Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsunfähigkeitsrente und gleichzeitiger Bezug von Arbeitslosengeld in den Kalenderjahren 1999 und 2000. Hinzuverdienst. Bemessungsentgelt. Zahlbetrag. verfassungskonforme Auslegung. Zulassung der Sprungrevision im Gerichtsbescheid. Verfahrensfehler
Leitsatz (amtlich)
1. In den Kalenderjahren 1999 und 2000 war bei Zusammentreffen einer Rente wegen Berufsunfähigkeit mit Arbeitslosengeld dessen Bemessungsentgelt als Hinzuverdienst zugrunde zu legen, nicht jedoch der Zahlbetrag des Arbeitslosengeldes. In diesem Zeitraum ging § 96a Abs 3 S 3 SGB 6 der Vorschrift des § 43 Abs 5 SGB 6 aF vor (Aufgabe von BSG vom 17.12.2002 - B 4 RA 23/02 R = SozR 3-2600 § 96a Nr 1).
2. Entscheidet das SG durch Gerichtsbescheid und lässt die Sprungrevision zu, liegt hierin jedenfalls dann kein von Amts wegen zu berücksichtigender Verfahrensfehler, wenn die Revision auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird (Abgrenzung zu BSG vom 16.3.2006 - B 4 RA 59/04 R = SozR 4-1500 § 105 Nr 1).
Orientierungssatz
§ 96a Abs 3 S 3 SGB 6 ist mit dem GG, insbesondere der Einkommensgarantie (Art 14 Abs 1 S 1 GG) und dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) vereinbar (vgl BSG vom 31.1.2008 - B 13 R 23/07 R.
Normenkette
SGB 6 § 43 Abs. 5 Fassung: 1995-12-15; SGB 6 § 96a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2 Fassung: 1995-12-15, Abs. 3 S. 1 Nr. 4 Fassung: 1997-12-16, S. 3 Fassung: 1997-12-16; RRG 1999 Art. 1 Nr. 19, Art. 33 Abs. 1, 13, 13a, Art. 1 Nrn. 52-53; SVKorrG Art. 1 § 1; SGG § 105 Abs. 1 S. 1, § 161; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) in der Zeit vom 1.1. bis 31.8.2000 deswegen nicht zu zahlen ist, weil die Hinzuverdienstgrenze auf Grund der Berücksichtigung von Arbeitslosengeld (Alg) nach dessen Bemessungsgrundlage (und nicht in seiner tatsächlichen Höhe) überschritten wird.
Auf Grund eines gerichtlichen Vergleichs bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen BU. Mit Ausführungsbescheid vom 7.11.2003 wurde verfügt, die Rente beginne ab 1.7.1999, unter Berücksichtigung der individuellen Hinzuverdienstgrenze werde die Rente für die Zeit von Januar bis August 2000 jedoch nicht gezahlt. Der Widerspruch des Klägers wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 30.3.2004) .
Die Klage auf Zahlung der Rente wegen BU auch für die Zeit von Januar bis August 2000 hat das Sozialgericht (SG) Magdeburg mit Gerichtsbescheid vom 15.9.2005 abgewiesen. Zu Recht habe die Beklagte in dem genannten Zeitraum nicht den Geldwert des erzielten Alg, sondern das diesem zu Grunde liegende Bemessungsentgelt als Hinzuverdienst berücksichtigt. Der entgegenstehenden Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ (Bezug auf Urteil vom 17.12.2002 - B 4 RA 23/02 R, SozR 3-2600 § 96a Nr 1) sei nicht zu folgen. Sie wende für Renten wegen BU im Zeitraum Januar 1999 bis Dezember 2000 im Wege der erweiternden berichtigenden Auslegung des § 43 Abs 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) alter Fassung (aF) allein Abs 1 des § 96a SGB VI aF an. Dies übersehe aber § 313 SGB VI idF des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000, welcher im Zeitpunkt der Entscheidung des 4. Senats gegolten habe. § 43 Abs 5 SGB VI aF sei damals nur noch kraft der Übergangsregelung des § 302b SGB VI Rechtsgrundlage gewesen. Diese Rechtsänderung sei für die vorliegende Entscheidung aber maßgeblich gewesen, weil bei einer Entscheidung über eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen sei. Nur wenn der 4. Senat noch vor 2001 entschieden hätte, wäre ihm beizutreten gewesen. Nach § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI neuer Fassung (nF) mit der Maßgabe des § 313 SGB VI nF sei Hinzuverdienst das dem Alg zu Grunde liegende Bemessungsentgelt. Diese Regelung entspreche dem bis zum 31.12.2000 geltenden Rechtszustand und bilde eine Spezialregelung gegenüber dem gemäß § 302b SGB VI fortgeltenden § 43 Abs 5 SGB VI aF. Nach § 96a Abs 3 Satz 1 SGB VI stehe dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nach Absatz 1 der Vorschrift die dort aufgezählten Lohnersatzleistungen gleich, hier also das Alg. Mit dieser Regelung solle eine Besserstellung des Beziehers von Lohnersatzleistungen vermieden werden, wenn an die Stelle des Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens eine kurzfristige Lohnersatzleistung trete. § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI sei daher nach der Rechtsprechung des 13. Senats (Urteil vom 20.11.2003 - B 13 RJ 43/02 R, SozR 4-2600 § 96a Nr 3) "im Lichte" der (Grund-)Regel des Abs 1 Satz 2 so zu lesen, dass lediglich das Bemessungsentgelt Anwendung finde.
Der Kläger hat die vom SG durch Beschluss vom 9.11.2005 wegen der Abweichung von der Entscheidung des 4. Senats des BSG nachträglich zugelassene Sprungrevision eingelegt und verfolgt unter Hinweis auf dieses Urteil seinen Anspruch auf Zahlung der Rente wegen BU für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.8.2000 weiter.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 15.9.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 7.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.3.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1.1.2000 bis 31.8.2000 Rente wegen Berufsunfähigkeit - unter Berücksichtigung des Arbeitslosengelds auf der Grundlage der erfolgten tatsächlichen Leistung - zu zahlen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Sprungrevision zurückzuweisen.
Sie hält den Gerichtsbescheid des SG für zutreffend, soweit dieses davon ausgeht, dass bei der Berechnung der Rente wegen BU nicht das Alg in der gezahlten tatsächlichen Höhe, sondern das dem zu Grunde liegende Bemessungsentgelt zu berücksichtigen sei. Dass § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI dem § 43 Abs 5 SGB VI aF vorgehe, folge bereits aus dem Grundsatz, dass das jüngere Recht das ältere verdränge. Dass im Rahmen der Hinzuverdienstberücksichtigung von bestimmten Sozialleistungen nach § 96a Abs 3 SGB VI nicht erst ab 1.1.2001 die Höhe des Bemessungsentgelts maßgeblich sei, ergebe sich auch aus der Begründung des Gesetzgebers, wonach ein Versicherter, dessen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wegen eines Hinzuverdienstes gekürzt werde, nicht besser gestellt werden dürfe, wenn an die Stelle des Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens eine kurzfristige Lohnersatzleistung trete (Bezug auf BT-Drucks 13/8671 S 118) . Ansonsten würden die "passiven" Erwerbsminderungsrentner gegenüber den "aktiven" Erwerbsminderungsrentnern ungerechtfertigt bevorzugt (Bezug auf BSG SozR 4-2600 § 96a Nr 3) .
Die Absicht des erkennenden Senats, bei der Entscheidung über die vorliegende Revision vom Urteil des 4. Senats des BSG vom 17.12.2002 (SozR 3-2600 § 96a Nr 1) abzuweichen, hat zum Anfragebeschluss des Senats an den 4. Senat vom 27.3.2007 und zum Antwortbeschluss des 4. Senats vom 26.6.2007 (B 4 R 11/07 S) , dem Senat zugegangen am 14.12.2007, geführt. Nachdem der 4. Senat seit 1.1.2008 nicht mehr für Streitigkeiten aus der allgemeinen Rentenversicherung zuständig ist, hat sich der Senat mit dem erneuten Anfragebeschluss vom 31.1.2008 an den 5a. Senat (als Nachfolgesenat des 4. Senats) gewandt; dieser hat mit Beschluss vom 22.4.2008 (B 5a R 8/08 S) , dem Senat zugegangen am 26.6.2008, geantwortet.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision ist zulässig.
Die Formerfordernisse einer Sprungrevision sind erfüllt. Nach § 161 Abs 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist die Sprungrevision nur zulässig, wenn ua "der Gegner schriftlich zustimmt". Nach Satz 3 der Vorschrift ist, wenn das SG die Sprungrevision auf Antrag zulassen soll, die Zustimmung des Gegners dem Antrag beizufügen. In der Rechtsprechung des BSG ist geklärt, dass der Gegner der Einlegung (und nicht lediglich der Zulassung oder dem Antrag hierzu) der Sprungrevision zustimmen muss (zB BSG vom 3.11.1993, SozR 3-1500 § 161 Nr 7 mwN) . Ob dieses Erfordernis erfüllt ist, hat das BSG nach einer Entscheidung seines 9. Senats auch dann zu überprüfen, wenn das SG die Sprungrevision durch Beschluss zugelassen hat (BSG vom 22.4.1998, SozR 3-1500 § 161 Nr 13 S 30 mwN) .
Auf dieser Grundlage aber entspricht die vom SG als Zustimmungserklärung zu Grunde gelegte Erklärung der Beklagten vom 27.10.2005 ("... stimmt die Beklagte dem Antrag auf Zulassung der Revision zu") zwar nicht den Formerfordernissen. Gleichwohl ist die am 21.12.2005 (dem letzten Tag der Revisionsfrist) eingelegte Sprungrevision nicht unzulässig. Denn wenn man die Prüfungspflicht des BSG auch auf die Ordnungsgemäßheit der Zustimmungserklärung erstreckt, war die Rechtsmittelbelehrung im Zulassungsbeschluss des SG iS des § 66 Abs 2 Satz 1 SGG unrichtig, weil sie das Erfordernis der Zustimmung des Gegners nicht nochmals erwähnt. Daher gilt insoweit die Jahresfrist, und der Kläger konnte die entsprechende Erklärung noch bis zum 21.11.2006 nachreichen, was hier erfolgt ist (per Fax am 8.11.2006), nachdem er hierzu vom erkennenden Senat aufgefordert worden war.
2. Der Kläger ist auch beschwert. Bei überschlägiger Berechnung stände ihm unter Zugrundelegung des gezahlten Alg nach § 43 Abs 5 SGB VI aF auch ein Zahlbetrag der Rente wegen BU zu. In Anwendung der SGB III-Leistungsentgeltverordnung 2000 vom 17.12.1999 (BGBl I 2810) betrüge das Leistungsentgelt aus dem Bemessungsentgelt DM 1.000,-- (bei für die Rente ungünstiger Betrachtung Leistungsgruppe C) DM 729,56. Der allgemeine Leistungssatz läge dann bei (DM 729,56 x 60 % =)DM 437,74/Woche bzw monatlich (x 13 : 3 =) DM 1.896,87. Die Hinzuverdienstgrenze für die Zahlung in Höhe von zwei Dritteln der Rente wegen BU wurde ab 1.1.2000 jedoch erst bei DM 2.117,90 (das 70-fache des aktuellen Rentenwerts - aRW - ≪Ost≫ DM 42,01 x 0,7202)überschritten (zum 1.7.2000: bei DM 2.130,50: das 70-fache des aRW ≪Ost≫ DM 42,26 x 0,7202; zu den aRW ≪Ost≫ vgl § 1 Abs 2 der Rentenanpassungsverordnung ≪RAV≫ 1999 vom 27.5.1999, BGBl I 1078; § 1 Abs 2 RAV 2000 vom 31.5.2000, BGBl I 788) .
3. Dem Senat ist eine Entscheidung in der Sache nicht verwehrt. Ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verfahrensfehler ist nicht darin zu sehen, dass das SG durch Gerichtsbescheid entschieden hat, obwohl es (nachträglich) die Sprungrevision wegen Abweichung zugelassen hat.
Im Verfahren der Sprungrevision können Verfahrensfehler nicht gerügt werden (§ 161 Abs 4 SGG) . Jedoch hat der 4. Senat des BSG in seinem Urteil vom 16.3.2006 (SozR 4-1500 § 105 Nr 1) einen von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensfehler (Entziehung des gesetzlichen Richters) darin gesehen, dass das SG mittels Gerichtsbescheids entschieden hatte, obwohl es der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen und deshalb im Gerichtsbescheid die Sprungrevision zugelassen hatte (aaO RdNr 17 ff) ; komme einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu, weise sie gleichzeitig iS des § 105 Abs 1 Satz 1 SGG besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art auf, die einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid entgegenständen und deshalb unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter zu entscheiden seien.
Der Senat kann offen lassen, ob er dieser Rechtsansicht folgt oder, wozu er neigt, sich der überwiegenden Rechtsprechungspraxis des BSG anschließt; hiernach läge ein von Amts wegen zu prüfender Verfahrensfehler nicht vor.
Das BSG hat bereits mehrfach - ohne dass im Urteil die Frage eines Verfahrensfehlers erwähnt oder gar ein solcher bejaht worden wäre - auf Sprungrevisionen entschieden, die in (oder auf Grund von) Gerichtsbescheiden zugelassen worden waren (BSG 1. Senat vom 21.2.2006 - B 1 KR 34/04 R; vom 30.3.2004 - B 1 KR 30/02 R, insoweit nicht in SozR 4-2500 § 44 Nr 1; BSG 2. Senat vom 1.7.1997, BSGE 80, 279 = SozR 3-2200 § 639 Nr 1; BSG 7. Senat vom 24.4.2002, BSGE 89, 213, 215 = SozR 3-2500 § 240 Nr 42; BSG 12. Senat vom 23.9.1999 - B 12 KR 1/99 R, insoweit nicht in SozR 3-2500 § 6 Nr 17; vom 13.3.1997 - 12 RK 11/96, insoweit nicht in SozR 3-2400 § 28l Nr 1; s ferner BSG 9. Senat vom 13.8.1997 - 9 RVs 1/96, insoweit nicht in SozR 3-3870 § 60 Nr 2: Fall der Zulassung der Sprungrevision gegen einen Gerichtsbescheid durch Beschluss unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter) . Auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) sah keinen Hinderungsgrund zu einer Sachentscheidung, nachdem ein Verwaltungsgericht durch Gerichtsbescheid nach Art 2 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31.3.1978 ≪BGBl I 446≫ (der in seinen Voraussetzungen mit § 105 SGG nF übereinstimmt) entschieden und die Sprungrevision durch gesonderten Beschluss zugelassen hatte (BVerwG vom 23.10.1980 - 2 C 22/79 , Buchholz 238.4 § 37 SG Nr 2) .
Die Spruchpraxis des BSG dürfte darauf beruhen, dass nach seiner überwiegenden Rechtsprechung auch bei einer Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 Satz 2 des Grundgesetzes ≪GG≫) kein Anlass besteht, den absoluten Revisionsgrund des § 202 SGG iVm § 547 Nr 1 der Zivilprozessordnung ≪ZPO≫ (nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts; früher: § 551 Nr 1 ZPO) auch ohne Rüge zu berücksichtigen (s BSG 12. Senat vom 22.3.2001, SozR 3-5070 § 21 Nr 9 S 45 f; entsprechend BSG 7. Senat vom 24.5.1984, BSGE 57, 15, 17 = SozR 1500 § 31 Nr 3 mwN zur früheren, nicht ganz einheitlichen Rspr des BSG, sowie, jeweils für Fehlbesetzungen von ehrenamtlichen Richtern im Kassenarztrecht, BSG 6. Senat vom 15.9.1977, BSGE 44, 244, 246 = SozR 7323 § 3 Nr 1; vom 30.10.1959, BSGE 11, 1, 3; vom 27.2.1959, BSGE 9, 171, 173; die beiden letztgenannten Urteile auch mit Nachweisen aus der Zivilrechtsprechung) .
Der Senat weicht jedoch iS des § 41 Abs 2 SGG nicht von der oben genannten Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 16.3.2006 (SozR 4-1500 § 105 Nr 1) ab. Denn im vorliegenden Verfahren kann dem Vorsitzenden der erstinstanzlich entscheidenden Kammer nicht vorgeworfen werden, er habe - worauf der 4. Senat (aaO RdNr 17) entscheidend abstellt - die Voraussetzung der Kompetenzregelung des § 105 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 12 Abs 1 Satz 2 Regelung 2 SGG, ohne die Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter entscheiden zu dürfen, verkannt.
Vielmehr hat der Kammervorsitzende - auf dessen Sicht es auch nach der Rechtsmeinung des 4. Senats (aaO) ankommt - im Gerichtsbescheid ausdrücklich ausgeführt, dass "der Rechtsstreit keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist". Er hat zwar die Divergenz seiner Rechtsmeinung zu der des 4. Senats des BSG gesehen, meinte jedoch augenscheinlich, diesem sei insoweit ein grundlegender, rechtlich unschwer erkennbarer Fehler unterlaufen, weil er "bei seiner Betrachtung die Vorschrift des § 313 SGB VI ≪in der erst zum 1.1.2001 in Kraft getretenen Fassung≫ nicht berücksichtigt" habe.
Überdies hat das SG, anders als in dem vom 4. Senat entschiedenen Fall (dies ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Urteil des 4. Senats, jedoch aus dem zu Grunde liegenden Gerichtsbescheid des SG Aurich vom 27.10.2004 - S 6 RA 86/02, Juris) auf Antrag des Klägers die Sprungrevision in einem nachträglichen Beschluss zugelassen. Bei einer solchen Ausgangslage aber sieht auch der 4. Senat des BSG, wie seinem Antwortbeschluss vom 26.6.2007 (B 4 R 11/07 S, Juris RdNr 95) zu entnehmen ist, von vornherein keinen Verfahrensverstoß.
Der erkennende Senat kann schließlich offenlassen, ob er der Rechtsansicht des 9. Senats des BSG (im Urteil vom 8.11.2007 - B 9/9a SB 3/06 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; ähnlich bereits BSG vom 25.8.2007 - B 4 RS 2/06 R) zu einer ähnlichen Fallkonstellation folgt; hiernach liege ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verfahrensfehler (auch) darin, dass im Einverständnis der Beteiligten eines Berufungsverfahrens der Berichterstatter als Einzelrichter entschieden habe, obwohl der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung zugekommen sei oder eine Abweichung zu höchstrichterlicher Rechtsprechung vorgelegen habe.
4. Die Revision des Klägers ist jedoch unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das SG die Klage auf Zahlung einer Rente wegen BU für den Zeitraum von Januar bis August 2000 unter Berücksichtigung lediglich des Zahlbetrags des Alg als Hinzuverdienst abgewiesen. Denn die Rechtsanwendung der Beklagten, in dem genannten Zeitraum den Hinzuverdienst auf der Grundlage des Bemessungsentgelts und nicht auf der Grundlage der Leistung (hier: Alg) in tatsächlich erfolgter Höhe zu ermitteln, ist nicht zu beanstanden.
Der Kläger hat ab 1.7.1999 eine Rente wegen BU bezogen. Für diese galt auch im streitigen Zeitraum des Kalenderjahres 2000 (zu Einzelheiten s unten bei 5b) die Regelung des § 96a SGB VI, wonach eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (wozu eine Rente wegen BU gehört) nur geleistet wird, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird (Abs 1 Satz 1). Unter anderem für die Rente wegen BU hat Abs 3 Satz 1 Nr 4 der Vorschrift geregelt, dass bei der Feststellung eines neben dieser Rente erzielten Hinzuverdienstes dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen der Bezug von den weiteren in § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch genannten Sozialleistungen gleichsteht; hierin aber war als Sozialleistung ua das Alg genannt. Abs 3 Satz 3 der Vorschrift regelt hierzu: "Als Hinzuverdienst ist das der Sozialleistung zu Grunde liegende monatliche Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu berücksichtigen." Die zutreffende Anwendung dieser Vorschrift führte zu der vom Kläger angegriffenen Regelung des Bescheids vom 7.11.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.3.2004, wonach die Rente für den streitigen Zeitraum von Januar bis August 2000 nicht geleistet wurde.
Wie der Senat in seinem Urteil vom 31.1.2008 (B 13 R 23/07 R, Juris RdNr 37 ff) näher ausgeführt hat, ist die Vorschrift des § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI mit dem GG, insbesondere der Einkommensgarantie (Art 14 Abs 1 Satz 1 GG) und dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) vereinbar.
5. Der Senat vermag der Argumentation des 4. Senats des BSG in seinem Urteil vom 17.12.2002 (SozR 3-2600 § 96a Nr 1) und in seinem Antwortbeschluss vom 26.6.2007 (B 4 R 11/07 S) nicht zu folgen; hierin hat dieser - mit unterschiedlichen Begründungen - entschieden, dass im Rechtszustand der Kalenderjahre 1999 und 2000, also auch im streitigen Zeitraum, die Vorschrift des § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI für Renten wegen BU nicht anzuwenden war.
a) In seinem Urteil vom 17.12.2002 hatte der 4. Senat diese Rechtsansicht damit begründet, dass in Abs 5 des § 43 SGB VI, der Grundvorschrift zur Rente wegen BU, ausdrücklich geregelt war, dass eine Rente wegen BU abhängig "vom erzielten Hinzuverdienst (§ 96a Abs 2 Nr 2)" in voller Höhe, in Höhe von zwei Dritteln oder in Höhe von einem Drittel geleistet werde. Der Begriff "erzielter" Hinzuverdienst aber stelle auf tatsächlich zugeflossene, nicht jedoch auf fiktive, tatsächlich nicht erzielte Einkünfte ab. Da § 43 Abs 5 SGB VI dieser Fassung am 1.1.1996 in Kraft getreten sei, während § 96a Abs 3 SGB VI erst durch das Rentenreformgesetz 1999 (RRG 1999) vom 16.12.1997 (BGBl I 2998) mit Wirkung zum 1.1.1999 eingeführt worden sei, gehe er für die Jahre 1999 und 2000 mit seiner statischen Verweisung auf § 96a Abs 2 Nr 2 SGB VI idF zur Zeit seines Inkrafttretens vor (ab 1.1.2001 besteht § 43 Abs 5 SGB VI mit dem hier relevanten Inhalt nicht mehr). Diese Sichtweise ist unzutreffend.
Sie setzt zunächst voraus, dass sich § 43 Abs 5 SGB VI aF, mit seinem Abstellen auf einen "erzielten" Hinzuverdienst, und § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI, der nicht auf den Zahlbetrag der Sozialleistung, sondern auf dessen Bemessungsentgelt abstellt, widersprechen. Bei Feststellung eines vermeintlichen Widerspruchs zwischen zwei gleichrangigen Normen ist jedoch zunächst zu prüfen, ob sich nicht eine ("systematische") Auslegung (zB Looschelders/Roth, Juristische Methodik im Prozess der Rechtsanwendung, 1996, S 149 ff) finden lässt, die diesen Widerspruch auflöst. So könnte man erwägen, aus § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI abzuleiten, dass der Gesetzgeber mit seiner Anordnung, als Hinzuverdienst sei bei Bezug einer Sozialleistung deren Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen, diese gerade mit einem tatsächlich erzielten Einkommen gleichgestellt hat ( Antwortbeschluss des 5a. Senats vom 22.4.2008 - B 5a R 8/08 S, Umdruck RdNr 31) .
Ist jedoch keine harmonisierende Auslegung möglich, so spricht im vorliegenden Fall alles für den Vorrang des § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI aufgrund des "lex posterior"-Satzes, wonach themenidentisches späteres Recht in seinem zeitlichen Geltungsbereich das ältere Recht verdrängt (BSG vom 2.8.2000, SozR 3-2600 § 99 Nr 5 S 19 f; zur gewohnheitsrechtlichen Geltung der sog lex posterior derogat legi priori-Regel s auch BSG vom 21.3.1991, SozR 3-2200 § 1259 Nr 5 S 17; BSG vom 21.6.2000, SozR 3-2600 § 301 Nr 3 S 18 f, beide mwN; zur Herleitung dieses Satzes eingehend Vranes, ZaöRV 65 ≪2005≫, 391, 395 ff) .
b) Gegen die Anwendung dieses "lex posterior"-Satzes auf den vorliegenden Zusammenhang kann auch nicht vorgebracht werden, dass für das streitige Kalenderjahr 2000 die Geltung sowohl des § 43 Abs 5 SGB VI aF wie des § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI auf ein und demselben Rechtsetzungsakt beruhe, sodass insoweit nicht zwischen einem früheren oder späteren Recht gesprochen werden könne (so der 4. Senat in seinem Antwortbeschluss vom 26.6.2007 - B 4 R 11/07 S, Juris RdNr 27 ff, 60 ff) . Insoweit ist richtig, dass für die Geltung beider hier relevanter Vorschriften in den Jahren 1999/2000 nicht nur das RRG 1999 vom 16.12.1997 zu beachten war, sondern auch das Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19.12.1998 ≪SVKorrG≫ (BGBl I 3843) . Mit dem RRG 1999 war § 96a Abs 3 SGB VI für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.12.1999 geschaffen (Art 1 Nr 52 und 53 iVm Art 33 Abs 1 und Abs 13 RRG 1999) und gleichzeitig geregelt worden, dass § 43 SGB VI aF (mit seinem Abs 5) erst zum 1.1.2000 durch eine völlige Neufassung der Vorschrift abgelöst werden sollte (Art 1 Nr 19 iVm Art 33 Abs 13 RRG 1999) . Art 1 § 1 SVKorrG wiederum hat in Art 33 RRG 1999 einen Abs 13a eingefügt, wonach ua die Vorschriften des Art 1 Nr 19 und 53 RRG 1999 - vorbehaltlich einer anderen Regelung zu diesem Zeitpunkt - erst am 1.1.2001 in Kraft treten sollten. Hierdurch blieb der nach dem RRG 1999 ursprünglich nur für das Jahr 1999 vorgesehene, im vorliegenden Fall maßgebliche, Rechtszustand unter Geltung sowohl des § 43 Abs 5 SGB VI aF als auch des § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI nicht nur, wie im RRG 1999 vorgesehen, für das Jahr 1999, sondern auch noch im Jahr 2000 in Kraft.
Damit aber hat der Gesetzgeber des RRG 1999 lediglich das Ende der Geltung des § 43 SGB VI aF - einschließlich seines Abs 5 (zum 31.12.1999) - geregelt, nicht jedoch dieser Norm mit dem zum 1.1.1999 neu geschaffenen § 96a Abs 3 SGB VI denselben "zeitlichen Rang" verschafft. Der Gesetzgeber des SVKorrG wiederum hat die - übergangsweise - Geltung des hier maßgeblichen Rechtszustands zu den Erwerbsminderungsrenten und den Hinzuverdiensten nach dem RRG 1999 bis zum 31.12.2000 erweitert, um für die eigentlich vorgesehenen Korrekturen der in der ursprünglichen Fassung des RRG 1999 enthaltenen einschneidenden Änderungen des Rentenrechts Zeit zu gewinnen (vgl BT-Drucks 14/45 S 18, zu Art 1 § 1) .
Will der Gesetzgeber durch eine zeitlich hinausgeschobene Aufhebung oder Neufassung eine Norm für eine Übergangszeit ausdrücklich in ihrer Geltung bestätigen, besteht im Verhältnis zu einer gleichzeitig eingeführten neuen Vorschrift keine "lex posterior"-Situation. Anders jedoch dann, wenn er lediglich die formelle Weitergeltung früherer Normen noch hinnimmt, damit eine Neuregelung einheitlich in Kraft treten kann (BVerfG vom 16.11.1971, BVerfGE 32, 256, 260 zur Prüfung der "Nachkonstitutionalität" im Rahmen des Art 100 Abs 1 GG; zur Übertragung der dortigen Maßstäbe auf den "lex posterior"-Satz: Laubinger, VerwArch 76 ≪1985≫, 201, 210 f) . Dies aber entspricht der Ausgangslage für § 43 Abs 5 aF SGB VI bei Verabschiedung des RRG 1999. Dessen Gesetzgeber hat diese Einzelregelung nicht - in welcher Weise auch immer - bestätigt oder konkludent in seinen Willen aufgenommen. Vielmehr hat er lediglich die Ersetzung des gesamten bisherigen § 43 SGB VI (ab 1.1.2000) durch eine vollständig neue Vorschrift geregelt. Wenn er gleichzeitig - für die Übergangszeit bis zum geplanten einheitlichen Inkrafttreten der Reform des Rechts der Renten wegen Erwerbsminderung - eine überaus detaillierte neue Vorschrift (hier: § 96a Abs 3 SGB VI) einfügt, liegt hierin - für den Fall einer Widersprüchlichkeit - geradezu der Standardkonflikt, den der "lex posterior"-Satz löst. Dies gilt ebenso für die Rechtslage für das Kalenderjahr 2000 nach den Bestimmungen des SVKorrG.
c) Ebenso wenig zu folgen vermag der Senat der Argumentation des Antwortbeschlusses des 4. Senats vom 26.6.2007 (B 4 R 11/07 S) , soweit dieser von der seines Urteils vom 17.12.2002 (SozR 3-2600 § 96a Nr 1) abweicht.
Der 4. Senat erwähnt im genannten Beschluss seine Argumentation mit der "statischen Verweisung" des § 43 Abs 5 SGB VI aF nicht mehr. Sie hätte auch im Widerspruch zu seinen soeben behandelten Aussagen zur "lex posterior"-Lage gestanden. Der 4. Senat geht nunmehr jedoch davon aus, dass § 96a SGB VI eine "bloße Ergänzungsnorm" und "keine Ermächtigungsgrundlage" sei. Aus diesem Grunde sei der Widerspruch zwischen § 43 Abs 5 und § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI zu Gunsten der Ermächtigungsgrundlage des § 43 Abs 5 SGB VI aufzulösen (Antwortbeschluss vom 26.6.2007 - B 4 R 11/07 S, Juris RdNr 24 ff, 38 f, 53, 59) . Der Vorrang einer Norm desselben (einfachen) Gesetzes (hier: des SGB VI) vor einer anderen im Sinne einer (höherrangigen) "Ermächtigungsgrundlage" einerseits und einer (nachrangigen) "Ergänzungsnorm" andererseits ist jedoch dem deutschen Recht fremd, anders als eine entsprechende Rangfolge zwischen Gesetz und Verordnung (zu der im vorliegenden Fall nicht einschlägigen Diskussion über "Grundlagengesetze" s Smeddinck, ZG 2007, 62 ff) .
Ebenso wenig zu folgen vermag der Senat der Argumentation des Antwortbeschlusses (aaO RdNr 78 ff) , soweit dieser aus einer angeblichen gesetzgebungstechnischen Unübersichtlichkeit des SVKorrG Folgerungen zieht. Denn § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI war bereits 1997 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden, sodass eine Quelle zur Verfügung stand, der Inhalt und Folgen dieser Norm verlässlich entnommen werden konnten (so zutreffend der Antwortbeschluss des 5a. Senats vom 22.4.2008 - B 5a R 8/08 S, Umdruck RdNr 39) .
6. Der Senat weicht nicht iS des § 41 Abs 2 SGG von der Entscheidung des 4. Senats in seinem Urteil vom 17.12.2002 (SozR 3-2600 § 96a Nr 1) ab. Denn der 4. Senat kann wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplans seit dem 1.1.2008 mit dieser Rechtsfrage nicht mehr befasst werden. Insoweit maßgebend ist nach § 41 Abs 3 Satz 2 SGG nunmehr die Rechtsauffassung desjenigen Senats, "der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, nunmehr zuständig wäre". Nach der og Änderung der Geschäftsverteilung aber ist Nachfolgesenat des 4. Senats im Sinne dieser Vorschrift, neben dem erkennenden Senat, lediglich der 5a. Senat. Deswegen hat - zur verfahrensökonomischen Vermeidung einer Befassung des Großen Senats - der erkennende Senat mit Anfragebeschluss vom 31.1.2008 beim 5a. Senat angefragt, ob dieser an der im oben genannten Urteil des 4. Senats zugrunde liegenden Rechtsauffassung festhalte. Dies hat der 5a. Senat mit Antwortbeschluss vom 22.4.2008 (B 5a R 8/08 S) verneint, sodass eine von § 41 Abs 2 SGG vorausgesetzte Divergenzlage nicht mehr besteht.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
DStR 2009, 495 |
NZS 2009, 391 |