungen (§ 186a Abs 1, § 76 Abs 2, Abs 1, § 75 AFG) und gehöre Zweigen des Baugewerbes an, in denen nach der zu § 76 Abs 2 AFG ergangenen Baubetriebeverordnung (BaubetrV) die ganzjährige Beschäftigung zu fördern sei. Sie sei nämlich sowohl ein Straßenbauunternehmen iS des § 1 Abs 2 Nr 31 BaubetrV als auch ein Abbruchunternehmen iS des § 1 Abs 2 Nr 27 BaubetrV. Die Ausnahmevorschrift des § 1 Abs 2 Nr 27, 2. Halbsatz BaubetrV sei nicht erfüllt, da die überwiegende Tätigkeit der Klägerin nicht der Gewinnung von Rohmaterialien oder der Wiederaufbereitung von Abbruchmaterialien diene; vielmehr würden die Straßenabbruchmaterialien von anderen Unternehmen wiederaufbereitet. Es verstoße auch nicht gegen § 76 Abs 2 AFG, daß der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) die Straßenfräsunternehmen auf diese Weise in die Winterbauförderung einbezogen habe. Es bestehe nämlich sowohl eine systemische Abhängigkeit von den Witterungsverhältnissen – Aufträge im Winter würden schon deshalb nicht erteilt, um Perioden der Unbenutzbarkeit von Straßen zu vermeiden – als auch eine direkte: Bei Schneehöhen von etwa 50 cm könne das abgefräste Material nicht mehr abgefahren werden. Das LSG hat sich hierbei auf die Aussagen der Sachverständigen Dipl.-Ing. Kl. und Verwaltungsamtsrat Ki. … (Leiter der Dienststelle S. … beim Arbeitsamt F. …) gestützt.
Mit ihrer – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Klägerin die Verletzung der Ausschlußklausel des § 1 Abs 2 Nr 27, 2. Halbsatz BaubetrV. Sie macht geltend, das abgefräste Asphaltgranulat sei Rohmaterial, da es ohne zusätzliche Aufbereitung der Wiederverwendung zugeführt werde. Dies habe das LSG verkannt. Einer entsprechenden Beweisfrage seines Beweisbeschlusses vom 19. Juli 1991 sei es nicht nachgegangen. Bei der Klägerin und der Gruppe von Betrieben, der sie angehöre, komme eine Winterförderung nicht in Betracht. Die Winterflaute hänge damit zusammen, daß alle Straßenbauverwaltungen im Winter keine Straßenbauaufträge erteilten. Deswegen könne eine Fortführung der Arbeiten nicht durch die Witterung unterbrochen werden, wie von § 84 AFG für die Gewährung von Schlechtwettergeld verlangt. Dementsprechend hätten die Arbeitnehmer der Klägerin in der Vergangenheit regelmäßig Kurzarbeitergeld erhalten. Auf dieses widersprüchliche Verhalten der Beklagten sei das LSG nicht eingegangen. Die Klägerin und ihre Gruppe seien von Witterungseinflüssen unabhängig. In jenen Extremfällen, in denen im Winter keine Lastkraftwagen mehr fahren könnten, würden die Straßen in kurzer Zeit geräumt. Im übrigen könne das abgefräste Material auch am Straßenrand zwischengelagert werden. Schließlich lehnt die Klägerin nachträglich den Sachverständigen Ki. … ab und trägt vor, sie habe erst aus den schriftlichen Urteilsgründen erfahren, daß dieser in gehobener Position bei der Beklagten tätig sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 9. Mai 1990 und das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 11. Februar 1993 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. November 1987 idF des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 1989 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 11. Februar 1993 zurückzuweisen.
Angesichts des geringen Wertes des Abbruchmaterials diene der Betrieb der Klägerin nicht überwiegend der Gewinnung von Rohmaterial.
Entscheidungsgründe
II
Das Gericht hat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden, nachdem die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG. Die von diesem Gericht festgestellten Tatsachen reichen zu einer Entscheidung der Frage, ob die Klägerin umlagepflichtig zur Produktiven Winterbauförderung ist, nicht aus.
Nach § 186a Abs 1 Satz 1 AFG in der ab dem 1. Januar 1980 geltenden Fassung des 5. Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (5. AFGÄndG) vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189) werden die Mittel für die Produktive Winterbauförderung von den Arbeitgebern des Baugewerbes, in deren Betrieben die ganzjährige Beschäftigung durch Leistungen nach den §§ 77 bis 80 AFG zu fördern ist (§ 76 Abs 2 AFG), durch eine Umlage aufgebracht. Arbeitgeber des Baugewerbes sind gemäß § 75 Abs 1 Nr 1 AFG natürliche und juristische Personen, Personenvereinigungen oder Personengesellschaften, die als Inhaber von Betrieben des Baugewerbes auf dem Baumarkt gewerblich Bauleistungen anbieten. Betriebe des Baugewerbes sind solche Betriebe oder Betriebsabteilungen,
die überwiegend Bauleistungen erbringen (§ 75 Abs 1 Nr 2 AFG); zu den Bauleistungen wiederum gehören alle Bauarbeiten, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen (§ 75 Abs 1 Nr 3 AFG).
Die vorinstanzlichen Gerichte gehen zutreffend davon aus, daß der Betrieb der Klägerin überwiegend Bauleistungen erbringt und ein Betrieb des Baugewerbes ist. Vom Begriff der Bauleistungen werden Arbeiten am erdverbundenen Bau erfaßt (Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 19. März 1974, SozR 4670 § 2 Nr 2, S 2 f). Hierunter fällt auch der Straßenbau (BSG vom 22. März 1979, SozR 4100 § 75 Nr 7, S 7; vom 12. Dezember 1984, SozR 4100 § 76 Nr 13, S 12). Dann aber gehört auch ein Betrieb, der sich in der Hauptsache mit dem Rückbau und Abbau von Straßen befaßt, zum Baugewerbe. Dies folgt bereits aus § 75 Abs 1 Nr 3 AFG, wonach zu den Bauarbeiten ua solche zählen, die der Beseitigung von Bauwerken dienen.
Ob im Betrieb der Klägerin die ganzjährige Beschäftigung durch Leistungen nach den §§ 77 bis 80 AFG zu fördern ist, richtet sich nach § 76 Abs 2 AFG iVm der durch die Verordnung vom 24. Oktober 1984 (BGBl I 1318) geänderten BaubetrV. Nach deren § 2a ist die Neufassung des § 1 Abs 2 Nr 27 BaubetrV mit Wirkung ab 1. November 1984 dann auch für davorliegende Zeiträume anzuwenden, wenn am 1. November 1984 noch kein unanfechtbarer Heranziehungsbescheid vorlag.
Dieser Bestimmung unterfällt der Betrieb der Klägerin. Nach den vom LSG zugrunde gelegten Tatsachen – seine Feststellungen lassen allerdings nicht erkennen, ob es die Angaben der Klägerin lediglich als wahr unterstellt oder ob es diese sachlich überprüft hat – betreibt die Klägerin überwiegend Abbrucharbeiten. Solche liegen vor, wenn die Arbeiten zum Substanzverlust, dh zur vollständigen oder wenigstens teilweisen Beseitigung eines Gebäudes, Bauwerks bzw Gebäude- oder Bauwerksteils führen (so für den Fall der Klägerin BAG vom 28. März 1990, AP Nr 130 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau, Bl 144; s auch BSG vom 5. Dezember 1978, SozR 4100 § 75 Nr 6 S 5). Auf der oa Grundlage erfolgt das Zertrümmern, Schneiden und Fräsen bei Straßen und Wegen zu 50 % zum Zwecke des Gesamtabbaus, zu rund 40 % zum Teilabbau und zu rund 10 % zum Rückbau; bei den Industrieböden entfallen jeweils rund 50 % auf Gesamt- und Teilabbau. Sowohl im Gesamtabbau als auch im Rückbau wird die Straße (bzw eine Teilfläche) bis auf die Bodenschicht abgetragen, während beim Teilabbau, dem Abfräsen einzelner Schichten, kein Abbruch erfolgt, sondern Straßenbauarbeiten (hier: Vorarbeiten zu einer Neubeschichtung) verrichtet werden. Entsprechenden Tätigkeiten widmet sich die Klägerin jedoch, wie aus den obigen Zahlen ersichtlich, nur zu unter 50 % ihrer betrieblichen Arbeitszeit, soweit sie unmittelbar am Bau anfällt.
Ein Ausnahmetatbestand nach § 1 Abs 2 Nr 27 2. Halbsatz BaubetrV ist nicht erfüllt. Der Betrieb der Klägerin dient nicht überwiegend der Gewinnung von Rohmaterialien oder der Wiederaufbereitung von Abbruchmaterialien. Unerheblich ist, ob das abgefräste Material sich weitgehend bereits als Rohmaterial iS der Verordnung bezeichnen läßt, wie die Revision vorträgt. Denn ein Unternehmen dient iS dieser Vorschrift nur dann der Gewinnung von Rohmaterialien, wenn die (überwiegende) Betriebstätigkeit unmittelbar hierauf gerichtet ist; dient eine Tätigkeit verschiedenen Zwecken, so kommt es auf den Hauptzweck an (BSG vom 10. August 1988, SozR 4100 § 186a Nr 24 S 70 f sowie vom 7. September 1988, EzS 150/46). Die Klägerin wird jedoch dafür bezahlt, daß sie Straßenabbruchleistungen ausführt; daß hierbei auch wiederverwendbares Rohmaterial anfällt, ist ein nützlicher und auch erwünschter Nebeneffekt, jedoch nicht der Zweck des Unternehmens, auf welchem es seine Existenz gründet. Auf dieser Grundlage kommt es nicht darauf an, ob das LSG der Frage, ob das abgefräste Asphaltgranulat Rohmaterial ist, verfahrensfehlerhaft nicht nachgegangen ist, wie von der Revision gerügt.
Unerheblich ist bei dieser Ausgangslage ferner, ob diejenigen Tätigkeiten, welche die Klägerin neben den Abbrucharbeiten durchführt, einer anderen Untergliederung des § 1 Abs 2 BaubetrV zugerechnet werden können, etwa unter § 1 Abs 2 Nr 31 (Straßenbauarbeiten) fallen. Denn nicht nur für die Frage, ob ein Betrieb grundsätzlich förderungsfähig und damit umlagepflichtig ist (hierzu BSG vom 11. März 1987, SozR 4100 § 186a Nr 21), sondern auch für die hiervon geltende Ausnahme einer abgrenzbaren Gruppe von Betrieben (s BSG vom 14. Februar 1991, SozR 3-4100 § 186a Nr 4) kommt es darauf an, welchem der in § 1 Abs 2 BaubetrV aufgezählten Zweige des Baugewerbes (§ 76 Abs 2 Satz 1 AFG) der fragliche Betrieb überwiegend angehört (s auch § 75 Abs 1 Nr 2 AFG). Dies wiederum richtet sich nicht nach dem Umsatzanteil bestimmter Tätigkeiten, sondern danach, womit die Mehrzahl der Arbeiter beschäftigt ist (BSG vom 11. März 1987, SozR 4100 § 186a Nr 21 S 58) oder – gleichbedeutend – danach, wofür die betriebliche Arbeitszeit überwiegend verwendet wird.
Ebenso unerheblich ist, daß die Bau- oder Abbrucharbeiten selbst nur etwa 45 % der betrieblichen Arbeitszeit ausmachen, während diese zu etwa 50 % für Arbeiten an Maschinen und Fahrzeugen benötigt wird. Denn hierbei handelt es sich um Zusammenhangstätigkeiten, die dem eigentlichen Einsatz dieser Maschinen und Fahrzeuge jeweils anteilig zuzurechnen sind. Zu den Bauarbeiten iS des § 1 Abs 2 BaubetrV zählen regelmäßig nicht nur die unmittelbar am Bau durchgeführten Arbeiten. Dies wird durch die ausdrückliche Ausnahme in § 1 Abs 2 Nr 12, 3. Teilsatz BaubetrV (für die Herstellung von Fertigteilen in Werkstätten nach Art stationärer Betriebe) belegt. Vielmehr gehört auch die Herstellung und Wartung von Maschinen, die später unmittelbar am Bau verwendet werden, dann zu den förderungsfähigen Bauarbeiten, wenn diese Maschinen im eigenen Unternehmen eingesetzt werden (s BSG vom 16. Februar 1982, SozR 4100 § 186a Nr 16 S 37; vgl auch § 1 Abs 2 Nr 12, 2. Teilsatz und Nr 17 BaubetrV). Auch die Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes (so für den Fall der Klägerin BAG vom 28. März 1990, AP Nr 130 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau, Bl 145 mwN) erfassen nicht nur den eigentlichen baugewerblichen Kern der darin geregelten Tätigkeiten, sondern darüber hinaus alle Arbeiten, die branchenüblich und iS einer sachgerechten Ausführung der baulichen Tätigkeiten notwendig sind und deswegen regelmäßig nach der Verkehrssitte als Nebenarbeiten von den Betrieben des Baugewerbes miterledigt werden. Daß die Arbeiten an den Maschinen und Fahrzeugen von einer gesonderten Betriebsabteilung (§ 75 Abs 1 Nr 2 AFG, § 1 Abs 2 BaubetrV) der Klägerin ausgeführt würden, ist nicht ersichtlich (hierzu allgemein BSG vom 20. Januar 1982, SozR 4100 § 75 Nr 9). Nur dann aber käme eine nur teilweise Heranziehung der Klägerin zur Umlage für die Produktive Winterbauförderung (lediglich für Arbeiten unmittelbar „am Bau”) in Betracht.
Nicht entscheiden läßt sich allerdings aufgrund der im angefochtenen Urteil enthaltenen tatsächlichen Feststellungen die Frage, ob die Klägerin zu Unrecht, dh unter Überschreitung der dem BMA nach § 76 Abs 2 AFG erteilten Ermächtigung, in den Katalog der nach der BaubetrV zu fördernden Betriebe aufgenommen worden ist.
Nach der Rechtsprechung des Senats (s zuletzt Urteil vom 14. Februar 1991, SozR 3-4100 § 186a Nr 4 S 13 ff mwN) kommt es bei der Beantwortung der Frage, ob ein Betrieb förderungsfähig und deshalb in die Produktive Winterbauförderung einzubeziehen ist, nicht auf die individuelle Gestaltung des einzelnen Betriebes an. Die Umlagepflicht entfällt vielmehr nur, wenn der nach § 76 Abs 2 AFG zuständige Verordnungsgeber (der BMA) auf der Grundlage jener Ermächtigungsnorm verpflichtet gewesen wäre, Betriebe wie den der Klägerin von der Förderung auszunehmen. Dies ist dann der Fall, wenn es eine Gruppe von Betrieben gibt, welche die Voraussetzungen für die Einbeziehung in die Winterbauförderung nicht erfüllen und die zusammen derart ins Gewicht fallen, daß dieser Umstand bei der Ausführung der Ermächtigung zu beachten gewesen wäre.
Das LSG ist davon ausgegangen, daß die Gruppe der Straßenfräsunternehmen zwar ins Gewicht falle, jedoch gleichwohl die Voraussetzungen für die Einbeziehung in die Winterbauförderung erfülle. Beide Schlußfolgerungen sind allerdings aufgrund der getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht möglich.
Aus seinen Entscheidungsgründen geht nicht hervor, ob das LSG die Annahme, die Straßenfräsunternehmen fielen als Gruppe ins Gewicht, daraus herleitet, daß es 23 solche Betriebe gibt oder daraus, daß diese in einem Bundesverband zusammengeschlossen sind. Soweit letzteres gemeint ist „… schon deshalb als Gruppe ins Gewicht …”), kann sich das LSG nicht auf die Rechtsprechung des BSG berufen. In der Tat gibt es auch keinen Grund, aus der bloßen Existenz eines Bundesverbandes daraus zu schließen, daß die Gruppe der Unternehmen „nennenswert” iS der oa Rechtsprechung ist.
Auch ihre Zahl (23) läßt als solche noch keinen Schluß darauf zu, daß es sich um eine Gruppe handelt, der nach dieser Rechtsprechung ein bedeutsames Gewicht zukommt. Vielmehr ist dies erst dann der Fall, wenn sie angesichts der Gesamtzahl der zu dem Gewerbezweig (hier: Abbruchunternehmen) zählenden Betriebe einen Anteil ausmacht, welcher angesichts der Ermächtigungsgrundlage des § 76 Abs 2 AFG nicht unbeachtet bleiben darf. Dies kann sich durch den Anteil der in der Gruppe der Straßenfräsunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer, gemessen an der Gesamtzahl der in allen Abbruchbetrieben Tätigen, ausdrücken oder im Marktanteil der Straßenfräsunternehmen an dem Gewerbezweig der Abbruchunternehmen. Der Anteil der Beschäftigten bzw der Marktanteil darf die Zehnprozentgrenze auf keinen Fall unterschreiten und muß umso höher liegen, je weniger Betriebe dem betreffenden Gewerbezweig angehören (BSG vom 14. Februar 1991, SozR 3-4100 § 186a Nr 4 S 16).
Der Senat vermag dem LSG auch insoweit nicht zu folgen, als dieses eine Förderbarkeit der Straßenfräsunternehmen schon wegen einer ”systemischen” Witterungsabhängigkeit annimmt „systemisch” bedeutet nach Duden, Fremdwörterbuch, 5. Aufl 1990 in der medizinisch/biologischen Fachsprache: „ein Organsystem oder mehrere Organe in gleicher Weise betreffend oder auf sie wirkend”). Allein das Listensystem, auf welchem die BaubetrV aufbaut, erweist, daß jeder einzelne Betriebszweig, welcher entsprechend den Regeln des § 76 Abs 2 AFG aufgenommen wird, für sich förderungsfähig sein muß. Der Katalog ist eine abschließende Liste und setzt für jeden aufgenommenen einzelnen Gewerbezweig voraus, daß die gesetzlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsnorm erfüllt sind. Es genügt daher nicht, daß ein Zweig des Baugewerbes zwar nicht selbst, jedoch mittelbar dadurch gefördert werden kann, daß ein anderer Gewerbezweig des Baugewerbes mit Recht in die Produktive Winterbauförderung einbezogen wird. Ein Arbeitsausfall, der dadurch eintritt, daß andere Unternehmen nicht weiterarbeiten können, ist nicht ausschließlich durch Witterungsumstände bedingt und kann daher beispielsweise auch nicht zur Zahlung von Wintergeld führen. Eine mittelbare Förderbarkeit rechtfertigt nicht die Aufnahme in die BaubetrV (so bereits der Senat im Urteil vom 18. September 1991 – 10 RAr 5/90 – für einen Betrieb, der Autokräne mit Bedienungspersonal vermietet).
Entsprechendes gilt für die möglichen Betriebsstörungen, wenn bei hoher Schneedecke von etwa 50 cm das Fräs- bzw Abbruchmaterial nicht mehr zeitgerecht abgefahren werden kann. Die allgemeine Straßenverkehrsabhängigkeit, welcher sehr viele Unternehmen ausgesetzt sind, berechtigt nicht zum Bezug von Leistungen nach den §§ 77 bis 80 AFG.
Es kommt also im vorliegenden Fall darauf an festzustellen, ob die Straßenfräsunternehmen innerhalb der Abbruchunternehmen eine nennenswerte Gruppe bilden, deren Bautätigkeit wegen der Art der verrichteten Arbeiten in der Schlechtwetterzeit nicht wesentlich gefördert werden kann. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß sich einem winterlichen Arbeitsausfall, welcher allein auf mangelnde Nachfrage zurückgeht, nicht mit den Maßnahmen nach §§ 77 ff AFG begegnen läßt (vgl BSG vom 14. März 1989, SozR 4100 § 75 Nr 13 für Leitplankenarbeiten sowie das Urteil vom selben Tage – 10 RAr 8/87 – für die Fertigstellung und Herrichtung von Freiland-Tennisplätzen).
Hierbei wird das LSG auch folgendes zu beachten haben: Nach § 186a Abs 1 AFG werden die Mittel für die Produktive Winterbauförderung von den Arbeitgebern des Baugewerbes aufgebracht, in deren Betrieben die ganzjährige Beschäftigung durch Leistungen nach den §§ 77 bis 80 zu fördern ist. Demgemäß spielt nach der Rechtsprechung des BSG, wie aufgezeigt, eine Rolle, ob die Zweige des Baugewerbes nach § 1 Abs 2 BaubetrV bzw nennenswerte Gruppen davon nach den §§ 77 bis 80 AFG förderungsfähig sind. Dabei ist jedoch für Anträge nach dem 1. Juli 1986 die Förderung nach den §§ 77 bis 79 AFG ausgesetzt worden (vgl § 238 AFG, zuletzt idF des Gesetzes vom 18. Dezember 1992 ≪BGBl I 2044≫; mit Wirkung ab 1. Januar 1994 abgelöst durch § 74 Abs 3 Satz 2 AFG idF des Gesetzes vom 21. Dezember 1993 ≪BGBl I 2353≫). Wenn aber der Investitionskostenzuschuß nach § 77 AFG und der Mehrkostenzuschuß nach den §§ 78, 79 AFG nicht mehr gewährt werden, so kann es bei der Heranziehung von Arbeitgebern des Baugewerbes zur Umlage für die Produktive Winterbauförderung nicht darauf ankommen, ob die Betriebe für jene Leistungen in Betracht kommen. Vielmehr ist für Zeiten ab dem 1. Juli 1986 insoweit lediglich maßgeblich, ob den Arbeitnehmern des fraglichen Zweiges des Baugewerbes bzw der geprüften nennenswerten Gruppe Wintergeld zustehen kann, also (§ 80 Abs 1 Satz 1 iVm § 83 AFG) witterungsbedingter Arbeitsausfall möglich ist.
Hinsichtlich der Nachforderung der Umlage für Zeiten vor Erlaß des angefochtenen Grundlagenbescheides vom 2. November 1987 sei schließlich darauf hingewiesen, daß zwar eine Verwirkung des Rechts der Nachforderung der Umlage in Betracht kommen kann (BSG vom 26. August 1983, SozR 4100 § 186a Nr 17). Dies erfordert jedoch besondere Umstände, die nur dann vorliegen, wenn die Klägerin infolge eines bestimmten Verhaltens der Beklagten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, daß diese die Umlage nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), tatsächlich darauf vertraut hat und sich infolgedessen in ihren Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), daß ihr durch die verspätete Inanspruchnahme ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG vom 27. November 1985, EzS 150/40; vgl allg BSG vom 30. November 1978, BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr 11 mwN). Die Voraussetzungen einer Verwirkung sind jedoch nicht schon erfüllt, wenn die Beklagte den Arbeitnehmern der Klägerin – wie diese mit der Revision vorträgt – in der Vergangenheit Kurzarbeitergeld gewährt hat, was nach § 64 Abs 2 Satz 2 AFG voraussetzt, daß der Arbeitsausfall nicht (im üblichen Umfang) witterungsbedingt war. Zwar mag insoweit – je nach Gestaltung des Einzelfalls – eine Widersprüchlichkeit gesehen werden. Es ist jedoch nicht ersichtlich, inwieweit sich die Klägerin infolge der Gewährung von Kurzarbeitergeld an ihre Arbeitnehmer schützenswert darauf eingerichtet haben könnte, nicht zur Umlage zur Produktiven Winterbauförderung herangezogen zu werden.
Das LSG wird auch über die Ablehnung des Sachverständigen Ki. … durch die Klägerin sowie über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen