Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung im Vorverfahren. Erfolg des Widerspruchs. Stattgeben des Widerspruchs. ursächliche Verknüpfung zwischen Widerspruch und begünstigender Entscheidung des Widerspruchs. andere kausale Verknüpfung
Leitsatz (amtlich)
Ein Widerspruch ist nicht "erfolgreich" iS von § 63 Abs 1 S 1 SGB X, wenn die "abhelfende" Entscheidung des Rechtsträgers nicht dem Widerspruch, sondern einem anderen Umstand (hier: nachträgliche Erfüllung von Mitwirkungspflichten) zuzurechnen ist.
Normenkette
SGB X § 63 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Aufwendungen für einen Widerspruch.
Der 1921 geborene Kläger, in Israel lebender Staatsbürger dieses Landes, beantragte bei der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) am 13. Juni 1983 ua die Zulassung zur Nachentrichtung von Beiträgen nach dem deutsch-israelischen Abkommen über soziale Sicherheit (DISVA). Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid (1) vom 19. Oktober 1984 mit der Begründung ab, der Kläger habe den ausgefüllten Antragsvordruck sowie den Nachweis seiner Staatsangehörigkeit nicht innerhalb der ihm nach Zusendung der Vordrucke (18. März 1984) gesetzten ausreichenden Frist von sechs Monaten eingesandt.
Hiergegen legte der Kläger am 26. Oktober 1984 - ohne Begründung- Widerspruch ein.
Am 2. März 1985 überreichte der Kläger der Beklagten doch noch den Antragsvordruck und am 12. Juni 1985 die Bescheinigung über seine Staatsangehörigkeit.
Mit dem streitigen Bescheid (2) vom 21. Juni 1989 hob die Beklagte den Ablehnungsbescheid (1) auf, stellte die Berechtigung des Klägers zur Nachentrichtung von Beiträgen fest und lehnte es ab, diesem Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten: Die Unterlagen zur Prüfung der Voraussetzungen für die Zulassung zur Nachentrichtung von Beiträgen seien erst nach Zustellung des oben angeführten Ablehnungsbescheids vorgelegt worden.
Auch hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den er trotz Mahnung nicht begründete. Am 20. April 1990 wies die Beklagte den Rechtsbehelf zurück.
Während der Kläger im Rechtszug in der ersten Instanz Erfolg hatte (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 22. November 1990), hat das Landessozialgericht (LSG) auf die Berufung der Beklagten die Klage unter Aufhebung des Ersturteils abgewiesen. In der Begründung heißt es, zwar sei der Widerspruch des Klägers im Sinne von § 63 Abs 1 Satz 2 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) "erfolgreich" gewesen. Jedoch seien die Aufwendungen des Klägers für das Widerspruchsverfahren nicht notwendig gewesen. Den Ablehnungsbescheid (1) habe allein der Kläger verschuldet. Vor einer unzumutbaren Erstattungspflicht werde die Verwaltung durch die in Abs 1 Satz 3 aaO enthaltene Einschränkung in Verschuldensfällen geschützt, die nicht nur für einzelne selbständig ausscheidbare Aufwendungen gelte.
Das LSG hat in diesem Urteil die Revision zugelassen.
Der Kläger hat die Revision eingelegt. Er bringt mit ihr vor, die Behauptung des LSG, selbstverschuldete Aufwendungen zählten nicht zu den notwendigen Aufwendungen im Sinne des § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X, finde keine Stütze im Gesetz. Das LSG versuche, die Verschuldensfrage des Satzes 3 in Satz 1 zu übernehmen. Mit einer solchen Anwendung werde die gesetzliche Regelung umgangen und außer Kraft gesetzt. Sollte es tatsächlich auf die Frage des Verschuldens ankommen, so müsse insoweit ein Verfahrensfehler des LSG gerügt werden. Es hätte auf seine Beweisangebote eingehen und den Sachverhalt näher ermitteln müssen. Die Feststellung des LSG, er, Kläger, habe durch unterlassene Mitwirkung die im Nachentrichtungsverfahren gebotene Sorgfalt außer acht gelassen, sei deshalb ohne jede Grundlage und unbeachtlich. Satz 3 aaO betreffe nur selbständig ausscheidbare Aufwendungen. Bei einem erfolgreichen Rechtsmittel müsse der Versicherungsträger auch dann die Kosten des Verfahrens übernehmen, wenn er keine Veranlassung zur Einlegung gegeben habe, den Anspruch aber nicht sogleich anerkenne. Mit der Einreichung von Unterlagen zum Nachweis der Zugangsvoraussetzungen habe er seinen Teil der Mitarbeit erbracht, so daß es nunmehr allein Aufgabe der Beklagten gewesen wäre, weiter zu handeln. Seine Auffassung stütze auch die höchstrichterliche Rechtsprechung (BSG vom 8. Oktober 1987 - 9a RVs 10/87; BVerwG Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr 12; Buchholz aaO Nr 25).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen,
hilfsweise, das Verfahren zur erneuten Verhandlung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Meinung, die Beantwortung der im vorliegenden Rechtsstreit zu entscheidenden Frage ergebe sich gerade nicht eindeutig aus dem Wortlaut des § 63 Abs 1 SGB X. Die vom LSG vorgenommene Auslegung folge aus Sinn und Zweck der Kostenerstattungspflicht. Die vom Kläger gegen die Ausführungen des LSG zur Feststellung der Verschuldensfrage vorgebrachten Einwendungen könnten nicht durchdringen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
Nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, "soweit der Widerspruch erfolgreich ist". Der Tatbestand dieser Vorschrift ist vorliegend nicht erfüllt, weil der Widerspruch des Klägers vom 26. Oktober 1984 gegen den Ablehnungsbescheid (1) der Beklagten vom 19. Oktober 1984 nicht "erfolgreich" war.
Ein Widerspruch hat dann "Erfolg" im Sinne des Gesetzes, wenn die Behörde ihm stattgibt: "Einzig auf das Stattgeben kommt es an" (vgl die vom Kläger zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ≪BVerwG≫ in Buchholz 316 § 18 VwVfG Nr 12; vgl auch BVerwG aaO Nr 25). Ohne Belang ist also, was der Widersprechende zur Begründung seines Rechtsbehelfs vorgebracht hat und welche Gründe zum Stattgeben des Widerspruchs geführt haben (Urteil des BSG vom 8. Oktober 1987 - 9a RVs 10/87). Dies darf indessen nicht den Blick dafür verstellen, daß dem Widerspruch nur dann "stattzugeben ist" und er erfolgreich im Sinne des Gesetzes ist, wenn zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung der Behörde eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne besteht.
Es kann dahinstehen, ob ein solcher kausaler Zusammenhang zwischen Rechtsbehelf und "abhelfender" Entscheidung des Verwaltungsträgers immer schon dann anzunehmen ist, wenn belastender Verwaltungsakt, Widerspruch des Betroffenen hiergegen und "stattgebender" Verwaltungsakt in zeitlicher Abfolge stehen. Immerhin sind Sachverhalte denkbar, die neben dem denkbaren "kausalen" Zusammenhang Widerspruch - Abhilfe eine kausale Verknüpfung anderer Art diskutieren lassen: In Fällen zum Beispiel, in denen - wie hier - der Widerspruch mit keiner Begründung versehen ist, mag der "Erfolg" des Widerspruchs dann zweifelhaft sein, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein anderer Umstand als der Widerspruch dem "Erfolg" rechtlich zurechenbar wäre.
Der vorliegende Fall jedenfalls ist ein solcher "mit anderer kausaler Verknüpfung": Der Kläger hat die ihm im Ablehnungsbescheid (1) vorgehaltene Verletzung von Mitwirkungspflichten schlüssig, aber unmißverständlich als in der Sache berechtigt anerkannt, indem er am 2. März 1985 (ungeachtet des von ihm erhobenen Widerspruchs) der Beklagten den ausgefüllten Antragsvordruck und am 12. Juni 1985 die Bescheinigung über die Staatsangehörigkeit nachreichte. In der "Abhilfe", die die Beklagte durch den Bescheid (2) daraufhin vornahm, liegt mithin kein Erfolg des Widerspruchs des Klägers; die "Abhilfe" ist nach dem vorliegenden Sachverhalt Ergebnis der nachträglichen Erfüllung von dessen Mitwirkungspflichten im Verwaltungsverfahren, welche der Beklagten die nunmehr positive Entscheidung über den Antrag auf Zulassung zur Beitragsnachentrichtung erlaubte.
War nach alledem der streitige Widerspruch des Klägers nicht erfolgreich im Sinne von § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X, so trifft das angefochtene Urteil im Ergebnis zu. Die Revision des Klägers hiergegen war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Fundstellen