Entscheidungsstichwort (Thema)
Carl-Zeiss-Stiftung Jena. Rentenhöhe. Gleichstellungsantrag
Leitsatz (amtlich)
Waren Carl-Zeiss-Beschäftigte zusatzversorgt und/oder FZR-versichert, sind ihre 600 Mark/Monat übersteigenden bzw in der FZR versicherten Entgelte bei der Berechnung ihrer SGB 6-Rente auch dann zu berücksichtigen, wenn sie keinen Gleichstellungsantrag nach dem ZVsG gestellt haben.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
ZVsG § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 1 Abs. 2, § 4 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 30. Oktober 1997 und der Bescheid der Beklagten vom 12. September 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 1997 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Anrechnung bereits gezahlter Rentenbeträge dynamisierte Altersrente auf der Grundlage der Rentenbewilligungsbescheide vom 21. Oktober 1993 und vom 3. Januar 1995 zu zahlen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Höhe des Werts der Altersrente des Klägers.
Der 1928 geborene Kläger war seit dem 1. April 1961 bis zur Auflösung seines Arbeitsverhältnisses zum 28. September 1990 durch Aufhebungsvertrag im volkseigenen Betrieb (VEB) Carl Zeiss Jena als Koordinierungsingenieur beschäftigt; anschließend befand er sich im Vorruhestand. Aufgrund seiner Beschäftigung wurde ihm mit Urkunde vom 10. Juni 1968 der Deutschen Versicherungs-Anstalt eine Zusage über eine zusätzliche Altersversorgung aufgrund der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz vom 17. August 1950 erteilt. Mit Wirkung vom 1. Januar 1978 trat er der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) bei und entrichtete hierzu bis zum 30. Juni 1990 Beiträge. Die Beklagte gewährte ihm seit 1. Januar 1992 Altersrente für langjährige Versicherte. In ihren Rentenbewilligungsbescheiden vom 21. Oktober 1993 und 3. Januar 1995 berücksichtigte sie bei der Feststellung des Werts dieser Rente die vom Kläger erzielten Arbeitsentgelte bis zur (allgemeinen) Beitragsbemessungsgrenze (69,7502 persönliche Entgeltpunkte).
Aufgrund seiner Beschäftigung bei Carl Zeiss Jena erwarb der Kläger außerdem Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung nach dem Pensionsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung Jena von 1888. Diese sicherte ua den bei Carl Zeiss Jena Beschäftigten bei Eintritt des Rentenfalles beitragsfreie Pensionsansprüche aus betrieblichen Mitteln zu, wenn sie mindestens fünf Jahre im Betrieb beschäftigt waren und beim Eintritt des Pensionsfalles noch in einem Arbeitsverhältnis zu Carl Zeiss Jena standen. Dieses Pensionsstatut wurde zum 28. Februar 1991 geschlossen (Beschluß der Stiftung vom 25. Februar 1991). Wer zum Zeitpunkt der Schließung noch keine nur noch vom Eintritt der Pensionierung abhängige Berechtigung erworben hatte, konnte keine Rechte (Ansprüche oder Anwartschaften) nach dem Pensionsstatut mehr erwerben. Für diejenigen, die eine solche Berechtigung bereits erworben hatten, wurde wie folgt differenziert: Zu diesem Zeitpunkt bereits entstandene Ansprüche auf Leistungen nach dem Pensionsstatut wurden in der bisher zustehenden Höhe weiter erfüllt; für eine Übergangszeit, dh wenn die Pensionierung bis zum 31. Dezember 1992 erfolgte, konnten noch weiterhin Ansprüche nach dem Pensionsstatut entstehen. Erfolgte die Pensionierung danach, gab es keinen Anspruch auf Zahlung einer Pensionsleistung mehr; statt dessen erhielten die Berechtigten auf der Grundlage von Sozialplänen eine Abfindung als Entschädigung für den Verlust ihrer Anwartschaften auf Leistungen nach dem Pensionsstatut, wenn sie am 28. Februar 1991 mindestens fünf Jahre bei Carl Zeiss Jena beschäftigt gewesen waren. Demgemäß erhielt auch der Kläger aufgrund einer Vereinbarung mit der Jenoptik GmbH vom 11. Mai 1992 nach dem Sozialplan vom 30. September 1991 eine Abfindung ua für den Verlust seiner Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung nach dem Pensionsstatut in Höhe von insgesamt 45.896,33 DM.
Durch das am 1. Juli 1993 in Kraft getretene Gesetz zur Gleichstellung mit Zusatzversorgungssystemen des Beitrittsgebietes (ZVsG), verkündet als Art 4 des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes vom 24. Juni 1993 (BGBl I S 1038), wurde den nach dem Pensionsstatut Anspruchs- und Anwartschaftsberechtigten das Recht eingeräumt, auf Antrag solchen Berechtigten gleichgestellt zu werden, „die Ansprüche oder Anwartschaften in einem Zusatzversorgungssystem des Beitrittsgebiets erworben haben”. Von dem Recht, einen Gleichstellungsantrag zu stellen, machte der Kläger keinen Gebrauch.
Mit Wirkung ab 1. Dezember 1996 stellte die Beklagte den Wert der Altersrente des Klägers nach Anhörung neu fest; da er keinen Gleichstellungsantrag gestellt habe, könne bei der Rentenberechnung gemäß § 4 Abs 3 ZVsG für Zeiten vom 1. März 1971 an nur noch sein in der Sozialpflichtversicherung des Beitrittsgebiets versicherter Verdienst, der 53,5617 persönliche Entgeltpunkte ergibt, berücksichtigt werden (Bescheid vom 12. September 1996; Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 1997). Das Sozialgericht (SG) Altenburg hat die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 30. Oktober 1997 abgewiesen.
Der Kläger hat die vom SG zugelassene Sprungrevision eingelegt. Er trägt im wesentlichen vor, es sei bereits fraglich, ob § 4 Abs 3 ZVsG mit Blick auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des Abs 1 dieser Vorschrift auf ihn überhaupt anwendbar sei; jedenfalls verstoße das ZVsG gegen das Grundgesetz (GG).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 30. Oktober 1997 (S 12 An 181/97) und den Bescheid der Beklagten vom 12. September 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente auf der Grundlage des Bescheids vom 21. Oktober 1993 angepaßt und dynamisiert weiterhin zu zahlen, hilfsweise den Rechtsstreit auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art 100 GG vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Sprungrevision des Klägers ist zulässig und begründet. Das SG hat seine Anfechtungsklage, die er zulässig mit einer allgemeinen Leistungsklage verbunden hatte, zu Unrecht abgewiesen. Die Beklagte war nicht berechtigt, gemäß § 4 Abs 1 Satz 1 ZVsG eine „neue Rentenberechnung” vorzunehmen. Der angefochtene Bescheid vom 12. September 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 1997 ist rechtswidrig; er verletzt den Kläger in seinem Recht auf Altersrente und war daher aufzuheben. Der Kläger hat Anspruch auf monatliche Zahlung dynamisierter Rentenbeträge auf der Grundlage der ursprünglichen Rentenbewilligung (Bescheide vom 21. Oktober 1993/ 3. Januar 1995) unter Berücksichtigung zwischenzeitlich erfolgter Rentenanpassungen und Anrechnung bereits gezahlter Rentenbeträge.
Dem Kläger war mit Rentenbewilligungsbescheiden vom 21. Oktober 1993 und 3. Januar 1995 Altersrente für langjährige Versicherte bewilligt worden; diese Bescheide enthalten jeweils vier Verfügungssätze, die als Verwaltungsakte selbständig in Bindung erwachsen können: Die Entscheidung über die Rentenart, über die Höhe sowie über den Beginn und die Dauer des Anspruchs (BSG SozR 3-2600 § 300 Nr 7 S 26). Mit dem streitgegenständlichen „Neufeststellungsbescheid” vom 12. September 1996 hat die Beklagte der Sache nach in die in diesen bestandskräftig gewordenen Bescheiden getroffene Regelung über den monatlichen Wert des Rechts auf Rente eingegriffen. Sie hat diese Verwaltungsakte nach Inkrafttreten von § 4 Abs 3 ZVsG nicht aufgehoben, gleichwohl aber den rentenrechtlich beachtlichen Zeiten des Klägers ab 1. März 1971 nur noch den in der Sozialpflichtversicherung des Beitrittsgebiets versicherten Verdienst zugrunde gelegt und den dynamisierbaren Wert seines Rechts auf Altersrente herabgesetzt (zur Aussparung bei Anpassungen von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung vgl BSG SozR 3-2600 § 63 Nr 1). Hierzu war die Beklagte nicht befugt; sie hat daher mit dem angefochtenen Bescheid das – zudem bindend anerkannte – Recht des Klägers auf Altersrente iS von § 54 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. § 4 Abs 3 ZVsG, auf den sie sich zu Unrecht beruft, stellt nämlich lediglich klar, daß bei Carl Zeiss Beschäftigten, die nicht FZR-versichert und/oder zusatzversorgt waren und die keinen Gleichstellungsantrag nach § 3 ZVsG gestellt haben, für den Wert ihrer SGB VI-Rente nur die in der Sozialpflichtversicherung versicherten Entgelte berücksichtigt werden. Waren Carl Zeiss Beschäftigte darüber hinaus zusatzversorgt und/oder FZR-versichert, sind ihre 600 Mark/Monat übersteigenden bzw in der FZR versicherten Entgelte bei der Berechnung ihrer SGB VI-Rente auch dann zu berücksichtigen, wenn sie keinen Gleichstellungsantrag nach dem ZVsG gestellt haben.
1. Die Beklagte war nicht berechtigt, eine „Neuberechnung der Rente” des Klägers vorzunehmen. Zwar sieht § 4 Abs 1 ZVsG, auf den sich die Beklagte vorliegend stützt, als Rechtsfolge ihre Befugnis vor, bei ehemals bei Carl Zeiss beschäftigten Rentnern eine „neue Rentenberechnung vorzunehmen”. Der Tatbestand der Vorschrift (ihre Anwendbarkeit unterstellt ≪dazu unter 2.≫) setzt jedoch ua voraus, daß der Betreffende „am 31. Dezember 1992 Anspruch auf eine Leistung nach dem Pensionsstatut” hatte. Dies ist beim Kläger nicht der Fall. Seine Rechte waren insoweit bereits mit Vertrag vom 11. Mai 1992 abgefunden worden, so daß ihm am 31. Dezember 1992 Forderungsrechte nach dem Pensionsstatut nicht mehr zustanden. Vorliegend kann deshalb dahingestellt bleiben, ob § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch als Ermächtigungsgrundlage zur Umsetzung des § 4 Abs 3 ZVsG in Betracht käme oder ob § 4 ZVsG den rechtsstaatlichen Anforderungen genügt, die an Rechtsvorschriften zu stellen sind, die zu Eingriffen in vorhandene Rechtspositionen des Bürgers ermächtigen (vgl Urteil des Senats vom 29. April 1997 – 4 RA 25/96, S 8 des Umdrucks).
2. § 4 Abs 3 ZVsG findet (auch bei einer Erstbewilligung von SGB VI-Renten oder bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs 1 Satz 1 ZVsG ≪zB laufende Pensionszahlung am 31. Dezember 1992≫) in Fällen der vorliegenden Art keine Anwendung, weil diese nicht in den thematischen (sachlichen) Anwendungsbereich des ZVsG fallen. Fälle der vorliegenden Art sind dadurch gekennzeichnet, daß es sich um ehemals bei Carl Zeiss Beschäftigte handelt, die in der DDR nicht nur Rechte in der Sozialpflichtversicherung und nach dem Pensionsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung Jena erworben haben, sondern die daneben ihre 600 Mark monatlich übersteigenden Verdienste in der FZR durch eigene Beiträge versichert oder eine Beschäftigung ausgeübt haben, derentwegen eine zusätzliche Altersversorgung (zB der Intelligenz) vorgesehen war.
Zwar ordnet § 4 Abs 3 ZVsG an, daß bei der „Berechnung oder Neuberechnung der Rente eines Berechtigten, der einen Antrag auf Gleichstellung nicht gestellt hat, für Zeiten vom 1. März 1971 an nur der in der Sozialpflichtversicherung des Beitrittsgebiets versicherte Verdienst zugrunde zu legen” ist. Dieser Wortlaut und die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 4 ZVsG (vgl BT-Drucks 12/4810, S 34 zu § 4) könnten vordergründig den Schluß nahelegen, die Vorschrift finde ausnahmslos bei allen früheren Berechtigten aus dem Pensionsstatut Anwendung, also auch in den Fällen der vorliegenden Art (FZR-Versicherte, Zusatzversorgte). Es kann dahingestellt bleiben, ob die sog Gesetzesmaterialien die Folgerung zulassen, bei den Verfassern des Gesetzentwurfs habe ein dahingehender entsprechender „politischer Wille” bestanden, obwohl kein Anhalt gegeben ist, sie hätten die weitreichenden verfassungsrechtlichen Probleme eines solchen Eingriffs in bestehende und grundrechtlich geschützte Rechtspositionen auch nur ansatzweise bedacht. Ein solcher „politischer Wille” hat jedenfalls trotz der Formulierung, daß „nur der in der Sozialpflichtversicherung des Beitrittsgebiets versicherte Verdienst zugrunde zu legen ist” (vgl § 4 Abs 3 ZVsG), keinen hinreichenden Ausdruck gefunden. § 1 Abs 1 und 2 ZVsG sowie eine verfassungsorientierte Auslegung des § 4 Abs 3 ZVsG am Zweck des Gesetzes führen vielmehr zu dem Ergebnis, daß § 4 Abs 3 ZVsG nur Geltung beansprucht, soweit die Altersversorgung ehemaliger Beschäftigter von Carl Zeiss Jena (in der früheren DDR und) im Beitrittsgebiet ausschließlich auf Renten und Anwartschaften aus der Sozialpflichtversicherung und dem Pensionsstatut beruht hatte.
§ 1 Abs 1 ZVsG regelt den Geltungsbereich des ZVsG und bestimmt, daß dieses (nur) für „Ansprüche und Anwartschaften nach dem Pensionsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung Jena vom 3. Dezember 1888 in der Fassung vom 30. Dezember 1977 (Pensionsstatut), zuletzt geändert durch Beschluß der Carl-Zeiss-Stiftung Jena vom 25. Februar 1991” gilt. Der Geltungsbereich dieses Gesetzes erstreckt sich dagegen nicht auf sonstige Rechte oder Ansprüche; es ermächtigt somit auch nicht dazu, nach dem Rentenversicherungsrecht des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) entstandene (und – wie hier – zudem durch Verwaltungsakt verbindlich festgestellte) Rechte einzuschränken, zu entziehen oder nachträglich von einer Gegenleistung abhängig zu machen, selbst wenn diese nicht auf eigener Beitragsleistung iS von Art 14 Abs 1 GG beruhen, sondern den Berechtigten durch Bundesrecht mit Blick auf ihre in der DDR in der FZR versicherten Verdienste oder eine frühere zusätzliche Altersversorgung iS des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) eingeräumt worden sind.
Zum gleichen Auslegungsergebnis führt eine Betrachtung der Regelungstendenz des ZVsG. Dieses Gesetz hat den Zweck, in der gesetzlichen Rentenversicherung diejenigen ehemals bei Carl Zeiss Beschäftigten durch die Einräumung eines Gestaltungsrechts besserzustellen, deren Altersversorgung in der DDR allein auf der Sozialpflichtversicherung und dem Pensionsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung Jena beruhte; für deren SGB VI-Rente wären ohne die Besserstellung durch das ZVsG nur die in der Sozialpflichtversicherung versicherten Entgelte bis 600 Mark/Monat berücksichtigungsfähig. Sachliches Thema des ZVsG ist allein, ob und ggf unter welchen Voraussetzungen „die nach dem Pensionsstatut erworbenen Ansprüche und Anwartschaften” (auf Antrag des Berechtigten) „den in Zusatzversorgungen des Beitrittsgebietes erworbenen Ansprüchen und Anwartschaften gleichgestellt” werden (so ausdrücklich § 1 Abs 2 ZVsG). Von diesem Überführungsprogramm werden von vornherein andere Berechtigungen als Pensionsforderungen nicht erfaßt. Daher schränkt das ZVsG erworbene Rechte derjenigen Carl Zeiss Beschäftigten nicht ein, deren Verdienste über der Beitragsbemessungsgrenze in der Sozialpflichtversicherung (600 Mark/Monat) liegen und für die Ermittlung des Werts ihrer SGB VI-Rente schon nach den Vorschriften des SGB VI und dem AAÜG zu berücksichtigen sind.
Das Pensionsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung Jena sicherte den im ehemaligen VEB Carl Zeiss Jena beschäftigten Arbeitnehmern bei Eintritt des Rentenfalles (Alter, Invalidität, Tod) beitragsfreie Pensionsansprüche aus betrieblichen Mitteln zu, die bei längerer Betriebszugehörigkeit zusammen mit der Rente aus der Sozialpflichtversicherung der DDR etwa die Höhe des letzten monatlichen Nettoarbeitsentgelts erreichte. Mit Blick hierauf machte die Mehrzahl der im VEB Carl Zeiss Jena Beschäftigten keinen Gebrauch von der Möglichkeit, Beiträge zur FZR zu entrichten (vgl Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der FDP, BT-Drucks 12/4810, S 21 zu IV). Für diese stellte sich die Situation nach Schließung des Pensionsstatuts zum 1. März 1991 wie folgt dar: Je nach dem Zeitpunkt ihres Eintritts in den Ruhestand erhielten sie zusätzlich zu ihrer SGB VI-Rente, deren monatlicher Wert (Rentenhöhe) nur nach Maßgabe der in der Sozialpflichtversicherung versichert gewesenen Entgelte berechnet wird, entweder einen laufenden, aber statischen Betrag aus der betrieblichen Altersversorgung oder aufgrund von Sozialplänen eine sämtliche Ansprüche und Anwartschaften aus dem Pensionsstatut ersetzende einmalige Abfindung. Mit Blick hierauf wird in der Begründung des Gesetzentwurfs zum ZVsG von einer „unzureichenden sozialen Sicherung” ehemaliger Carl Zeiss Beschäftigter gesprochen und davon, daß „dieser sozialpolitisch unbefriedigende Zustand” dadurch beendet werden solle, daß Ansprüche und Anwartschaften nach dem Pensionsstatut Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatzversorgungssystemen der ehemaligen DDR gleichgestellt werden; dadurch werde die Berechnung der Rente für die ehemaligen Zeiss Beschäftigten auf der Grundlage des erzielten Entgelts bis zur Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung ermöglicht (vgl aaO, S 22).
Es sollte den ehemaligen Zeiss Beschäftigten also ermöglicht werden, durch freie Entscheidung hinsichtlich der Rentenhöhe einen Schutz in der gesetzlichen Rentenversicherung zu erlangen, wie er Zusatzversorgten gewährt worden war, deren SGB VI-Rente nach Maßgabe des § 6 Abs 1 AAÜG ermittelt wird. Sofern sie sich für diese Gleichstellung entschieden, dh den Gleichstellungsantrag stellten, wurde außerdem eine Gegenleistung gefordert, weil die Mehraufwendungen aus Steuermitteln zu tragen sind. Der Antragsteller hat hierzu entweder laufende Pensionszahlungen an die Bundeskasse Bonn abzutreten (§ 3 Abs 2 ZVsG) oder den anteiligen Wert seiner Abfindung an diese zu zahlen (§ 3 Abs 3 ZVsG).
Für Personen, die keinen Antrag auf Gleichstellung ihrer nach dem Pensionsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung Jena erworbenen Ansprüche und Anwartschaften gestellt und der Bundeskasse Bonn das im Zusammenhang mit dem Pensionsstatut Erlangte nicht zur Verfügung gestellt haben, stellt § 4 Abs 3 ZVsG klar, daß sie, soweit es um ihre Ansprüche und Anwartschaften aus der Carl-Zeiss-Stiftung Jena geht, Rentenansprüche nach dem SGB VI nur nach Maßgabe ihrer in der DDR in der Sozialpflichtversicherung versicherten Verdienste erwerben können. Denn Zeiten der Beschäftigung in der DDR, für die nach dem Pensionsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung Jena Ansprüche und Anwartschaften erworben wurden, sind nicht per se als Zeiten zu berücksichtigen, die in einem sog Zusatzversorgungssystem zurückgelegt wurden und nach Maßgabe des AAÜG zur Vormerkung und bei Eintritt des Versicherungsfalles zur Berücksichtigung von Pflichtbeitragszeiten führen können. Die Altersversorgung nach dem Pensionsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung Jena gehörte von vornherein nicht zu denjenigen Alterssicherungssystemen in der DDR, die der Deutsche Bundestag im (Gesetz zum) Einigungsvertrag (EV) den Systemen zugeordnet hat, bei denen eine Überführung in das Rentenversicherungsrecht des Beitrittsgebietes geprüft bzw durchgeführt werden sollte; ebensowenig gehört sie deshalb zu den Systemen, die er in den Anlagen 1 und 2 zum AAÜG unter der Bezeichnung Zusatz- und Sonderversorgungssysteme abschließend aufgezählt hat.
Dabei kann ausgeschlossen werden, daß das Pensionsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung Jena nur versehentlich nicht in den Anlagen 1 und 2 zum AAÜG aufgeführt wird; denn wäre diese Art der Altersversorgung beim Renten-Überleitungsgesetz vom 25. Juli 1991 (BGBl I S 1606), als dessen Art 3 das AAÜG verkündet wurde, tatsächlich vergessen worden, hätte es nahegelegen, die Anlagen 1 und 2 nach Bekanntwerden dieses „Versehens” entsprechend zu ergänzen. Indessen wurde insoweit ein eigenes Gesetz erlassen. Dieses trägt dem Umstand Rechnung, daß es sich bei den Leistungen nach dem Pensionsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung Jena um eine – gemessen an bundesdeutschen Maßstäben – von der staatlichen Versicherung und Versorgung der DDR organisatorisch und funktionell unabhängige Form einer betrieblichen Altersversorgung handelt. Zwar rechnete die Stiftung zur Begrenzung ihrer Verpflichtungen aus der Satzung ab 1978 Renten aus der Sozialpflichtversicherung, aus Zusatzversorgungssystemen und aus der FZR zur Vermeidung einer „Überversorgung” auf die betriebliche Pension nach Maßgabe von § 6 des Pensionsstatuts an. Jedoch wurde die Funktion des Pensionsstatuts hierdurch nicht entscheidend geändert oder ihm gar der Charakter einer betrieblichen Altersversorgung genommen; das Pensionsstatut garantierte weiterhin eine Altersversorgung in voller Höhe des letzten Nettoarbeitsentgelts und zielte damit funktionell auf eine „Restabsicherung” derjenigen Verdienste ab, die in den übrigen Altersversorgungssystemen der DDR gerade nicht abgesichert waren. Die Berücksichtigung „staatlicher” Renten bei der Ausgestaltung des Pensionsstatus ändert im übrigen nichts daran, daß die Pensionsansprüche aus einer Beschäftigung bei Carl Zeiss nicht durch staatliches Recht der DDR geregelt und garantiert waren; ihre Rechtsgrundlage fanden sie allein im Pensionsstatut von 1888. Schuldner des Anspruchs war (und ist) nicht der Staat oder eine seiner Untergliederungen, sondern die von den Stiftungsbetrieben getragene Carl-Zeiss-Stiftung Jena bzw deren (partielle) Rechtsnachfolgerin, die Ernst-Abbe-Stiftung.
§ 4 Abs 3 ZVsG ist vor diesem Hintergrund schon nach der Thematik des ZVsG in Fällen der vorliegenden Art sachlich nicht anwendbar, erlaubt also keinen Eingriff in diejenigen Rechtspositionen aus der Rentenversicherung des SGB VI, die dem Berechtigten unabhängig vom Pensionsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung Jena mit Blick auf seine Ansprüche und Anwartschaften in einem Zusatzversorgungssystem oder der FZR bereits durch den EV, das AAÜG und das SGB VI selbst eingeräumt (und ggf bindend zuerkannt) waren. Das ZVsG beansprucht demgemäß Geltung nur für Ansprüche und Anwartschaften nach dem Pensionsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung Jena vom 3. Dezember 1888 idF vom 30. Dezember 1977 (Pensionsstatut; vgl § 1 Abs 1 ZVsG). Es bezweckt nur, die rentenrechtliche Stellung derjenigen Beschäftigten von Carl Zeiss Jena zu verbessern, deren Altersversorgung nicht planmäßig nach Maßgabe des Pensionsstatuts sichergestellt werden konnte bzw deren Anwartschaften durch Sozialplanmaßnahmen abgefunden worden waren. Von einer Regelung der Rechte und Anwartschaften, die früher unabhängig davon aus der FZR oder aus einem Sonder- oder Zusatzversorgungssystem entstanden waren, ist in diesem Zusammenhang (vgl § 1 Abs 1 und 2 ZVsG) indessen nicht die Rede; auf sie erstreckt sich – wie oben ausgeführt – der Geltungsbereich des Gesetzes nicht.
Eine Gleichstellung mit Berechtigten, „die Ansprüche oder Anwartschaften in einem Zusatzversorgungssystem des Beitrittsgebiets erworben haben” (vgl § 3 Abs 1 Satz 1 ZVsG), kommt von vornherein nur in Betracht, soweit der Antragsberechtigte eine derartige Rechtsposition nicht ohnehin, also auch ohne den Gleichstellungsantrag bereits innehat. Bei Personen, die wie der Kläger, auch ohne einen Gleichstellungsantrag aufgrund eigener, am 31. Dezember 1991 bereits in die Rentenversicherung des Beitrittsgebiets überführter und ab 1. Januar 1992 durch Rechte oder Anwartschaften nach dem SGB VI ersetzter Anwartschaften und Ansprüche aus einem Zusatzversorgungssystem einen Rentenwert ihres Rechts auf SGB VI-Rente nach den Regelungen auch der §§ 5, 6 Abs 1 AAÜG „erworben” hatten, führte § 3 Abs 1 ZVsG insoweit lediglich zu einer weiteren Rechtsgrundlage für diesen schon erlangten sozialen Schutz.
Gleiches gilt für die Personen, die – wie der Kläger – von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hatten, ihren 600 Mark übersteigenden Verdienst in der FZR durch eigene Beiträge zu versichern; wurde von der Möglichkeit, Arbeitsentgelte und -einkommen in der FZR durch eigene Beiträge zu versichern, nicht im höchstmöglichen Umfang Gebrauch gemacht, sind jedenfalls für die Ermittlung des Werts der SGB VI-Rente die tatsächlich FZR-versicherten Entgelte zu berücksichtigen (zu dieser Fallgruppe vgl Urteil des Senats vom 23. Juni 1998 – B 4 RA 29/97 R). Wäre der in § 4 Abs 3 ZVsG geregelte Rechtsfolgenausspruch auch auf diese Personengruppe anwendbar, bedeutete dies, daß der Fortbestand des Wertes ihrer SGB VI-Berechtigung, soweit dieser an in der FZR versicherte Arbeitsentgelte anknüpft, nunmehr nachträglich rückwirkend und gleichheitswidrig durch das am 1. Juli 1993 in Kraft getretene ZVsG von der Stellung eines Gleichstellungsantrages und der damit verbundenen Rückzahlungspflicht der arbeitsrechtlich begründeten Sozialplanabfindung bzw der Abtretung von arbeitsrechtlichen Pensionsansprüchen abhängig gemacht würde. Die im Beitrittsgebiet erzielten Arbeitsentgelte eines bei Carl Zeiss Jena Beschäftigten für Zeiten, in denen er der FZR angehörte, würden nur dann über den Betrag von 600 Mark/Monat hinaus im versicherten bzw in vollem Umfang bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt, wenn er der Bundeskasse Bonn nach Inkrafttreten des ZVsG seine laufenden Pensionszahlungen bzw eine erhaltene, zum Verlust betrieblicher Altersversorgung führende Abfindung zur Verfügung stellt. Demgegenüber werden entsprechende Entgelte eines nicht bei Carl Zeiss Jena Beschäftigten ohne eine derartige Gegenleistung berücksichtigt.
Sachliche Gründe iS von Art 3 Abs 1 GG für eine derartige formale Gleichbehandlung sämtlicher ehemals bei Carl Zeiss Jena Beschäftigten sind nicht ersichtlich. Solche wären aber angesichts der unterschiedlichen Sachverhalte, insbesondere des Charakters der Pensionsansprüche als eine Leistung betrieblicher Altersversorgung erforderlich, zumal der Deutsche Bundestag an den allgemeinen Gleichheitssatz in dem Sinne gebunden ist, daß er weder wesentliches Gleiches ohne sachlichen Grund ungleich noch – was vorliegend in Betracht käme – wesentlich Ungleiches ohne sachlichen Grund gleich behandeln darf (vgl BVerfGE 1, 264 ≪275 f≫; 4, 144 ≪155≫; 9, 124 ≪129 f≫; 86, 81 ≪87≫).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1175598 |
AuA 1999, 237 |
NZS 1999, 38 |
SozR 3-8610 § 4, Nr. 1 |