Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherungspflicht. Voraussetzung für Befreiung nach § 231 Abs 5 SGB 6. arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger
Leitsatz (amtlich)
- Der Anspruch auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs 5 SGB 6 setzt das Bestehen von Versicherungspflicht in dem Zeitraum, für den die Befreiung begehrt wird, voraus.
- Der Rentenversicherungspflicht als so genannter arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger nach § 2 S 1 Nr 9 SGB 6 steht die regelmäßige Beschäftigung von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit auch dann entgegen, wenn deren Arbeitsentgelte nur zusammengerechnet den in Buchstabe a dieser Vorschrift genannten Betrag übersteigen.
Normenkette
SGB IV § 8 Abs. 1 Nr. 1; SGB VI § 2 Nr. 1 Fassung: 1998-12-19, Nr. 2 Fassung: 1998-12-19, § 2 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1999-12-20, Nr. 2 Fassung: 1999-12-20, § 6 Abs. 1a F: Fassung: 1999-12-20, § 231 Abs. 5 Fassung: 1999-12-20
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung als selbstständige Handelsvertreterin für die Zeit vom 1. Januar bis 25. April 1999.
Die 1957 geborene Klägerin war bis März 1997 bei einem Versicherungsunternehmen abhängig beschäftigt und seit dem 1. April 1997 für dieses Unternehmen als selbstständige Handelsvertreterin tätig. Vom 1. Januar bis 25. April 1999 beschäftigte sie eine Arbeitnehmerin und einen Arbeitnehmer, deren monatliche Arbeitsentgelte jeweils 630 DM nicht überschritten, zusammengerechnet diesen Betrag jedoch überstiegen. Seit dem 26. April 1999 ist bei ihr eine versicherungspflichtige Arbeitnehmerin beschäftigt.
Im März 2001 beantragte die Klägerin, sie von der Versicherungspflicht als Selbstständige in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Der beklagte Rentenversicherungsträger lehnte diesen Antrag ab, weil er nicht innerhalb der Antragsfrist für die Befreiung nach § 231 Abs 5 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) bis zum 30. Juni 2000 gestellt worden und damit verfristet sei; die Klägerin sei nämlich bereits ab 1. Januar bis zum 25. April 1999 gemäß § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI versicherungspflichtig gewesen. Die Befreiung für die Zeit ab dem 26. April 1999 werde abgelehnt, weil die Klägerin ab diesem Zeitpunkt wegen der Beschäftigung einer versicherungspflichtigen Arbeitnehmerin nicht mehr versicherungspflichtig sei (Bescheid vom 4. Juli 2001, Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2001).
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 30. Juni 2003 die Klage, mit der die Klägerin die Befreiung von der Versicherungspflicht für die Zeit vom 1. Januar bis 25. April 1999 begehrt hat, abgewiesen. Mit Urteil vom 29. Oktober 2004 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI für den Zeitraum vom 1. Januar bis 25. April 1999 stehe nach § 231 Abs 5 SGB VI entgegen, dass diese nicht binnen eines Jahres nach Eintritt der Versicherungspflicht am 1. Januar 1999 bzw bis zum 30. Juni 2000 beantragt worden sei. Im Zeitraum vom 1. Januar bis 25. April 1999 habe Versicherungspflicht bestanden, weil die Klägerin keinen Arbeitnehmer beschäftigt habe, dessen Entgelt regelmäßig die Grenze des § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) überschritten habe. Die Beschäftigung von mehreren versicherungsfreien Arbeitnehmern, deren Entgelte zusammengerechnet den Betrag von 630 DM bzw ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigen, stehe der Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers nicht gleich. Der Klägerin sei keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Antragsfrist zu gewähren. Die rechtzeitige Antragstellung könne auch nicht auf Grund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden. Eine Befreiung nach § 6 Abs 1a SGB VI scheide wegen des Ablaufs der dreimonatigen Frist des § 6 Abs 4 SGB VI ebenfalls aus.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI sowie der Art 2 und 3 des Grundgesetzes (GG).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Oktober 2004, das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30. Juni 2003 und den Bescheid der Beklagten vom 4. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie für die Zeit ab 1. Januar bis 25. April 1999 in ihrer Tätigkeit als selbstständige Handelsvertreterin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das LSG die Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 4. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2001 ist rechtmäßig, weil dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Befreiung bereits die fehlende Versicherungspflicht entgegensteht.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist wie bereits im Klage- und Berufungsverfahren das zulässig mit einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage verfolgte Begehren der Klägerin, von der nach Auffassung der Beklagten nach § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI bestehenden Versicherungspflicht als sog arbeitnehmerähnliche Selbstständige für die Zeit vom 1. Januar bis 25. April 1999 befreit zu werden.
2. Ein Anspruch der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht für den Zeitraum vom 1. Januar bis 25. April 1999 ergibt sich weder aus § 231 Abs 5 SGB VI noch aus § 6 Abs 1a SGB VI.
a) Nach § 231 Abs 5 SGB VI in der rückwirkend ab 1. Januar 1999 geltenden Fassung des Art 2 Nr 4 des Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl I 2000, 2) werden Personen, die am 31. Dezember 1998 eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt haben, in der sie nicht versicherungspflichtig waren, und danach gemäß § 2 Satz 1 Nr 9 versicherungspflichtig werden, auf Antrag von dieser Versicherungspflicht befreit, wenn sie vor dem 2. Januar 1949 geboren sind oder weitere die Altersvorsorge betreffende Voraussetzungen erfüllen. Die Befreiung ist binnen eines Jahres nach Eintritt der Versicherungspflicht zu beantragen; die Frist läuft nicht vor dem 30. Juni 2000 ab. Die Befreiung wirkt vom Eintritt der Versicherungspflicht an.
Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass die Klägerin durch ihren Antrag vom März 2001 weder die Jahresfrist noch die bis zum 30. Juni 2000 laufende Frist (§ 231 Abs 5 Satz 3 SGB VI) gewahrt hätte, wenn Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI am 1. Januar 1999 eingetreten wäre. Nicht zu entscheiden braucht der Senat, ob der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre. Die Voraussetzungen für eine Befreiung sind nämlich bereits deshalb nicht erfüllt, weil die Klägerin in dem Zeitraum, für den sie die Befreiung begehrt, entgegen der Auffassung der Beklagten und der Vorinstanzen nicht der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI unterlag, die bereits nach dem Wortlaut des § 231 Abs 5 SGB VI Voraussetzung für eine Befreiung von der Versicherungspflicht ist (vgl auch Bundessozialgericht ≪BSG≫, Urteil vom 28. Juni 1990 – 4 RA 12/90 – BR/Meurer AVG § 7, 28-06-90, 4 RA 12/90, = juris Nr KSRE 033421217).
Eine die Beteiligten bindende bestandskräftige Entscheidung (vgl § 77 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) über das Bestehen der Versicherungspflicht der Klägerin, die der Prüfung durch den Senat entgegenstehen könnte, hat die Beklagte nicht getroffen. Zwar ist sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides vom 4. Juli 2001 von der Versicherungspflicht der Klägerin in der Zeit von Januar bis April 1999 ausgegangen, hat über diese jedoch nicht mit einem Verfügungssatz, der Bindungswirkung hätte entfalten können, entschieden.
Gemäß § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI in der rückwirkend ab 1. Januar 1999 bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung des Art 2 Nr 1 Buchst a des Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999 sind versicherungspflichtig Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 630 Deutsche Mark im Monat übersteigt (Buchst a) und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind (Buchst b).
Die Versicherungspflicht des Selbstständigen nach § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI ist dabei nicht nur durch die Beschäftigung zumindest eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers, dessen individuelles monatliches Arbeitsentgelt regelmäßig 630 DM übersteigt, ausgeschlossen. Die Versicherungspflicht des Selbstständigen tritt vielmehr auch dann nicht ein, wenn er regelmäßig Arbeitnehmer beschäftigt, deren Entgelte, ggf nach Zusammenrechnung, die Grenze des in § 2 Satz 1 Nr 9 Buchst a SGB VI genannten Betrages überschreiten, auch wenn das individuelle Arbeitsentgelt jedes einzelnen Arbeitnehmers unter der Geringfügigkeitsgrenze von 630 DM liegt. Die dem entgegenstehende allein auf das individuelle Arbeitsentgelt des einzelnen Arbeitnehmers abstellende Auslegung trägt dem sich aus der Entstehungsgeschichte ergebenden Zweck der Vorschrift nicht hinreichend Rechnung, eine soziale Absicherung für die sog arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen entsprechend der bereits für die unter § 2 Satz 1 Nr 1 bis 7 SGB VI genannten Personengruppen bestehenden Versicherungspflicht zu schaffen.
Die Vorschrift über die Versicherungspflicht der sog arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen wurde dem § 2 SGB VI als Nr 9 durch Art 4 Nr 3 des Gesetzes zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19. Dezember 1998 (BGBl I 3843) angefügt. Sie begründete ab dem 1. Januar 1999 Versicherungspflicht zunächst für “Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit mit Ausnahme von Familienangehörigen (§ 7 Abs 4 Satz 3 SGB IV) keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigten sowie regelmäßig und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig waren (arbeitnehmerähnliche Selbstständige)”. Als kennzeichnend für diesen Personenkreis wurde nicht die Zugehörigkeit zu bestimmten Berufsgruppen sondern wurden vielmehr typische Tätigkeitsmerkmale, ua die fehlende Beschäftigung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern, angesehen. Die so definierten Selbstständigen wurden für nicht weniger sozial schutzbedürftig als die von § 2 Nr 1 bis 7 SGB VI erfassten Selbstständigen gehalten und sollten deshalb durch § 2 Nr 9 SGB VI ebenso wie diese in die Rentenversicherungspflicht einbezogen werden (vgl BT-Drucks 14/45 S 20). Nachdem § 2 Satz 1 Nr 9 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999 rückwirkend zum 1. Januar 1999 die oben wiedergegebene Fassung erhalten hat, sind Änderungen nur noch hinsichtlich der Entgeltgrenze in Buchst a, orientiert an der gemäß § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV für das Vorliegen einer geringfügigen Beschäftigung geltenden Grenze, durch das 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21. Dezember 2000 (BGBl I 1983) und durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl I 4621) erfolgt.
Soweit die Versicherungspflicht nach § 2 Nr 9 SGB VI idF des Gesetzes zu Korrekturen in der Sozialversicherung vom 19. Dezember 1998 von der fehlenden Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers abhängig war, entsprach dies der Regelung in § 2 Nr 1 und 2 SGB VI für selbstständige Lehrer, Erzieher und Pflegepersonen. Bei diesen galt jedoch, wie schon vorher für § 2 Abs 1 Nr 3 und 6 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG), als Kriterium für die fehlende Schutzbedürftigkeit der Selbstständigen die Beschäftigung von Arbeitnehmern in nicht mehr als geringfügigem Umfang (vgl zu § 2 Abs 1 Nr 3 AVG Urteil des Senats vom 11. Dezember 1987 – 12 RK 58/85 – SozR 2400 § 2 Nr 24). Zu § 2 Nr 1 SGB VI hat deshalb der Senat entschieden, dass die Versicherungspflicht nicht nur bei Beschäftigung eines konkret versicherungspflichtigen Arbeitnehmers entfällt, sondern dass unter Berücksichtigung des in der Entstehungsgeschichte zum Ausdruck kommenden Regelungszweckes auf den Umfang der Tätigkeit der Beschäftigten abzustellen ist, auch um sinnswidrige Ergebnisse zu vermeiden (vgl Urteile des Senats vom 23. November 2005 – B 12 RA 5/03 R –, zur Veröffentlichung vorgesehen, und – B 12 RA 5/04 R –). Dies entsprach und entspricht auch der Rechtsauffassung und Verwaltungspraxis der Beklagten (vgl Arbeitsanweisungen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zu § 2 Nr 1 und 2 SGB VI unter Nr 2.3.3 – Stand 21. Juli 1998).
Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich nicht, dass in Abweichung von den Voraussetzungen der Versicherungspflicht des Selbstständigen nach § 2 Nr 1 und 2 SGB VI bei insofern gleichem Wortlaut für die Versicherungspflicht nach § 2 Nr 9 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19. Dezember 1998 auf die konkrete Versicherungspflicht des Beschäftigten abzustellen war. Die Voraussetzung, dass im Zusammenhang mit der selbstständigen Tätigkeit kein versicherungspflichtiger Arbeitnehmer beschäftigt werden dürfe, sollte vielmehr den Regelungen der Versicherungspflicht nach § 2 Nr 1 und 2 SGB VI entsprechen; geringfügig Beschäftigte sollten ebenso wie in diesen Vorschriften nicht als versicherungspflichtige Arbeitnehmer anzusehen sein (BT-Drucks 14/45 S 20). Wurde das die Versicherungspflicht der in § 2 Nr 9 SGB VI genannten Selbstständigen begründende Schutzbedürfnis damit ebenfalls davon abhängig gemacht, dass keine Arbeitnehmer in mehr als geringfügigem Umfang beschäftigt werden, konnte ebenfalls nur der Umfang der Beschäftigung von Arbeitnehmern insgesamt, nicht jedoch deren konkreter versicherungsrechtlicher Status bestimmend sein, um widersprüchliche Ergebnisse zu vermeiden. Nur so wurde, wie auch bei § 2 Nr 1 und 2 SGB VI, das bei wortgetreuer Auslegung sinn- und gleichheitswidrige Ergebnis verhindert, dass die Vollzeitbeschäftigung eines zB wegen des Bezuges einer Altersrente versicherungsfreien Arbeitnehmers die Versicherungspflicht des Selbstständigen nicht berührt, bei Beschäftigung eines auf Grund der Zusammenrechnung wegen einer weiteren Tätigkeit gemäß § 8 Abs 2 SGB IV versicherungspflichtigen Arbeitnehmers in lediglich geringfügigem Umfang Versicherungspflicht dagegen nicht eintritt. Auch eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung gegenüber den nach § 2 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB VI versicherungspflichtigen Selbstständigen wurde so vermieden.
Der zum 1. Januar 1999 rückwirkend erfolgten Änderung des § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999 mit der Einfügung der Entgeltgrenze von 630 DM ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu entnehmen, dass nunmehr in Abweichung von dem bisherigen Regelungskonzept der Versicherungsstatus des einzelnen Beschäftigten und die Höhe seines Arbeitsverdienstes für die Versicherungspflicht des Selbstständigen maßgeblich sein sollte. Grund für die Änderung von § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI war die zeitgleiche Änderung des § 7 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB IV durch das Gesetz vom 20. Dezember 1999 (vgl BT-Drucks 14/1855 S 8), mit der die Kriterien konkretisiert und ergänzt werden sollten, bei deren Vorliegen vermutet wurde, dass eine abhängige Beschäftigung vorlag (vgl BT-Drucks 14/1855 S 6). An die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift idF des Gesetzes zu Korrekturen in der Sozialversicherung vom 19. Dezember 1998 hatte bereits die ursprüngliche Fassung des § 2 (später Satz 1) Nr 9 SGB VI angeknüpft. Durch die bis zum 31. Dezember 2002 geltende Neufassung des § 7 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB IV (vgl jetzt die allein auf § 421 l Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung ≪SGB III≫ bezogene Fassung von § 7 Abs 4 SGB IV durch Art 2 Nr 2 des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002), nach der als ein Kriterium für eine abhängige Beschäftigung nunmehr zu Grunde zu legen war, ob kein versicherungspflichtiger Arbeitnehmer beschäftigt wurde, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig im Monat die Geringfügigkeitsgrenze von 630 DM bzw 325 Euro überstieg, wurde eine Verdienstgrenze eingeführt, die es erschweren sollte, die Vermutung einer abhängigen Beschäftigung durch nur geringfügige Beschäftigung eines auf Grund der Zusammenrechnung mehrerer geringfügiger Beschäftigungen versicherungspflichtigen Arbeitnehmers zu umgehen (vgl BT-Drucks 14/1855 S 6). Soweit damit durch die Neufassung des § 7 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB IV verhindert werden sollte, dass der Beschäftigung eines Arbeitnehmers in mehr als geringfügigem Umfang und damit in der Regel mit einem Arbeitsentgelt über 630 DM bzw 325 Euro die Beschäftigung eines Arbeitnehmers in nur geringfügigem Umfang mit einem Arbeitsentgelt unterhalb dieser Grenze gleichstand, wenn dieser wegen der Zusammenrechnung mit einer weiteren Beschäftigung gemäß § 8 Abs 2 SGB IV versicherungspflichtig wurde, ist dieser Regelungszweck auch auf die Neufassung des § 2 Satz 1 Nr 9 Buchst a SGB VI übertragbar. Er entspricht der Auslegung von § 2 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB VI, wonach die Versicherungspflicht des Selbstständigen auch dann eintritt, wenn er einen nur wegen der Zusammenrechnung mit einer anderen Beschäftigung gemäß § 8 Abs 2 SGB IV versicherungspflichtigen Arbeitnehmer lediglich in geringfügigem Umfang beschäftigt. Eine mit der Gesetzesänderung bezweckte darüber hinausgehende Ausweitung der Versicherungspflicht, die bei der Entgeltgrenze von “630 DM” zwingend auf das Arbeitsentgelt für einen einzelnen Arbeitnehmer abstellt, ergibt sich auch nicht aus dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens. Zu § 7 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB IV ist vielmehr im Gesetzesentwurf ausgeführt, dass die Vermutung einer abhängigen Beschäftigung dann nicht gelten solle, wenn der Selbstständige mehrere versicherungsfreie Arbeitnehmer mit Entgelten jeweils unterhalb dieser Grenze beschäftige, deren Entgelte jedoch zusammengerechnet 630 DM übersteigen (vgl BT-Drucks 14/1855 S 6). Im Bericht zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung wird dann allerdings eine Zusammenrechnung ausgeschlossen (BT-Drucks 14/2046 S 12). Diese unterschiedlichen Aussagen machen deutlich, dass der Wortlaut der Vorschrift offen ist. Selbst wenn aber zu Grunde gelegt würde, dass § 7 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB IV in der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung eine solche Zusammenrechnung nicht zugelassen hätte, könnte dieser Norminhalt auf Grund der unterschiedlichen Regelungszwecke nicht auf die Voraussetzung des Buchst a für die Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI übertragen werden. Während als ein Kriterium für die Vermutung einer abhängigen Beschäftigung die Nichtbeschäftigung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers mit einem Arbeitsentgelt bis zu 630 DM angesehen werden kann, weil ein abhängig Beschäftigter im Gegensatz zum Selbstständigen die von ihm zu erbringende Arbeitsleistung in der Regel nicht auf andere Personen übertragen kann (vgl BT-Drucks 14/45 S 19), dient das Merkmal des § 2 Satz 1 Nr 9 Buchst a SGB VI der Abgrenzung zwischen schutzbedürftigen und nicht schutzbedürftigen Selbstständigen. Auch spricht die zeitgleich erfolgte Neufassung des § 2 Satz 2 SGB VI, deren Notwendigkeit in der Harmonisierung einer in der Praxis unterschiedlichen Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs in § 2 Satz 1 Nr 1, 2 und 7 sowie Nr 9 SGB VI im Hinblick auf Auszubildende gesehen wurde (vgl BT-Drucks 14/1855 S 8 f), dafür, die Auslegung des § 2 Satz 1 Nr 9 Buchst a SGB VI an § 2 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB VI zu orientieren. Nur so wird die andernfalls den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 GG berührende unterschiedliche Behandlung der in § 2 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB VI genannten Selbstständigen einerseits und der von der Regelung des § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI erfassten Selbstständigen andererseits vermieden.
Die Klägerin war damit im Zeitraum vom 1. Januar bis 25. April 1999 bereits deshalb nicht gemäß § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI versicherungspflichtig, weil sie nach den Feststellungen des LSG in diesem Zeitraum im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit Arbeitnehmer beschäftigte, deren zusammengerechnete Arbeitsentgelte den Betrag von 630 DM überstiegen.
b) Im Ergebnis zu Recht hat das LSG auch das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Befreiung gemäß § 6 Abs 1a SGB VI verneint. Eine Befreiung nach dieser Vorschrift setzt ebenfalls bereits nach ihrem Wortlaut voraus, dass Versicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI eingetreten ist. Hieran fehlte es, wie oben ausgeführt, im Zeitraum vom 1. Januar bis 25. April 1999, für den die Befreiung begehrt wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1479322 |
BSGE 2006, 238 |