Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Arzneimittelvergütung. Abrechnungsfähigkeit des Verwurfs von Arzneimittelzubereitungen. Hilfstaxe als vertragliche Vergütungsbestimmung. gerichtlich nur begrenzt überprüfbarer Gestaltungsspielraum
Leitsatz (amtlich)
Bei den Festlegungen zur Abrechnungsfähigkeit des Verwurfs von Arzneimittelzubereitungen in der Hilfstaxe handelt es sich um vertragliche Vergütungsbestimmungen, die schon nach den allgemeinen Grundsätzen dem gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren Gestaltungsspielraum der Vertragspartner obliegen.
Normenkette
SGB V § 129 Abs. 1-2, 5, 5c S. 1; AMG § 78; AMG 1976 § 78; AMPreisV § 5 Abs. 5
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
Streitig sind Vergütungen für Verwürfe zytostatikahaltiger Arzneimittelzubereitungen.
Die Klägerin war bis Ende Juli 2021 herstellende Apothekerin und Mitglied im Bayerischen Apothekerverband eV. Sie stellte für verschiedene Versicherte der beklagten Krankenkasse im Mai 2012 aufgrund ärztlicher Verordnung Zytostatikazubereitungen für ambulante Chemotherapien her. Zur Herstellung dieser parenteralen Zubereitungen wird (Trocken-)Fertigarzneimitteln in unterschiedlichen Packungsgrößen und Wirkstärken nach ärztlicher Dosierungsangabe des Wirkstoffs eine definierte Menge eines Lösungsmittels zum Erhalt einer Stammlösung zugefügt, welche wiederum mit einer Lösung zu einer applikationsfertigen Infusion verdünnt und als Endprodukt verabreicht wird. Der Rest der Stammlösung ist, wenn er nicht für eine andere Verordnung eingesetzt wird, der so genannte Verwurf. Die Beklagte vergütete der Klägerin die sich aus den Verordnungen für Mai 2012 ergebenden Beträge zunächst, lehnte die Vergütung nach Prüfung aber hinsichtlich der Mehrkosten für den Verwurf ab und verrechnete den deshalb geltend gemachten Erstattungsanspruch mit unstreitigen Forderungen der Klägerin für anderweitige Verordnungen (Retaxierung).
Das SG hat die Beklagte unter Zulassung der Sprungrevision zur Zahlung von 828,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.9.2014 bezüglich der zuletzt noch streitigen Arzneimittelzubereitungen aufgrund von 13 Verordnungen verurteilt. Die Klägerin habe Anspruch auf die noch ausstehende Vergütung, weil die Beklagte keinen zur Aufrechnung berechtigenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch habe. Die Verwürfe seien nach dem Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen unvermeidbar und abrechnungsfähig gewesen. Bei diesem handele es sich um von den hierzu ermächtigten Vertragspartnern vereinbartes Preisrecht, mit dem Haltbarkeitszeiten von Wirkstoffen für eine Abrechnungsfähigkeit festgelegt seien (Urteil vom 9.7.2021).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Vereinbarkeit der Verwurfsregelungen des Vertrags über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen mit dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz (§ 12 Abs 1 SGB V). Die Vertragspartner hätten mit der Festlegung der Abrechnungsfähigkeit ihre Kompetenzen überschritten, weil sie mit den getroffenen Regelungen erheblich unwirtschaftliches Abrechnen der Apotheken ermöglichten. Die Klägerin habe für die Verwürfe infolgedessen keinen Vergütungsanspruch erworben.
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Die Beklagte beantragt, |
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das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 9. Juli 2021 zu Ziffern I und II aufzuheben und die Klage abzuweisen. |
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Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt, |
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die Revision zurückzuweisen. |
Entscheidungsgründe
Die zulässige Sprungrevision ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass ungenutzte Teilmengen zytostatikahaltiger Arzneimittelzubereitungen nach der nicht zu beanstandenden Vertragslage als so genannter Verwurf gesondert zu vergüten sind, wenn diese nicht innerhalb von 24 Stunden in weiteren Rezepturen verwendet werden konnten und wirkstoffbezogene Sonderregelungen nicht vorgehen.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Entscheidung der Vorinstanz, dass der von der Beklagten geltend gemachte Erstattungsanspruch wegen der zuletzt noch streitbefangenen Verwürfe aufgrund von 13 Verordnungen im Mai 2012 nicht besteht und die Klägerin deshalb die Zahlung des von der Beklagten im Wege der Retaxierung einbehaltenen Betrags für die Versorgung von Versicherten der Beklagten in Höhe von 828,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.9.2014 verlangen kann. Das hierauf gerichtete Zahlungsbegehren verfolgt die Klägerin im Gleichordnungsverhältnis zwischen Leistungserbringer und Krankenkasse gemäß § 54 Abs 5 SGG zutreffend mit der echten Leistungsklage (stRspr; vgl zum Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis etwa BSG vom 12.8.2021 - B 3 KR 8/20 R - BSGE 133, 17 = SozR 4-2500 § 33 Nr 56, RdNr 8).
2. Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Vergütung ungenutzter Teilmengen bei der Zubereitung zytostatikahaltiger Arzneimittel durch Apotheken als so genannter Verwurf gegen eine Krankenkasse ist § 129 Abs 1 SGB V(hier in der Normfassung des GKV-Finanzierungsgesetzes vom 22.12.2010, BGBl I 2309) iVm den ergänzenden Vereinbarungen auf Bundes- und Landesebene (§ 129 Abs 2, Abs 5 Satz 1 SGB V) sowie den nach § 129 Abs 5c Satz 1 SGB V getroffenen Vergütungsregelungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem Deutschen Apothekerverband eV aufgrund der Ermächtigungen nach § 78 AMG, § 5 Abs 5 Arzneimittelpreisverordnung(hier in der Normfassung des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes vom 22.12.2010, BGBl I 2262, im Folgenden AMPreisV) im Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen (hier idF vom 1.10.2009 sowie der 2. Ergänzungsvereinbarung zum Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen vom 29.2.2012). Danach sind die einbezogenen Apotheken nach Maßgabe der Verträge nach § 129 Abs 2 und 5 SGB V öffentlich-rechtlich zur Abgabe vertragsärztlich verordneter Arzneimittel an die Versicherten als Sachleistung im Rahmen der Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3, §§ 31 und 34 SGB V) berechtigt und verpflichtet, wofür sie im Gegenzug einen in § 129 SGB V vorausgesetzten unmittelbaren gesetzlichen Anspruch auf Vergütung gegen die Krankenkassen erwerben, der durch Normenverträge näher ausgestaltet ist (stRspr; vgl nur BSG vom 17.12.2009 - B 3 KR 13/08 R - BSGE 105, 157 = SozR 4-2500 § 129 Nr 5, RdNr 16; BSG vom 28.9.2010 - B 1 KR 3/10 R - BSGE 106, 303 = SozR 4-2500 § 129 Nr 6, RdNr 13); als Mitglied des Bayerischen Apothekerverbands eV (§ 2 Abs 2 AV-Bay) gilt das auch für die von der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum geführte Apotheke.
3. Inhaber des in § 129 SGB V vorausgesetzten Anspruchs auf Vergütung der zu Lasten der Krankenkassen in Apotheken abgegebenen Arzneimittel ist der Apotheker, dem berufsrechtlich die Erlaubnis zum Betrieb der jeweiligen Apotheke erteilt worden ist (§ 1 Abs 2, § 8 Satz 1 Apothekengesetz ≪ApoG≫). Hiervon ist der Senat im Ergebnis bereits in der Vergangenheit ausgegangen (vgl BSG vom 17.12.2009 - B 3 KR 13/08 R - BSGE 105, 157 = SozR 4-2500 § 129 Nr 5, RdNr 12). Soweit hiernach der in § 129 SGB V vorausgesetzte Vergütungsanspruch seine Grundlage unmittelbar im öffentlichen Recht hat (ebenda RdNr 15), kann er nur denjenigen zustehen, die über die berufsrechtlich zum Führen einer Apotheke vorausgesetzte Erlaubnis verfügen. Denn auch wenn Apotheker Vollkaufleute nach § 1 HGB sind und ihre Firma nicht den Namen des Inhabers tragen muss und ebenfalls Gemeinschaften von Apothekern iS einer GbR und OHG rechtlich möglich sind (vgl Begrenzung durch das Mehr- und Fremdbesitzverbot nach § 2 Abs 5 ApoG), darf eine Apotheke in Deutschland nur auf der Basis einer Erlaubnis für alle Gesellschafter nach dem ApoG ohne eigene Betreiberstellung der GbR oder der OHG betrieben werden. Das trägt dem Umstand Rechnung, dass die Leistungserbringer im Rahmen des Sicherstellungsauftrags der gesetzlichen Krankenversicherung die Anforderungen des einschlägigen Berufsrechts wahren müssen und eine Betriebserlaubnis als Apotheker nach den Vorschriften des ApoG (§ 1 Abs 2, 3 ApoG) nur der approbierte Apotheker persönlich erhalten kann (§ 2 Abs 1 Nr 3 ApoG). Die Anforderung an den Erlaubnisinhaber zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung wiederum findet ihre rechtliche Grundlage in § 7 ApoG. Im Gegenzug zu dieser Verpflichtung und Einbindung des Apothekers in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag nach § 69 SGB V erfolgt die Abrechnung mit den Krankenkassen im Namen des Inhabers der Betriebserlaubnis.
4. Nach dem Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen - der so genannten Hilfstaxe - haben die Krankenkassen einen bei der Herstellung eines (ordnungsgemäß abgegebenen) parenteralen zytostatikahaltigen Arzneimittels angefallenen Anbruch als unvermeidbaren Verwurf zu vergüten, wenn er nicht innerhalb von 24 Stunden nach Anbruch in einer weiteren Rezeptur verwendet werden konnte und ausdrückliche Sonderregelungen nicht getroffen sind.
a) Für Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln haben Apotheker in dem aufgezeigten Rechtsrahmen einen Vergütungsanspruch gegen die Krankenkassen der versorgten Versicherten nach Maßgabe der Preise, die zwischen der mit der Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisation der Apotheker und dem GKV-Spitzenverband aufgrund von Vorschriften nach dem Arzneimittelgesetz vereinbart sind (§ 129 Abs 5c Satz 1 SGB V). Nach den damit in Bezug genommenen Vorschriften gelten für die Preisberechnung von in Apotheken angefertigten Zubereitungen aus Stoffen anstelle der durch Rechtsverordnung nach § 78 AMG festgesetzten Vorgaben die Preisvereinbarungen, die von der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisation der Apotheker mit dem GKV-Spitzenverband getroffen worden sind (§ 78 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AMG iVm § 5 Abs 5 Satz 1 AMPreisV).
b) Gestützt hierauf haben der GKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekerverband eV in dem Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen "die Bildung der Preise nach §§ 4 und 5 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen [geregelt], die in Apotheken angefertigt […] werden und deren Abgabe nach § 43 Abs. 1 Arzneimittelgesetz Apotheken vorbehalten ist" (§ 1 Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen). Danach werden ua für "bestimmte Rezepturen Fest- oder Rezepturzuschläge sowie Stoff- und Gefäßpreise nach § 5 Abs. 5 AMPreisV auf Vorschlag der technischen Kommission nach § 3 dieses Vertrages vereinbart", die als Anlagen Bestandteil des Vertrags und der Abrechnung zugrunde zu legen sind (§ 2 Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen). Die technische Kommission besteht aus je bis zu fünf Vertretern des Deutschen Apothekerverbands eV und des GKV-Spitzenverbands und beschließt grundsätzlich jährlich zu aktualisierende Preise, denen von jeder Seite mit der Wirkung widersprochen werden kann, dass für "den entsprechenden Arzneistoff in der jeweiligen Preisliste kein vereinbarter Preis ausgewiesen wird" (§ 3 Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen). Diese Bestimmungen gelten nach ausdrücklicher Regelung als Bestandteil der Arzneilieferungsverträge auf Landesebene bzw der Verträge mit den Verbänden der Ersatzkassen (§ 4 Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen).
c) Nach der danach für die Preisbildung für parenterale Lösungen im streitbefangenen Zeitraum maßgebenden Anlage zum Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen für von der abrechnenden Apotheke selbst hergestellte Zubereitungen sind unvermeidbare Verwürfe "nur abrechnungsfähig: a) für die im Anhang 1 zu Anlage 3 Teil 1 aufgeführten Stoffe gemäß den dort getroffenen Regelungen [,] b) für die im Anhang 2 zu Anlage 3 Teil 1 aufgeführten Stoffe gemäß den dort getroffenen Regelungen [sowie] c) für nicht im Anhang 1 oder 2 zu Anlage 3 Teil 1 aufgeführte Stoffe, falls nach Anbruch der entsprechenden Packung die Teilmenge nachweislich nicht innerhalb von 24 Stunden in einer weiteren Rezeptur verwendet werden konnte" (Anlage 3 Teil 1 Ziffer 3.8 zum Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen). In diesem Sinne ist "[e]in unvermeidbarer Verwurf […] eine nicht mehr weiterverarbeitungsfähige Teilmenge. Nicht mehr weiterverarbeitungsfähig sind Anbrüche, deren Haltbarkeit überschritten ist oder die aus rechtlichen Gründen nicht in einer anderen Rezeptur verarbeitet werden dürfen. Nicht angebrochene abgeteilte Packungseinheiten sind kein unvermeidbarer Verwurf" (Ziffer 3.6 Anlage 3 Teil 1 zum Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen).
d) Soweit die Vertragspartner ausdrückliche wirkstoffbezogene Sonderregelungen nicht getroffen haben, ist nach der vereinbarten Auffangregelung der bei der - von den Abgabevoraussetzungen auch im Übrigen gedeckten - Abgabe einer parenteralen Lösung angefallene Verwurf des zur Herstellung der verordneten Zubereitung eingesetzten Fertigarzneimittels ohne weitere Einschränkungen abrechnungsfähig, wenn die Teilmenge nach Anbruch der entsprechenden Packung "nachweislich nicht innerhalb von 24 Stunden in einer weiteren Rezeptur verwendet werden konnte" (Anlage 3 Teil 1 Ziffer 3.8 lit c) zum Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen). Auf andere Kriterien als die Unmöglichkeit der Verwendung binnen 24 Stunden kommt es danach nicht an. Die von den Vertragspartnern in Ersetzung der ansonsten durch die AMPreisV vorgegebenen Preise für die Vergütung von Stoffen und Zubereitungen aus Stoffen im Verhältnis zwischen Apothekern und Krankenkassen getroffenen Vereinbarungen sind wie andere Normenverträge in der gesetzlichen Krankenversicherung wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestands innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (stRspr; vgl für Krankenhausabrechnungen letztens nur BSG vom 20.1.2021 - B 1 KR 31/20 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 84 RdNr 21; zu vertragsärztlichen Vergütungsbestimmungen BSG vom 26.1.2022 - B 6 KA 8/21 R - vorgesehen für SozR 4-5531 Nr 31148 Nr 1 RdNr 20; jeweils mwN; ebenso BSG vom 22.2.2023 - B 3 KR 13/21 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4).
e) Raum für eine die Abrechnungsvoraussetzungen von Anlage 3 Teil 1 Ziffer 3.8 zum Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen über den Wortlaut hinaus einschränkende Auslegung besteht danach nicht. Dafür bietet schon der Vertragstext keinen Anhalt. Soweit die auf der Grundlage des Vertrags gebildete technische Kommission (§ 3 Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen) keine vorgängigen wirkstoffbezogenen (Sonder-)Regelungen getroffen hat, kommt es nach der dort statuierten Auffangregelung nur darauf an, ob die nicht genutzte Teilmenge "nachweislich nicht innerhalb von 24 Stunden in einer weiteren Rezeptur verwendet werden konnte". Das lässt schon deshalb keine Auslegungsmöglichkeiten, weil die Ersetzungswirkung des Vertrags über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen im Verhältnis zu den Vorgaben der AMPreisV (vgl § 5 Abs 5 Satz 1 AMPreisV) bezogen auf die Abrechnung von Verwürfen nach der Konzeption des Vertrags mit dem Regel-Ausnahme-Verhältnis in Anlage 3 Teil 1 Ziffer 3.8 einerseits und der Widerspruchslösung im Kommissionsverfahren nach § 3 andererseits nur eintritt, soweit deren Mitglieder sich einvernehmlich auf von der Auffangregelung abweichende Vorgaben verständigt haben. Das schließt es aus, die Abrechnungsfähigkeit eines hiervon erfassten Verwurfs von weiteren, dort nicht angeführten Voraussetzungen abhängig zu machen.
5. Dass dieses Ergebnis wegen Überschreitung des Gestaltungsspielraums der Vertragspartner oder Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots durch den Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen unbeachtlich wäre, zeigt weder das Revisionsvorbringen durchgreifend auf noch ist das für den Senat sonst ersichtlich. Bei den Festlegungen zur Abrechnungsfähigkeit des Verwurfs von Arzneimittelzubereitungen in der so genannten Hilfstaxe handelt es sich um vertragliche Vergütungsbestimmungen, die schon nach den allgemeinen Grundsätzen dem gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren Gestaltungsspielraum der Vertragspartner obliegen (vgl zu den - allerdings auf anderen Grundlagen konstituierten - Rechtsetzungsbefugnissen der Partner der gemeinsamen Selbstverwaltung im Vertragsarztrecht nur BSG vom 16.5.2001 - B 6 KA 20/00 R - BSGE 88, 126 = SozR 3-2500 § 87 Nr 29, juris RdNr 32 mwN; zum GBA etwa BSG vom 8.8.2019 - B 3 KR 16/18 R - BSGE 129, 30 = SozR 4-2500 § 130b Nr 4, RdNr 43). Für die Regelungsmaterie hier kommt hinzu, dass den Vertragspartnern des Vertrags über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen nach der Ermächtigung durch die AMPreisV (vgl § 5 Abs 5 Satz 1 AMPreisV) Rechtsetzungsmacht nur eingeräumt ist, soweit sie sich auf einvernehmliche Regelungen zur Preisbildung verständigen können. Soweit der darauf gerichtete Regelungsauftrag des § 129 Abs 5c Satz 1 SGB V (erst) nach dem hier streitbefangenen Zeitraum um eine Schiedsstellenregelung ergänzt worden ist (vgl § 129 Abs 5c Satz 3 SGB V idF des GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetzes vom 4.5.2017, BGBl I 1050), kann von äußersten Grenzen abgesehen nach der Rechtsprechung des Senats zu Vergütungsregelungen für nichtärztliche Leistungserbringer im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung keine Seite eine gerichtliche Entscheidung über die angemessene Vergütung beanspruchen (vgl letztens nur BSG vom 17.2.2022 - B 3 KR 13/20 R - SozR 4-2500 § 133 Nr 7). Dass solche Grenzen hier verkannt wären, ist nicht zu erkennen; allein die Möglichkeit einer anderen Ausgestaltung des streitbefangenen Regelwerks - ihre Praktikabilität nach den Bedingungen von Massenverfahren vorausgesetzt - berührt derartige Grenzen nicht.
6. Zu Recht beansprucht die Klägerin danach als Anspruchsinhaberin auch nach Aufgabe ihrer Tätigkeit die Auszahlung der einbehaltenen Vergütung für die nicht im Streit stehende Versorgung weiterer Versicherter der Beklagten (vgl zur Aufrechnung einer Krankenkasse mit anderweitigen Vergütungsansprüchen nur BSG vom 22.6.2022 - B 1 KR 31/21 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-5560 § 19 Nr 1, RdNr 8), da sie nach den Feststellungen des SG einen Vergütungsanspruch in Höhe von 828,50 Euro für die noch streitbefangenen 13 Verordnungen erworben hat, wobei in 12 Fällen deren Wirkstoffe weder in Anhang 1 noch in Anhang 2 zu Anlage 3 Teil 1 aufgeführt sind und deren Verwurf deshalb nach der 24-stündigen Auffangregelung von Ziffer 3.8 lit c) Anlage 3 Teil 1 zum Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen zu vergüten ist. Dass diese Restmengen in dem Zeitraum von 24 bzw in einem Fall binnen 48 Stunden in weiteren Rezepturen hätten verwendet werden können, hat das SG nicht festgestellt.
Fundstellen
Haufe-Index 15702652 |
BSGE 2024, 254 |
NZS 2023, 776 |
GesR 2023, 460 |
AH 2023, 14 |