Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin wird als unzulässig verworfen, soweit sie den Nachteilsausgleich „G” betrifft.
Im übrigen wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. Februar 1997 aufgehoben.
Die Sache wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Klägerin streitet um einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 und damit um ihre Eigenschaft als Schwerbehinderte nach § 1 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) sowie um die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs „G” (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).
Der Beklagte stellte 1991 bei der Klägerin als Behinderungen „Verschleißerscheinungen der WS, Kniegelenke und Zehengelenke” mit einem GdB von 30 fest (Bescheid vom 12. Dezember 1991). Ihrem Widerspruch half er teilweise ab, indem er die Behinderungen als
- „Degenerative Wirbelsäule mit Nervenwurzelreiz bei Fehlhaltung. Beinverkürzung links, genu valga mit Degeneration beider Kniegelenke, mehrfach operativ behandelt. Degeneration beider Großzehengrundgelenke, Senk-Spreizfüße, Degeneration rechtes Daumengrundgelenk und rechtes Kleinfingermittelgelenk,
- Migräne, Struma”
bezeichnete und den GdB mit 40 feststellte (Bescheid vom 26. Januar 1993); der weitergehende Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 1993).
Das Sozialgericht (SG) hat die auf einen GdB von 50 und den Nachteilsausgleich „G” gerichtete Klage nach umfangreicher Beweisaufnahme abgewiesen (Urteil vom 9. November 1995). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung, mit der nur noch ein GdB von 50 geltend gemacht wurde, zurückgewiesen.
Mit der – vom Senat zugelassenen – Revision macht die Klägerin geltend: Das LSG habe – entgegen dem im Berufungsverfahren gestellten Beweisantrag – kein weiteres medizinisches Gutachten eingeholt und dadurch gegen seine Pflicht verstoßen, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 103 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Die weitere Beweiserhebung hätte eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes ergeben. Der GdB wäre deshalb jedenfalls zur Zeit der Entscheidung im Berufungsverfahren mit 50 einzuschätzen gewesen.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. Februar 1997 und des Sozialgerichts Köln vom 9. November 1995 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12. Dezember 1991 in Gestalt des Abhilfebescheides vom 26. Januar 1993 sowie des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 1993 zu verurteilen, den GdB ab September 1991 mit 50 und außerdem die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich „G” festzustellen,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil abzuändern und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unzulässig und deshalb zu verwerfen, soweit sie den Nachteilsausgleich „G” betrifft. Dieser Teil des Klageanspruchs ist erledigt, nachdem die Klägerin insoweit zwar noch Berufung eingelegt, ihre Klage in diesem Punkt im Berufungsverfahren aber zurückgenommen hat. Das ist zwar nicht ausdrücklich geschehen, ergibt sich aber aus dem prozessualen Verhalten der Klägerin: Sie hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 12. Februar 1997 nur noch beantragt, den GdB mit 50 festzustellen. In dieser Beschränkung des Antrags liegt die Rücknahme der weitergehenden, zusätzlich auf den Nachteilsausgleich „G” gerichteten Klage (vgl BSG SozR Nr 10 zu § 102 SGG; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 6. Aufl 1998, § 102 Rz 7b).
Im übrigen ist die Revision der Klägerin in dem Sinne begründet, daß das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die Entscheidung des LSG beruht auf der von der Klägerin ordnungsgemäß gerügten Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung (Verstoß gegen § 103 SGG). Denn das LSG hätte weiter aufklären müssen, ob sich der Gesundheitszustand der Klägerin – wie von dieser behauptet – in der Zwischenzeit so verschlimmert hatte, daß sie Schwerbehinderte mit einem GdB von 50 war.
Das LSG hat seine Entscheidung auf Sachverständigengutachten gestützt, die im erstinstanzlichen Verfahren – zuletzt am 25. Mai 1995 – eingeholt worden waren. Darin liegt zwar nicht ohne weiteres eine Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung von Amts wegen, auch wenn bis zur Entscheidung des LSG am 12. Februar 1997 fast zwei Jahre vergangen waren. Den festgestellten Behinderungen liegen aber Verschleißleiden bzw Degenerationserscheinungen zugrunde, die sich im Laufe der Zeit verschlimmern und eine solche Verschlimmerung ist von der Klägerin im August 1996 ausdrücklich geltend gemacht worden.
Das LSG hat zu Unrecht gemeint, den Behauptungen der Klägerin nicht weiter nachgehen zu müssen, weil der behandelnde Orthopäde Dr. K. in seinem Befundbericht vom 4. September 1996 lediglich ausgeführt habe, es sei keine Besserung im Gesundheitszustand der Klägerin eingetreten, ohne eine Verschlimmerung zu erwähnen, nach der er vom LSG ausdrücklich gefragt worden sei. Das trifft nicht zu. Dr. K. hat dem LSG am 16. Oktober 1996 die Kopie eines Befundberichtes vom 4. September 1996 mit dem Bemerken zugeschickt, es handele sich um einen Bericht für das SG Köln, zu einer Verbesserung des Zustandsbildes sei es zwischenzeitlich nicht gekommen. Obwohl sich diese Aussage ersichtlich auf die Zeit seit dem 4. September 1996, also auf eine fehlende Verbesserung des Gesundheitszustandes in der kurzen Zeitspanne bis zum 16. Oktober 1996, bezieht, hat das LSG daraus entnommen, im Vergleich zu dem vom SG im Jahre 1995 festgestellten Gesundheitszustand sei keine Verschlimmerung eingetreten. Das LSG hätte den zur Zeit der Entscheidung am 12. Februar 1997 (vgl zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt bei kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen BSGE 73, 25, 27 = SozR 3-2500 § 116 Nr 4 und Senatsurteil vom 2. Juli 1997 – 9 RVs 9/96 – VersorgVerw 1997, 94) bestehenden Gesundheitszustand zum Ausschluß einer GdB-erhöhenden Verschlimmerung der progredienten Leiden aber mit dem Gesundheitszustand vom Mai 1995 vergleichen müssen. Das war ohne sachverständige Hilfe nicht möglich.
Nach § 169 Satz 3 SGG hat das Bundessozialgericht eine unzulässige Revision in der Besetzung mit drei Berufsrichtern ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß zu verwerfen, sofern es – wie der Senat hier – ohne mündliche Verhandlung entscheidet. Diese Besetzungsregelung gilt im vorliegenden Fall jedoch nicht. Denn die Entscheidung über die teilweise unzulässige, im übrigen aber zulässige Revision der Klägerin muß, da es sich um e i n Verfahren handelt, in einheitlicher Form ergehen. Über den zulässigen Teil der Revision hat der Senat durch Urteil in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden (§§ 170, 40 Satz 1, 33 Satz 1 SGG). In dieser Form und in dieser Besetzung muß auch über den unzulässigen Teil der Revision entschieden werden, da die höhere Form des Urteils und die volle Besetzung des Senats mit fünf Richtern unter Einschluß der ehrenamtlichen die geringere Form des Beschlusses und die Besetzung des Senats nur mit den Berufsrichtern verdrängen (vgl dazu BFHE 101, 509; BVerwGE 15, 239 f; Meyer-Ladewig, aaO, § 169 Rz 4).
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt auch im vorliegenden Fall einer teilweise abschließenden Entscheidung dem LSG vorbehalten (vgl BSG SozR 5870 § 2 Nr 62).
Fundstellen