Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Risikostrukturausgleich. vorläufiger Jahresausgleich für 1994. Erledigung in endgültigen Bescheid über Jahresausgleich für 1994. Erledigung akzessorische Zinsansprüche. Metropolkasse
Leitsatz (amtlich)
- Im Risikostrukturausgleich fand der vorläufige Bescheid über den vorläufigen Jahresausgleich für 1994 mit Erlass des endgültigen Bescheides über den Jahresausgleich für 1994 in vollem Umfang seine Erledigung.
- Mit der Erledigung von Zahlungsgeboten im vorläufigen Jahresausgleich für 1994 erledigten sich auch Verwaltungsakte über akzessorische Zinsansprüche.
- Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, bei der Ausgestaltung des Risikostrukturausgleichs der besonderen Situation sogenannter Metropolkassen Rechnung zu tragen.
Normenkette
SGB V § 266 Abs. 6 S. 7, Abs. 7 S. 1 Nr. 6, § 267 Abs. 3; RSAV § 25 Abs. 1, 3; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1; SGG § 96 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 15. Januar 2002 und das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Februar 1998 aufgehoben, soweit sie die Bescheide der Beklagten vom 4. Dezember 1995 und 17. Juni 1996 betreffen.
Im Übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt für das Kalenderjahr 1994 eine höhere Ausgleichszahlung im Rahmen des Risikostrukturausgleichs (RSA) nach den §§ 266, 267 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) und der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (RSAV); sie wendet sich außerdem gegen ihr auferlegte Verzugszinsen.
1. Die Klägerin ist eine Innungskrankenkasse (IKK) mit Sitz in Hamburg und derzeit 29 Trägerinnungen (§ 1 Abs 4 der Satzung). Sie hat sich gemäß § 173 Abs 2 Nr 4 SGB V ab 1996 geöffnet; nach § 1 Abs 5 ihrer Satzung gilt dies für Regionen iS des § 143 Abs 1 SGB V, in denen Mitgliedsbetriebe der Trägerinnungen bestehen.
2. Das Bundesversicherungsamt (BVA), das den RSA durchführt, erteilte der Klägerin zunächst den Bescheid vom 4. Dezember 1995 über die Berechnung des vorläufigen Jahresausgleichs für 1994 nach § 25 RSAV. Der Bescheid wies eine Finanzkraft von 166.330.328,43 DM aus (Position 11 des Bescheides). Dem stand eine Gesamtsumme des Beitragsbedarfs von 175.795.654,11 DM gegenüber (Position 4). Für die Klägerin ergab sich im RSA ein Ausgleichsanspruch von 9.465.325,68 DM (Position 12). Da die Klägerin Abschlagszahlungen von 12.541.033,58 DM erhalten hatte (Position 13), ergab sich zu ihren Lasten ein Ausgleichsbetrag von 3.075.707,90 DM (Position 14). Der Bescheid enthielt den Hinweis, der Betrag werde mit Bekanntgabe des Ausgleichsbedarfssatzes fällig. Es werde gebeten, ihn unter Beachtung des § 17 Abs 5 Satz 2 RSAV spätestens am 18. Dezember 1995 auf das Konto der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zu überweisen. Die Klägerin hat gegen den Bescheid am 4. April 1996 Klage erhoben (Az: 23 KR 112/96).
3. Unter dem 17. Juni 1996 erließ das BVA den Bescheid über die Feststellung und Zahlung von Verzugszinsen für den Zeitraum vom 18. Dezember bis 29. Dezember 1995 in Höhe von 4.699,00 DM. Entgegen der Aufforderung im Bescheid vom 4. Dezember 1995 sei die Zahlung erst am 29. Dezember 1995 eingegangen. Wegen der verspäteten Zahlung der 3.075.707,90 DM (11 Zinstage, Zinssatz 5 %) sei die BfA gezwungen gewesen in Vorleistung zu treten, um ihren Verpflichtungen gegenüber ausgleichsberechtigten Krankenkassen nachkommen zu können. Der Zinsverlust der BfA sei von der Klägerin auszugleichen. Auch gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 1. Juli 1996 Klage erhoben (Az: 23 KR 230/96).
4. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 1998 vor dem Sozialgericht (SG) in der erstgenannten Streitsache 23 KR 112/96 haben sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt, dass zugleich in der Streitsache 23 KR 230/96 verhandelt und entschieden wird. Das BVA hat außerdem den Bescheid vom 4. Dezember 1996 über die Berechnung des endgültigen Jahresausgleichs für 1994 nach § 25 RSAV überreicht. Darin wurden nunmehr die Finanzkraft (Position 11) mit 168.093.009,07 DM, die Gesamtsumme des Beitragsbedarfs (Position 4) mit 178.186.900,73 DM, der Ausgleichsanspruch (Position 12) mit 10.093.891,66 DM, die Höhe der Abschlagszahlungen (Position 13) mit 9.465.325,68 DM und der Ausgleichsbetrag zu Gunsten der Klägerin (Position 14) mit 628.565,98 DM angegeben. Die Klägerin hat daraufhin beantragt, die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 4. Dezember 1995 und vom 4. Dezember 1996 zu verurteilen, einen verfassungskonform höheren Ausgleichsbetrag für sie festzusetzen und den Bescheid vom 17. Juni 1996 dementsprechend zu ändern.
5. Das SG hat mit Urteil vom 26. Februar 1998 die Klagen abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung seines Urteils vom 15. Januar 2002 im Wesentlichen ausgeführt: Das Rechtsmittel erweise sich als unbegründet. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Die Klagen gegen die Bescheide vom 4. Dezember 1995 und vom 4. Dezember 1996 seien zulässig. Für eine Beschwer genüge, dass die Klägerin im Bescheid vom 4. Dezember 1995 verpflichtet werde, einen Ausgleichsbetrag von 3.075.707,90 DM zurückzuzahlen. Der weitere Bescheid vom 4. Dezember 1996 sei gemäß § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des bereits anhängigen Verfahrens geworden. Die Klagen gegen die Bescheide vom 4. Dezember 1995 und vom 4. Dezember 1996 seien nicht unzulässig geworden, weil die Klägerin gegen den weiteren Bescheid vom 11. Februar 1999 über den Jahresausgleich für 1997, der eine Korrektur für das Jahr 1994 enthalte, gesondert Klage beim SG Köln erhoben habe. Zwischen den Beteiligten sei die einfachgesetzliche und rechnerische Richtigkeit der im vorliegenden Verfahren angefochtenen Ausgleichsbescheide nicht im Streit. Der Zinsanspruch ergebe sich aus den §§ 17 und 19 RSAV; die Klägerin habe trotz Fälligkeit am 7. Dezember 1995 erst am 29. Dezember 1995 gezahlt. Ihr stehe ein höherer als der festgesetzte Ausgleichsanspruch auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu. Insbesondere lägen keine Verstöße gegen Art 3 Abs 1 und Art 20 Grundgesetz (GG) vor, weil der RSA grob zielungenau, sozialstaatswidrig, unverhältnismäßig, willkürlich und insgesamt der Erreichung von Beitragsstabilität und dem Abbau von Wettbewerbsverzerrungen nicht hinreichend förderlich wäre. Der Gesetzgeber habe deshalb auch die besondere Situation von Kassen mit sog Metropolfunktion unberücksichtigt lassen dürfen.
6. Die Klägerin wendet sich gegen diese Entscheidung mit der Revision, die sie verfassungsrechtlich begründet: Der Gesetzgeber habe es insbesondere unterlassen, den regional unterschiedlichen Risikostrukturen, hier den Besonderheiten rein städtisch geprägter Kassen, Rechnung zu tragen. Der RSA werde auf diese Weise zielungenau und sozialstaatswidrig. Er erweise sich für regional zuständige Kassen in Metropolen als ungeeignet, um unter Berücksichtigung der großen Versorgungsdichte und deren hoher Inanspruchnahme auf der Basis ebenfalls überdurchschnittlicher Grundlöhne zu einem kostendeckenden Beitragssatz zu gelangen. Durch das Abschöpfen des Einnahmevorteils und die gleichzeitige Standardisierung der Leistungsausgaben werde ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. Die derzeit in den RSA einfließenden Risikofaktoren seien daher willkürlich ausgewählt und verstießen gegen Art 3 Abs 1 GG, auf den sich auch sie (die Klägerin) als Krankenkasse stützen könne. Es bedürfe einer Ergänzung durch den weiteren Faktor “Regionalsituation”. Darüber hinaus beeinträchtige der RSA Grundrechte ihrer Mitglieder aus Art 2 Abs 1 GG und der Arbeitgeber jedenfalls aus Art 12 Abs 1 GG. Er habe im Übrigen auch tatsächlich nicht zu einer Lösung der Finanzierungsprobleme in der Krankenversicherung geführt. Sie (die Klägerin) könne die für sie ungünstige Lage derzeit weder durch eine Fusion mit anderen Kassen bewältigen noch habe sie von diesen finanzielle Hilfen zu erwarten. Rechtspolitisch ergäben sich demgegenüber verfassungsgemäße Alternativen. Die Klägerin verweist hierzu auf ein Gutachten von Prof. Dr. Stiebeler “Zur Verfassungsmäßigkeit des Risikostrukturausgleichs gemäß § 266 Sozialgesetzbuch V” aus dem Jahre 1995.
Sie beantragt,
das Urteil des LSG vom 15. Januar 2002 sowie das Urteil des SG vom 26. Februar 1998 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide vom 4. Dezember 1995, 17. Juni 1996 und 4. Dezember 1996 zu verurteilen, einen verfassungskonform höheren Ausgleichsanspruch für sie festzusetzen,
hilfsweise den Rechtsstreit unter Aufhebung des Urteils des LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die angefochtenen Urteile seien zutreffend und die Bescheide rechtmäßig. Mit ihren verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den RSA könne die Klägerin nicht durchdringen. Der Gesetzgeber habe sich auf die im geltenden Recht verankerten Risikofaktoren beschränken dürfen und sei zu einer zusätzlichen Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten nicht verpflichtet. Diese würde im Gegenteil zu einem Bruch der vom Gesetzgeber bisher verfolgten einnahmeorientierten Zielrichtung des RSA führen und dem Bemühen um Wirtschaftlichkeitsanreize zuwiderlaufen. Die Durchführung des RSA habe bei der Klägerin, die mit einem Beitragssatz von 14,7 % um 0,2 Prozentpunkte unter der örtlichen Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) liege und deren Vermögenssituation keineswegs Besorgnis erregend sei, bisher nicht zu einer Existenzgefährdung geführt. Als Träger öffentlicher Verwaltung sei die Klägerin nicht grundrechtsfähig. Ein Verstoß gegen die allgemeine Handlungsfreiheit des Art 2 GG sei durch die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele, gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und Beitragssatzunterschiede zu begrenzen, gerechtfertigt. Eine Verletzung von Grundrechten der Arbeitgeber sei nicht ersichtlich.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin erweist sich nur zum geringen Teil als begründet. Das LSG hat das Urteil des SG zu Unrecht bestätigt, soweit dieses nach Erteilung des endgültigen Bescheides vom 4. Dezember 1996 über den Jahresausgleich für 1994 noch über den vorläufigen Bescheid vom 4. Dezember 1995 zum vorläufigen Jahresausgleich für 1994 und den allein hierauf bezogenen Zinsbescheid vom 17. Juni 1996 entschieden hat. Die Bescheide vom 4. Dezember 1995 und vom 17. Juni 1996 hatten durch den Erlass des endgültigen Bescheides vom 4. Dezember 1996 ihre Erledigung gefunden und waren vom Klagebegehren nicht mehr erfasst. Im Übrigen, dh hinsichtlich des Bescheides vom 4. Dezember 1996, hat die Revision der Klägerin keinen Erfolg. Das LSG hat insofern die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil der ersten Instanz zutreffend zurückgewiesen. Das angegriffene Urteil steht mit Bundesrecht in Einklang.
1. Der vorläufige Bescheid vom 4. Dezember 1995 verkörperte ursprünglich jedenfalls folgende Regelungen (Verwaltungsakte iS des § 31 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren ≪SGB X≫): 1. Zuerkennung eines Ausgleichsspruchs auf Zahlung von 9.465.325,68 DM, 2. Feststellung des sich nach Aufrechnung des Anspruchs auf Rückforderung der an die Klägerin geleisteten Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 12.541.033,58 DM mit dem Ausgleichsanspruch der Klägerin ergebenden Saldos mit 3.075.707,90 DM (Ausgleichsbetrag), 3. ein Zahlungsgebot an die Klägerin in Höhe des sich zu ihren Lasten ergebenden Saldos und 4. die Bestimmung des Fälligkeitstermins des zu leistenden Betrages mit dem 18. Dezember 1995. Er war ausdrücklich auf § 25 RSAV gestützt. Aus der Sicht eines verständigen, mit der Sache vertrauten sowie an Treu und Glauben orientierten Adressaten erhob er damit hinreichend bestimmt Anspruch auf Geltung von vorneherein nur auflösend bedingt. Seine Wirkung entfiel rückwirkend und endgültig zu dem Zeitpunkt (“zunächst”), in dem die Verhältniswerte (§ 5 RSAV) auf der Grundlage der im Jahre 1995 nach § 267 Abs 3 SGB V durchgeführten wieteren Erhebungen festgestellt wurden und als Grundlage zur “Berichtigung des vorläufigen Jahresausgleichs für das Geschäftsjahr 1994” dienen konnten (vgl zum unterschiedlichen rechtlichen Gehalt “vorläufiger Verwaltungsakte” etwa Bundesverwaltungsgericht ≪BVerwG≫ in BVerwGE 67, 99).
An die Stelle aller genannten Verwaltungsakte im Bescheid vom 4. Dezember 1995 sind damit rückwirkend und in vollem Umfang die jeweils entsprechenden endgültigen Regelungen im weiteren Bescheid vom 4. Dezember 1996 getreten: Der Ausgleichsanspruch wurde nunmehr zu Gunsten der Klägerin auf 10.093.891,66 DM festgesetzt. Ebenfalls zu ihren Gunsten wurde der “Ausgleichsbetrag” mit 628.565,98 DM festgesetzt; dieses im Bescheid nicht näher erläuterte Ergebnis erklärt sich rechnerisch daraus, dass die Aufrechnung der von der Klägerin geleisteten Vorauszahlungen gegen den nunmehr höheren Ausgleichsanspruch nur noch einen Ausgleichsbetrag in Höhe von 2.447.141,92 DM ergab und seinerseits mit den von der Klägerin bereits geleisteten 3.075.707,90 DM verrechnet wurde. Schließlich ergab sich auf diese Weise an Stelle des Zahlungsgebots an die Klägerin eine Zahlungszusage in Höhe von 628.565,98 DM. Damit waren die vorläufigen Regelungen zum vorläufigen Jahresausgleich für 1994 iS von § 131 Abs 1 Satz 3 SGG erledigt (erloschen). Denn einstweilige Verwaltungsakte sind von vorneherein auf Ersetzung durch endgültige angelegt und verlieren mit deren Erlass ohne Aufhebung ihre Bindungswirkung (vgl BSG in SozR 3-1300 § 31 Nr 10 sowie zum allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl, 2001, § 43 RdNr 37, 48, 192, 199; entsprechend auch zur Erledigung von Vorauszahlungsbescheiden und ihre vollständige Ersetzung durch den Einkommensteuerbescheid als künftig alleinige Grundlage des Anspruchs auf die Einkommensteuer BFHE 178, 11).
Der Hintergrund dieses Geschehens ergibt sich auf der Ermächtigungsgrundlage des § 266 Abs 7 Satz 1 Nr 6 SGB V (“… das Nähere über … das Verfahren und die Durchführung des Ausgleichs”) aus § 25 Abs 1 RSAV. Nach dessen Satz 1 erfolgte der Jahresausgleich für 1994 zunächst auf der Grundlage der Verhältniswerte, die nach den Ergebnissen der im Jahre 1994 durchgeführten Erhebungen nach § 267 Abs 3 SGB V festgestellt worden waren. Gemäß Satz 2 des § 25 Abs 1 RSAV war der vorläufige Jahresausgleich für 1994 auf der Grundlage der Verhältniswerte zu berichtigen, die nach den Ergebnissen der im Jahre 1995 durchgeführten Erhebung nach § 267 Abs 3 SGB V festgestellt worden sind. In den Motiven hierzu wurde ausgeführt, dass nach der Vereinbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen die erste Stichprobenerhebung aus technischen und organisatorischen Gründen erst für das zweite Halbjahr 1994 und im Jahr 1995 erneut eine Erhebung stattfinden sollte. Der Verordnungsgeber ging davon aus, dass die statistische Sicherheit der 1995 durchgeführten Erhebung voraussichtlich größer sei als die vorherige nur auf ein Halbjahr bezogene Datenerhebung. Daher sollte der erstmalig für 1994 durchzuführende RSA auf der Grundlage der Erhebungsergebnisse aus 1995 korrigiert werden (vgl BR-Drucks 611/93 S 64 f zu § 25 Abs 1 des Entwurfs). Ergebnis dieses Verfahrens kann nach seiner Funktion und dem normativ vorgegebenen zeitlichen Ablauf nur die endgültige Durchführung des Jahresausgleichs für 1994 in seiner Gesamtheit und nicht etwa nur eine punktuelle “Berichtigung” des vorläufigen Ausgleichs für die Zukunft sein. Dies ist vorliegend durch den endgültigen Bescheid vom 4. Dezember 1996 geschehen.
2. Gleichzeitig mit dem Bescheid vom 4. Dezember 1995 hat auch der Bescheid vom 17. Juni 1996 über die Zinsforderung der Beklagten in Höhe von 4.699,00 DM ersatzlos und endgültig seine Erledigung gefunden (§ 131 Abs 1 Satz 3 SGG). Unter diesen Umständen kann unerörtert bleiben, ob § 19 Abs 3 RSAV (in der hier noch einschlägigen Fassung vom 3. Januar 1994), der sich seinem Wortlaut nach auf Ausgleichsverpflichtungen der Kassen bezieht, auch als Rechtsgrundlage für Zinsen auf eine Rückforderung überhöhter monatlicher Ausgleichszahlungen in Betracht kommen kann. Ebenso braucht nicht näher darauf eingegangen zu werden, ob der Zinslauf – wovon der Bescheid vom 17. Juni 1996 ausgeht – tatsächlich bereits mit dem 18. Dezember 1995 oder, weil dieser Tag im Bescheid vom 4. Dezember 1995 ausdrücklich als spätester Termin für die vorzunehmende Überweisung benannt worden war, erst am Folgetag begann.
Der Bescheid vom 17. Juni 1996 ist in seinem Bestand in doppelter Weise von den Regelungen im Bescheid vom 4. Dezember 1995 abhängig (akzessorisch). Er setzt zunächst die äußere Wirksamkeit des Bescheides vom 4. Dezember 1995 voraus und stützt insbesondere ausdrücklich die Fälligkeit des angeforderten Betrages auf dessen Bekanntmachung und den Beginn des Zinslaufs auf den dort mitgeteilten Termin; ohne diese Festsetzungen als Bedingungen seiner rechtlichen Existenz ist er seinem Inhalt nach nicht denkbar. Nach Erlass des Bescheides vom 4. Dezember 1996 über den endgültigen Jahresausgleich für 1994 bestanden indes weder der im vorläufigen Bescheid vom 4. Dezember 1995 festgesetzte Ausgleichsbetrag in Höhe von 3.075.707,90 DM noch das entsprechende Zahlungsgebot an die Klägerin noch die hierauf bezogene Bestimmung des Fälligkeitstermins mit dem 18. Dezember 1995 fort. Als akzessorische Nebenforderung setzen Zinsen stets Ansprüche auf Geldleistungen voraus, auf die sie sich beziehen (vgl BSG in SozR 1200 § 44 Nr 18 und SozR 2100 § 76 Nr 1; ebenso in st Rspr der BFH: vgl exemplarisch etwa BFH/NV 1991, 212; BFHE 150, 4; BFHE 168, 13; BFH/NV 1994, 687; s im Übrigen die umfangreichen Nachweise bei Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung, 10. Aufl, Stand: März 1999, § 233 RdNr 2). Entfällt die Hauptforderung, geht damit mangels eines Gegenstandes der Verzinsung gleichzeitig der von der Hauptforderung abhängige Anspruch auf das laufzeitabhängige Entgelt als Mindestschaden für den Gebrauch des vorenthaltenen Kapitals mit unter (vgl bereits Urteil des Senats in USK 87 154 = EWiR 1988, 807). Eine Gebrauchswertvergütung ohne Anspruch auf die Hauptforderung ist unmöglich und durch den Bescheid vom 17. Juni 1996 auch nicht angeordnet worden. Nach Wegfall seiner inneren und äußeren Grundlagen mit Erledigung des Bescheides vom 4. Dezember 1996 hatte damit auch der akzessorische Zinsbescheid vom 17. Juni 1996 in vollem Umfang seine Erledigung gefunden (vgl allgemein zur Erledigung akzessorischer Verwaltungsakte Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG, 6. Aufl, 2001, § 35 RdNr 152 und § 43 RdNr 204 sowie BSG in SozR 3-2600 § 64 Nr 1).
Anders als etwa im Steuerrecht (vgl insbesondere § 233a Abs 5 der Abgabenordnung ≪AO≫) fehlt es für den vorliegenden Zusammenhang an einer Regelung, die unter grundsätzlicher Erhaltung des einmal ausgesprochenen Zahlungsgebots hinsichtlich der Zinsforderung dessen Anpassung an die geänderte Höhe und Rechtsnatur der Hauptforderung ermöglichen könnte. Einer derartigen Spezialregelung bedarf es jedoch, weil ein allgemeiner Verzinsungsgrundsatz im öffentlichen Recht und insbesondere im Sozialrecht nicht besteht (exemplarisch BSGE 56, 116, 118 = SozR 1200 § 44 Nr 10 mwN; BVerwGE 61, 100, 105; für das Steuerrecht ausdrücklich § 233 AO und hierzu Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, Stand: April 1999, § 233 AO RdNr 1). Das Problem der Zinserhebung beim RSA besteht ohnehin nicht mehr fort, nachdem das 2. GKV-Neuordnungsgesetz (2. GKV-NOG) und die nachfolgenden Änderungen der §§ 17, 19 RSAV als Folge verzögerter Zahlungen der Kassen nunmehr die Auferlegung von Säumniszuschlägen vorsehen (vgl im Einzelnen Urteil des Senats vom 24. Januar 2003 – B 12 KR 30/00 R – zur Veröffentlichung vorgesehen, unter 1.). Soweit sich im Zusammenhang der Geltendmachung von Zinsforderungen vorübergehend noch Finanzierungslücken auftun, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass der RSA nicht in jedem Augenblick seiner Abwicklung “Null-Summen-Spiel” sein kann.
3. Das SG war im Übrigen auch nicht etwa deshalb gehalten, über die Bescheide vom 4. Dezember 1995 und vom 17. Juni 1996 noch durch Urteil zu entscheiden, weil die Klägerin ihren Antrag in der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 1998 ausdrücklich auch hierauf erstreckt hat. Im sozialgerichtlichen Verfahren entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein (§ 123 SGG). Die erhobenen Ansprüche in diesem Sinn, die mit dem Streitgegenstand identisch sind (BSG in SozR 3-1500 § 96 Nr 9), haben in den Anträgen der Klägerin erkennbar keinen zutreffenden Ausdruck gefunden. Ihr Klagebegehren ist mit der Entscheidung über den endgültigen Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 1996 ausgeschöpft. Dafür, dass ein Aufhebungsanspruch hinsichtlich der bereits erledigten Verwaltungsakte in den Bescheiden vom 4. Dezember 1995 und 17. Juni 1996 auch nach Entfallen der sich hieraus ergebenden Beschwer noch weiterverfolgt werden sollte, fehlt es an Hinweisen. Die Klägerin hat hierzu auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nichts vorgetragen. Unter diesen Umständen ist die Fassung der Klageanträge allein dem Umstand zuzuschreiben, dass das SG einen Hinweis nach § 106 Abs 1 SGG unterlassen hat.
4. Einzig verbliebener Gegenstand des Klageverfahrens war damit die Regelung über den Höchstbetrag des zuerkannten Ausgleichsanspruchs im Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 1996. Dieser ist unter Abänderung der Beschwer in vollem Umfang an die Stelle des vorläufigen Bescheides vom 4. Dezember 1995 getreten und hat ihn damit iS des § 96 Abs 1 SGG vollumfänglich ersetzt (vgl zum Begriff des Ersetzens etwa Bundessozialgericht (BSG) in HV-INFO 1989, 821 = KVRS A-9200/1). Er ist damit kraft Gesetzes Gegenstand des bereits anhängigen Klageverfahrens 23 KR 112/96 geworden. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass der weitere Bescheid vom 11. Februar 1999 über den Jahresausgleich für 1997 mit der Korrektur für 1994 den Bescheid vom 4. Dezember 1996 nicht seinerseits abgeändert oder ersetzt hat und nicht gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Verfahrens gegen den Bescheid vom 4. Dezember 1996 geworden ist. Wegen der angeordneten Berücksichtigung der gesamten Fehler erst beim nächsten Ausgleichsverfahren (§ 266 Abs 6 Satz 7 SGB V) wird ein Bescheid über einen Jahresausgleich, der solche Fehler für Vorjahre korrigiert, nicht Gegenstand von Verfahren, die zu früheren Jahresausgleichen anhängig sind. Das gilt auch für den Bescheid zum Jahresausgleich für 1997, der zugleich eine Korrektur für die Jahre 1994 bis 1996 vornimmt. Vielmehr ist über die Rechtmäßigkeit der Jahresausgleichsbescheide für 1997 einschließlich der Korrektur für die Vorjahre unabhängig von Verfahren zu Ausgleichsbescheiden für die früheren Jahre zu entscheiden. Dieses trägt auch der Regelung in § 25 Abs 3 RSAV Rechnung. Nach dessen Maßgabe ist im Jahresausgleich für 1997 der RSA für die Jahre 1994 bis 1996 zu korrigieren. Dagegen ist eine förmliche Änderung der früheren Jahresausgleichsbescheide jedoch nicht vorgesehen. Insofern liegt eine Sonderregelung zu §§ 44, 45 SGB X vor.
Der Klägerin wurde entgegen ihrem Vorbringen weder im vorläufigen noch im endgültigen Bescheid über den RSA 1994 eine “Ausgleichsverpflichtung” auferlegt, gegen die sie sich zur Wehr setzen könnte; schon deshalb kommt bei ihr auch nicht in Betracht, dass der RSA zu einer “Abschöpfung des Einnahmevorteils” geführt hat. Vielmehr ergab sich zu ihren Gunsten ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 10.093.891,66 DM. Zu einem Saldo zu ihren Lasten in Höhe von 2.447.141,92 DM war es allein deshalb gekommen, weil die von ihr bezogenen, nach Grund und Höhe nicht bestrittenen Abschlagszahlungen von insgesamt 12.541.033,58 DM den Ausgleichsanspruch um diesen Betrag überstiegen. Unter diesen Umständen kann das entscheidende Begehren der Klägerin (§ 123 SGG) in Übereinstimmung mit ihrem Antrag zusammenfassend nur dahingehend verstanden werden, dass sie die Zuerkennung eines verfassungsgemäß höheren Ausgleichsanspruchs begehrt. Allein insofern können auch die Ausführungen im vorgelegten Gutachten von Prof. Dr. Stiebeler für das Verfahren Bedeutung erlangen; wäre nämlich der RSA insgesamt verfassungswidrig, würde es an einer gesetzlichen Grundlage für den der Klägerin zuerkannten Ausgleichsanspruch in Höhe von 10.093.891,66 DM fehlen.
Gegen die Regelung über den Ausgleichsbetrag zu Gunsten der Klägerin im Bescheid vom 4. Dezember 1996 ist die Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGG statthaft, weil die Klägerin geltend macht, ihr stehe bei der verfassungsrechtlich gebotenen Berücksichtigung ihrer “Metropolfunktion” ein höherer Anspruch zu. Nicht anders als bei der Verteidigung einer Kasse gegen eine Zahlungsverpflichtung, die mit grundsätzlichen Bedenken gegen das Ausgleichsverfahren begründet wird (vgl hierzu das Urteil des Senats vom 24. Januar 2003 – B 12 KR 19/01 – zur Veröffentlichung vorgesehen, unter 3.d), braucht sich die Klägerin des vorliegenden Verfahrens zur Geltendmachung eines nach ihrer Ansicht verfassungsrechtlich erforderlichen höheren Ausgleichsbetrages nicht auf eine weitere negative Verwaltungsentscheidung der Beklagten und ein späteres Korrekturverfahren verweisen zu lassen. Sie kann vielmehr die hier maßgebliche Regelung im Bescheid vom 4. Dezember 1996 mit dem Vorbringen angreifen, der Ausgleich sei verfassungswidrig zu gering. Mit diesem Anfechtungsbegehren hat die Klägerin, die den zuerkannten Ausgleich behalten und einen zusätzlichen erreichen will, richtigerweise den weiteren Antrag verbunden, die Beklagte zur Festsetzung eines verfassungskonform höheren Ausgleichsanspruchs zu verurteilen. Dabei handelt es sich sinngemäß um eine zunächst zulässige Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 4 SGG). Ob die Beklagte nach einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), einer Beanstandung des RSA iS der Klägerin durch das BVerfG und einer etwa notwendigen Gesetzesänderung den höheren Betrag im Rahmen einer Wiederholung des RSA für 1994 oder entsprechend der Korrekturregelung des § 266 Abs 6 Satz 7 SGB V beim nächsten Ausgleich zu berücksichtigen hätte, kann hier schon deshalb offen bleiben, weil bereits die Anfechtungsklage keinen Erfolg hat.
5. Das Vorbringen der Klägerin beschränkt sich darauf, dass sich bei verfassungsgemäßer Ausgestaltung des RSA unter Einbeziehung ihrer besonderen Situation als “Metropolkasse” zu ihren Gunsten ein höherer Ausgleichsbetrag ergeben müsse. Der Senat kann sich jedoch nicht davon überzeugen, dass der Verfassung ein entsprechendes Handlungsgebot an den Gesetzgeber zu entnehmen wäre und wegen dessen Missachtung die bisherige Ausgestaltung des RSA verfassungswidrig wäre. Die Krankenkassen können sich, auch um eine geänderte Ausgestaltung des RSA zu erreichen, weder auf eigene Grundrechte noch auf Grundrechte ihrer Versicherten oder der Arbeitgeber berufen. Zwar gelten nach Art 19 Abs 3 GG die Grundrechte auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts trifft dies nicht zu, wenn sie – wie die Kassen – durch Akte staatlicher Gewalt nur in ihrer Funktion zur Wahrnehmung gesetzlich zugewiesener und geregelter öffentlicher Aufgaben betroffen sind (BVerfGE 21, 362 für Rentenversicherungsträger; BVerfGE 39, 302 für Ortskrankenkassen; BVerfGE 68, 193, 205 ff für Innungen und Innungsverbände von Zahntechnikern als Leistungserbringer; BVerfGE 70, 1, 15 = SozR 2200 § 376d Nr 1 für Leistungserbringer; BVerfG Kammerbeschluss SozR 3-2500 § 85 Nr 9 für Kassenärztliche Vereinigung; BVerfG Kammerbeschluss NZS 1997, 171 für Ärztekammer; zum Ganzen: Bethge, AöR 104, 265, 289). Die ausnahmsweise Erstreckung der Grundrechte auf juristische Personen des öffentlichen Rechts wegen der hinter ihnen stehenden Personen als den eigentlichen Grundrechtsträgern scheidet bei Krankenkassen aus. Sie sind zwar körperschaftlich organisiert und verfügen über einen begrenzten Raum eigenverantwortlichen Handelns (Selbstverwaltungsrecht). Gleichwohl sind sie nur organisatorisch verselbstständigte Teile der Staatsgewalt. Der Sache nach üben sie mittelbare Staatsverwaltung aus. Es fehlt ihnen eine besondere Zuordnung zu dem durch die Grundrechte geschützten Lebensbereich. Das BVerfG hat daher – anders als bei Universitäten oder Rundfunkanstalten – eine Grundrechtsbetroffenheit von Kassen selbst für den Fall verneint, dass sie zwangsweise aufgelöst und mit anderen Kassen vereinigt wurden (vgl BVerfGE 39, 302, 312 ff). Eine eigene Grundrechtsfähigkeit der Kassen ergibt sich schließlich nicht aus einem mit der Ausdehnung der Kassenwahlrechte angeblich eröffneten “Wettbewerb” (vgl hierzu im Einzelnen Urteil des Senats vom 24. Januar 2003 – B 12 KR 19/01 R – zur Veröffentlichung vorgesehen, unter 10. f).
Die Klägerin kann sich als Körperschaft des öffentlichen Rechts nur auf das Willkürverbot berufen, das erst dann verletzt ist, wenn sich für eine gesetzliche Regelung kein sachlich rechtfertigender Grund finden lässt (BVerfGE 91, 118; 97, 271, 291 = SozR 3-2940 § 58 Nr 1 S 10 f). Hierin kommt ein im Gleichheitssatz wurzelnder allgemeiner Rechtsgrundsatz zum Ausdruck, der bereits aus dem Prinzip der allgemeinen Gerechtigkeit folgt und insofern objektiv Geltung auch für Beziehungen innerhalb des hoheitlichen Staatsaufbaus beansprucht (vgl BVerfGE 23,12, 24 = SozR Nr 68 GG zu Art 3 S Ab 62 R). Die Regelungen des RSA sind indes auch nicht insofern willkürlich, als sie die besonderen Belange der Klägerin unbeachtet lassen.
Der Senat hat in seinem Urteil vom 22. Mai 1985 (BSGE 58, 134, 139 = SozR 2200 § 385 Nr 14 S 60) die Revision eines Versicherten zurückgewiesen, der den hohen Beitragssatz seiner AOK wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz und das Sozialstaatsgebot als verfassungswidrig beanstandet hatte. Der Senat hat damals die erheblichen Unterschiede in den Beitragssätzen als mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen, jedoch bereits angedeutet, dass sie künftig ausgleichsbedürftig werden könnten. Das BVerfG hat mit seinem Beschluss vom 8. Februar 1994 (BVerfGE 89, 365 = SozR 3-2200 § 385 Nr 4) die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen. Die Ungleichbehandlung der Versicherten verschiedener Krankenkassen durch unterschiedlich hohe Beitragssätze sei schon in der Vergangenheit bedenklich gewesen. Beitragssatzunterschiede seien, solange sich der Einzelne dieser Belastung nicht durch die Wahl einer anderen Kasse entziehen könne, nicht mehr gerechtfertigt, wenn sie ein unangemessenes Ausmaß erreichten. Unterschiede in den Leistungen der Kassen könnten wegen ihres geringen Ausmaßes verschieden hohe Beiträge kaum noch rechtfertigen. Gleichwohl sei die Verfassung (Art 3 Abs 1 GG) nicht verletzt, weil dem Gesetzgeber zur Regelung derart komplexer Sachverhalte genügend Zeit für eine Korrektur eingeräumt werden müsse und er bereits hinreichende Schritte unternommen habe, um die Unterschiede zu verringern; mit dem mittlerweile in Kraft gesetzten RSA und dem ab 1996 eingeräumten Kassenwahlrecht der Versicherten habe der Gesetzgeber hinreichende Schritte unternommen, um die verfassungsrechtlich bedenklichen Beitragssatzunterschiede zu verringern (BVerfGE 89, 365, 378 = SozR 3-2200 § 385 Nr 4).
Der RSA ist damit zwar nicht von Verfassungs wegen gefordert, doch kommt er als eine von mehreren geeigneten Maßnahmen in Betracht, um eine übermäßige Spreizung der Beitragssätze zu verhindern. Bei seiner Ausgestaltung im Einzelnen ist der Gesetzgeber nicht willkürlich vorgegangen, indem er den RSA auf die Risikofaktoren Alter, Geschlecht, beitragspflichtige Einnahmen und Familienversichertenbelastungen beschränkt hat. Alle genannten Faktoren sind vom Senat bereits in seinem vorstehend zitierten Urteil vom 22. Mai 1985 (BSGE 58, 134, 146 = SozR 2200 § 385 Nr 14 S 68) als bevorzugt ausgleichsbedürftig benannt worden; sie repräsentieren jeweils Aspekte derjenigen Risikobelastung, zu deren Ausgleich das System der gesetzlichen Krankenversicherung geschaffen wurde und die andererseits von den einzelnen Kassen durch eigenes Verhalten nicht zu beeinflussen sind. Der Gesetzgeber ist dem auf der Basis der Vorschläge der Enquete-Kommission “Strukturreform in der gesetzlichen Krankenversicherung” und des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (vgl Schneider/Vieß, NJW 1998, 2702, 2704 mwN) positiv (in der Auswahl der Faktoren) wie im Wesentlichen negativ (in der Begrenzung hierauf) gefolgt. Der Ausgleich gerade dieser Risikofaktoren scheidet auch nicht von vorneherein als sachfremd aus, weil er erkennbar ungeeignet oder nicht erforderlich wäre, eine annähernd vergleichbare Basis zur Verfolgung der im Gesetzgebungsverfahren benannten Ziele einer “gerechteren Beitragsbelastung”, des “Abbaus von Wettbewerbsverzerrungen” und der “Kostendämpfung durch Einführung von Wettbewerb zu schaffen” (BT-Drucks 12/3608 S 117). In Übereinstimmung hiermit hat bereits das BVerfG in der genannten Entscheidung vom 8. Februar 1994 den RSA ausdrücklich für geeignet erachtet, eine “weitere Verringerung der Beitragssatzunterschiede” herbeizuführen (BVerfGE 89, 365, 381 = SozR 3-2200 § 385 Nr 4 S 8). Hinzu kommt, dass dem Gesetzgeber bei Einführung neuer Rechtsinstitute ein breiter Auswahl- und Beurteilungsspielraum zukommt. Die mit einer gröberen Typisierung und Generalisierung verbundenen Unzuträglichkeiten gäben hier nur dann Anlass zu einer verfassungsrechtlichen Beanstandung, wenn der Gesetzgeber im Rahmen der gebotenen weiteren “Produktbeobachtung” eine spätere Überprüfung und fortlaufende Differenzierung unterließe; hierfür bedürfte es indessen ausreichender tatsächlicher Anhaltspunkte, aus denen sich die Verursachung einer systematischen Wettbewerbsverzerrung durch spezifische Risiken und eine sachgerechte Lösung der gerade hierdurch bedingten Probleme ergibt (vgl etwa BVerfGE 33, 171, 189 f = SozR Nr 12 zu Art 12 GG S Ab 17 R; 37, 104, 118; 71, 364, 393 und Badura, die verfassungsrechtliche Pflicht des gesetzgebenden Parlaments zur “Nachbesserung” von Gesetzen in: Staatsorganisation und Staatsfunktion im Wandel, Festschrift für Kurt Eichberger zum 60. Geburtstag, 1982, S 481 ff). Die Fortentwicklung des RSA zu einem unmittelbaren Ausgleich morbiditätsbedingten Aufwandes (vgl auch insofern bereits das Urteil des Senats vom 22. Mai 1985, BSGE 58, 134, 146 = SozR 2200 § 385 Nr 14 S 68) unter Verbesserung der Versorgungsqualität und bis dahin durch einen Risikopool für besonders aufwändige Leistungsfälle (§§ 268, 269 SGB V nF) zeigt indessen, dass der Gesetzgeber seiner Beobachtungspflicht nachgekommen ist. Dabei ist dem Gesetzgeber zuzugestehen, dass er nur solche sachlich-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Verfeinerungen des RSA vornimmt, bei denen der bezweckte Erfolg und der dafür erforderliche Verwaltungsaufwand in einem angemessenen Verhältnis zu einander stehen.
Etwas anderes ergibt sich auch im vorliegenden Fall nicht daraus, dass die Klägerin vorträgt, gerade ihre spezielle Situation als Regionalkasse sei bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung sachwidrig und zu Unrecht unberücksichtigt geblieben; auf Grund der von ihr nicht zu beeinflussenden Versorgungsdichte entstünden ihr als Metropolkasse besonders hohe Leistungsausgaben. Der Gesetzgeber hätte diese nicht nach bundeseinheitlichen Maßstäben standardisieren dürfen und diesem Umstand durch Einführung weiterer Risikofaktoren Rechnung tragen müssen. Er hätte zudem auf der Beitragsseite nicht gerade die Vorteile des höheren Einnahmenniveaus abschöpfen dürfen, deren die Klägerin zum Ausgleich ihrer überdurchschnittlichen Leistungsausgaben bedürfe.
In der Tat führt der gesetzliche Maßstab dazu, dass in den RSA auf der Beitragsseite (nur) diejenigen Einnahmen eingehen, die sich bei Anwendung desjenigen Beitragssatzes auf die kassenindividuelle Beitragssumme ergeben, der bundesweit erforderlich wäre, um aus den beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung die Gesamtheit der ausgleichsfähigen Leistungsausgaben zu decken (Ausgleichsbedarfssatz). Umgekehrt bestimmt sich das maßgebliche Leistungsvolumen (Beitragsbedarf) auf der Grundlage der jeweiligen Struktur der Versichertengemeinschaft an Stelle der real anfallenden Ausgaben der einzelnen Kasse nach der Summe der standardisierten Leistungsausgaben. Aus der modifizierenden Bemessung von Einnahmen und Ausgaben unter Heranziehung bundesweit ermittelter Durchschnittssätze resultiert bei regional begrenzten Kassen ggf, dass sie in strukturschwachen Gebieten durch (rechnerische) Absenkung des Beitragssatzes bei gleichzeitiger Anhebung der fiktiven Leistungsausgaben doppelt begünstigt werden. Andererseits kann es bei derartigen Kassen in Ballungsgebieten dazu kommen, dass ihre Finanzkraft auf Grund der hohen Einnahmensumme weiterhin relativ hoch anzusetzen ist, während der an Stelle ihrer hohen realen Ausgaben anzusetzende Beitragsbedarf auf Grund der weit gehenden Standardisierung unverhältnismäßig abgesenkt wird (vgl zum ähnlichen Problem im Ausgleich zwischen alten und neuen Bundesländern Axer in “Finanzausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung” ≪hrsg von Jabornegg/Resch/Seewald≫ 2002, S 15, 20).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich hieraus jedoch nicht, dass der vom Gesetz vorgegebene Modus für die Bestimmung von Ausgleichsansprüchen auf Seiten des Beitragsbedarfs rechtlich notwendig um einen Faktor “Regionalsituation” zu ergänzen wäre. Abgesehen davon, dass eine “Abschöpfung von Finanzkraft” bei ihr als Empfängerkasse erkennbar nicht stattfindet, lassen derartige Einwände unberücksichtigt, dass das Konzept des Gesetzes auf der Einnahme- wie auf der Ausgabenseite maßstabsbildend auf bundesweite Durchschnittssätze zurückgreift, um diese anschließend in Gestalt der Einnahmensumme bzw der Struktur der Versichertengemeinschaft auf die jeweils kassenindividuellen Verhältnisse anzuwenden. Der hierin liegende Rückgriff auf spezifische Kenngrößen für das Gesamtsystem der gesetzlichen Krankenversicherung als Teil des de lege lata normativ vorgegebenen Maßstabes (vgl hierzu etwa Karl-Heinz Brodbeck, Die fragwürdigen Grundlagen der Ökonomie, 1998, S 58 ff) entspricht in besonderer Weise dem verfassungsrechtlich vorgegebenen Ausgangspunkt, über die Grenzen des Art 3 Abs 1 GG hinaus eine übergroße Spreizung der Beitragssätze für die bundesweit nach gleichen Maßstäben und mit gleichem Leistungsvolumen Versicherten zu vermeiden (BVerfGE 89, 365 = SozR 3-2200 § 385 Nr 4). Die Berücksichtigung kassenspezifischer Besonderheiten im Rahmen der Maßstabsbildung wäre demgegenüber systemfremd; dies steht jedenfalls gegenwärtig auch einer Regionalisierung und Individualisierung von Maßstäben des RSA zu Gunsten einzelner Träger entgegen. Würde den Vorstellungen der Klägerin Rechnung getragen, käme hinzu, dass damit gleichzeitig jeder Anreiz zur wirtschaftlicheren Wahrnehmung von Aufgaben bei gleichzeitiger Verfestigung von Versorgungsstrukturen entfiele, obwohl es ein zentrales Anliegen des RSA ist, gerade hier gestaltend einzuwirken (vgl Schneider/Vieß, NJW 1998, 2702, 2704 entgegen Ramsauer, NJW 1998, 481, 484). Auch wenn daher weitere Faktoren denkbar sind (vgl Ramsauer, aaO), ist deren Außerachtlassung nicht willkürlich. Ebenso wenig ist der Gesetzgeber entgegen dem Gutachten von Prof. Dr. Stiebeler von Verfassungs wegen gehalten, von der ihm zustehenden Einschätzungsprärogative nach dem Maßstab einer für die ex-post-Betrachtung entwickelten Zurechnungslehre wie der sog Adäquanztheorie Gebrauch zu machen. Hinsichtlich der konkreten Auswirkungen des vom RSA-Gesetzgeber gewählten Maßstabes gilt auch insofern, dass er sich nicht entsprechend den besonderen Bedürfnissen des einzelnen Normadressaten und jeweils zu dessen Gunsten zu verändern hat. Vielmehr sind nachteilige Auswirkungen im Einzelfall jedem abstrakten Maßstab eigentümlich. Dem steht in letzter Konsequenz auch nicht etwa ein verfassungsrechtlich geschütztes Existenzrecht entgegen (BVerfGE 39, 302, 315; 36, 383, 393 = SozR 5610 Art 3 § 1 Nr 1 S 2).
Der Senat verkennt nicht, dass sich die Klägerin aus eigener Kraft kaum aus ihrer als existenzbedrohend empfundenen Lage befreien kann. Durch ihre Öffnung war ihr das nicht möglich, weil sie wegen ihres verhältnismäßig hohen Beitragssatzes mit bundesweiten Kassen nicht konkurrieren konnte. Wegen ihres hohen Beitragssatzes und ihren Nachteilen als “Metropolkasse” in einem Stadtstaat lehnen nach ihrem Vorbringen Kassen derselben Kassenart in benachbarten Bundesländern eine länderübergreifend nur freiwillig mögliche Vereinigung ab. Daran kann die Rechtsprechung nichts ändern. Ob der Gesetzgeber künftig auf Antrag von Kassen wie der Klägerin eine zwangsweise, auch länderübergreifende Vereinigung mit anderen Kassen derselben oder einer anderen Kassenart zulässt, liegt in seiner Gestaltungsfreiheit.
6. Hiernach waren auf die Revision der Klägerin die Urteile der Vorinstanzen lediglich insoweit aufzuheben, wie sie über die erledigten Bescheide vom 4. Dezember 1995 und vom 17. Juni 1996 entschieden haben. Im Übrigen, dh soweit die Vorinstanzen über den Bescheid vom 4. Dezember 1996 entschieden haben, war die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).
Fundstellen
NZS 2004, 135 |
SozR 4-2500 § 266, Nr. 2 |