Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungspflicht in der Krankenversicherung
Beteiligte
…, Klägerin und Revisionsklägerin |
Barmer Ersatzkasse, Wuppertal, Untere Lichtenplatzer Straße 100-102, Beklagte und Revisionsbeklagte |
Nachgehend
Tatbestand
G r ü n d e :
I
Umstritten ist die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung seit 1. Januar 1989.
Die Klägerin ist als Angestellte beschäftigt und bezog im Jahre 1989 ein Monatsgehalt von 2.500 DM zuzüglich Urlaubs- und Weihnachtsgeld; sie ist Mitglied der beklagten Ersatzkasse. Außerdem erhält sie vom Land Rheinland-Pfalz beamtenrechtliches Witwengeld nach dem Tode ihres Ehemannes in Höhe von monatlich etwa 2.300 DM (Stand 1989) und ist beihilfeberechtigt. Bei der Beitragsbemessung berücksichtigte die Beklagte zunächst nur das Angestelltengehalt, für die Zeit ab 1. Januar 1985 jedoch auch das Witwengeld.
Die Klägerin zahlte die geforderten Beiträge ab 1. Januar 1989 nur unter Vorbehalt; sie sei versicherungsfrei, weil das Angestelltengehalt zusammen mit dem Witwengeld die Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAE-Grenze) überschreite. Außerdem sei sie als Empfängerin beamtenrechtlicher Versorgungsbezüge von der Versicherungspflicht ausgenommen. Mit Bescheid vom 23. August 1989 und Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 1990 stellte die Beklagte fest, daß die Klägerin auch seit 1. Januar 1989 der Versicherungspflicht unterliege und aus den Versorgungsbezügen Beiträge zu entrichten habe.
Das Sozialgericht (SG) hat das Land Rheinland-Pfalz beigeladen (Beigeladener zu 1) und durch Urteil vom 25. April 1991 den angefochtenen Bescheid insoweit aufgehoben, "als Versicherungs- und Beitragspflicht aus dem Versorgungsbezug des Beigeladenen ab 1. Januar 1989 festgestellt wurde". Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Dagegen haben beide Hauptbeteiligte Berufung eingelegt. Mit Urteil vom 16. April 1992 hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Klägerin sei versicherungspflichtig. Die Versicherungspflichtgrenze werde mit dem Arbeitsentgelt aus der Angestelltenbeschäftigung nicht überschritten. Versorgungsbezüge seien dabei nicht zu berücksichtigen, auch wenn sie beitragspflichtig seien. Die Klägerin beziehe keine Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung; die insoweit mögliche Versicherungsfreiheit beziehe sich nicht auf eine Versicherungspflicht als Beschäftigte. Dies sei auch mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar.
Die Klägerin hat Revision eingelegt, mit der sie eine Verletzung des § 6 Abs 1 Nr 1 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) sowie des Art 3 Abs 1 GG rügt.
Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des LSG vom 16. April 1992 und den Bescheid der Beklagten vom 23. August 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Juni 1990 in vollem Umfang sowie das Urteil des SG vom 25. April 1991 aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen wurde, und festzustellen, daß sie (die Klägerin) seit 1. Januar 1989 in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei ist. |
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Die Beklagte und der Beigeladene zu 1) beantragen,
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die Revision zurückzuweisen. |
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Sie halten das Urteil des LSG für zutreffend.
Mit ihrer Zustimmung ist die Arbeitgeberin der Klägerin im Revisionsverfahren beigeladen worden (Beigeladene zu 2). Sie hat sich in der Sache nicht geäußert.
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, daß die Klägerin krankenversicherungspflichtig ist.
Die Versicherungspflicht der Klägerin beruht seit dem Inkrafttreten des SGB V am 1. Januar 1989 auf § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V. Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V (Überschreiten der JAE-Grenze; 1989 monatlich 4.575 DM) kommt für die Klägerin nicht in Betracht, weil ihr regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt nur aus ihrem Gehalt besteht und unter der Versicherungspflichtgrenze liegt. Die Versorgungsbezüge von monatlich etwa 2.300 DM, deren Hinzurechnung zu einem Überschreiten der Grenze geführt hätte, sind nicht zu berücksichtigen. Als für die Grenze maßgebendes Entgelt kommt es in erster Linie auf das Arbeitsentgelt aus der Beschäftigung an, um deren Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit es geht. Die einschlägige Rechtsprechung zu dem bis Ende 1988 geltenden Recht (vgl BSGE 16, 98, 104 = SozR Nr 29 zu § 165 der Reichsversicherungsordnung [RVO]; BSGE 17, 168 = SozR Nr 32 zu § 165 RVO; BSGE 20, 133 = SozR Nr 5 zu § 5 AVG) ist durch das SGB V nicht überholt. Auch das neue Recht unterscheidet unmißverständlich zwischen Arbeitsentgelt und Versorgungsbezügen (§§ 226 ff SGB V). Das Arbeitsentgelt aus einer gleichzeitigen anderen Beschäftigung oder das Arbeitseinkommen aus bestimmten selbständigen Tätigkeiten (hierzu BSGE 33, 12 = SozR Nr 65 zu § 165 RVO) mag zusätzlich zu berücksichtigen sein. Die Heranziehung von weiteren, nicht aus einer gegenwärtig ausgeübten eigenen Beschäftigung oder Tätigkeit herrührenden Einnahmen wie der Versorgungsbezüge als "Arbeitsentgelt" kommt jedoch nicht in Betracht, selbst wenn es sich steuerrechtlich um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit iS des § 19 des Einkommensteuergesetzes handelt. Wie sich aus den §§ 15 und 16 des Sozialgesetzbuchs - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) ergibt, enthält § 14 SGB IV einen eigenen Begriff des Arbeitsentgelts und übernimmt den steuerrechtlichen Begriff nicht.
Die Klägerin ist als Beschäftigte nicht deshalb versicherungsfrei, weil sie Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften erhält und beihilfeberechtigt ist. Nach dem bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Recht war für diesen Personenkreis Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes (wie bei aktiven Beamten hinsichtlich des Beamtenverhältnisses - vgl BSGE 40, 208 mwN = SozR 2200 § 169 Nr 1; BSG SozR 2200 § 169 Nrn 4 und 6; BSG SozR 2200 § 172 Nr 4) oder ein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht (wie bei pensionierten Beamten - § 173 RVO) nicht vorgesehen. Daran hat sich seit 1989 für Hinterbliebene trotz Ausdehnung der Versicherungsfreiheit auf aktive Beamte hinsichtlich einer Zweitbeschäftigung (§ 6 Abs 3 SGB V) und auf Pensionäre (§ 6 Abs 1 Nr 6 SGB V) grundsätzlich nichts geändert. In § 6 Abs 2 SGB V ist lediglich bestimmt, daß als Rentner versicherungspflichtige Hinterbliebene (§ 5 Abs 1 Nr 11 SGB V) der nach § 6 Abs 1 Nrn 2 und 4 bis 6 SGB V versicherungsfreien Personen (ua Beamte) versicherungsfrei sind, wenn sie ihren Rentenanspruch nur aus der Versicherung dieser Personen ableiten und beihilfeberechtigt sind. Das trifft auf Hinterbliebene, die - wie die Klägerin - aufgrund einer eigenen Beschäftigung versicherungspflichtig sind, nicht zu, was durch § 6 Abs 3 Satz 1 SGB V bestätigt wird, wonach die Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, also die Beschäftigungsversicherung, durch eine Versicherungsfreiheit von Hinterbliebenen nach § 6 Abs 2 SGB V nicht verdrängt wird.
Die genannten Regelungen über die Versicherungsfreiheit sind eindeutig und im Wege der Rechtsanwendung einer Ausdehnung auf Versicherte wie die Klägerin nicht fähig. Der Senat konnte sich auch nicht davon überzeugen, daß die Einbeziehung dieses Personenkreises in die Versicherungspflicht verfassungswidrig ist; eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art 100 Abs 1 GG schied daher aus.
Der Zwang, als Beschäftigter versicherungspflichtig zu bleiben, wenn das Arbeitsentgelt mit hinzutretenden Versorgungsbezügen die Versicherungspflichtgrenze überschreitet, verletzt nicht das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit des Art 2 Abs 1 GG, das auch die wirtschaftliche Handlungsfreiheit umfaßt (vgl BVerfGE 75, 108, 154, 155 = SozR 5425 § 1 Nr 1). Die Vorschriften über die Versicherungspflicht (§ 5 Abs 1 Nr 1 SGB V) schließen - der Entwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung als Arbeitnehmerversicherung entsprechend -alle abhängig Beschäftigten mit Ausnahme der geringfügig Beschäftigten (§ 7 SGB V), der kraft Gesetzes Versicherungsfreien (§ 6 SGB V) und der von der Versicherungspflicht Befreiten (§ 8 SGB V) ein. Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf den Willen der Betroffenen oder darauf an, ob der Einzelne dieser Sicherung bedarf oder bereits anderweitig und möglicherweise günstiger für den Fall der Krankheit gesichert ist. Ziel der gesetzlichen Regelungen ist es einmal, einen großen Teil der Bevölkerung vor dem Risiko der Krankheit zu schützen, wobei der Gesetzgeber die Schutzbedürftigkeit von abhängig Beschäftigten in den genannten Grenzen und in einer stark verallgemeinernden Betrachtungsweise annimmt. Zum anderen wird für die gesetzliche Krankenversicherung durch die Zusammenfassung einer hohen Zahl von Versicherten eine breite Grundlage geschaffen und gewährleistet, daß sich - von den genannten Ausnahmen abgesehen - alle Beschäftigten durch Beiträge an ihrer Finanzierung beteiligen. Die Verwirklichung derartiger Ziele liegt im Rahmen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit (vgl BVerfGE 29, 221, 235; 44, 70, 89, 90 = SozR 5420 § 94 Nr 2; BVerfGE 48, 227, 234 = SozR 7860 § 14 Nr 2; BVerfGE 75, 108, 154, 155 = SozR 5425 § 1 Nr 1).
Die mit der Versicherungspflicht verbundene Beitragspflicht stellt keine unverhältnismäßig hohe Belastung dar (vgl BVerfGE 75 aaO); denn sie wird durch die Beitragsbemessungsgrenze und die Höhe des Beitragssatzes begrenzt (§ 223 Abs 3, § 241 Satz 1 SGB V). Der Beitrag ist vom Versicherten in der Regel nur zur Hälfte aus dem Arbeitsentgelt und im Ergebnis ebenfalls nur zur Hälfte aus der Rente zu tragen, im übrigen aber vom Arbeitgeber und dem Rentenversicherungsträger aufzubringen (§§ 249, 250 aF SGB V iVm § 1304e RVO = § 83e AVG; jetzt für die Rente § 249a SGB V). Aus den Versorgungsbezügen ist er zwar allein vom Versicherten zu tragen, wird aber nur in Höhe des halben Beitragssatzes erhoben (§§ 248, 250 SGB V). Auf die Klägerin entfiel hiernach im Jahre 1989 bei monatlichen Bezügen von etwa 4.800 DM (2.500 DM Arbeitsentgelt und etwa 2.300 DM Versorgungsbezüge) unter Berücksichtigung der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (4.575 DM) sowie eines Beitragssatzes der Beklagten von 12,9 vH auf das Arbeitsentgelt und eines halben Beitragssatzes der Beklagten von 6,45 vH auf die Versorgungsbezüge eine eigene Beitragsbelastung zur Krankenversicherung von rund 295 DM. Dafür erhielt sie vollen Krankenversicherungsschutz einschließlich eines Krankengeldanspruchs und einer beitragsfreien Mitversicherung (Familienversicherung) für etwaige Familienangehörige nach Maßgabe des § 10 SGB V. Das Grundrecht auf Eigentum wird durch die Auferlegung von Geldleistungspflichten in der genannten Höhe ebenfalls nicht verletzt (vgl BVerfGE 75, 108, 154 = SozR 5425 § 1 Nr 1).
Die gesetzliche Regelung ist auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG vereinbar. Diese Verfassungsnorm verbietet es, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen anders zu behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerfGE 75, 78, 105 = SozR 2200 § 1246 Nr 142 mwN). Dabei ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfGE 52, 277, 280 f; 68, 287, 301; 81, 108, 117, 118; 83, 395, 401).
Die Klägerin verweist darauf, daß Angestellte wie sie trotz Gesamteinnahmen über der Versicherungspflichtgrenze versicherungspflichtig sind, während andere Angestellte, die allein mit Arbeitsentgelt die Versicherungspflichtgrenze überschreiten, versicherungsfrei sind und sogar, wenn sie zusätzlich Hinterbliebenenversorgung erhalten, Beihilfe in Anspruch nehmen können. In dieser Hinsicht ist jedoch fraglich, ob die anderen Angestellten allgemein günstiger stehen. Sofern diese nur Arbeitsentgelt beziehen und in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Anspruch auf Krankengeld freiwillig versichert sind, zahlen sie Höchstbeiträge, so daß ihnen unter Berücksichtigung des Arbeitgeberzuschusses (§ 257 SGB V) eine ähnlich hohe Beitragsbelastung wie der Klägerin verbleibt. Ob sich die anderen Angestellten in der privaten Krankenversicherung günstiger versichern können, hängt von ihrem Alter und der Zahl der Familienangehörigen ab, die in der gesetzlichen Krankenversicherung beitragsfrei mitversichert wären. Wenn die anderen Angestellten neben Arbeitsentgelt über der Versicherungspflichtgrenze zusätzlich Hinterbliebenenversorgung beziehen, haben sie unter sonst gleichen Verhältnissen ein höheres Einkommen als Angestellte wie die Klägerin, so daß ihr Ausscheiden aus der Versicherungspflicht eher gerechtfertigt ist. Sind sie dann auch beihilfeberechtigt und benötigen sie für sich und ihre Kinder lediglich eine private Restkostenversicherung (mit Krankentagegeld), so mag das bei vielen günstiger sein als die Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung. Je nach Alter und Kinderzahl trifft dieses dennoch nicht ausnahmslos zu. Davon, ob die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung im Einzelfall günstiger oder ungünstiger ist, braucht der Gesetzgeber die Versicherungspflicht nicht abhängig zu machen.
Die gesetzliche Regelung mit ihren Auswirkungen beruht auch darauf, daß der Gesetzgeber die Versicherungspflicht der Beschäftigten vom erzielten Arbeitsentgelt abhängig macht. Es tritt Versicherungspflicht ein, wenn die Höhe des Arbeitsentgelts zwischen der Geringfügigkeitsgrenze (§ 7 SGB V iVm § 8 SGB IV) und der Versicherungspflichtgrenze (§ 6 Abs 1 Nr 1 SGB V) liegt. Die Einbeziehung von Beschäftigten bei einer bestimmten Höhe des Arbeitsentgelts enden zu lassen, ist sachgerecht. Wegen der großen Zahl der Beschäftigten (im Jahre 1988 allein über 18,7 Millionen versicherungspflichtige Arbeiter und Angestellte in den alten Bundesländern, vgl BABl 10/1989 S 139/140) durfte der Gesetzgeber in einer typisierenden Betrachtungsweise das zwischen Geringfügigkeits- und Versicherungspflichtgrenze liegende Arbeitsentgelt auch dann allein zur Bestimmung der Versicherungspflicht heranziehen, wenn Versicherte im Einzelfall neben dem Arbeitsentgelt eine Rente oder Versorgungsbezüge erhalten. Hierfür spricht nicht nur, daß der versicherungspflichtig Beschäftigte typischerweise solche Bezüge nicht erhält, sondern auch eine Reihe anderer Gründe wie Beitragsklarheit, Zuverlässigkeit der Finanzierung, Ausschluß von Manipulation, problemlose Zugriffsmöglichkeiten,
klare Zuordnung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteilen, eindeutige individuelle Zurechenbarkeit bei der Bestimmung von Entgeltersatzleistungen, Übereinstimmung mit den anderen Zweigen der Sozialversicherung (vgl Zwischenbericht und Endbericht der vom Deutschen Bundestag eingesetzten Enquete-Kommission "Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung", BT-Drucks 11/3267 Abschn B 2. Teil Nr 2.2.1.1, Seite 340/341; BT-Drucks 11/6380 Abschn B 2. Teil Nr 2.2.1.1, S 152/153). Die allein arbeitsentgeltbezogene Versicherungspflicht führt auch zu einer im wesentlichen gleichmäßigen und kalkulierbaren Belastung der Arbeitgeber. Des weiteren muß die Feststellung der Versicherungspflicht bei Millionen von Beschäftigungsverhältnissen insbesondere im Falle einer Erkrankung schnell und unkompliziert vonstatten gehen. Das ist bei der allein an das Arbeitsentgelt geknüpften Versicherungspflicht in der Regel gewährleistet. Diese zusätzlich von anderen Einkünften abhängig zu machen, würde praktische Schwierigkeiten zur Folge haben, die eine umgehende Klärung der Versicherungspflicht mit ihren Folgen für die Leistungsgewährung häufig nicht erlauben und von solchem Gewicht sind, daß sie die Durchführbarkeit einer gesetzlichen Pflichtversicherung überhaupt in Frage stellen. Demgegenüber fallen die Schwierigkeiten, die bei der Ermittlung der genauen Beitragshöhe unter Einbeziehung anderer Einnahmen entstehen können (vgl auch bei Versorgungsbezügen, BSG SozR 2200 § 393a Nr 2; SozR 3-2200 § 393a Nr 2), weniger ins Gewicht, weil die Leistungsgewährung von der Beitragshöhe nicht abhängt und unvollständige oder fehlerhafte Beitragserhebungen im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften nachgeholt oder geändert werden können.
Hiervon abgesehen ist die Heranziehung von Versorgungsbezügen (nur) für die Beitragsbemessung und (zusammen mit den anderen beitragspflichtigen Einnah-men) nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze erfolgt, als eine eigene Beitragspflicht der Rentner zur Krankenversicherung eingeführt worden ist; sie sollte in erster Linie eine Gleichstellung von Rentnern mit und ohne Versorgungsbezug bewirken (§ 180 Abs 5 RVO, § 237 SGB V). Diese Belastung von Rentnern auch mit Beiträgen aus Versorgungsbezügen ist mit dem GG vereinbar (BVerfGE 79, 223 = SozR 2200 § 180 Nr 46 unter Bestätigung von BSGE 58, 1 = SozR 2200 § 180 Nr 23). Ihre Ausdehnung auf andere Versicherungspflichtige, die nicht Rentner sind (§ 180 Abs 6 RVO, § 226, § 232 Abs 1 Satz 2, § 233 Abs 3, § 234 Abs 2, § 235 Abs 4, § 236 Abs 2 SGB V), erfolgte aus Gründen der beitragsrechtlichen Gleichbehandlung aller Versicherungspflichtigen mit Versorgungsbezügen und ist nicht zu beanstanden (BSG SozR 2200 § 180 Nr 29). Die Gleichstellung weitergehend vorzunehmen und Renten und Versorgungsbezüge auch bei der Anwendung der Versicherungspflichtgrenze zu berücksichtigen, war damit nicht geboten.
Dieses wäre auch ohne einschneidende Änderungen des bisherigen Systems und ohne die Lösung erheblicher Finanzierungsprobleme nicht möglich und uU sogar ohne Verfassungsänderung nicht zulässig. So wäre, wenn Versorgungsbezüge (und Renten) hinsichtlich der Versicherungspflicht an der JAE-Grenze wie Arbeitsentgelt behandelt würden, dieses auch bei der Anwendung der Geringfügigkeitsgrenze (§ 8 SGB IV iVm § 7 SGB V) geboten. Damit würden geringfügig und damit versicherungsfrei Beschäftigte versicherungspflichtig, wenn sie neben dem geringen Arbeitsentgelt Versorgungsbezüge (oder eine Rente) erhielten und damit die Geringfügigkeitsgrenze überschritten. Derartige Auswirkungen von Versorgungsbezügen auf die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung würden sogar zu der Frage führen, ob dann nicht auch Versorgungsbezüge allein zu einer Versicherungspflicht führen müßten, ohne daß ihre Bezieher als Arbeitnehmer beschäftigt sind. Das aber würde bei (pensionierten) Beamten wegen Art 33 Abs 5 GG erheblichen Bedenken begegnen. Schließlich hat auch die genannte Enquete-Kommission die Frage näher geprüft, ob Alternativen zum Arbeitsentgelt als Grundlage für Versicherungspflicht und Beitragsbemessung in Betracht kommen. Dabei wurden von ihr das Erwerbseinkommen der Versicherten (Gesamteinkommen) und das Familieneinkommen zwar als mögliche Lösungen in Erwägung gezogen, aber es wurde auch aufgezeigt, daß diesen Alternativen erhebliche, zum Teil verfassungsrechtliche Bedenken entgegenstehen (aaO jeweils Nr 2.2.1.2 und 2.2.1.3).
Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liegt auch insofern nicht vor, als versicherungspflichtig Beschäftigte, die Hinterbliebenenrente und Versorgungsbezüge erhalten sowie beihilfeberechtigt sind, nicht - wie aktive und pensionierte Beamte - versicherungsfrei sind. Diese Ungleichbehandlung ist gerechtfertigt. Versorgungsberechtigte Hinterbliebene von Beamten unterscheiden sich von aktiven und von pensionierten Beamten im wesentlichen dadurch, daß die Hinterbliebenen typischerweise nicht schon während ihres Berufslebens versicherungsfrei waren,
so daß bei ihnen mit Eintritt der Versorgungsberechtigung der Status der Versicherungsfreiheit nicht erhalten zu werden braucht, wie das nach § 6 Abs 1 Nr 6 und Abs 3 SGB V für pensionierte Beamte geschieht. Außerdem ist der gesetzlichen Regelung (§§ 5 und 6 SGB V) zu entnehmen, daß sie bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung primär an die eigene Berufstätigkeit des Versicherten und erst sekundär an Hinterbliebenenbezüge anknüpft. Pensionierte Beamte sollen danach versicherungsfrei bleiben, weil sie als aktive Beamte infolge ihrer Zuordnung zu einem eigenen gesetzlichen Sicherungssystem als Beamte, aber nach neuem Recht auch in einer Beschäftigung als Arbeitnehmer versicherungsfrei sind.
Der allgemeine Gleichheitssatz ist auch nicht verletzt, weil nach § 6 Abs 2 SGB V Hinterbliebene von Beamten und den sonst in § 6 Abs 1 Nrn 2 und 4 bis 6 SGB V genannten versicherungsfreien Personen, wenn sie ihren Rentenanspruch nur aus der Versicherung dieser Personen ableiten und beihilfeberechtigt sind, versicherungsfrei sind, dieses aber nicht gilt, wenn sie eine Rente aus eigener Versicherung beziehen oder - wie die Klägerin - eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben (§ 6 Abs 3 SGB V). Der Gesetzgeber durfte für die von § 6 Abs 2 SGB V erfaßten Hinterbliebenen eine Ausnahme von der Regel vorsehen, daß auch Bezieher einer Hinterbliebenenrente, wenn sie die Voraussetzungen der Versicherungspflicht als Rentner erfüllen, nach § 5 Abs 1 Nrn 11, 12 SGB V grundsätzlich versicherungspflichtig sind, und ihre Versicherungsfreiheit bestimmen. Dieses beruht auf der verallgemeinernden Annahme, daß ein Hinterbliebener, der nicht beschäftigt ist und keine Rente aus eigener Versicherung bezieht, durch die Hinterbliebenenrente, die Versorgungsbezüge und die Beihilfe allein über den verstorbenen Beamten so gesichert ist, daß sich die gesetzliche Krankenversicherung erübrigt. Auf Hinterbliebene, die eine Beschäftigung aufnehmen oder eine Rente aus eigener Versicherung beziehen, trifft das nicht in demselben Maße zu. Die Versicherungspflicht aufgrund einer eigenen Beschäftigung hat deshalb Vorrang gegenüber einer Beihilfeberechtigung aufgrund einer Hinterbliebenenversorgung (mit privater Restkostenversicherung). Das steht in Einklang mit dem Vorrang der Beschäftigungs-Versicherung gegenüber anderen Versicherungspflicht-Tatbeständen der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl § 5 Abs 6 bis 8 SGB V), die für die Betreffenden ebenfalls häufig beitragsgünstiger wären als die Beschäftigungs-Versicherung.
Im Gegensatz zu beschäftigten Hinterbliebenen wie der Klägerin sind allerdings Hinterbliebene von Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften nach § 6 Abs 1 Nr 8 SGB V selbst dann versicherungsfrei, wenn sie eine Beschäftigung aufnehmen. Auch für diese Ungleichbehandlung findet sich jedoch eine angemessene Rechtfertigung. Die Versicherungsfreiheit für Personen, die nach dem Krankheitsfürsorgesystem der Europäischen Gemeinschaften bei Krankheit geschützt sind, wurde durch Art 4 Nr 1 des Gesetzes vom 27. Januar 1987 (BGBl I S 481) in die RVO eingefügt (§ 165 Abs 9 RVO). In der Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks 10/6394 S 12) heißt es dazu: "Für Bedienstete der Europäischen Gemeinschaften und ihre Familienangehörigen besteht ein gemeinschaftsrechtliches Krankenfürsorgesystem. Zur Beseitigung einer EG-rechtswidrigen Doppelbelastung ist es daher notwendig, die Vorschriften über die Versicherungspflicht in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung dahingehend zu ergänzen, daß die Versicherung nach nationalem Recht dann nicht wirksam wird, wenn bereits nach EG-Recht Versicherungsschutz besteht. Weil bislang entsprechende Regelungen im nationalen Recht fehlen und Krankenkassen insbesondere bei EG-Ruhestandsbeamten aufgrund des Bezuges einer deutschen Rente Versicherungs-und Beitragspflicht festgestellt haben, hat die Europäische Kommission eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof angedroht. Um eine solche Klage abzuwenden, muß das deutsche Recht dahingehend geändert werden, daß die Versicherungspflicht während der Einbeziehung in das Krankenfürsorgesystem der EG ausgeschlossen wird. Der angefügte Abs 9 des § 165 RVO gilt sowohl für den EG-Bediensteten selbst als auch für seine mitgeschützten Familienangehörigen." Die Vorschrift des § 165 Abs 9 RVO ist im wesentlichen unverändert als § 6 Abs 1 Nr 8 SGB V in das neue Recht übernommen worden, so daß auch die geltende Regelung von der zitierten Begründung getragen wird. Außerdem ist der Kreis der von § 6 Abs 1 Nr 8 SGB V betroffenen Personen im Vergleich zu der Gesamtzahl aller Hinterbliebenen von Beamten des Inlands zahlenmäßig so klein, daß der Gesetzgeber nicht verpflichtet war, die Sonderregelung für Hinterbliebene von EG-Bediensteten auf die Hinterbliebenen von Beamten zu übertragen. (Zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung wegen Auslandsberührung im Beitragsrecht der Krankenversicherung vgl auch BSGE 63, 231 = SozR 2200 § 180 Nr 41).
Das Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG schließlich ist ebenfalls nicht verletzt. Aus ihm läßt sich nicht herleiten, daß der Gesetzgeber bei der Abgrenzung von versicherungspflichtigen und versicherungsfreien Tatbeständen über typisierende Merkmale hinaus auch die im Einzelfall möglichen Abweichungen von der Typisierung besonders regeln müßte (vgl BVerfGE 69, 272, 314 mwN = SozR 2200 § 165 Nr 81).
Hiernach erwies sich die Revision als unbegründet und war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen