Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung des Arbeitslosengeldes (Alg) nach Beschäftigung in zwei Arbeitsverhältnissen während des Bemessungszeitraums
Beteiligte
…, Kläger und Revisionsbeklagter |
Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg, Regensburger Straße 104, Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
G r ü n d e :
I
Der Rechtsstreit betrifft die Berechnung des Arbeitslosengeldes (Alg) nach Beschäftigung in zwei Arbeitsverhältnissen während des Bemessungszeitraums.
Der 1942 geborene nicht verheiratete Kläger ist kinderlos. Er war als Schauspieler vom 1. Oktober 1986 bis 2. Juli 1987, vom 1. Oktober 1987 bis 15. Juli 1988 und vom 1. September 1988 bis 15. Juli 1989 beim Staatstheater in K. beschäftigt. Nach dem Dienstvertrag vom 9. Juni 1988 war das Beschäftigungsverhältnis bis zum 15. Juli 1989 befristet. Der Kläger bezog bei einer "tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden" (Arbeitsbescheinigung) ein Arbeitsentgelt von 5.778,99 DM brutto monatlich. Dieses Arbeitsentgelt versteuerte er nach Steuerklasse I.
Vom 28. Mai bis 3. August 1989 war der Kläger außerdem bei den Freilichtspielen S. -H. eV beschäftigt. Hier erzielte er bei 68 bezahlten Arbeitstagen ein Bruttoarbeitsentgelt von pauschal 10.000,-- DM. In der Arbeitsbescheinigung heißt es: Arbeitsstunden und -zeit könnten wegen der Besonderheiten des Schauspielerberufs bei den Freilichtspielen laut Entscheidung der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) S. -H. nicht angegeben werden. Zu bescheinigen seien mindestens 18 Stunden wöchentlich. Die Arbeitszeiten eines jeden Schauspielers für Proben und Vorstellungen ständen zwar fest, die individuellen Zeiten für Lernen der Rolle, Vorbereitung auf Proben und Vorstellungen sowie Schminkzeiten seien verschieden und ließen sich generell nicht festlegen. Das Arbeitsentgelt bei den Freilichtspielen S. -H. versteuerte der Kläger nach Steuerklasse VI.
Am 28. August 1989 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Alg. Mit Bewilligungsverfügung vom 26. September 1989 bewilligte die beklagte Bundesanstalt (BA) diese Leistung mit einer vorläufigen Anspruchsdauer von 572 Tagen ab 28. August 1989. Für die Bemessung legte sie ein Arbeitsentgelt von 1.220,-- DM wöchentlich und die Leistungsgruppe E zugrunde. Das Bemessungsentgelt ermittelte sie, indem sie für die Zeiten vom 1. bis 31. Mai sowie 1. bis 30. Juni jeweils ein in 173,33 Arbeitsstunden erzieltes Arbeitsentgelt von 5.778,99 DM sowie für die Zeit vom 1. Juli bis 3. August 1989 ein in 34 Kalendertagen erzieltes Arbeitsentgelt von 5.000,-- DM berücksichtigte. Sie ging davon aus, für den zuletzt genannten Zeitraum sei eine Stundenangabe nicht möglich, so daß die Berechnung auf Kalendertage gestützt werden müsse. Das in S. -H. vom 28. Mai bis 30. Juni 1989 erzielte Arbeitsentgelt sei unbeachtlich, weil sich durch die Berücksichtigung ein niedrigeres Bemessungsentgelt ergebe.
Den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser die Berechnung des Alg nach Leistungsgruppe A geltend machte, wies die BA mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 1989 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Arbeitslosigkeit des Klägers sei mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses bei den Freilichtspielen S. -H. mit Ablauf des 3. August 1989 eingetreten. Für dieses Beschäftigungsverhältnis sei die Lohnsteuer nach Steuerklasse VI abgeführt worden, so daß für die Bemessung des Alg die Leistungsgruppe E maßgebend sei.
Mit der Klage hat der Kläger geltend gemacht, wegen der vom Staatstheater K. gezahlten Urlaubsabgeltung sei dieses Arbeitsverhältnis tatsächlich erst mit Ablauf des 22. August 1989 beendet gewesen. Die Ansicht der BA begünstige Arbeitnehmer, die steuerrechtlich bewandert seien. Da dies nur für eine Minderheit zutreffe, führe dies im Regelfall zu Ungerechtigkeiten.
Die Vorinstanzen haben die BA verurteilt, Alg unter Berücksichtigung der Leistungsgruppe A zu zahlen. Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt, die Bemessung des Alg knüpfe zwar an das vor Eintritt der Arbeitslosigkeit erzielte Arbeitsentgelt an. Es solle aber einen Prozentsatz des Nettolohnes ersetzen, den der Arbeitslose im Falle einer Beschäftigung während des Leistungszeitraums erzielt hätte. Für die Bemessung des Alg komme die Leistungsgruppe E nur in Betracht, wenn der Beschäftigte während des Leistungsbezuges einer die Arbeitslosigkeit nicht ausschließenden Beschäftigung nachgehe. Dies treffe hier nicht zu, so daß im Falle der Beschäftigung während des Leistungszeitraums die Steuerklasse I und damit für das Alg die Leistungsgruppe A maßgebend sei. Unter Berücksichtigung der in den beiden Beschäftigungsverhältnissen erzielten Arbeitsentgelte sei das vom Kläger im Bemessungszeitraum erzielte Nettoarbeitsentgelt durch das der Lohnsteuerklasse I unterliegende Arbeitsentgelt beim Staatstheater geprägt worden. Hinsichtlich des zugrunde zu legenden Bemessungsentgelts ist das LSG der Berechnung der BA gefolgt.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die BA geltend, die Berechnung des Alg knüpfe an das um die gesetzlichen Abzüge, die gewöhnlich bei Arbeitnehmern anfallen, verminderte Arbeitsentgelt an, um mit dieser typisierenden Regelung eine schnelle Berechnung und Auszahlung der Leistung zu erreichen. Die Eintragung der Steuerklasse auf der Lohnsteuerkarte bestimme, welcher Steuerabzug pauschalierend zu berücksichtigen sei. Da die Berücksichtigung mehrerer Steuerklassen nicht möglich sei, könne es für die Zuordnung der Leistungsgruppe nach der Steuerklasse bei Mehrfachbeschäftigungen nur auf die Steuerklasse für diejenige Beschäftigung ankommen, durch deren Verlust die Arbeitslosigkeit eingetreten sei. Das sei hier die für die Beschäftigung bei den Freilichtspielen S. -H. maßgebende Steuerklasse VI. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung komme es stets nur auf die in der Steuerkarte eingetragene Steuerklasse an. Eine Prüfung der Richtigkeit dieser Eintragung habe die BA ebensowenig vorzunehmen wie ein Arbeitgeber beim Steuerabzug. Einer Änderung der Verhältnisse durch Verlust des Arbeitsplatzes beim Staatstheater K. hätte der Kläger durch Änderung der Eintragung auf der Steuerkarte Rechnung tragen müssen. Eine solche Änderung hätte er auch schon vor Entstehung des Alg-Anspruchs vornehmen lassen können. Es sei daher nicht unbillig, mangels Änderung der Eintragung in der Lohnsteuerkarte von der Steuerklasse VI auszugehen. Da er auf eine solche Änderung nicht hingewirkt habe, müsse er die sich daraus ergebende leistungsrechtliche Benachteiligung hinnehmen.
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. Februar 1992 und das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 10. April 1991 aufzuheben und die Klage abzuweisen. |
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen. |
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Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist iS der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Das Urteil des LSG verletzt § 112 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Für eine abschließende Entscheidung reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht aus.
Das Alg beträgt nach § 111 Abs 1 Nr 2 AFG für nicht verheiratete kinderlose Arbeitslose 63 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts. Die Leistungssätze bestimmt der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung jeweils für ein Kalenderjahr nach Leistungsgruppen (A bis E), die den Lohnsteuerklassen I bis VI entsprechen (§ 111 Abs 2 Satz 1 und 2 AFG). Die nach Leistungsgruppen differenzierten Leistungssätze berücksichtigen den nach der jeweils maßgebenden Steuerklasse gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Steuerabzug.
Welche Steuerklasse der Leistungsberechnung zugrunde zu legen ist, regelt § 113 Abs 1 AFG grundsätzlich: Maßgebend ist die zu Beginn des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist, in die Steuerkarte des Arbeitslosen eingetragene Steuerklasse. Spätere Änderungen der Eintragung werden von dem Zeitpunkt an berücksichtigt, zu dem die Änderungen eingetreten sind. Damit ist klargestellt, daß die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte für die BA in der Regel verbindlich sind. Die Feststellung von Leistungen bei Arbeitslosigkeit wird von Überlegungen über die "richtige" Steuerklasse entlastet. Grenzen der Maßgeblichkeit der Eintragung in die Steuerkarte setzt § 113 Abs 2 AFG für Eheleute, um Manipulationen zu Lasten der Solidargemeinschaft entgegenzutreten. Das kann hier auf sich beruhen. Die Regelung des § 113 AFG beantwortet aber nicht die hier entscheidende Frage, welche Steuerklasse für die Leistungsbemessung maßgebend ist, wenn der Arbeitslose für zwei Arbeitsverhältnisse zwei Steuerkarten mit den Steuerklassen I bzw VI aufzuweisen hat. Nach dem Wortlaut des § 113 Abs 1 AFG kommt für die Bemessung des Alg sowohl die Steuerklasse I und damit Leistungsgruppe A als auch die Lohnsteuerklasse VI und damit Leistungsgruppe E in Betracht.
Da für die Bemessung des Alg nur eine Leistungsgruppe maßgebend sein kann, muß den Regelungen über die Berechnung der Leistung entnommen werden, welche Eintragung zur Bestimmung der Leistungsgruppe heranzuziehen ist. Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß der Bemessung des Alg die Steuerklasse I/Leistungsgruppe A zugrunde zu legen ist. Für die gegenteilige Ansicht der BA findet sich im Gesetz keine Grundlage. Vielmehr ist den Regelungen über die Bemessung des Alg insgesamt zu entnehmen, daß die Leistung nicht das bisher erzielte, die Beitragspflicht begründende Arbeitsentgelt ersetzen soll, sondern dasjenige, welches der Arbeitslose im Falle der Beschäftigung im Leistungszeitraum mutmaßlich erzielen würde (vgl BSGE 51, 64, 66 = SozR 4100 § 112 Nr 15; BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 7 jeweils mwN). Der Sinn der Berechnungsvorschriften geht dahin, "das Alg an einem zeitnahen Lohnniveau auszurichten und außerdem eine rasche, einfache und endgültige Bestimmung des Bemessungsentgelts zu ermöglichen" (BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 10; BSG SozR 4100 § 112 Nr 5). Besteht die Funktion der Leistungen bei Arbeitslosigkeit darin, nach näherer Maßgabe des Gesetzes einen Ersatz für den durch die Arbeitslosigkeit im Leistungszeitraum eintretenden Lohnausfall zu bieten, erscheint es gerechtfertigt, diejenigen gesetzlichen Abzüge bei der Bemessung zu berücksichtigen, die im Falle einer Arbeitsaufnahme anfielen. Es ist davon auszugehen, daß ein Arbeitsloser, der neben einer freien Lohnsteuerkarte mit der Steuerklasse I, II, III, IV oder V über eine Lohnsteuerkarte mit der für ein zweites Beschäftigungsverhältnis bestimmten Steuerklasse VI verfügt, einem Arbeitgeber die Steuerkarte I, II, III, IV oder V vorlegen würde. Diese hätte den geringsten Steuerabzug zur Folge. Hiernach hätte der Kläger im Falle einer Arbeitsaufnahme Steuern nach Steuerklasse I abzuführen.
Für die hier vertretene Rechtsansicht bietet § 111 Abs 1 Nr 2 AFG einen Anhaltspunkt. Die Vorschrift bestimmt den Vomhundertsatz (Nettolohnersatzquote) von 63 vH nach dem um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelt. Sie macht damit deutlich, daß die zuletzt tatsächlich angefallenen Abzüge für die Leistungsbemessung gerade nicht maßgeblich sind.
Allerdings bestimmt § 112 Abs 1 Satz 1 AFG das im Bemessungszeitraum erzielte Arbeitsentgelt zur Bemessungsgrundlage des Alg. Das dient der raschen und einfachen Feststellung von Berechnungsgrundlagen. Dem erzielten Arbeitsentgelt kommt Indizfunktion für den auf Arbeitseinkommen gegründeten Lebensstandard zu, der die Leistungen bei Arbeitslosigkeit neben Gesichtspunkten sozialpolitischer Zweckmäßigkeit bestimmen soll. Maßgebend ist nicht etwa das zuletzt erzielte, sondern das im Bemessungszeitraum durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt. Auch kommt es nicht uneingeschränkt auf das tatsächlich erzielte Entgelt an, denn Mehrarbeitszuschläge, Arbeitsentgelte aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie einmalige, wiederkehrende oder anteilige Zuwendungen bleiben nach § 112 Abs 1 Satz 2 AFG außer Betracht. Diese Einschränkungen machen deutlich, daß der Bemessung des Alg das "gewöhnlich laufende Arbeitsentgelt" zugrunde zu legen ist, mit dem der Arbeitnehmer bei jeder Lohnabrechnung rechnen kann (vgl Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks 9/966, S 79; BSGE 51, 64, 66 = SozR 4100 § 112 Nr 15; BSG SozR 4100 § 112 Nr 29; BSG SozR 3-4100 § 112 Nrn 2 und 7). Gerade in der angeführten Begründung der Bemessungsvorschriften wird die Blickrichtung auf das im Leistungszeitraum erzielbare Arbeitsentgelt deutlich. Auch die Regelung des Bemessungszeitraums (§ 112 Abs 2 AFG) belegt, daß das erzielte Arbeitsentgelt nur insoweit maßgeblich sein soll, als es nicht durch Zufälligkeiten unmittelbar vor dem Leistungsfall geprägt ist: So bleiben unter bestimmten Voraussetzungen Zeiten außer Betracht, in denen das Arbeitsentgelt oder die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit gemindert war; der Bemessungszeitraum wird im Falle von Zeiten ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt erweitert, bis repräsentative Lohnabrechnungszeiträume mit mindestens 60 Tagen Anspruch auf Arbeitsentgelt erreicht sind; bei außergewöhnlichen Lohnsteigerungen im letzten Jahr vor dem Ende des Bemessungszeitraums wird dieser auf zwölf Monate erweitert, die Zahl der erforderlichen Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt auf 240 erhöht.
Vor diesem Hintergrund stellt sich § 112 Abs 7 AFG nicht als Ausnahmevorschrift zur Abwendung von Unbilligkeiten oder Härten im Einzelfall dar. Sie entspricht vielmehr dem die Berechnungsvorschriften leitenden Grundsatz, wonach das Alg als Lohnersatz an die Stelle eines durch Erwerbstätigkeit im Leistungszeitraum erzielbaren Arbeitsentgelts treten soll (vgl auch: BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 7 - dort wird mit Hinweis auf BR-Drucks 302/83 zu Nr 16c, S 85 von der den Berechnungsvorschriften zugrundeliegenden "Vermutung" gesprochen, "daß der Arbeitslose dieses Arbeitsentgelt auch in Zukunft verdienen könne"). Auch nach dieser Vorschrift sind für den Arbeitslosen untypische Entgeltverhältnisse im Bemessungszeitraum unberücksichtigt zu lassen und tarifliche, hilfsweise ortsübliche Entgelte heranzuziehen, für die der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufs und seiner Ausbildung in Betracht kommt. Für den Fall tatsächlicher oder rechtlicher Bindungen bestätigt § 112 Abs 8 AFG den erörterten Grundsatz, indem er vorschreibt,
der Berechnung des Alg die der Leistungsfähigkeit des Arbeitslosen im Leistungszeitraum entsprechende Zahl von Arbeitsstunden zugrunde zu legen.
Für die Rechtsansicht des Senats sprechen auch die Regelungen des § 113 Abs 1 Satz 2 und 3 und Abs 3 AFG. Sie bewirken, daß sich Änderungen der Steuerklasse während des Leistungsbezugs auf diesen auswirken. Für die Leistung ist also die Steuerklasse maßgebend, die auch den Steuerabzug bestimmte.
Dem mit den Berechnungsvorschriften verfolgten Zweck entspricht es, wenn bei mehreren Beschäftigungsverhältnissen nebeneinander im Bemessungszeitraum diejenige Steuerklasse die Leistungsgruppe bestimmt, die für den Arbeitslosen im Falle der Arbeitsaufnahme maßgebend wäre. Damit wird an eine vorhandene Eintragung angeknüpft, so daß die einfache Feststellbarkeit der Berechnungsgrundlage nicht gefährdet ist. Unter welchen Umständen die Steuerklasse VI/Leistungs-gruppe E zu berücksichtigen wäre, ist hier nicht zu entscheiden. Die Ansicht der BA, diese stets heranzuziehen, wenn sie "für das letzte Beschäftigungsverhältnis, dessen Wegfall die Arbeitslosigkeit begründet hat", maßgebend war (vgl RdErl 42/80 zu 5.2), ist mit den erörterten Grundsätzen nicht vereinbar. Sie bietet im übrigen keine Lösung an, wenn die Arbeitslosigkeit durch gleichzeitige Beendigung mehrerer die Beitragspflicht begründender Beschäftigungsverhältnisse eintritt. Auch führt sie zu nicht befriedigenden Zufallsergebnissen. Reicht der Versicherte die Steuerkarte mit der Eintragung Steuerklasse I nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses dem Arbeitgeber des weiterbestehenden Beschäftigungsverhältnisses ein, so müßte nach Wegfall auch dieses Beschäftigungsverhältnisses nach den Weisungen der BA Alg nach Leistungsgruppe A bewilligt werden. Das steuerrechtlich umsichtige Verhalten des Arbeitslosen allein kann aber ein hinreichender Grund für die erheblichen Unterschiede der Bemessung des Alg nach Leistungsgruppe A bzw E nicht sein. Das gilt insbesondere, wenn das zweite Arbeitsverhältnis das erste nur kurz überdauert. In solchen Fällen mag die höhere Besteuerung nach Steuerklasse VI dem Betroffenen bis zum Lohnsteuerjahresausgleich hinnehmbar erscheinen. Die von der BA an dieses Verhalten geknüpften leistungsrechtlichen Folgerungen sind - wie gezeigt - rechtlich nicht begründet und vom Betroffenen nicht vorhersehbar.
Höheres Alg entsprechend dem Unterschiedsbetrag zwischen Leistungsgruppe A und E steht dem Kläger aber nur dann zu, wenn die Berechnung des Alg auch im übrigen zutrifft. Eine Bindung der BA an die Berechnungselemente, die der Bewilligungsverfügung zugrunde liegen und zwischen den Beteiligten nicht streitig sind, besteht nicht (BSGE 66, 168, 173 f = SozR 3-2400 § 7 Nr 1). Für eine abschließende Entscheidung hierüber reichen die Feststellungen des LSG nicht aus.
Berechnungselement des Alg ist neben dem Vomhundertsatz (§ 111 Abs 1 AFG) und der Leistungsgruppe (§ 111 Abs 2 Satz 1 Nr 1 AFG) das Bemessungsentgelt - das Arbeitsentgelt, welches der Arbeitslose im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Woche erzielt hat (§ 112 Abs 1 Satz 1 AFG). Der Bemessungszeitraum umfaßt nach § 112 Abs 2 Satz 1 AFG die beim Ausscheiden des Arbeitnehmers abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume der letzten drei Monate der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs, in denen der Arbeitslose Arbeitsentgelt erzielt hat. Da der Kläger am 3. August 1989 arbeitslos geworden ist und sich am 28. August 1989 arbeitslos gemeldet sowie Alg beantragt hat, ist sein Anspruch an diesem Tage entstanden. Die Anwartschaft hat er innerhalb der Rahmenfrist (28. August 1986 bis 27. August 1989) durch die vom LSG festgestellten Beschäftigungen am Staatstheater K. sowie bei den Freilichtspielen S. -H. eV erfüllt. Danach lief die Dreimonatsfrist des § 112 Abs 2 Satz 1 AFG vom 4. Mai bis 3. August 1989. Innerhalb dieser Frist lag der Lohnabrechnungszeitraum bei den Freilichtspielen, denn der Kläger war hier vom 28. Mai bis 3. August 1989 gegen ein Pauschalentgelt beschäftigt. Zu berücksichtigen sind außerdem die Lohnabrechnungszeiträume beim Staatstheater K. Mai, Juni und - falls bis zum Eintritt der Arbeitslosigkeit am 4. August 1989 abgerechnet - auch Juli 1989. Das LSG hat im Anschluß an die Berechnung der BA nur die Lohnabrechnungszeiträume beim Staatstheater K. bis zum 30. Juni 1989 erfaßt. Insoweit wird die Berechnung des Alg zu überprüfen sein.
Das Urteil des LSG hält revisionsrechtlicher Prüfung aber auch deshalb nicht stand, weil die im Bemessungszeitraum erzielten Arbeitsentgelte und Arbeitsstunden nicht vollständig berücksichtigt sind. Das LSG hat das bei den Freilichtspielen erzielte Entgelt nur für die Zeit vom 1. Juli bis 3. August 1989 einbezogen. Es hat damit - im Anschluß an die von der BA vorgenommene Berechnung des Alg -darauf verzichtet, das durchschnittlich in der Arbeitsstunde erzielte Arbeitsentgelt zu ermitteln. Dieses Vorgehen entspricht nicht der Berechnungsvorschrift des § 112 Abs 3 Satz 1 AFG. Diese fordert zur Feststellung des in der Woche durchschnittlich erzielten Arbeitsentgelts die Vervielfältigung des im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Stunde erzielten Arbeitsentgelts (Lohnfaktor) mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt (Zeitfaktor). Nach § 112 Abs 3 Satz 1 AFG sind Arbeitsentgelte aus zwei nebeneinander ausgeübten Beschäftigungen zusammenzuzählen, weil das im Bemessungszeitraum erzielte Arbeitsentgelt Ausgangspunkt für die Bemessung des Alg sein soll (ebenso Gagel, AFG-Kommentar, § 112 RdNr 173 - Stand: Februar 1989; aM LSG Schleswig-Holstein, Breithaupt 1989, 246). Der hier zu beurteilende Fall mehrerer Beschäftigungsverhältnisse gleichzeitig ist in der Aufzählung der nach § 112 Abs 2 Satz 2 AFG außer Betracht zu lassenden Zeiten nicht erfaßt. Nur eine entsprechende Ausnahmevorschrift könnte das Vorgehen der BA und des LSG rechtfertigen. Etwas anderes läßt sich auch dem von der BA herangezogenen Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21. März 1978 - 7 RAr 95/76 - (SozR 4100 § 112 Nr 7) nicht entnehmen. Vielmehr ist hier ausdrücklich offen geblieben, ob bei der Berechnung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts beide nebeneinander bestehenden Beschäftigungsverhältnisse zu berücksichtigen sind.
Der Senat verkennt nicht die Schwierigkeiten, die sich wegen der Besonderheiten der Arbeitsbedingungen von Schauspielern ergeben, das in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt zu ermitteln. Dieser Schwierigkeit läßt sich aber nicht damit begegnen, auf das an Kalendertagen erzielte Arbeitsentgelt zurückzugreifen. Möglicherweise wirkt sich dieses Vorgehen rechnerisch nicht wesentlich aus. Der gesetzlichen Regelung des § 112 Abs 3 Satz 1 AFG entspricht es nicht. Für eine Entscheidung im Rechtszuge ist daher die Feststellung des durchschnittlich auf die Arbeitsstunde entfallenden Entgelts unerläßlich. Deshalb kann der Senat das Urteil des LSG nicht bestätigen, soweit es dem Kläger auf der Grundlage eines gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelts von 1.220,-- DM Alg (nach Leistungsgruppe A) zugesprochen hat. Das sind nach der AFG-Leistungsverordnung 1989 vom 30. November 1988 (BGBl I 2166) wöchentlich 416,40 DM statt 263,40 DM. Das Urteil des LSG muß zur Feststellung des Bemessungsentgelts aufgehoben und an das LSG zurückverwiesen werden (§ 170 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Sofern die BA ihre Berufung nicht zurücknehmen sollte, nachdem der Senat die Frage, die zu dem Rechtsstreit führte, entschieden hat, oder sich anderweit eine Einigung nicht erzielen läßt, kann es möglicherweise hilfreich sein, die Kalkulationsgrundlagen des vereinbarten Pauschalentgelts aufzuklären. Unter Umständen ergeben sich dabei Anhaltspunkte für Erfahrungssätze zum Verhältnis von Dauer der Bühnenpräsens, Vorbereitungs- und Schminkzeit, die - notfalls mit Hilfe von Sachverständigen - die Schätzung der mit dem Pauschalentgelt abgegoltenen Arbeitsstunden zulassen.
Ferner wird das LSG aufzuklären haben, ob für die Beschäftigungsverhältnisse des Klägers im Bemessungszeitraum tarifliche Regelungen der Arbeitszeit bestanden haben (§ 112 Abs 3 Satz 1 AFG). Die das Beschäftigungsverhältnis beim Staatstheater K. betreffende Arbeitsbescheinigung gibt eine tarifliche regelmäßige Arbeitszeit von 40 Stunden in der Woche an. Sollte dies zutreffen, dürfte es unbedenklich sein, hiervon bei der Berechnung des Alg auszugehen (BSG SozR 4100 § 112 Nr 7). Sollte diese Angabe nicht zutreffen - nach dem Solo-Normalvertrag idF vom 20. Januar 1933 (RArbBl 1937 VI, Beilage zu Nr 19 S 8) bestimmte sich zB der Umfang der Dienste eines Bühnenmitglieds im Rahmen der vertragsmäßigen Begrenzung nach den Anordnungen der Leitung -, wird das LSG auf der Grundlage des § 112 Abs 4 AFG zu ermitteln haben, welche Zeit als tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bei der Berechnung des Alg zugrunde zu legen ist.
Das LSG wird bei seiner erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen