Entscheidungsstichwort (Thema)
Abrechnungsschein. Überweisung. Krankenversichertenkarte. Vertragsarzt. Laborarzt. Behandlungsvertrag. Vollmacht
Leitsatz (redaktionell)
Die Regelung in einem Honorarverteilungsmaßstab, die einen Abrechnungsausschluss auch für solche Abrechnungsscheine normiert, die deshalb vom Arzt nicht bis zum Einsendetermin vorgelegt werden konnten, weil zu diesem Zeitpunkt der den Patienten behandelnde Arzt an den Arzt noch keine Überweisung übermittelt hatte, verstößt gegen höherrangige bundesrechtliche Bestimmungen der Bundesmantelverträge.
Normenkette
SGG § 162; BGB §§ 164, 167; BMV-Ä § 18 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 23 Abs. 2 S. 1; EKV-Ä § 21 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 27 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10. September 2003 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Juli 2002 geändert. Die Beklagte wird unter Abänderung ihrer Bescheide vom 28. August 2000 und 17. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2001 verpflichtet, diejenigen Abrechnungsscheine der Klägerin mit den Quartalsangaben I/2000 und II/2000 zu bearbeiten, die wegen nachträglicher Vorlage der Überweisungsscheine nicht rechtzeitig eingereicht worden sind.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für alle Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Vergütung verspätet eingereichter Abrechnungsscheine.
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis von Ärzten für Laboratoriumsmedizin, die im Bezirk der früheren Kassenärztlichen Vereinigung Nord-Württemberg (KÄV NW), die zum 1. Januar 2005 in der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KÄV BW) aufgegangen ist, an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt. Die Klägerin reichte bei der Abrechnung für die Quartale II/2000 und III/2000 bei einer Gesamtfallzahl von 93.166 (Quartal II/2000) jeweils ca 1.050 Abrechnungsscheine aus den Vorquartalen ein. Die KÄV NW lehnte die Vergütung dieser Scheine mit der Begründung ab, die auf der Grundlage des § 5 des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) festgesetzten Einsendetermine für Abrechnungsscheine aus den Quartalen I/2000 und II/2000 seien nicht eingehalten worden (Bescheide vom 28. August 2000 und 17. November 2000, Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2001).
Die Klägerin hat mit ihrer Klage geltend gemacht, sie habe einen Anspruch auf Vergütung, da sie unverschuldet an der rechtzeitigen Einreichung der Abrechnungsscheine gehindert gewesen sei. In jeweils ca 800 Fällen habe die Leistungserbringung über das Ende des Vorquartals hinaus angedauert und in jeweils ca 250 Fällen hätten die Versicherten ihre Krankenversichertenkarte den überweisenden Ärzten so spät vorgelegt, dass diese ihre Überweisungsscheine erst nach dem Einsendetermin ausgestellt und ihr – der Klägerin – zugeleitet hätten.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 17. Juli 2002). Das Landessozialgericht (LSG) hat der Berufung der Klägerin insoweit stattgegeben, als die Leistungserbringung über das Ende des Vorquartals hinaus angedauert hatte (jeweils ca 800 Fälle); im Übrigen hat es – soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung – die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 10. September 2003). Die Regelung des § 5 Abs 1 Satz 1 HVM sei als materielle Ausschlussfrist für verspätet eingereichte Abrechnungen zu verstehen. Als solche habe sie in § 85 Abs 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage und sei angesichts der Besonderheiten der Verteilung der Gesamtvergütung auch verhältnismäßig. Sie sei geeignet und erforderlich, um eine möglichst zügige Abrechnung eines Quartals zu erreichen, und belaste die Vertragsärzte nicht unzumutbar, zumal eine schnelle Honorarverteilung auch ihrem Interesse entspreche. Die KÄV NW habe die Vergütung der Abrechnungsscheine aus dem Quartal I/2000, die wegen verspätet ausgestellter Überweisungsscheine nicht rechtzeitig zur Abrechnung eingereicht worden seien, ablehnen dürfen. Solche Abrechnungsscheine könnten nicht nachträglich vergütet werden, da sie den Vertragsärzten zum Einsendetermin hätten vorliegen können, wenn die gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen beachtet worden wären. Es wäre Sache der Klägerin gewesen, sich entweder rechtzeitig einen Überweisungsschein für die vertragsärztliche Behandlung ausstellen zu lassen oder die Erbringung der Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung abzulehnen bzw gemäß § 18 Abs 1 Nr 1 des Bundesmantelvertrags-Ärzte (BMV-Ä), § 21 Abs 1 Nr 1 des Bundesmantelvertrags-Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä; – jeweils Stand: 1. Juli 1999, vgl DÄ 1999, A-797 und A-799) privat abzurechnen.
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision in erster Linie eine Verletzung von Art 12 Abs 1 und Art 20 Abs 3 Grundgesetz (GG). Unter Berücksichtigung der sich aus Art 12 Abs 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip im Sinne des Art 20 Abs 3 GG ergebenden Anforderungen an Regelungen, die eine Vergütung für erbrachte vertragsärztliche Leistungen ausschlössen, stehe § 5 HVM ihrem – der Klägerin – Vergütungsanspruch nicht entgegen. Denn die Vorschrift und ihre gesetzliche Grundlage im SGB V genügten nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an eine materielle Ausschlussfrist (Präklusionsnorm) für den Vergütungsanspruch eines Vertragsarztes zu stellen seien. Im Übrigen hätte ihr – der Klägerin – auf Grund langjähriger anderweitiger Auslegung und Verwaltungspraxis, nach der mit der Honorarabrechnung des Folgequartals eingereichte Abrechnungsscheine aus dem Vorquartal stets vergütet worden seien, Vertrauensschutz gewährt werden müssen. Des Weiteren hätte die Beklagte ihr – der Klägerin – nach § 27 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch Wiedereinsetzung in die versäumte Abrechnungsfrist gewähren müssen. Zudem sei § 5 HVM als materielle Ausschlussfrist mit den Bundesmantelverträgen als höherrangigen Rechtsvorschriften insoweit unvereinbar, als ein Vergütungsausschluss auf Grund verspäteter Abrechnung für diejenigen Abrechnungsscheine angenommen werde, für die ihr – der Klägerin – von den einsendenden Ärzten nachträglich Untersuchungsaufträge gemäß Muster 10 der Vordruckvereinbarung erteilt worden seien. Schließlich beruhe das Berufungsurteil auf einem Verfahrensfehler, soweit ihr – der Klägerin – Vortrag zum Vertrauensschutz nicht berücksichtigt worden sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10. September 2003 insoweit aufzuheben, als die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Juli 2002 zurückgewiesen worden ist, das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Juli 2002 insgesamt aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom 28. August 2000 und 17. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2001 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, die als verspätet nicht vergüteten Abrechnungsscheine mit den Quartalsangaben I/2000 und II/2000 zu vergüten,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, über die Honorarforderung der Klägerin für die Quartale II/2000 und III/2000 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung enthält § 5 HVM eine rechtswirksame Ausschlussfrist. Zwar regele § 5 HVM seinem Wortlaut nach nicht die Rechtsfolge eines Abrechnungsausschlusses. Doch sei die Bestimmung insgesamt so eindeutig, dass die bei verspäteter Einreichung eintretende Rechtsfolge erkennbar sei. § 85 Abs 4 SGB V stelle eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Einführung von Abrechnungsausschlussfristen dar. Die Ausschlussfrist sei zur Erreichung des Ziels einer zeitgerechten Verteilung der Gesamtvergütung auch geeignet. Würde es in das Belieben der Praxis gestellt, wann sie welche Abrechnungsscheine vorlege, könnten angesichts der vielfältigen Auswirkungen der Scheinzahl sämtliche Steuerungsinstrumente der KÄV ausgehebelt werden. Die HVM-Regelung sei zur Vermeidung von Verwerfungen im quartalsbezogenen Abrechnungsgeschehen notwendig.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin hat Erfolg.
Die Entscheidung der KÄV NW, die wegen zunächst nicht vorliegender Überweisungen verspätet eingereichten Abrechnungsscheine aus dem Quartal I/2000 und II/2000 von vornherein von der Abrechnung für die Quartale II/2000 und III/2000 auszuschließen, ist rechtswidrig. Die Beklagte ist zur Bearbeitung dieser Abrechnungsscheine verpflichtet.
Nach der von der Beklagten vertretenen und vom Berufungsgericht geteilten Auffassung normiert § 5 Abs 1 Satz 1 HVM einen Abrechnungsausschluss für die von der Klägerin erst mit der Abrechnung für die Quartale II/2000 und III/2000 eingereichten Abrechnungsscheine der jeweiligen Vorquartale. Zwar erscheint diese Auslegung der Satzungsvorschrift der Beklagten angesichts ihres Regelungsgehaltes nicht zwingend, zumal auch die Beklagte nach ihren eigenen Angaben zuvor von einem anderen Verständnis ausgegangen ist. Der Senat ist jedoch an die Auslegung durch das LSG gebunden, weil es sich um nicht revisibles Rechts handelt (§ 162 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) und sie nicht willkürlich, dh schlechthin nicht nachvollziehbar, sondern mit der gegebenen Begründung noch vertretbar ist (vgl zur revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht revisiblen Rechts s BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 44 S 358 f und BSG SozR 4-2500 § 112 Nr 3 RdNr 4 ff, mwN). In der vom LSG getroffenen Auslegung verstößt die Vorschrift des § 5 Abs 1 Satz 1 HVM aber gegen Bundesrecht und ist unwirksam. Auf sie kann daher die Nichtbearbeitung der in den Quartalen II/2000 und III/2000 eingereichten Abrechnungsscheine der Klägerin aus den jeweiligen Vorquartalen, soweit dies im Revisionsverfahren noch umstritten ist, nicht gestützt werden.
Die für die Abrechnung im streitbefangenen Zeitraum maßgeblichen Vorschriften im HVM der KÄV NW lauten im Zusammenhang:
§ 5
(1) Um einen geordneten Abrechnungsverkehr zu gewährleisten, ist es notwendig, die Abrechnungen vollständig bis zu den Einsendeterminen einzureichen, die die KÄV NW rechtzeitig vor Ablauf des jeweiligen Kalendervierteljahres durch Rundschreiben bekannt gibt. Ausnahmen von der Einhaltung dieser Fristen können nur auf rechtzeitig vorher gestellten und begründeten Antrag gewährt werden.
(2) Soweit zum Zeitpunkt der Einreichung der Abrechnungen einzelne Abrechnungsscheine noch nicht vorliegen, sind sie nicht nachzureichen, sondern den Abrechnungsunterlagen des folgenden Kalendervierteljahres beizufügen. Diese Abrechnungsscheine werden mit den Vergütungen abgerechnet, die für das Kalendervierteljahr gelten, mit dem die Abrechnungsscheine nachgereicht wurden. Eine nachträgliche Berichtigung oder Ergänzung einer irrtümlich unvollständigen Abrechnung für eingereichte Behandlungsfälle ist nach Abgabe der Abrechnungsunterlagen unzulässig.
(3) Die vertraglichen Verjährungs- bzw Ausschlussfristen für die Abrechnung von Leistungen sind zu beachten. Damit die KÄV NW die Möglichkeit der noch fristgerechten Bearbeitung verspäteter Abrechnungen vor ihrer Verjährung bzw ihrem Ausschluss hat, endet die Möglichkeit der Abrechnung von Leistungen einschließlich Kostenersatz bei der KÄV NW zwei Monate vor der vertraglichen Verjährungs- bzw Ausschlussfrist. Soweit Verträge keine Verjährungs- bzw Ausschlussfristen enthalten, endet die Abrechnungsmöglichkeit bei der KÄV NW nach Ablauf des achten Kalendervierteljahres, das auf das Leistungsvierteljahr folgt.
§ 6
(1) Bei ungenügend begründetem Überschreiten der Abrechnungsfristen gemäß § 5 Abs 1 HVM wird ein Abzug von der Abrechnungssumme des Arztes vorgenommen. Der Abzug beträgt pro Kalendertag 0,5 % der rechnerisch-sachlich geprüften Abrechnungssumme, berechnet vom ersten Kalendertag nach Fristablauf bis zum Kalendertag, an dem die Abrechnungsunterlagen eingehen. Der Abzug beträgt insgesamt höchstens pro Abrechnungsquartal bei einer Verspätung innerhalb des ersten Monats, der auf das Abrechnungsquartal folgt, 2.000 DM, innerhalb des zweiten Monats 3.500 DM und bei einer Verspätung von mehr als zwei Monaten 5.000 DM. …
(2) Abrechnungsunterlagen, die so spät eingehen, dass sie bei der laufenden Abrechnung keine Berücksichtigung mehr finden können, werden unbeschadet des Abzugs nach vorstehendem Abs 1 bis zum nächsten Abrechnungsvierteljahr zurückgestellt.
Soweit § 5 Abs 1 Satz 1 HVM in der Auslegung des LSG einen Abrechnungsausschluss auch für solche Abrechnungsscheine normiert, die deshalb von der Klägerin nicht bis zum Einsendetermin vorgelegt werden konnten, weil zu diesem Zeitpunkt der den Patienten behandelnde Arzt an die Klägerin noch keine Überweisung übermittelt hatte, verstößt die Satzungsregelung der Beklagten gegen höherrangige bundesrechtliche Bestimmungen der Bundesmantelverträge. Nach ihnen wird mit der Nachreichung der Krankenversichertenkarte durch die Versicherten an den behandelnden Arzt die zuvor als privatrechtlich zu bewertende Behandlung zur vertragsärztlichen Behandlung. Dies erstreckt sich auch auf vom behandelnden Arzt vorgenommene Überweisungen.
Nach § 18 Abs 1 Nr 1 BMV-Ä, § 21 Abs 1 Nr 1 EKV-Ä (jeweils Stand: 1. Juli 1999 – jetzt: § 18 Abs 8 Nr 1 BMV-Ä, § 21 Abs 8 Nr 1 EKV-Ä) hat der Vertragsarzt einen Vergütungsanspruch unmittelbar gegen den gesetzlich Versicherten nur dann, wenn dieser die Krankenversichertenkarte oder einen anderen gültigen Behandlungsausweis nicht spätestens 10 Tage nach der ersten Inanspruchnahme im Quartal vorlegt. Legt der Versicherte bis Quartalsende die Krankenversichertenkarte oder einen anderen gültigen Behandlungsausweis vor, hat der Vertragsarzt eine bereits vom Versicherten entrichtete Vergütung zurückzuerstatten (§ 18 Abs 2 BMV-Ä, § 21 Abs 2 EKV-Ä ≪jeweils Stand: 1. Juli 1999 – jetzt: § 18 Abs 9 BMV-Ä, § 21 Abs 9 EKV-Ä≫). Wird die Krankenversichertenkarte diesen Bestimmungen entsprechend nachgereicht, hat die Vergütung des Vertragsarztes im Wege der Honorarverteilung über die KÄV zu erfolgen. Da die 10-Tage-Frist der § 18 Abs 1 Nr 1 BMV-Ä, § 21 Abs 1 Nr 1 EKV-Ä über das Quartalsende hinaus andauern kann, ist es möglich, dass bei einem Einsendetermin innerhalb der ersten acht Kalendertage eines Quartals ≪wie bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten für die Quartale I/2000 bis III/2000≫ die 10-Tage-Frist noch nicht abgelaufen ist. In diesem Fall folgt aus den Bundesmantelverträgen, dass Abrechnungsscheine, die noch innerhalb der 10-Tage-Frist ausgestellt worden sind, aber erst nach Ablauf des Einsendetermins eingereicht werden können, von der Vergütung nicht ausgeschlossen werden dürfen.
Für Überweisungen gilt, dass diese – von begründeten Ausnahmefällen abgesehen – nur vorgenommen werden dürfen, wenn dem überweisenden Vertragsarzt die Krankenversichertenkarte oder ein anderer gültiger Behandlungsausweis vorgelegen hat (§ 24 Abs 2 Satz 1 BMV-Ä, § 27 Abs 2 Satz 1 EKV-Ä). Danach ist vor Vorlage der Krankenversichertenkarte eine Überweisung zwar im Grundsatz ausgeschlossen, jedoch in “besonderen Ausnahmefällen” gestattet, etwa wenn die zu veranlassenden Maßnahmen dringend erforderlich sind (vgl die Erläuterungen zur Vordruckvereinbarung, Stand Januar 2000, DÄ 2000, A-640, zu Muster 6 und 10). In diesen Ausnahmefällen kann allerdings ein Überweisungsschein, der die Anforderungen der Vordruckvereinbarung erfüllt, mangels Krankenversichertenkarte nicht ausgestellt werden. Nach den Wertungen der § 18 Abs 1 Nr 1, Abs 2 BMV-Ä, § 21 Abs 1 Nr 1, Abs 2 EKV-Ä ist eine derartige Überweisung indessen nicht bereits endgültig außerhalb des vertragsärztlichen Vergütungssystems abzuwickeln. Vielmehr muss es dem überweisenden Vertragsarzt möglich sein, dem auftragnehmenden Vertragsarzt einen Überweisungsschein nach der Vordruckvereinbarung nachzureichen, sobald ihm der Versicherte seine Krankenversichertenkarte innerhalb der Fristen der § 18 Abs 1 Nr 1, Abs 2 BMV-Ä, § 21 Abs 1 Nr 1, Abs 2 EKV-Ä vorgelegt hat. Dies kann aus den oben genannten Gründen auch noch nach Quartalsende geschehen. Da es insoweit für die Fristwahrung auf die Vorlage der Krankenversichertenkarte beim überweisenden Vertragsarzt ankommt, wird der Überweisungsschein erst nach der erforderlichen Bearbeitungszeit beim überweisenden Arzt und damit regelmäßig erst nach Ablauf des Abrechnungseinsendetermins beim auftragnehmenden Vertragsarzt eintreffen.
Entgegen der Auffassung des LSG darf der die Überweisung annehmende Laborarzt in diesen Fällen keine privatärztliche Leistung gegenüber dem Patienten erbringen. Da typischerweise der Patient mit dem Laborarzt nicht persönlich in Kontakt tritt, könnte ein Behandlungsvertrag zwischen beiden nur zu Stande kommen, wenn der überweisende Arzt den Patienten insoweit vertritt (§ 164 Abs 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫). Die erforderliche Vollmacht (§ 167 BGB) zum Abschluss eines privatärztlichen Behandlungsvertrages mit einem Laborarzt erteilt ein Patient jedoch gerade nicht, wenn er seinem behandelnden Arzt verspricht, die Versichertenkarte nachzureichen. Er bringt auf diese Weise vielmehr unmissverständlich zum Ausdruck, dass er eine Behandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung wünscht, und zwar sowohl durch den behandelnden Arzt als auch durch solche Ärzte, die der behandelnde Arzt zu Diagnosezwecken hinzuzieht. Deshalb kann ein die Überweisung erhaltender Vertragsarzt bis zum Ablauf der Fristen für die Nachreichung der Versichertenkarte nicht davon ausgehen, eine Überweisung privatärztlich bearbeiten zu dürfen, weil er typischerweise keinen Anspruch auf Vergütung gegen den Patienten erwirbt. Da die bundesmantelvertraglichen Vorschriften aber auch bei nachgereichten Überweisungen eine vertragsärztliche Gestaltung der Leistungs- wie der Vergütungsbeziehungen vorschreiben, ist eine HVM-Regelung unwirksam, die in solchen Fällen regelmäßig ausschließt, dass der die Überweisung empfangende Vertragsarzt einen Vergütungsanspruch geltend machen kann. Deshalb muss die Beklagte diejenigen Abrechnungsscheine der Klägerin mit den Quartalsangaben I/2000 und II/2000, die diese wegen der zunächst fehlenden Überweisungen erst mit den Abrechnungen der Quartale II/2000 und III/2000 vorgelegt hat, bearbeiten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).
Fundstellen