Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld. Erstattungsanspruch. Zählkindvorteil
Leitsatz (amtlich)
1. Die Abführung von Kindergeld an einen Träger der öffentlichen Jugendhilfe wegen der Kosten der Heimunterbringung setzt den Erlaß eines Bescheides des Trägers der Jugendhilfe gegen den Kindergeldberechtigten über dessen Heranziehung zu einem Kostenbeitrag voraus.
2. Auf die Abführung von Kindergeld an einen Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist beim Vorhandensein von Zählkindern die Pfändungsschutzvorschrift des § 54 Abs 5 S 2 SGB 1 entsprechend anzuwenden.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
BKGG § 10 Fassung: 1990-01-30, § 12 Abs. 4 Fassung: 1990-01-30; SGB VIII §§ 91, 91 ff.; SGB I § 48 Abs. 1 S. 2, § 54 Abs. 5 S. 2; SGB X § 104 Abs. 1 Sätze 1, 4, § 107
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. Dezember 1995 und des Sozialgerichts Köln vom 23. März 1995 geändert. Die Revision des Klägers wird zurückgewiesen. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beigeladenen in allen Rechtszügen. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die beklagte Kindergeldkasse wendet sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung eines weiteren Erstattungsbetrages nach § 104 Abs 1 Satz 1 und 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) an den klagenden überörtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Es geht um die Rechtsfrage, wie ein Zählkindervorteil in einen solchen Erstattungsanspruch einzurechnen ist. Streitig ist der Zeitraum vom 1. Juli 1993 bis zum 31. Oktober 1993.
Zur Familie des beigeladenen Kindergeldberechtigten gehören 8 Kinder. Aus seiner ersten Ehe stammen S. … (S), geboren 1972, F. … (F), geboren 1974, K. -H. … (KH), geboren 1976, Al. … (Al), geboren 1977, An. … (An), geboren 1980, und D. (D), geboren 1981; aus der ersten Ehe seiner zweiten Ehefrau stammen die Stiefkinder J. … J. (J), geboren 1972, und die im Haushalt des Beigeladenen lebende C. … (C), geboren 1975. Im Jahre 1993 bezog der Beigeladene Kindergeld (Kg) zunächst für 3 Kinder (C, KH und An) und ab September 1993 für 4 Kinder (F, C, KH, An), nachdem F zu diesem Zeitpunkt eine Berufsausbildung aufgenommen hatte. Das monatliche Kg betrug zu Anfang 590 DM (für C 130 DM, für KH 220 DM und für An 240 DM unter Berücksichtigung der Zählkinder S und Al mit 70 DM bzw 240 DM) und ab September 1993 830 DM (für F 130 DM, für C 220 DM, für KH 240 DM und für An 240 DM, wiederum unter Berücksichtigung der Zählkinder S und Al mit 70 DM bzw 240 DM).
Der Kläger erbrachte seit April 1992 für den in einem Heim untergebrachten und sich in Berufsausbildung befindlichen Sohn KH des Beigeladenen Hilfe zur Erziehung nach § 27 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Den Kostenbeitrag des Beigeladenen setzte er ab 1. Juli 1993 auf monatlich 197 DM fest (Bescheid vom 7. Juli 1993). Dies entsprach einem Drittel des damals bezogenen Gesamtbetrages des Kg von 590 DM. Der Beitrag sollte aus den laufenden Kg-Zahlungen aufgebracht werden. Auf den Antrag des Klägers auf monatliche Zahlung eines Kg-Betrages für KH in Höhe von 197 DM stellte die Beklagte unter Berücksichtigung von § 48 Abs 1 Satz 2 iVm § 54 Abs 5 Allgemeiner Teil Sozialgesetzbuch (SGB I) einen monatlichen „Abzweigungsbetrag” in Höhe von nur 174 DM fest. Der Betrag setzte sich zusammen aus einem Drittel des ohne Zählkinder berechneten Kg von 420 DM (für C 70 DM, für KH 130 DM und für An 220 DM) zuzüglich eines Fünftels des Zählkindervorteils von 170 DM für S und Al (590 DM abzüglich 420 DM). Die Zahlung des weitergehenden Kg-Betrags von monatlich 197 DM (Differenz 23 DM) wurde abgelehnt (Bescheid vom 28. Juli 1993). Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, er habe ausdrücklich um Erstattung des Kg nach § 104 SGB X und nicht lediglich um Abzweigung gebeten. Die Beklagte errechnete ab 1. September 1993 einen Erstattungsbetrag von 193 DM, insoweit zusammengesetzt aus einem Viertel des ohne Zählkinder berechneten Kg von 660 DM (für F 70 DM, für C 130 DM, für KH 220 DM und für An 240 DM) zuzüglich eines Sechstels des Zählkindervorteils für S und Al (830 DM abzüglich 660 DM). Die Zahlung des sich hierbei ergebenden Differenzbetrages von monatlich 4 DM zur Forderung des Klägers wurde ebenfalls abgelehnt (Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 1993).
Im Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) machte der Kläger einen Zahlungsanspruch von 74 DM gegen die Beklagte geltend, zusammengesetzt aus Teilbeträgen von jeweils 23 DM für Juli und August 1993 sowie von jeweils 14 DM für September und Oktober 1993. Maßgebend sei für die beiden letzten Monate nicht der gegenüber dem Beigeladenen durch Verwaltungsakt festgesetzte Kostenbeitrag von 197 DM, sondern ein Anteil von 207 DM (entsprechend einem Viertel des ihm ab September 1993 zustehenden Gesamt-Kg von 830 DM für 4 Zahlkinder und 2 Zählkinder).
Das SG hat die Beklagte „unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Juli 1993 und des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 1993 verurteilt, dem Kläger Kg für das Kind KH ab Juli 1993 in voller Höhe zu erstatten” (Urteil vom 23. März 1995). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das erstinstanzliche Urteil geändert und die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 54 DM zu zahlen (Urteil vom 15. Dezember 1995). Die Vorinstanzen waren übereinstimmend der Auffassung, daß der Kläger gegen die Beklagte einen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X in Höhe von einem Drittel des monatlichen Gesamt-Kg von 590 DM bzw einem Viertel des Gesamt-Kg von 830 DM habe. Nach Auffassung des LSG findet § 48 Abs 1 Satz 2 iVm § 54 Abs 5 Satz 2 SGB I auf den Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X keine Anwendung. Das LSG hat jedoch den sich für September und Oktober 1993 rechnerisch ergebenden Betrag von 207 DM als durch den Heranziehungsbescheid des Klägers gegenüber dem Beigeladenen von unverändert 197 DM begrenzt angesehen (§ 93 SGB VIII).
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 104 SGB X und der §§ 48 und 54 SGB I. Das LSG habe bei der Aufteilung des Gesamtkindergeldes einschließlich des Zählkindervorteiles zu Unrecht auf § 12 Abs 4 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) abgestellt. Der Gesetzgeber habe diese Vorschrift durch die detaillierten Regelungen zur Ermittlung des pfändbaren Anteils des Kg zugunsten von Zahl- bzw Zählkindern in den §§ 48 Abs 1 Satz 2 und 54 Abs 5 Satz 2 SGB I ersetzt. Die dort aufgestellten Grundsätze müßten gleichermaßen bei der Übertragung, Pfändung und Auszahlung von Kg zugunsten Dritter wie auch bei Erstattungsansprüchen Anwendung finden.
Der Kläger hat ebenfalls Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung des § 93 Abs 5 SGB VIII in dessen ab 1. April 1993 geltender Fassung und hält an seiner Auffassung über die Entbehrlichkeit eines geänderten Heranziehungsbescheides fest.
Die Beklagte beantragt,
unter Zurückweisung der Revision des Klägers das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 15. Dezember 1995 zu ändern, das Urteil des SG Köln vom 23. März 1995 insgesamt aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
unter Zurückweisung der Revision der Beklagten die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 15. Dezember 1995 und des SG Köln vom 23. März 1995 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 74 DM zu zahlen.
Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II
1. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Klage auf Zahlung des Differenzbetrages von 20 DM zwischen dem im Heranziehungsbescheid vom 7. Juli 1993 festgesetzten monatlichen Kostenbeitrag des Beigeladenen von 197 DM und dem vom Kläger errechneten Kostenbeitrag von 207 DM für die Monate September und Oktober 1993 war bereits deshalb abzuweisen, weil der Kläger den Heranziehungsbescheid nicht geändert hat. Kläger, Beklagte und Beigeladener sind an den Heranziehungsbescheid gebunden.
Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf (teilweise) „Erstattung” des dem Beigeladenen zustehenden Kg beruht auf § 104 Abs 1 Satz 1 und 4 SGB X. Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne daß die Voraussetzungen von § 103 Abs 1 SGB X vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat (Satz 1). Dies gilt entsprechend, wenn von den Trägern der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe Aufwendungsersatz geltend gemacht oder ein Kostenbeitrag erhoben werden kann (Satz 4). Diese Voraussetzungen sind hier dem Grunde nach erfüllt. Der Kläger erbrachte als Träger der öffentlichen Jugendhilfe seit April 1992 für den Sohn KH des Beigeladenen Hilfe zur Erziehung nach § 27 SGB VIII. Der Beigeladene hatte als Unterhaltspflichtiger hierfür einen Kostenbeitrag zu zahlen, den der Kläger durch bindend gewordenen Bescheid vom 7. Juli 1993 auf monatlich 197 DM festgesetzt hatte (§§ 91, 93 SGB VIII). Die Regelung des § 104 Abs 1 Satz 1 und 4 SGB X gestattet es einem Träger der Jugendhilfe, wegen eines solchen Kostenbeitrages auf den Kg-Anspruch des Unterhaltspflichtigen zuzugreifen und von der Kg-Behörde die direkte Auszahlung an sich zu verlangen. Der Anspruch ist gegenüber dem zuständigen Leistungsträger ohne Erlaß eines Verwaltungsaktes geltend zu machen, da sich die Leistungsträger insoweit wie bei gewöhnlichen Erstattungsansprüchen nach den §§ 102 ff SGB X gleichrangig gegenüberstehen und der Sachverhalt einer hoheitlichen Regelung nicht bedarf. Eine Abzweigung nach § 48 SGB I, die den Erlaß eines Verwaltungsaktes auch gegenüber dem begünstigten Leistungsträger erfordert (BSG, Urteil vom 8. April 1992 – 10 RKg 31/90 –, nicht veröffentlicht) wird vom Kläger jedenfalls im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht; die Richtigkeit der ergangenen Bescheide unter diesem Gesichtspunkt wird von ihm nicht bestritten. Verfahrensrügen im Hinblick auf die Verkennung des Streitgegenstands werden nicht erhoben. Es kann daher offenbleiben, ob die Auffassung des LSG zutreffend ist, entgegen dem Vorbringen des Klägers habe die Beklagte auch über die Abzweigung entschieden und insoweit rechtmäßige Verwaltungsakte erlassen.
Für den schlichten „Kostenerstattungsanspruch” nach § 104 Abs 1 Satz 4 SGB X reicht es aber nicht aus, daß auch der Kostenbeitragsanspruch des Trägers der Jugendhilfe nur nach dem Gesetz besteht. Vielmehr muß dieser gegenüber dem Beitragspflichtigen durch Bescheid konkretisiert und betragsmäßig festgesetzt worden sein. Dies hat der 10. Senat des BSG bereits zu den entsprechenden Vorschriften des zum 1. Januar 1991 außer Kraft getretenen Gesetzes für Jugendwohlfahrt (Jugendwohlfahrtsgesetz ≪JWG≫) vom 25. April 1977 (BGBl I S 633, 795) durch Urteil vom 8. April 1992 – 10 RKg 31/90 – entschieden, dabei aber maßgebend darauf abgestellt, daß die Heranziehung des Unterhaltsverpflichteten zum Kostenbeitrag nach den §§ 69, 85 Abs 1 JWG und den §§ 5, 6 JWG im Ermessen des Trägers der Jugendhilfe gestanden hat. Nach der Ablösung des JWG durch das SGB VIII (vgl Art 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts ≪KJHG≫ vom 26. Juni 1990, BGBl I S 1163) zum 1. Januar 1991 (Art 23 KJHG) ist diese Begründung allein zwar nicht mehr tragfähig, da die Heranziehung des Unterhaltspflichtigen zu einem Kostenbeitrag seitdem nicht mehr im Ermessen des Trägers der Jugendhilfe steht, sondern grundsätzlich vorgeschrieben ist (§§ 91 ff SGB VIII). Dennoch ist auch unter der Geltung des SGB VIII daran festzuhalten, daß ein Vorgehen des Trägers der Jugendhilfe nach § 104 Abs 1 Satz 1 und 4 SGB X die Heranziehung des Unterhaltspflichtigen zu einem Kostenbeitrag mittels Verwaltungsakts erfordert. Dies gebietet die Rechtssicherheit, die eine Umsetzung des Gesetzes verlangt, sowie der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes nach Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG). Der betroffene Unterhaltspflichtige muß in einem förmlichen Verfahren Gelegenheit haben, sich gegen seine Heranziehung zu dem Kostenbeitrag wehren zu können. Eine schlichte Anhörung durch den Sozialleistungsträger im Rahmen eines vom Träger der Jugendhilfe geltend gemachten Erstattungsantrages nach § 104 Abs 1 Satz 1 und 4 SGB X wäre insoweit nicht ausreichend. Außerdem wäre ein Sozialleistungsträger wie zB die Kg-Behörde in der Regel überfordert, in jedem Einzelfall die Berechtigung zur Heranziehung eines Unterhaltspflichtigen zu einem Kostenbeitrag dem Grunde und der Höhe nach selbst zu prüfen und dafür alle erforderlichen Ermittlungen anzustellen. Erforderlich ist somit der Erlaß eines Heranziehungsbescheides durch den Träger der Jugendhilfe. Das ist hier durch den Bescheid vom 7. Juli 1993 geschehen. Dieser Bescheid ist bindend geworden. Von daher ist der Einwand der Beklagten, der Kläger sei nicht zur Erhebung eines Kostenbeitrags berechtigt gewesen, unerheblich. Deshalb bedarf es auch keiner Entscheidung zu der von der Beklagten mit Blick auf die Regelung des § 93 Abs 5 SGB VIII aufgeworfenen Frage, ob und in welchem Umfang eine Zweckidentität zwischen den vom Kläger für den Sohn KH erbrachten Jugendhilfeleistungen nach § 27 SGB VIII und dem Kg besteht (vgl Bundesverwaltungsgericht ≪BVerwG≫, Urteil vom 29. September 1994 – 5 C 56.92 – BVerwGE 96, 379 zur fehlenden Zweckidentität zwischen Kg und den Leistungen für den Lebensunterhalt in einer Einrichtung nach § 43 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Bundessozialhilfegesetz ≪BSHG≫ im Fall einer auf § 43 Abs 3 BSHG gestützten Anfechtungsklage der zu einem Kostenbeitrag herangezogenen unterhaltspflichtigen Eltern). Da im Bescheid ein monatlicher Kostenbeitrag von 197 DM festgesetzt worden ist, kann der Kläger auch nur diesen Betrag im Wege der „Erstattung” des Kg-Anspruchs nach § 104 Abs 1 Satz 1 und 4 SGB X von der Kg-Behörde verlangen. Wegen des weitergehenden Anspruchs muß er sich zunächst an den Beigeladenen mit einem Bescheid wenden, sofern dies noch rechtlich möglich ist.
2. Der Revision der Beklagten war stattzugeben, weil auch der dem Kläger vom LSG zugesprochene Erstattungsanspruch von 54 DM nicht besteht. Der Kläger kann nach § 104 Abs 1 Satz 1 und 4 SGB X eine Auszahlung des Kg nur in der Höhe verlangen, wie sie sich aus der Pfändungsvorschrift des § 54 Abs 5 Satz 2 SGB I ergibt und von der Beklagten zutreffend errechnet worden ist.
Die Vorinstanzen haben den Zählkindervorteil zu Unrecht voll auf die Zahlkinder aufgeteilt. Bei der Pfändung oder Abzweigung von Kg, bei dessen Berechnung ein Zählkindervorteil berücksichtigt wurde, gilt nach § 48 Abs 1 Satz 2 iVm § 54 Abs 5 Satz 2 SGB I folgendes: Zugunsten von Kindern, die bei der Festsetzung des Kg berücksichtigt werden, ist das Kg auf alle Kinder aufzuteilen, für die Kg gezahlt wird; der Zählkindervorteil jedoch ist durch die Zahl aller bei der Festsetzung des Kg zugunsten des Leistungsberechtigten berücksichtigten Kinder zu teilen. Danach wird bei der Aufteilung des Zählkindervorteils das Zählkind anteilmäßig berücksichtigt. Nach dieser Regelung ist das dem Beigeladenen zustehende Gesamt-Kg um 2/5 bzw ab September 1993 um 2/6 des Zählkindervorteils zu kürzen. Dem Kläger, der für die Unterbringung des Sohnes KH des Beigeladenen aufkommt, stehen danach 1/3 des sich ohne die Zählkinder ergebenden Kg und 1/5 des Zählkindervorteils sowie ab September 1993 1/4 des Kg und 1/6 des Zählkindervorteils zu. Entsprechend dieser Berechnung hat die Beklagte das Kg an den Kläger abgeführt.
Gegen eine analoge Anwendung der in § 54 Abs 5 Satz 2 SGB I festgelegten Berechnungsweise auf den Anspruch aus § 104 Abs 1 Satz 4 SGB X spricht nicht schon der Grundsatz, daß sich der Umfang des dem nachrangig verpflichteten Leistungsträger zustehenden Erstattungsanspruchs nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften richtet (§ 104 Abs 3 SGB X). Es ist schon fraglich, ob diese Vorschrift, die den Umfang der Erstattungspflichten regeln will, auf den abweichend von den allgemeinen Erstattungsansprüchen strukturierten Anspruch nach § 104 Abs 1 Satz 4 SGB X Anwendung finden kann, da der Umfang des Erstattungsanspruchs hier von der Kostenbeitragspflicht des Kindergeldberechtigten abhängt. Jedenfalls bedeutet diese Vorschrift keine schlichte Verweisung auf kindergeldrechtliche Vorschriften des BKGG und erklärt nicht diese für allein anwendbar. Allerdings sah § 12 Abs 4 BKGG aF die von dem Kläger für richtig gehaltene Aufteilung vor. Hiernach gilt als auf ein Kind entfallendes Kg der Betrag, der sich bei gleichmäßiger Verteilung des Kg auf alle Kinder ergibt, für die dem Berechtigten Kg geleistet wird. Dies wäre 1/3 und ab September 1993 1/4 des Gesamt-Kg für die 3 bzw 4 Kinder des Beigeladenen, für die er Kg bezog. § 12 Abs 4 BKGG aF kann jedoch auf die Verteilung des Kg, das von Dritten in Anspruch genommen wird, nicht angewendet werden. Die Regelung wird insoweit durch die neueren und spezielleren Vorschriften in § 54 Abs 5 Satz 2 SGB I iVm § 48 Abs 1 Satz 2 SGB I verdrängt. § 12 BKGG aF enthielt ursprünglich alle Regelungen zur Übertragbarkeit des Kg. Mit dem Inkrafttreten des SGB I zum 1. Januar 1976 wurden die Absätze 1 bis 3 des § 12 BKGG aF aber aufgehoben (vgl Art II § 12 Nr 1 iVm Art II § 23 SGB I vom 11. Dezember 1975, BGBl I S 3015). § 12 Abs 4 BKGG aF ist allein aus „redaktionellen Gründen” wegen der in der Vorschrift enthaltenen Definition „des auf ein Kind entfallenden Kg” erhalten geblieben, da andere – vor allem familienrechtliche – Vorschriften diesen Begriff ebenfalls enthalten (zB § 1615g Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫). Ein Anwendungsfall der Regelung ist die Ermittlung der Höhe der regelmäßigen Unterhaltsleistungen für außerhalb des Bundesgebiets lebende Kinder nach § 2 Abs 5 Satz 3 BKGG aF (vgl Hambüchen, Kg, § 12 BKGG aF). Für die Aufteilung des Kg bei einer Inanspruchnahme durch Dritte sollte die Vorschrift dagegen keine Bedeutung mehr haben (vgl Wickenhagen/Krebs, BKGG, Stand Juli 1995, § 12 RdNr 2 sowie BR-Drucks 315/87, S 12 f, 25 ff). Dies gilt erst recht seit der Änderung der §§ 48 Abs 1 und 54 Abs 4 bzw 5 SGB I durch das 1. Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuchs – 1. SGBÄndG – vom 20. Juli 1988 (BGBl I S 1046). § 54 Abs 5 Satz 2 SGB I enthält seither speziell für das Kg differenzierte Regelungen, die gerade auf die Tatsache Rücksicht nehmen, daß im Hinblick auf § 10 BKGG aF nicht ohne weiteres feststellbar ist, welcher Anteil des gesamten Kg auf das einzelne Kind entfällt (Wickenhagen/Krebs, aaO, § 12 RdNr 235).
§ 54 Abs 5 Satz 2 SGB I gilt seinem Wortlaut nach zwar nur für die Pfändung des Kg, eine ausdrückliche Geltungsanordnung für Erstattungsansprüche, wie sie vergleichbar in § 48 Abs 1 Satz 2 SGB I für die Abzweigung enthalten ist, fehlt. Daraus folgt aber kein Verbot einer entsprechenden Anwendung auf § 104 Abs 1 Satz 4 SGB X. Satz 4 betrifft im Gegensatz zu den vorangehenden Regelungen des § 104 Abs 1 SGB X nicht das Vor- bzw Nachrangverhältnis unter Sozialleistungsträgern. Die Vorschrift eröffnet den Trägern der Sozial- oder der Jugendhilfe sowie der Kriegsopferfürsorge ein direktes Zugriffsrecht auf Sozialleistungen anderer Leistungsträger an den Hilfeempfänger bzw seinen Unterhaltspflichtigen, wenn dieser wegen der Hilfeleistungen zum Aufwendungsersatz verpflichtet ist oder von ihm ein Kostenbeitrag verlangt werden kann. Von daher handelt es sich bei § 104 Abs 1 Satz 4 SGB X weniger um einen Erstattungsanspruch, sondern eher um eine Form der Vollstreckung etwa durch Forderungsübergang (vgl Eichenhofer in: Wannagat, SGB X, Stand Oktober 1996, § 104 RdNrn 14, 15). Der Träger der Sozial- oder der Jugendhilfe, der ansonsten die Pfändung des Kg-Anspruchs betreiben müßte, kann aufgrund des durch Verwaltungsakt festgesetzten Kostenbeitrags von der Kg-Behörde die Auszahlung des Kg verlangen und erlangt dadurch eine Rechtsposition, die derjenigen des Abzweigungsberechtigten sogar noch überlegen ist. Denn bei der Abzweigung handelt es sich nur um ein Recht des Leistungsträgers, die Sozialleistung anstatt an den Leistungsberechtigten an einen Dritten zu erbringen, und nicht um einen Anspruch des Dritten auf Abzweigung (Mrozynski, SGB I, 2. Aufl 1995, § 48 RdNr 8). Danach entspricht die Rechtsposition des Trägers der Sozial- oder Jugendhilfe im Rahmen von § 104 Abs 1 Satz 4 SGB X derjenigen eines Pfändungsgläubigers, wobei der den Kostenbeitrag festsetzende Verwaltungsakt den für die Pfändung erforderlichen Titel ersetzt. § 104 Abs 1 Satz 4 SGB X stellt eine verkürzte Form der Zwangsvollstreckung dar; funktional handelt es sich um die Pfändung einer Sozialleistung.
Weiterhin sprechen auch Sinn und Zweck der Regelung in § 54 Abs 5 Satz 2 SGB I für eine Anwendung im Rahmen von § 104 Abs 1 Satz 4 SGB X. Die Regelung enthält den allgemeinen Grundsatz, daß der Gesamtbetrag des Kg allen Kindern unabhängig von ihrem Lebensalter – und der hiervon abhängenden Ordnungszahl iS des § 10 Abs 1 BKGG aF – gleichmäßig zugute kommen soll (vgl Wickenhagen/Krebs, aaO, § 10 RdNr 9, § 12 RdNr 235), wobei ein Zählkindervorteil anteilig dem Kindergeldberechtigten verbleiben soll, weil bei pauschalierender Betrachtungsweise davon auszugehen ist, daß gegenüber einem Zählkind auch dann Verpflichtungen bestehen, wenn die Kg-Berechtigung einem anderen zusteht.
Es ist kein Grund erkennbar, daß die Begrenzung der Höhe des auf das einzelne Zählkind entfallenden Kg-Anteils zwar für pfändende Unterhaltsgläubiger, nicht aber für den Inhaber einer Erstattungsforderung gelten soll. Die Revision der Beklagten weist zudem zutreffend darauf hin, daß eine Außerachtlassung der Aufteilungsregelung in § 54 Abs 5 Satz 2 SGB I über die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB X prinzipiell zu einer nicht gerechtfertigten Schlechterstellung des Zählkindes führt. Hierbei können im Einzelfall bestehende Besonderheiten, insbesondere die fehlende Unterhaltslast für ein als Zählkind berücksichtigtes Kind, nicht ausschlaggebend sein. § 54 Abs 5 Satz 2 SGB I stellt darauf nicht ab und enthält insoweit eine gesetzgeberische Wertung. Dies rechtfertigt es, den anteiligen Zählkindervorteil auch in den Fällen dem Kindergeldberechtigten zu belassen, in denen er gegenüber dem Zählkind nicht mit laufenden Unterhaltspflichten belastet ist.
Die Entscheidung weicht nicht von derjenigen des 10. Senats im Verfahren 10 RKg 31/90 (Urteil vom 8. April 1992) ab. Seinerzeit war § 104 SGB X als mögliche Rechtsgrundlage für eine Aufteilung des Zählkindervorteils allein auf die Zahlkinder angesehen worden. Der vom Sozialhilfeträger geltend gemachte Anspruch wurde jedoch schon deshalb abgelehnt, weil die Voraussetzungen des § 104 SGB X wegen Fehlens eines Verwaltungsaktes über den Kostenbeitrag des Kindergeldberechtigten nicht vorlagen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen