Leitsatz (amtlich)
Auf GSv § 7 Abs 1 und 5 (jetzt SVwG § 14) gestützte Schadensersatzansprüche einer BG gegen ihren Geschäftsführer sind öffentlich-rechtlicher Natur und betreffen eine Angelegenheit der Sozialversicherung. Für sie ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben (SGG § 51 Abs 1); er ist nicht durch VwGO § 40 Abs 2 S 1 - "Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten" - ausgeschlossen.
Normenkette
SVwG § 7 Abs. 1 Fassung: 1952-08-13; SGG § 51 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03; VwGO § 40 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1960-01-21; SVwG § 14 Abs. 1 Fassung: 1967-08-23, Abs. 2 Fassung: 1967-08-23, § 7 Abs. 5 Fassung: 1952-08-13
Tenor
Das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. Mai 1969 wird aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der Beklagte wurde im Dezember 1953 vom Vorstand der klagenden landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft zu deren Geschäftsführer gewählt. Als solcher war er vom 1. Oktober 1957 an zugleich Geschäftsführer der Landwirtschaftlichen Alterskasse S (§ 13 Abs. 2 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte vom 27. Juli 1957). Auf Grund seiner Wahl zum Geschäftsführer der Klägerin wurde der Beklagte mit Urkunde vom 29. November 1954 vom Bayerischen Staatsminister für Arbeit und soziale Fürsorge in das Beamtenverhältnis des Freistaates Bayern berufen. Er war zuletzt - vom 1. April 1960 an - Oberregierungsdirektor. Im August 1960 enthob ihn die Aufsichtsbehörde wegen des Verdachts von Dienstpflichtverletzungen vorläufig der Führung seiner Amtsgeschäfte. Durch Beschluß des Vorstandes der Klägerin vom 16. Januar 1961 wurde er als Geschäftsführer abgewählt. Das Landgericht Augsburg verurteilte den Beklagten am 10. März 1961 wegen zweier Vergehen nach dem Selbstverwaltungsgesetz vom 22. Februar 1951 - GSv - (BGBl I 124) in Tateinheit mit einem Vergehen des Betrugs zu einer Gefängnisstrafe. Die hiergegen eingelegte Revision wurde vom Bundesgerichtshof am 9. August 1961 verworfen. Die Dienststrafkammer Augsburg verurteilte den Beklagten am 12. März 1965 rechtskräftig zur Dienststrafe der Entfernung aus dem Dienst.
Die Klägerin begehrt mit der Klage Schadensersatz nach § 7 Abs. 5 i.V.m. § 7 Abs. 1 GSv. Sie hat zunächst beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 433.547,05 DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen. Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens hat sie die Klage auf 382.489,85 DM und im Berufungsverfahren auf 206.489,85 DM ermäßigt. Vorsorglich hat die Klägerin beantragt, den Rechtsstreit an das Gericht des ersten Rechtszuges, zu dem der Rechtsweg für gegeben erachtet werde, zu verweisen. Durch Urteil vom 25. Februar 1966 hat das Sozialgericht (SG) Augsburg den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 69.652,65 DM nebst 4 % Zinsen ab 26. Juli 1963 zu zahlen; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die - zugelassenen - Berufungen der Klägerin, des Beklagten und der Beigeladenen zu 9) und 10) hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 14. Mai 1969 in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils den Rechtsstreit an das Landgericht Augsburg mit der Begründung verwiesen, der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit sei unzulässig. Es hat die Auffassung vertreten, § 7 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 5 GSv habe einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch zum Gegenstand.
Die Klägerin hat - die zugelassene - Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 51 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und des § 7 Abs. 1 und 5 GSv. Sie führt dazu aus: Das LSG habe die Rechtsnatur des Haftungsanspruchs nach § 7 Abs. 1 Satz 1 GSv verkannt, indem es aus dem Hinweis des Gesetzes, der Geschäftsführer hafte dem Versicherungsträger wie der Vormund seinem Mündel, geschlossen habe, der Anspruch sei zivilrechtlicher Natur. Die Bezugnahme in § 7 Abs. 1 GSv auf bürgerlich-rechtliche Haftungsgrundsätze sei nur bedeutsam für den Umfang der Schadensersatzverpflichtung, dagegen beruhe der Haftungsgrund in den besonderen öffentlich-rechtlichen Beziehungen des Beklagten als Geschäftsführer zur Klägerin als Versicherungsträger. In diesem Zusammenhang sei auch der Hinweis des Berufungsgerichts auf § 640 der Reichsversicherungsordnung (RVO) verfehlt, weil es sich bei dieser Vorschrift um eine mit § 7 GSv nicht vergleichbare Anspruchsgrundlage handele.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und den Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Beklagte und die Beigeladenen zu 9) und 10) beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie führen aus: Das LSG habe die Ansprüche der Klägerin aus § 7 GSv auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) mit Recht als zivilrechtliche Schadensersatzansprüche angesehen. Es sei davon auszugehen, daß in § 7 GSv auf die Bestimmungen der §§ 1789 ff, 1833 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verwiesen werde. Damit werde nicht nur - wie die Revision meine - lediglich der Haftungsmaßstab festgelegt. Hätte dies der Gesetzgeber gewollt, so hätte er es deutlicher zum Ausdruck bringen müssen. Wenn sogar für Ansprüche aus Amtspflichtverletzung, die sich auf eine Angelegenheit der Sozialversicherung bezögen, der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht gegeben sei (vgl. BSG 18, 293), so gelte dies erst recht im vorliegenden Fall.
Die Beigeladenen zu 1) bis 8) sind im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil nach § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
II
Die Revision der Klägerin ist begründet. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht den Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit verneint. Bei dem von der Klägerin geltend gemachten Klageanspruch handelt es sich nicht um einen solchen zivilrechtlicher Natur, sondern um eine öffentlichrechtliche Streitigkeit in einer Angelegenheit der Sozialversicherung (§ 51 Abs. 1 SGG).
Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf § 7 Abs. 1 und 5 GSv in der hier maßgeblichen Fassung vom 13. August 1952 (BGBl I 427), die im wesentlichen dem § 14 Abs. 1 und 2 des Selbstverwaltungsgesetzes in der heute gültigen Fassung vom 23. August 1967 (SVwG) entspricht. Eine auf einer Rechtsnorm des GSv beruhende Klage betrifft eine Angelegenheit der Sozialversicherung im Sinne des § 51 Abs. 1 SGG (BSG 3, 180, 184; ferner auch BSG 23, 92, 93; 31, 16). Als solche Angelegenheiten sind nämlich alle Streitigkeiten zu verstehen, die in den Sozialversicherungsgesetzen ihre materiell-rechtliche Grundlage haben (BSG 2, 23, 27; 3, 184) und damit von der Sozialversicherung ihr Gepräge erhalten (BSG 3, 204, 208). Zum Sozialversicherungsrecht in diesem Sinne gehört deshalb auch das Selbstverwaltungsrecht der Sozialversicherung als ein Gebiet, das die Verfassung der Sozialversicherungsträger im einzelnen regelt. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist daher gegeben, wenn die Gerichte wegen eines Rechtsstreits auf Grund des GSv angerufen werden, sofern es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit (§ 51 Abs. 1 SGG) handelt.
Zu Unrecht hat das Berufungsgericht den auf § 7 Abs. 1 und 5 GSv gestützten Klageanspruch nicht dem öffentlichen Recht zugeordnet. Für die Frage, ob ein Rechtsstreit vor die Zivilgerichte oder die allgemeinen oder besonderen Verwaltungsgerichte gehört, kommt es auf die rechtliche Natur des Klagevorbringens an, wie sie sich aus dem von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalt ergibt. Gehört ein Rechtsverhältnis, aus dem der Klageanspruch abgeleitet wird, seinem Inhalt nach nicht dem bürgerlichen, sondern dem öffentlichen Recht an und hat es darüber hinaus seine materiell-rechtliche Grundlage im Sozialversicherungsrecht, so ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben (ständige Rechtsprechung: BSG 1, 174, 176; 2, 23, 26; 3, 180, 183; 25, 235, 237; 31, 16; BVerwG 7, 257, 258; BVerwG DÖV 1965, 670, 671; BGHZ 14, 222, 225; 29, 187 ff; 34, 349, 353; 37, 160, 163). Der Inhalt des Rechtsverhältnisses zwischen der Klägerin als Versicherungsträger und dem Beklagten als Geschäftsführer, auf das sich der Anspruch nach § 7 GSv stützt, ist öffentlich-rechtlicher Natur, weil die Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und dem Beklagten auf Grund des GSv hoheitlich gestaltet waren. Eine solche Gestaltung liegt immer dann vor, wenn ein Hoheitsträger oder eins seiner Organe auf Grund besonderer, speziell sie berechtigender oder verpflichtender Rechtsvorschriften beteiligt ist (vgl. Wolff, Verwaltungsrecht I, 6. Aufl., S. 87; Ule, VwGO, 2. Aufl., § 40 Anm. II; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung Bd. I S. 190 f XIII und 190 g mit weiteren Nachweisen). Die Rechtsstellung des Beklagten gegenüber der Klägerin beruhte auf § 8 GSv. Nach dieser Vorschrift ist der Beklagte als Geschäftsführer der Klägerin auf Grund eines Wahlaktes in sein Amt berufen worden. Er gehörte dem Vorstand mit beratender Stimme an (§ 8 Abs. 3 GSv) und hatte hauptamtlich die laufenden Verwaltungsgeschäfte der Klägerin zu führen und sie insoweit gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten (§ 8 Abs. 4 GSv). Er hatte somit als Geschäftsführer neben dem Vorstand (vgl. § 6 Abs. 1 GSv) kraft Gesetzes einen genau umschriebenen selbständigen Wirkungskreis, innerhalb dessen ihm ein eigenes Entschließungsrecht eingeräumt war und für dessen Bereich er der Klägerin nach § 7 Abs. 1 und 5 GSv in besonderer Weise verantwortlich war. Wenn auch der Beklagte als Geschäftsführer nicht Organ der Klägerin im engeren Sinne war (vgl. § 1 Abs. 1 GSv), so hatte er doch eine organrechtliche Stellung im weiteren Sinne inne, wie sie sich aus § 8 Abs. 4 GSv ergibt (BAG, DOK 1961, 65; Siebeck, DOK 1964, 569, 571, 572 und WzS 1969, 33, 34, 39; Munzinger, SGb 1959, 109, 112). Das in diesem Sinne gegebene Organschaftsverhältnis zwischen den Beteiligten war öffentlich-rechtlicher Natur, weil sich die Klägerin als Träger hoheitlicher Aufgaben zur Wahrnehmung eigener Rechte und Pflichten nicht des jedermann zugänglichen Privatrechts bedient, sondern sich dabei auf Rechtssätze - die Vorschriften des GSv - stützt, die ihr vom Gesetzgeber zur Erfüllung ihrer Aufgaben eingeräumt sind. Von der öffentlich-rechtlichen Streitigkeit nach § 51 Abs. 1 SGG werden daher diejenigen Rechtsbeziehungen umfaßt, die dem öffentlichen Recht ganz allgemein angehören (BGHZ 34, 349, 353) und speziell öffentlich-rechtliche Aufgaben regeln (BSG 2, 26). Als Folge dieses Rechtsverhältnisses ist somit der auf § 7 Abs. 1 und 5 GSv gestützte Haftungsanspruch der Klägerin wegen Verletzung der in § 8 Abs. 4 GSv normierten Pflichten des Beklagten ebenfalls dem öffentlichen Recht zuzurechnen, so daß für die gerichtliche Durchsetzung der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist (ebenso Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil I, 16. Aufl., RVO § 23 Anm. 4; Wetterer, SozVers 1955, Beilage "Selbstverwaltung in der Sozialversicherung" S. 5, 6). Dem steht nicht entgegen - wie das LSG, der Beklagte und die Beigeladenen zu 9) und 10) meinen -, daß nach § 7 Abs. 1 und 5 GSv der Geschäftsführer "wie Vormünder ihren Mündeln" haftet. Der Hinweis auf die Haftung des Vormundes im bürgerlichen Recht umschreibt nur die Haftungsfolgen im Rahmen des § 7 GSv. Der Haftungsgrund, der im GSv selbst, nämlich in § 7, niedergelegt ist, bleibt davon unberührt. Es ist kein seltener Fall, daß das öffentliche Recht zur näheren Umschreibung eines Rechtsverhältnisses oder eines Anspruchs auf Vorschriften des bürgerlichen Rechts zurückgreift, in denen allgemeine Rechtsgedanken enthalten sind, ohne daß dadurch der jeweilige Anspruch oder das Rechtsverhältnis sich in seiner Art als öffentlich-rechtliche Beziehung ändert. So haftet zB die Einzugsstelle dem Rentenversicherungsträger für eine schuldhafte Verletzung der ihr nach den §§ 1433 ff RVO obliegenden Verpflichtungen auf Schadensersatz in entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Haftung für Vertragsverletzungen des BGB (§ 1436 Abs. 1 RVO). Auch diese Rechtsfolgeverweisung über die nähere Ausgestaltung der Haftung ändert nichts daran, daß der Haftungsanspruch selbst seine Grundlage in der RVO hat und daher die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit für einen entsprechenden Rechtsstreit zuständig sind (BSG 26, 129, 133). Man kann daher nicht, wie es das Berufungsgericht getan hat, aus dem Umfang der Haftung des Geschäftsführers gegenüber dem Versicherungsträger nach § 7 Abs. 1 und 5 GSv i.V.m. den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts ableiten, der Schadensersatzanspruch selbst sei zivilrechtlicher Natur. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Geschäftsführer und dem Versicherungsträger als ein hoheitliches Organschaftsverhältnis wird nicht bei sich daraus ergebender Haftung in ein bürgerlich-rechtliches Schuldverhältnis umgewandelt. Die Haftung des Geschäftsführers ist vielmehr Teil eines einheitlichen öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses.
Dem Berufungsgericht ist allerdings zuzugeben, daß im Schrifttum zum Teil noch die Auffassung vertreten wird, für Haftungsansprüche der Versicherungsträger gegenüber ihren Geschäftsführern nach § 7 Abs. 1 und 5 GSv sei der Zivilrechtsweg gegeben (vgl. Brackmann aaO S. 155 o II, 190 g IX und 190 h XI; Schieckel, Gesamtkommentar, RVO, SVwG § 14 Anm. 4; Maunz/Schraft, Die Sozialversicherung und ihre Selbstverwaltung, Bd. 4, GSv § 7 Anm. II 1; Walter, Selbstverwaltung der Ortskrankenkassen 1957, 53, 56). Die Vertreter dieser Rechtsauffassung verweisen vor allem auf die Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts - RVA - (RVA AN 1918, 307 Nr. 244; EuM 23, 66, 68), wonach bei Ansprüchen aus § 23 RVO aF - diese Vorschrift entsprach im wesentlichen dem § 7 Abs. 1 GSv - die Zuständigkeit der Zivilgerichte angenommen wurde. Diese Rechtsprechung des RVA ist indessen heute nicht mehr gerechtfertigt. Sie ist nur daraus zu erklären, daß es vor Erlaß des Grundgesetzes (GG) im Jahre 1949 im Bereich des Sozialversicherungsrechts noch keine Rechtsprechungsorgane gab, die allen Anforderungen genügten, die an eine unabhängige Gerichtsbarkeit zu stellen sind (vgl. Bogs, SGb 1964, 1). Dieser Grund ist aber seit Errichtung der unabhängigen Sozialgerichtsbarkeit (Art. 95 Abs. 1 GG) neben der allgemeinen Gerichtsbarkeit weggefallen. Da die Organhaftung nach § 7 Abs. 1 GSv Teil eines hoheitlichen Rechtsverhältnisses ist und damit die daraus erwachsenden Streitigkeiten solche des öffentlichen Rechts in einer Angelegenheit der Sozialversicherung im Sinne des § 51 Abs. 1 SGG sind, besteht jetzt kein Anlaß mehr, diese Streitigkeiten in den Zivilrechtsweg zu verweisen.
Hieran kann auch der Hinweis des LSG und des Beklagten darauf, daß Ansprüche aus § 640 RVO vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen sind, nichts ändern. Hierbei wird übersehen, daß der Haftungsanspruch nach § 640 RVO nicht mit dem nach § 7 GSv vergleichbar ist. § 640 RVO ist im Zusammenhang mit den §§ 636, 637 RVO zu sehen. Diese Vorschriften beschränken den zivilrechtlichen Anspruch eines Unfallverletzten gegen den Unternehmer bzw. andere Betriebsangehörige auf Schadensersatz nach bürgerlichem Recht bei schuldhafter Verursachung des Unfalls; die Verursacher haften abweichend von der Regel nur bei vorsätzlicher Herbeiführung des Unfalls. Darüber hinaus sind sie nach § 640 Abs. 1 RVO den Unfallversicherungsträgern für einen vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachten Arbeitsunfall haftbar. § 640 RVO erweitert nur die nach den §§ 636, 637 RVO stark beschränkte Haftung, läßt aber den Haftungsgrund, der allein im bürgerlich-rechtlichen Schadensersatzrecht (§§ 823 ff BGB) zu suchen ist, unberührt. Es handelt sich bei § 640 Abs. 1 RVO um eine bürgerlich-rechtliche Haftungsnorm eigener Art auf Ersatz mittelbaren Schadens (BGH NJW 1968, 251). Der Unterschied zwischen den Haftungsnormen des § 640 RVO und des § 7 GSv liegt darin, daß die Haftungsgrundlage nach § 7 Abs. 1 GSv allein auf dem hoheitlichen Organschaftsverhältnis zwischen Versicherungsträger und Geschäftsführer beruht und damit aus öffentlich-rechtlichen Beziehungen erwächst, während zwischen dem Versicherungsträger und den nach den §§ 636, 637 RVO schadensersatzpflichtigen Personen kein öffentlich-rechtliches Verhältnis besteht; § 640 RVO regelt nur in besonderer Weise die auf Grund des allgemeinen bürgerlichen Schadensersatzrechts beruhende Haftpflicht des verantwortlichen Personenkreises.
Der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht durch § 40 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift, die allerdings auch im Rahmen des § 51 SGG zu beachten ist (BSG 26, 129, 134; SozR Nr. 46 zu § 51 SGG), ist der ordentliche Rechtsweg "für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten gegeben. Da es sich bei dem mit der Klage geltend gemachten Anspruch nach § 7 Abs. 1 und 5 GSv um einen Schadensersatzanspruch "aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten" des Beklagten als Geschäftsführer der Klägerin handelt, ist dem LSG allerdings zuzugeben, daß diese Regelung nach ihrem Wortlaut auch für den vorliegenden Fall zutrifft. Die wörtliche Anwendung der Vorschrift würde aber dem Zweck des Gesetzes entgegenstehen. Das Berufungsgericht, der Beklagte und die Beigeladenen zu 9) und 10) übersehen, daß mit § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO der Zweck verfolgt wird, den Rechtsweg vor den Gerichten der Zivilgerichtsbarkeit nur für solche öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zu erhalten, in denen ein enger Sachzusammenhang mit der Enteignung und der Amtshaftung besteht. Es sollten nicht alle Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten den Zivilgerichten zugewiesen werden; dies war vielmehr nur für Ansprüche beabsichtigt, die mit den Ansprüchen aus Enteignung und Amtshaftung konkurrieren und die schon bisher vor die Zivilgerichte gehörten (vgl. Bettermann, JZ 1966, 445, 446 Abschn. II; BSG 26, 129, 134; SozR Nr. 46 zu § 51 SGG; BGHZ 43, 269, 278; BGH JZ 1966, 443, 445; BVerwG DVBl 1971, 412, 413).
Dieser Sinn und Zweck des § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO wird auch durch den Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 12. Mai 1959 (BT-Drucks. III/ 1094 S. 5 zu § 38 des Entwurfs einer VwGO, der dem § 40 VwGO entsprach) bestätigt. Darin (aaO) heißt es nämlich, daß der ordentliche Rechtsweg für die mit der Amtshaftung zusammenhängenden Ansprüche erhalten bleiben solle. Diese nach dem Willen des Gesetzgebers gebotene einschränkende Auslegung des § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO zeigt, daß der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten von dieser Vorschrift nicht erfaßt werden soll. § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO trifft insbesondere keine Ansprüche, die von der öffentlichen Hand gegen Privatpersonen - wie im vorliegenden Fall - erhoben werden (BGHZ 43, 269, 278; BSG SozR Nr. 46 zu § 51 SGG).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt einer Konkurrenz zwischen § 7 Abs. 1 GSv und Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB. Eine solche Konkurrenz liegt nämlich hier nicht vor. Sie könnte nur bei Forderungen gewaltunterworfener Bürger gegen den Staat als Hoheitsträger - nicht aber umgekehrt - eintreten (BSG 26, 135; Bettermann aaO; auch BGHZ 43, 278).
Nach allem hat das Berufungsgericht zu Unrecht seine Zuständigkeit zur Sachentscheidung verneint. Da das LSG keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen über die Einzelheiten des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruchs getroffen hat - dazu war es von seinem Rechtsstandpunkt aus nicht genötigt -, muß das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
In dem abschließenden Urteil wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen