Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldzuschlag. Baukindergeld. Steuerermäßigung. Verfassungsmäßigkeit. Verfassungswidrigkeit. Familienlastenausgleich. duales System
Leitsatz (amtlich)
Für die Berechnung des Kindergeldzuschlags (§ 11a BKGG) kommt es nicht darauf an, ob der Berechtigte ihm an sich zustehendes Baukindergeld (§ 34f EStG) hat ausnutzen können. Dies ist nicht verfassungswidrig
Normenkette
BKGG § 11a; EStG § 34f; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 30.10.1992; Aktenzeichen L 13 Kg 18/92) |
SG Dortmund (Entscheidung vom 17.01.1992; Aktenzeichen S 5 Kg 124/90) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Oktober 1992 wird zurückgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt einen höheren Zuschlag zum Kindergeld mit der Begründung, die Steuerermäßigung nach § 34f Einkommensteuergesetz (EStG), das Baukindergeld, habe sich steuerlich bei ihm nicht ausgewirkt.
Der Kläger ist Bediensteter der beklagten Landes. Im Jahr 1987 wurden bei ihm fünf Kinder kindergeldrechtlich berücksichtigt; sein zu versteuerndes Jahreseinkommen für dieses Jahr wurde auf minus DM 808,– festgesetzt (Steuerbescheid vom 4. Juli 1989 in Berichtigung des Steuerbescheides vom 19. August 1988); die Steuerfestsetzung erfolgte nach § 32a Abs. 5 EStG (Splitting-Verfahren). Auf dieser Grundlage errechnete die Beklagte (Bescheid vom 23. August 1988 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 1990 sowie des Schriftsatzes des beklagten Landes vom 12. Dezember 1990) für 1987 einen Zuschlag zum Kindergeld in Höhe von DM 2.172,–.
Mit seiner auf Zahlung eines (in Anwendung der Höchstbetragsregelung des § 11 a Abs. 6 Satz 1, 2. Halbsatz Bundeskindergeldgesetz ≪BKGG≫) um DM 564,– höheren Kindergeldzuschlages für das Jahr 1987 gerichteten Klage hatte der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) und dem Landessozialgericht (LSG) keinen Erfolg (Urteil des SG vom 17. Januar 1992 – unter Zulassung der Berufung –; Urteil des LSG vom 30. Oktober 1992). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe den Kindergeldzuschlag für 1987 richtig berechnet. Das nach § 11 a Abs. 1 BKGG maßgebliche zu versteuernde Einkommen ergebe sich aus der Summe der der Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nach § 2 Abs. 1 und 2 EStG, vermindert um die in § 2 Abs. 3 bis 5 EStG genannten Abzüge. Weitere Abzüge seien nicht möglich. Diese Regelung verstoße auch nicht gegen Art. 3 und 6 Grundgesetz (GG). Der Gesetzgeber sei verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, die Subvention des Baukindergeldes nach § 34f EStG in der vom Kläger gewünschten Form bei der Berechnung des Kindergeldzuschlages zu berücksichtigen.
Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision des Klägers. Er rügt eine Verletzung der Art. 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG. Dem Steuerpflichtigen, der das Baukindergeld nicht in Anspruch nehmen könne, weil er wegen seines geringen Einkommens keine Steuern zahlen müsse, sei ein höherer Kindergeldzuschlag zu gewähren. Außerdem sei zweifelhaft, ob die Einkommensbesteuerung des Klägers im Jahr 1987 zzgl des ihm gewährten Kindergeldes für fünf Kinder seiner Familie das Existenzminimum belassen habe (Hinweis auf Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫ vom 29. Mai 1990, BVerfGE 82, 60).
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Dortmund vom 17. Januar 1992 und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Oktober 1992 abzuändern und das beklagte Land unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 23. August 1989 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. März 1990 zu verurteilen, dem Kläger weitere DM 564,– nebst 4 % Zinsen seit dem 22. Februar 1989 zu zahlen.
Das beklagte Land beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es hat aus dem dem Kläger im Jahre 1987 gewährten ungekürzten Kindergeld zzgl des steuerlichen Freibetrages für fünf Kinder einen (teilweise fiktiven) Steuerfreibetrag von insgesamt DM 58.783,– errechnet; dieser Betrag liege aber deutlich höher als die Belastung für den Unterhalt seiner fünf Kinder. Damit sei die Steuerfreiheit des Existenzminimums der Kinder iS der vom Kläger herangezogenen Entscheidung des BVerfG bereits gewährleistet, ohne daß es der Berücksichtigung weiterer Steuerfreibeträge, etwa der Umrechnung des sogenannten Baukindergeldes in einen Freibetrag, bedürfe.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet.
Er hat keinen Anspruch auf einen höheren Kindergeldzuschlag (§ 11 a BKGG) für das Jahr 1987.
Das beklagte Land hat den Kindergeldzuschlag in Höhe von (12 × DM 181,– =) DM 2.172,– richtig berechnet:
Auszugehen ist von dem zu versteuernden Einkommen nach § 2 Abs. 5 EStG (§ 11 a Abs. 1 Satz 1 BKGG). Dieses betrug beim Kläger für das Jahr 1987 minus DM 808,–. Diesem zu versteuernden Einkommen ist der Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG, wegen Anwendung des Splitting-Tarifs das Zweifache dieses Betrages, gegenüberzustellen (§ 11 a Abs. 1 Satz 1, Satz 3 BKGG); für das Jahr 1987 also DM 4.536,– bzw DM 9.072,–. Da das zu versteuernde Einkommen negativ war, ist es zu dem genannten Grundfreibetrag hinzuzuzählen (§ 11 a Abs. 1 Satz 2 BKGG); hieraus ergibt sich, als Grundlage der Berechnung des Kindergeldzuschlages, ein Unterschiedsbetrag (§ 11 a Abs. 6 Satz 1 BKGG) in Höhe von (DM 9.072,– + DM 808,– =) DM 9.880,–. Der Kindergeldzuschlag für das gesamte Jahr 1987 beträgt 22 % dieses Unterschiedsbetrages, also DM 2.173,60. Er entspricht damit der Steuer, die nach dem niedrigsten Einkommensteuersatz (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG) von jenem Unterschiedsbetrag zu zahlen gewesen wäre. Der monatliche Zuschlag wiederum beträgt 1/12 dieser Summe, also, unter Berücksichtigung der Rundungsvorschrift des § 20 Abs. 3 BKGG, DM 181,–/Monat. Hierdurch wird die Höchstgrenze des § 11 a Abs. 6 Satz 1, 2. Halbsatz (1/12 von 22 % der dem Kläger zustehenden Kinderfreibeträge) nicht überschritten: Fünf Kinderfreibeträge à DM 2.484,– (§ 32 Abs. 6 Satz 2 EStG) ergeben DM 12.420,–; hiervon 22 % ergeben einen Jahresbetrag von DM 2.732,40 oder einen (monatlichen) Vergleichswert von DM 228,–.
Der Kläger beanstandet, daß nicht in Anspruch genommenes Baukindergeld zu keinem höheren Anspruch auf Kindergeldzuschlag führt. Er weist darauf hin, daß ihm an sich das Baukindergeld nach § 34f Abs. 1 EStG zustand; dieses hätte DM 600,– für das zweite und jedes weitere Kind (also bei fünf Kindern, wie beim Kläger, DM 2.400,–) betragen. Diese Vergünstigung kam ihm jedoch nicht zugute, weil bei einem zu versteuernden Einkommen unterhalb des Grundfreibetrages nach § 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG (DM 9.072,–, siehe oben) ohnehin keine Einkommensteuer zu zahlen ist. Steuerermäßigungen – dh Absetzungen von der Steuerschuld – können unter solchen Umständen von vornherein nicht zum Tragen kommen. Der Kläger meint nun, daß dieser ihm entgangene steuerliche Vorteil durch einen höheren Kindergeldzuschlag zu kompensieren sei.
Wegen des eindeutigen Gesetzeswortlauts (s oben) ist dies auf der Grundlage des geltenden Rechts nicht möglich. Die Regelung des § 11 a BKGG knüpft an das Steuerrecht an. Nach der Vorschrift des § 11 a Abs. 1 Satz 2 BKGG wird das zu versteuernde Einkommen bei der Berechnung des Kindergeldzuschlags „berücksichtigt, soweit und wie es der Besteuerung zugrunde gelegt wurde”. Hieraus ergibt sich eine Bindung der Kindergeldbehörden an die entsprechende Entscheidung der Finanzverwaltung (BSG vom 6. August 1992, SozR 3-5870 § 11 a Nr. 3 S 13). Die hierdurch ua bezweckte Verwaltungsvereinfachung verbietet es, für die Berechnung des Kindergeldzuschlags einen anderen Wert als das zu versteuernde Einkommen (§ 2 Abs. 5 EStG) zugrunde zu legen. Die vom Kläger angestrebte Lösung würde den Kindergeldbehörden weitere Prüfungen und Berechnungen auferlegen und ist damit weder im Wege der Auslegung noch einer Analogie mit dem Gesetz vereinbar.
Der Senat folgt dem Kläger auch insoweit nicht, als dieser sein Begehren auf Verfassungsrecht stützt. Der Senat läßt dabei offen, ob eine Verfassungswidrigkeit des § 34f EStG, die durch eine Änderung der Regelung des § 11 a BKGG korrigiert werden könnte, (auch) zu deren Verfassungswidrigkeit führt. Eine für verfassungswidrig erachtete Rechtslage, die sich aus dem Zusammenwirken mehrerer Einzelregelungen ergibt, kann zwar grundsätzlich an Hand jeder der betroffenen Normen zur verfassungsgerichtlichen Prüfung gestellt werden (BVerfG vom 29. Mai 1990, BVerfGE 82, 60 Leitsatz 1). Eine Norm ist jedoch nicht schon deshalb verfassungswidrig, weil sie von ihrem Regelungsgegenstand her geeignet ist, dem Gesetzgeber durch ihre Änderung die Behebung eines – auch oder sogar in erster Linie durch eine andere Norm geschaffenen – verfassungswidrigen Zustands zu ermöglichen. Hinzu kommen muß vielmehr, daß die Norm objektiv erkennbar dem Regelungsziel dient, das in verfassungswidriger Weise verfehlt worden ist (BVerfGE 82, 60, 85; verneint vom Senat im Urteil vom 29. Oktober 1992 – 10 RKg 19/91 – für das Verhältnis Kindergeldrecht/beamtenrechtliche Alimentationspflicht). Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob dies im Verhältnis von Baukindergeld zum Kindergeld-Zuschlag der Fall ist. Denn § 34f Abs. 1 EStG ist weder allein noch in Verbindung mit dem Kindergeldrecht verfassungswidrig.
Das durch das Zweite Haushaltsstrukturgesetz vom 22. Dezember 1981 (BGBl I, 1523) eingeführte Baukindergeld (§ 34f EStG) verwirklichte die Absicht des Gesetzgebers, die Steuervergünstigungen für Eigenheime um eine „familienfreundliche Komponente” zu ergänzen; bei Steuerpflichtigen mit zwei oder mehr Kindern erschien eine besondere Förderung des Erwerbs von Wohneigentum geboten (BT-Drucks 9/843, S 10). Das Baukindergeld ist als Steuerermäßigung ausgestaltet. Diese Form einer Steuervergünstigung hat der Gesetzgeber mit Bedacht gewählt. Denn eine Steuerermäßigung führt in der Regel dazu, daß die entsprechenden Vorteile für alle Steuerpflichtigen gleichmäßig zu Buche schlagen, dh hier einen Vermögensvorteil von netto DM 600,–/Jahr für jedes berücksichtigungsfähige Kind bewirken. Durch das Baukindergeld sollte damit unabhängig von der Steuerprogression im Einzelfall jedem Steuerpflichtigen der gleiche Betrag zur Erleichterung der Schaffung von Wohneigentum zukommen (vgl BT-Drucks 9/843, S 10). Demgegenüber wirken die Vergünstigungen des § 7b bzw § 10e EStG progressionsabhängig, dh je nach Steuersatz unterschiedlich, so daß der Netto-Vorteil hierdurch für Geringverdiener kleiner ist als für Höherverdienende. Sie führen freilich auch zu einem niedrigeren zu versteuernden Einkommen und damit uU zu einem höheren Kindergeldzuschlag (s § 11 a Abs. 1 iVm Abs. 6 BKGG).
Verfassungswidrig ist aber weder die geschilderte Ausgestaltung des Baukindergeldes noch der Umstand, daß § 11a BKGG keine Rücksicht darauf nimmt, ob der Berechtigte diese Steuerermäßigung ausnutzen konnte. Zwar geht die (zusätzliche) kinderbezogene Förderung des Eigenheimbaus ins Leere, wenn – wie im Falle des Klägers – die steuerpflichtigen Einkünfte von vornherein so gering sind, daß bereits die allgemeine Grundförderung von Wohneigentum (§ 7b bzw § 10e EStG) zur völligen Entlastung der Einkommensteuer führt (siehe Dankmeyer/Gilroy/Puhl, Einkommensteuer, Komm, § 34f RdNr. 5 – Stand: Juni 1990 –; Stuhrmann in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Komm zum EStG, § 34f RdNr. 41 – Stand: Februar 1994 –). Hieraus folgt jedoch keine Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift.
Prüfungsmaßstab kann insoweit lediglich der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sein. Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG („Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung”) ergibt sich nicht daraus, daß dem Kläger eine Leistung vorenthalten würde, die Kinderlosen zustünde (hierzu BSG vom 8. Dezember 1993 – 10 RKg 2/93, Umdruck S 9 f). Denn auf das Baukindergeld haben nur Familien mit Kindern Anspruch. Auch kann weder aus Art. 6 Abs. 1 GG noch aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) ein Anspruch des Klägers auf eine kindbezogene staatliche Bauförderung – gleich welcher Art – abgeleitet werden (vgl BVerfG vom 29. Mai 1990, BVerfGE 82, 60, 99 f zur Berücksichtigung der Absetzungen nach § 7b EStG bei der Berechnung des Kindergeldes). Deshalb sei nur am Rande darauf hingewiesen, daß im maßgeblichen Jahre 1987 die staatliche Bauförderung durchaus auch außerhalb des Baukindergeldes auf die Belange einkommensschwächerer kinderreicher Familien Rücksicht genommen hat. So erstreckte sich die Förderung nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (II. WoBauG) für Ehepaare mit fünf Kindern damals auch auf Familieneinkommen wie das des Klägers (vgl § 25 II. WoBauG idF des Wohnungsrechtsvereinfachungsgesetzes 1985 – BGBl I 1277), da für jedes Kind DM 8.000,– berücksichtigt wurden; bei dieser Förderung wirkten sich Kinder auch in anderer Weise begünstigend aus (so bei der förderungsfähigen Wohnungsgröße – § 39 II. WoBauG – bzw beim zinslosen Familienzusatzdarlehen – § 45 II. WoBauG). Entsprechendes gilt für den Lastenzuschuß nach dem Wohngeldrecht, der Einkommensschwachen und Kinderreichen in besonderem Maße die Finanzierung eines Eigenheims erleichtert. Familien, die von der Vergünstigung des § 34 f EStG nicht oder nur zum Teil profitieren, erschließen sich so andere Förderungsmöglichkeiten, die im Entlastungseffekt dem des § 34 f EStG keinesfalls nachstehen.
Daß der Gesetzgeber die Vergünstigung des Baukindergeldes nach § 34f Abs. 1 EStG nur solchen Bürgern (voll) gewährt, die an sich Steuern (in jener Höhe) zu entrichten haben, wäre im übrigen auch ohne jene zusätzlichen Förderungsmöglichkeiten nicht gleichheitswidrig. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist verletzt, wenn der Staat eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (stRspr des BVerfG, zB BVerfGE 82, 60, 86 mwN).
Die hiernach zu fordernde Rechtfertigung der Ungleichbehandlung einerseits jener, denen die Vergünstigung des Baukindergeldes zugute kommt und andererseits jener, die sie trotz Erfüllung ihrer Voraussetzungen im übrigen deshalb nicht ausnützen können, weil sie bereits aus anderen Gründen keine Steuern zu zahlen haben, liegt gerade in jenem Unterscheidungsmerkmal: Dem Gesetzgeber steht frei, für eine – nach der Verfassung nicht gebotene – Förderung nicht den Weg einer (Sozial-)Leistung, sondern einer steuerlichen Vergünstigung zu wählen. Daß eine solche nur jenen nützt, die auch Steuern zahlen, kann nicht als sachwidrig angesehen werden. Denn dadurch wird lediglich deren unterschiedlicher Bedarfslage Rechnung getragen: Wer keine Steuern zu zahlen hat, bedarf auch keiner zusätzlichen steuerlichen Förderung.
Ebensowenig sachwidrig ist es aber auch, wenn der Gesetzgeber diese Förderung nicht progressionsabhängig, sondern als (reine) Steuerermäßigung ausgestaltet. Dies gilt auch dann, wenn er damit im Ergebnis eine Ersatz-Förderung auf anderen Rechtsgebieten (hier: dem Kindergeldrecht) verhindert.
Gerade wenn der Gesetzgeber eine neuartige Leistung schafft, hier: mit dem Baukindergeld eine familienabhängige Komponente der steuerlichen Bauförderung, steht ihm ein erhebliches sozialpolitisches Gestaltungsermessen zu. Er kann grundsätzlich frei bestimmen, ob, ab wann, in welcher Höhe und gegenüber welchem Personenkreis er mit der beabsichtigten Verbesserung beginnen will (BSG vom 1. September 1988, SozR 2200 § 1225a Nr. 20 S 65; vgl BVerfG vom 11. März 1975, BVerfGE 39, 148, 153 ff mwN). Die Forderung, er müsse im Interesse sozialer Gerechtigkeit überall strikte Gleichförmigkeit schaffen, könnte dazu führen, daß Reformen, die sich aus verschiedensten Gründen nur schrittweise verwirklichen lassen, von vornherein unterblieben – ein Ergebnis, das die Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit gerade hemmen würde (BVerfG vom 18. Juni 1975, BVerfGE 40, 121, 140; vgl auch BVerfG vom 16. Juli 1987, BVerfGE 69, 272, 304). Insbesondere können dem Gesetzgeber über den Gleichheitssatz auch nur mit größter Zurückhaltung zusätzliche Leistungsverpflichtungen auferlegt werden (BVerfG vom 9. Februar 1982, BVerfGE 60, 16, 42).
Deshalb kann aus dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG nicht beanstandet werden, daß der Gesetzgeber Leistungsverbesserungen für das Baukindergeld erst nach und nach beschlossen hat. So gibt es Baukindergeld auch für das erste Kind erst für Wohnungen, die nach dem 31. Dezember 1986 angeschafft oder hergestellt wurden (§ 34f Abs. 2 iVm § 10e Abs. 1 EStG). Auch die dem Anliegen des Klägers entgegenkommende Möglichkeit, nicht ausgenutztes Baukindergeld auf andere Veranlagungszeiträume zu verschieben (§ 34f Abs. 3 Satz 3 und 4 EStG), ist neueren Datums und setzt Anschaffung oder Herstellung nach dem 30. September 1991 voraus (§ 52 Abs. 24 Satz 4 iVm Abs. 14 Satz 3 EStG idF des Steueränderungsgesetzes 1992, BGBl I 297).
Zwar könnte eine Ungereimtheit darin gesehen werden, daß § 34f Abs. 1 EStG, die im Jahre 1987 auf den Kläger anwendbare Regelung, die zusätzliche kindbezogene Bauförderung jenen vorenthält, die aufgrund geringer steuerpflichtiger Einkünfte keine Steuer zu entrichten haben. Aus einer derartigen Systemwidrigkeit kann eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG jedoch nicht abgeleitet werden (stRspr des BVerfG, s BVerfG vom 26. April 1988, BVerfGE 78, 104, 123 mwN). Auch dann, wenn die Regelung im einzelnen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung getroffen hat, bedeutet dies noch keinen Verfassungsverstoß (BVerfG vom 27. Januar 1982, BVerfGE 59, 287, 300).
Auf dieser Grundlage aber bestand für den Gesetzgeber keine Pflicht, die Steuerermäßigung nach § 34f Abs. 1 EStG dann durch eine Erhöhung des Kindergeldzuschlages nach § 11 a BKGG zu kompensieren, wenn sie mangels Einkommensteuerpflicht nicht ausgenutzt werden kann. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Sozialleistung des Kindergeldzuschlags ihrerseits verfassungsrechtlich geboten war oder nicht. Sie wurde aus Gründen „sozialer Gerechtigkeit” als Ausgleich des ab 1986 auf DM 2.484,– aufgestockten einkommensteuerlichen Kinderfreibetrags für denjenigen Personenkreis geschaffen, der mangels hinreichenden Einkommens den Kinderfreibetrag nicht (voll) nutzen kann (BT-Drucks 10/2886, S 7). Anders als der Kinderfreibetrag als Teil des dualen Systems des Familienlastenausgleichs (hierzu BVerfGE 82, 60, 78 f) ist jedoch das Baukindergeld, wie aufgezeigt, keine verfassungsrechtlich geforderte Ausgleichsmaßnahme. Seine Berücksichtigung beim Kindergeldzuschlag kann daher ebensowenig aus Art. 3 Abs. 1 GG hergeleitet werden wie eine steuerrechtliche Lösung, die auch Personen begünstigt, die keine Einkommensteuer zu entrichten haben.
Schließlich kann der Kläger keine Ansprüche daraus herleiten, daß der Staat gemäß Art. 3 Abs. 1 iVm Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet ist, das Einkommen zumindest insoweit steuerfrei zu belassen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird; insbesondere muß bei der Besteuerung in der Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei bleiben (BVerfG vom 29. Mai 1990, BVerfGE 60, 83 ff). Dies war für den Kläger im maßgeblichen Jahr 1987 bereits deshalb gewährleistet, weil er insoweit überhaupt keine Steuern zu entrichten hatte (zur Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Kindergeldes im Jahre 1987 s BVerfG vom 14. Juni 1994, NJW 1994, 2817).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen
Haufe-Index 1049490 |
Breith. 1995, 788 |