Entscheidungsstichwort (Thema)
Regelaltersrente. Kindererziehungszeiten. Berufsausbildung. Entgeltpunkte
Leitsatz (amtlich)
Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn bei der Regelaltersrente erstmalig zu berücksichtigende Kindererziehungszeiten zunächst zum Ausgleich von Einbußen dienen, die sich gemäß § 70 Abs. 3 SGB VI bei der Bewertung der ersten Versicherungsjahre im Vergleich zu der bislang bezogenen Erwerbsunfähigkeitsrente ergeben, bevor ein Bestandsschutz nach §§ 88, 89 SGB VI wirksam wird.
Normenkette
SGB VI §§ 56, 70, 88, 249, 256; GG Art. 14, 3 Abs. 1; AVG § 32 Abs. 4 Buchst. b (= RVO § 1255 Abs. 4 Buchst. b)
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 19.08.1994; Aktenzeichen L 4 An 57/94) |
SG Dortmund (Entscheidung vom 17.02.1994; Aktenzeichen S 2 An 8/93) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. August 1994 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Höhe der Altersrente der Klägerin.
Die am 26. August 1927 geborene Klägerin ist Mutter von vier Kindern (geboren 1949, 1952, 1962 und 1965). Mit Bescheid vom 27. Juni 1985 gewährte ihr die Beklagte rückwirkend ab 1. Oktober 1982 Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU). Dabei legte sie für die zwischen dem 1. November 1975 und dem 30. September 1979 liegenden Pflichtbeitragszeiten der Klägerin gemäß § 32 Abs. 4 Buchst. b des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) ein fiktiv erhöhtes Bruttoarbeitsentgelt zugrunde. Kindererziehungszeiten wurden nicht berücksichtigt. Angesichts einer Rentenhöhe von 487,30 DM ergaben sich bei der zum 1. Januar 1992 vorgenommenen Umwertung nach § 307 Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) 11,7592 persönliche Entgeltpunkte (pEP).
Auf Antrag der Klägerin bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 23. September 1992 eine am 1. September 1992 beginnende Regelaltersrente in Höhe von 553,72 DM (entsprechend 12,9889 pEP). Dabei wurden neben den erstmalig berücksichtigten Kindererziehungszeiten der Klägerin ihre Pflichtbeitragszeiten nur mit den tatsächlich versicherten Entgelten angerechnet. Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 4. Januar 1993, Urteile des Sozialgerichts Dortmund ≪SG≫ vom 17. Februar 1994 und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen ≪LSG≫ vom 19. August 1994). Das LSG hat seine Entscheidung auf folgende Erwägungen gestützt:
Nach dem hier einschlägigen neuen Rentenrecht stehe der Klägerin keine höhere Altersrente zu. Insbesondere seien die pEP zutreffend ermittelt worden. Nach § 70 Abs. 3 SGB VI sei die Beklagte nicht verpflichtet, für die Pflichtbeitragszeiten der Klägerin fiktiv höhere Arbeitsentgelte zugrunde zu legen. Auch die Besitzschutzregelung des § 88 SGB VI begründe keinen höheren Rentenanspruch. Denn besitzgeschützt sei allein der bisherige Zahlbetrag der Rente, also die Summe der bisherigen pEP von 11,7592. Dieser Betrag werde von den für die Altersrente ermittelten pEP (12,9889) überschritten. Unerheblich sei dabei, daß dies auf der erstmaligen Berücksichtigung von vier Kindererziehungszeiten beruhe. Ein Verfassungsverstoß liege insoweit nicht vor.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision macht die Klägerin im wesentlichen geltend: Die für ihre Kindererziehungszeiten anzusetzenden drei pEP müßten gemäß § 88 SGB VI zu den bisherigen pEP von 11,7592 hinzugerechnet werden. Anderenfalls würde sie als Mutter von vier Kindern in verfassungswidriger Weise benachteiligt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG vom 19. August 1994 sowie das Urteil des SG vom 17. Februar 1994 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 23. September 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 1993 zu verurteilen, bei der Rentenberechnung die Pflichtbeitragszeiten vom 1. November 1975 bis 30. September 1979 mit dem bisherigen, für die Berechnung der EU-Rente maßgeblichen Wert zu berücksichtigen und ihr eine entsprechend höhere Rente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beklagte hat sich bereit erklärt, der Klägerin unabhängig vom Ausgang des Revisionsverfahrens weitergehende Rechte zuzubilligen, die sich aus gesetzlichen Änderungen infolge des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 12. März 1996 –1 BvR 609/90, 1 BvR 692/90 – ergäben und ihr zustünden, wenn das Verfahren noch anhängig wäre. Die Klägerin hat dieses Angebot angenommen.
Beide Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung erklärt (vgl. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das LSG hat das klageabweisende Urteil des SG zu Recht bestätigt. Der Klägerin steht keine höhere Regelaltersrente zu.
Der Rentenanspruch der Klägerin richtet sich gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI nach dem am 1. Januar 1992 in Kraft getretenen SGB VI (vgl. Art. 1, Art. 85 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung ≪Rentenreformgesetz 1992 – RRG 1992–≫ vom 18. Dezember 1989, BGBl I, 2261). Eine Anwendung des zum 1. Januar 1992 aufgehobenen AVG (vgl. Art. 83 Nr. 1 RRG 1992) scheidet aus, da sich der Rentenanspruch nicht auf Zeiten vordem 1. Januar 1992, sondern allein auf die Zeit ab 1. September 1992 bezieht (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI). Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Regelaltersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres (vgl. § 35 SGB VI) waren bei der am 26. August 1927 geborenen Klägerin erst am 25. August 1992 erfüllt, so daß die Rentenzahlungen gemäß § 99 Abs. 1 SGB VI am 1. September 1992 beginnen konnten.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die mit Bescheid der Beklagten vom 23. September 1992 bewilligte Regelaltersrente zutreffend berechnet worden. Gemäß § 63 Abs. 1 SGB VI richtet sich die Höhe einer Rente vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte, wobei für die einzelnen Kalenderjahre Entgeltpunkte (EP) errechnet werden (vgl. § 63 Abs. 2 SGB VI). Nach § 70 Abs. 1 SGB VI werden für Beitragszeiten EP ermittelt, indem die (persönliche) Beitragsbemessungsgrundlage (vgl. §§ 161 ff SGB VI) durch das (gesetzlich festgelegte) Durchschnittseinkommen (vgl. Anl 1 zum SGB VI) für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Kindererziehungszeiten erhalten für jeden Kalendermonat 0,0625, mindestens jedoch die nach § 70 Abs. 1 SGB VI ermittelten EP (vgl § 70 Abs. 2 SGB VI).
Bei der Regelaltersrente der Klägerin sind zunächst gemäß § 56 iVm § 249 SGB VI Kindererziehungszeiten zu berücksichtigen. Mangels zeitgleicher Beitragszeiten hat die Beklagte die jeweils zwölfmonatigen Kindererziehungszeiten der Klägerin für deren vier Kinder nach § 70 Abs. 2 SGB VI zutreffend mit insgesamt 3 EP (0,0625 × 12 × 6) bewertet. Ferner ist es rechtlich nicht zu beanstanden, daß bei der Klägerin für die in der Zeit vom 1. November 1975 bis 30. September 1979 liegenden, mit Pflichtbeiträgen belegten 46 Kalendermonate gemäß § 70 SGB VI EP jeweils nach den tatsächlich versicherten Arbeitsentgelten ermittelt worden sind. Regelungen, die den Ansatz höherer EP ermöglichten, greifen hier nicht ein.
Nach § 70 Abs. 3 Satz 1 SGB VI erhalten allerdings Pflichtbeiträge für eine Berufsausbildung für jeden Kalendermonat mindestens 0,075 EP (entsprechend 90 vH des Durchschnitts). Als Pflichtbeiträge für eine Berufsausbildung gelten stets die ersten 48 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für Zeiten einer versicherten Beschäftigung bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres (vgl. § 70 Abs. 3 Satz 2 SGB VI). Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Zum einen hat sie in der betreffenden Zeit keine Berufsausbildung absolviert (vgl. dazu Kasseler Komm/Niesel, § 70 SGB VI RdNrn 17 f), sondern im Geschäft ihres damaligen Ehemannes mitgeholfen. Zum anderen hatte sie ihr 25. Lebensjahr bereits lange vorher (nämlich 1962) vollendet. Insofern hilft hier auch § 256 Abs. 1 SGB VI nicht weiter. Diese Übergangsbestimmung trägt nämlich lediglich dem Umstand Rechnung, daß Pflichtbeitragszeiten der Berufsausbildung vor dem 1. Januar 1992 in den Versicherungsverläufen nicht besonders erfaßt worden sind, also nur auf Antrag berücksichtigt werden können, wenn sie außerhalb der Grenzen des § 70 Abs. 3 Satz 2 SGB VI liegen, der eine Höherbewertung ohne Nachweis einer Berufsausbildung vorsieht (vgl. GemeinschaftsKomm-SGB VI/Rahn, § 256 RdNr. 6; Kasseler Komm/Polster, § 256 SGB VI, RdNr. 4).
Die von der Klägerin letztlich erstrebte (entsprechende) Anwendung der für sie günstigeren, zum 1. Januar 1992 aufgehobenen Regelung des § 32 Abs. 4 Buchst. b AVG (vgl. Art. 83 Nr. 1, Art. 85 Abs. 1 RRG 1992) läßt sich rechtlich nicht begründen. Danach waren mit Pflichtbeiträgen belegte Kalendermonate der ersten fünf Kalenderjahre seit dem Eintritt in die Versicherung bei der Rentenberechnung in der Weise zu berücksichtigen, daß mindestens von einem Bruttoarbeitsentgelt auszugehen war, das für den Kalendermonat dem Wert 7,50 (entsprechend 90 vH des Durchschnitts) entsprach. Das SGB VI enthält keine Bestimmung, wonach diese Vorschrift im vorliegenden Fall anwendbar sein könnte. Insbesondere vermag § 88 Abs. 1 Satz 2 SGB VI der Klägerin nicht zu einem entsprechenden Ergebnis zu verhelfen. Darin ist geregelt: Hat eine Versicherte eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezuges dieser Rente erneut eine Rente, werden ihr für diese Rente mindestens die bisherigen pEP zugrunde gelegt. In Ergänzung dazu sieht § 89 Abs. 1 SGB VI vor, daß nur die höchste Rente geleistet wird, wenn für denselben Zeitraum Anspruch auf mehrere Renten aus eigener Versicherung besteht. Da § 89 SGB VI wegen der Beschränkung des EU-Rentenanspruchs auf die Zeit vor Vollendung des 65. Lebensjahres (vgl. § 44 Abs. 1 SGB VI) hier nicht eingreift, folgt daraus für die Klägerin nur, daß für ihre Regelaltersrente gemäß § 88 Abs. 1 Satz 2 SGB VI mindestens die 11,7592 EP zu berücksichtigen sind, die der zuvor bezogenen EU-Rente zugrunde lagen. Im Hinblick darauf, daß sich bei der Berechnung der Regelaltersrente nach dem SGB VI – durch die zusätzliche Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten – 12,9889 EP ergeben, kommt diese Regelung der Klägerin jedoch nicht zugute. Für die von der Klägerin begehrte Aufstockung der bisherigen 11,7592 EP um die zusätzlichen 3 EP (für Kindererziehungszeiten) gibt es keine gesetzliche Grundlage.
Diese Beurteilung steht im Einklang mit Sinn und Zweck des § 88 SGB VI. Dabei handelt es sich um eine Besitzschutzregelung (vgl. Berliner Komm zum RRG 1992/Meyer/Heller, § 88 SGB VI RdNr. 2.; Hauck/Haines/Stahl, § 88 SGB VI RdNrn. 7, 14: Kasseler Komm/Niesel, § 88 SGB VI RdNr. 2; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, § 88 SGB VI RdNr. 1), wonach mindestens die bisherige Rente weiter dynamisch zu leisten ist (vgl. Begründung zum Gesetzesentwurf für das RRG 1992. BT-Drucks 11/4124, 173). Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes sollen insoweit nur die bisherigen EP in ihrer Gesamtheit, nicht diejenigen für einzelne Zeiten geschützt werden. Eine Regelung im letztgenannten Sinne würde über das Ziel eines Besitzschutzes hinausgehen und einer Art. Meistbegünstigungsklausel gleichkommen, die im Ergebnis nur die Berücksichtigung von für die betreffende Versicherte günstigen Rechtsänderungen zuließe. Dies widerspräche der mit dem RRG 1992 verfolgten Absicht einer (auch finanziellen) Konsolidierung des Rentenversicherungssystems (vgl. dazu BT-Drucks 11/4124, 136 ff).
Daß sich der Besitzschutz nach § 88 Abs. 1 SGB VI nur auf die Gesamtzahl der EP bezieht, folgt schließlich auch aus § 300 Abs. 3 Satz 2 SGB VI, der diese Vorschrift für entsprechend anwendbar erklärt in Fällen, wo sich die Neufeststellung einer nach altem Recht bewilligten Rente gemäß § 300 Abs. 3 Satz 1 iVm Abs. 1 und 2 SGB VI nach diesem Gesetzbuch richtet. Da das Inkrafttreten des SGB VI gemäß § 306 Abs. 1 SGB VI für sich allein keine Rentenneuberechnung rechtfertigt (vgl. dazu BSG SozR 3-2600 § 306 Nr. 1), greift diese Regelung vornehmlich ein, wenn aus tatsächlichen Gründen zusätzliche Versicherungszeiten zu berücksichtigen oder vorhandene Zeiten höher zu bewerten sind (vgl. dazu BSG SozR 3-2600 § 300 Nr. 5). Führt dies zu einer Anwendung des neuen Rentenrechts und damit zu einer vollständig neuen Bestimmung der pEP, so könnte sich – wegen der nach dem SGB VI bei gewissen rentenrechtlichen Vergünstigungen vorgesehenen Einschränkungen – auch eine niedrigere Rente ergeben, wenn es keinen Bestandsschutz iS von § 88 SGB VI gäbe. Dem trägt die Regelung des § 300 Abs. 3 Satz 2 SGB VI Rechnung (vgl. dazu BT-Drucks 11/4124, 206; Heller, DAngVers 1993, 65, 70 f).
Nach alledem könnte die Klägerin nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen nur dann Anspruch auf eine höhere Regelaltersrente haben, wenn es ihr gelänge, für ihre EU-Rente einen höheren besitzgeschützten Betrag zu erreichen. Dafür ergeben sich jedoch keine Anhaltspunkte. Eine Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten kam nach altem Recht (vgl. §§ 2 a, 28 a AVG) bei der EU-Rente, die auf einem am 30. September 1982 eingetretenen Versicherungsfall beruhte, noch nicht in Betracht, denn diese Vergünstigung war gemäß Art. 2 § 6 c des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) nur bei Versicherungsfällen nach dem 30. Oktober 1985 vorgesehen. Eine solche Einschränkung ist zwar in den §§ 56, 249 SGB VI nicht mehr enthalten; dieser Umstand ist der Klägerin jedoch nicht von Nutzen. Denn zum einen erlaubt diese zum 1. Januar 1992 erfolgte Rechtsänderung gemäß § 306 Abs. 1 SGB VI für sich allein keine neue Bestimmung der pEP und zum anderen brächte eine Anwendung des neuen Rechts auch die in § 70 Abs. 3 SGB VI enthaltenen Einschränkungen hinsichtlich der Bewertung der ersten Versicherungsjahre mit sich.
Nach Auffassung des erkennenden Senats besteht im vorliegenden Fall keine Veranlassung, das Verfahren des Art. 100 des Grundgesetzes (GG) auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit der hier anwendbaren Normen einzuholen. Die Klägerin wird durch diese Regelungen nicht in ihren verfassungsmäßigen Rechten verletzt.
Zwar hat das BVerfG durch Beschluß vom 12. März 1996 – 1 BvR 609/90, 1 BvR 692/90 – (BVerfGE 94, 241) ua auch § 70 Abs. 2 SGB VI als mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt soweit danach bei Zusammentreffen von Beitrags- und Kindererziehungszeiten der monatliche Wert nur in dem Maße erhöht wird, wie der Wert der beitragsbelegten Zeiten 0,0625 EP in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten unterschreitet. Von diesem Ausspruch wird die Klägerin nicht betroffen, da sie neben den Kindererziehungszeiten keine zeitgleichen Beitragszeiten vorweisen kann. Aber auch im Hinblick darauf, daß das BVerfG in der genannten Entscheidung dem Gesetzgeber nahegelegt hat zu prüfen, ob er an einer Begrenzung der rentenrechtlichen Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten auf den Wert von 75 vH des Durchschnittseinkommens festhalte, sieht sich der erkennende Senat nicht gehindert, hier noch die gegenwärtige Fassung des § 70 Abs. 2 SGB VI anzuwenden. Denn den diesbezüglichen Interessen der Klägerin wird dadurch hinreichend Rechnung getragen, daß sich die Beklagte im Einvernehmen mit der Klägerin bereit erklärt hat, dieser weitergehende Rechte zuzubilligen, die sich aus gesetzlichen Änderungen infolge des Beschlusses des BVerfG vom 12. März 1996 ergeben sollten und ihr zustünden, wenn das vorliegende Verfahren noch anhängig wäre.
Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, sind die Einschränkungen, welche im Rahmen des § 70 Abs. 3 SGB VI im Vergleich zu § 32 Abs. 4 Buchst. b AVG bei der Bewertung der ersten Versicherungsjahre erfolgt sind, mit dem GG vereinbar (vgl. Bundessozialgericht ≪BSG≫, Urteil vom 23. Mai 1995 – 13/4 RA 13/94 –; im Ergebnis ebenso BSG SozR 3-2600 § 71 Nr. 1). Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG ist hier schon deshalb nicht verletzt, weil Bestandsrentnern wie der Klägerin durch § 88 Abs. 1 SGB VI eine Beibehaltung der bisherigen EP garantiert wird (vgl. dazu auch § 89 SGB VI). Eine Beeinträchtigung eigentumsgeschützter Rechtspositionen der Klägerin ist auch insoweit zu verneinen als die erstmalige Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten bei ihrer Regelaltersrente im Ergebnis dadurch praktisch entwertet wird, daß diese Zeiten weitgehend zum Ausgleich der Einbußen an EP, welche sich durch das neue Rentenrecht bei der Bewertung der ersten Versicherungsjahre ergeben, dienen müssen und sich daher nicht in dem erwarteten Umfange rentenerhöhend auswirken. Gemäß Art. 2 § 6 c AnVNG (zur Vereinbarkeit dieser Norm mit dem GG vgl. BVerfGE 87, 1, 43 f = SozR 3-5761 Allg Nr. 1) konnte die Klägerin nämlich von vornherein nur die Anrechnung von Kindererziehungszeiten bei Eintritt des nächsten Versicherungsfalles, also bei der Gewährung von Altersrente, erwarten. Damit war zugleich das Risiko verbunden, daß auf andere Rentenberechnungsfaktoren bezogene Rechtsänderungen Einfluß darauf haben konnten, inwieweit das Hinzukommen von Kindererziehungszeiten zu einer Rentenerhöhung führen würde.
Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Nach dieser Verfassungsnorm sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Der Gleichheitsgrundsatz will vielmehr ausschließen, daß eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art. und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 87, 1, 36 = SozR 3-5761 Allg Nr. 1). Ebenso verstieße auch eine für alle Betroffenen gleiche Regelung gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn sie für eine Personengruppe Unterschiede von solcher Art. und solchem Gewicht zur Folge hätte, daß ihr gegenüber die gleichartige Behandlung nicht mehr zu rechtfertigen wäre (vgl. BVerfGE 72, 141, 150). In diesem Rahmen steht dem Gesetzgeber eine erhebliche Gestaltungsfreiheit zu (vgl. zB BVerfGE 51, 257, 267 f; 83, 395, 401). Gemessen an diesen Kriterien wird die Klägerin gegenüber anderen Normadressaten nicht in sachwidriger Weise gleich oder ungleich behandelt.
Schlechter steht sich die Klägerin zunächst im Vergleich zu solchen Versicherten, welche in den ersten Versicherungsjahren entweder von vornherein höhere Beiträge entrichtet hatten, so daß bei ihnen schon nach altem Recht keine fiktive Höherbewertung in Betracht kam, oder aber jetzt auch die Voraussetzungen von § 70 Abs. 3, § 256 Abs. 1 SGB VI erfüllen. In beiden Fällen beruht die Ungleichbehandlung jedoch auf sachlichen Gründen. Da sich die Rente im Grundsatz nach der Höhe der entrichteten Beiträge richtet (vgl. § 63 Abs. 1 SGB VI), ist es nur konsequent, wenn sich Beitragsunterschiede entsprechend auswirken. Daß die ersten Versicherungsjahre der Klägerin nach neuem Recht nicht mehr fiktiv höher bewertet werden können, läßt sich hinreichend rechtfertigen. Der Gesetzgeber durfte diese Vergünstigung auf einen seiner Einschätzung nach besonders schutzbedürftigen Personenkreis beschränken, nämlich auf diejenigen Versicherten, die in dem betreffenden Zeitraum eine Berufsausbildung durchlaufen oder das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
Soweit sich die Klägerin mit älteren Versicherten vergleicht, die bei identischem Versicherungsverlauf schon im Jahre 1991 das 65. Lebensjahr vollendet hatten, ist zwar festzustellen, daß diese noch nach dem AVG ein Altersruhegeld erhalten haben, bei dessen Berechnung sich sowohl die bisherige Höherbewertung der ersten Versicherungsjahre als auch die zusätzliche Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten voll auswirken. Deren Rentenhöhe wird dann auch über den 31. Dezember 1991 hinaus beibehalten (vgl. § 307 SGB VI). Die sich darin zeigende Besserstellung gegenüber der Klägerin beruht jedoch auf der an sachlichen Gesichtspunkten orientierten Stichtagsregelung zur Einführung des SGB VI (vgl. dazu BSG SozR 3-2600 § 71 Nr. 1).
Die Klägerin ist solchen Versicherten gleichgestellt, bei denen auf der Grundlage eines ansonsten übereinstimmenden Versicherungsverlaufs unter der Geltung des SGB VI nicht Kindererziehungszeiten, sondern andere Versicherungszeiten in entsprechendem Umfang zusätzlich angerechnet werden. Auch diese müssen es hinnehmen, daß die hinzukommenden EP zunächst dazu dienen, die durch das SGB VI eingetretenen Bewertungseinbußen auszugleichen, daß die Besitzschutzregelung des § 88 SGB VI (ggf iVm § 300 Abs. 3 Satz 2 SGB VI) oder des § 89 SGB VI für sie also praktisch leerläuft (vgl. dazu BSG SozR 3-2600 § 300 Nr. 5). Da für eine Besserstellung von Kindererziehungszeiten gegenüber anderen Beitragszeiten in diesem Zusammenhang keine Veranlassung besteht, ist eine solche Gleichbehandlung von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
Schließlich kann die Klägerin mit solchen Versicherten in Beziehung gesetzt werden, die bei ansonsten übereinstimmendem Versicherungsverlauf keine Kinder erzogen haben. Diese erhalten – soweit nicht § 89 SGB VI eingreift – ohne weiteres gemäß § 88 SGB VI eine Altersrente in Höhe der bisherigen EU-Rente. Ihnen gegenüber ist die Klägerin insofern im Nachteil, als sich ihre zusätzlichen Kindererziehungszeiten relativ geringfügig auswirken, bei weniger Kindern sogar überhaupt nicht. Dadurch, daß zusätzliche EP in die vollständige Rentenneuberechnung einfließen und dabei zunächst die infolge der Gesetzesänderung eingetretenen Bewertungseinbußen ausgleichen müssen, bevor die Bestandsschutzregelungen der §§ 88, 89 SGB VI greifen, werden unterschiedliche Sachverhalte tendenziell gleichbehandelt. Auch dies erscheint nicht als sachwidrig. Eine solche Nivellierung auf der Ebene der jeweils besitzgeschützten Rentenbeträge ist eine notwendige Folge der Bewahrung des bisherigen Rentenniveaus in Fällen, in denen die erstmalige Anwendung des neuen Rentenrechts zu einer geringeren Summe von EP führt. Dafür bietet das soziale Ziel, durch Sicherung der Rentenhöhe den von den betroffenen Rentnern erlangten Lebensstandard zu schützen, einen ausreichenden Rechtfertigungsgrund.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen