Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Beitragsveranlagung. Gefahrtarif 1998. Gefahrklasse. Verwaltungsberufsgenossenschaft. Unternehmen zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung. Übereinstimmung mit höherrangigem Recht
Leitsatz (amtlich)
Die Gefahrtarifstellen und die Gefahrklassen im Gefahrtarif 1998 der Verwaltungsberufsgenossenschaft, die für die Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung gebildet wurden, stehen in Übereinstimmung mit höherrangigem Recht.
Normenkette
SGB VII § 157 Abs. 1, 2 S. 1, Abs. 3, § 159 Abs. 1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 6. Februar 2002 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage gegen den Beitragsbescheid für 1998 der Beklagten an die Klägerin vom 22. April 1999 sowie dessen Änderungsbescheid vom 27. April 1999, gegen den Beitragsbescheid für 1999 vom 25. April 2000 und den Beitragsbescheid für 2000 vom 25. April 2001 als unzulässig abgewiesen wird.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Beiträge der Klägerin zu der beklagten Berufsgenossenschaft (BG) für die Jahre 1998 bis 2000.
Die Klägerin betreibt seit Ende 1993 gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung überwiegend im gewerblichen Bereich. Mit Bescheid vom 6. Januar 1994 stellte die Beklagte die Mitgliedschaft der Klägerin bei ihr fest.
Nachdem die Beitragserhebung der Beklagten früher nach einem sog Tätigkeitstarif erfolgt war, verwandte sie ab 1. Januar 1984 einen sog Gewerbezweigtarif. Grundlage ihres ab 1. Januar 1998 geltenden Gefahrtarifs (im Folgenden Gefahrtarif 1998) waren alle gezahlten Leistungen sämtlicher Versicherungsfälle sowie die beitragspflichtigen Entgelte der Jahre 1994 bis 1996 (sog Beobachtungszeitraum). Dieser Gefahrtarif 1998 sah für die Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung folgende Gefahrtarifstellen vor:
* Jedes Unternehmen wird zu den zwei Gefahrklassen 48 und 49 veranlagt. |
Gefahrtarifstelle |
Unternehmensart |
Gefahrklasse |
48* |
Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung – Beschäftige, die ausschließlich in kaufmännischen und verwaltenden Unternehmensteilen der Verleiher und Entleiher eingesetzt sind und ausschließlich kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten verrichten |
0,57 |
49* |
Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung – Beschäftige, die nicht die in der Gefahrtarifstelle 48 genannten Voraussetzungen erfüllen |
10,66 |
Im Übrigen reichen die Gefahrklassen dieses Gefahrtarifs von 0,35 bis 45,40.
Mit Veranlagungsbescheid vom 31. März 1998 veranlagte die Beklagte die Klägerin zu den Gefahrtarifstellen 48 und 49 ihres Gefahrtarifes 1998 mit den entsprechenden Gefahrklassen und legte letztere ihrem Beitragsbescheid für 1998 vom 22. April 1999 sowie dessen Änderungsbescheid vom 27. April 1999 zugrunde, von denen die Klägerin nach ihren Angaben nur den letzten erhielt. Nach dem geänderten Bescheid vom 27. April 1999 forderte die Beklagte von der Klägerin einen Beitrag von 1.052,98 DM für die Gefahrtarifstelle 48, von 174.507,01 DM für die Gefahrtarifstelle 49 und insgesamt zuzüglich des Anteils am gemeinsamen Ausgleich und der Insolvenzgeldumlage einen Gesamtbeitrag von 183.859,58 DM. Gegen den Veranlagungsbescheid und den geänderten Beitragsbescheid wurde jeweils Widerspruch eingelegt und mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 1999 wurde der Widerspruch gegen den Veranlagungsbescheid zurückgewiesen.
Während des sich anschließenden, auf Aufhebung des Veranlagungs- und der Beitragsbescheide gerichteten Klageverfahrens vor dem Sozialgericht (SG) Lübeck hat die Beklagte mit Beitragsbescheid für 1999 vom 25. April 2000 und mit Beitragsbescheid für 2000 vom 25. April 2001 weitere Beiträge gegenüber der Klägerin festgesetzt. Zur Gerichtsakte eingereicht wurden ua die Niederschrift einer Sitzung des SG Duisburg vom 28. Juni 2000 (Az: S 6 U 57/99), in dem drei Bedienstete der Beklagten als Zeugen über die Erhebung der dem Gefahrtarif 1998 zugrundeliegenden Daten vernommen worden waren, das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) vom 7. März 2001 – L 2 U 151/99 – (Breithaupt 2002, 791 ff) sowie ein Rechtsgutachten über die Rechtmäßigkeit des die Unternehmen der Arbeitnehmerüberlassung betreffenden Gefahrtarifs 1998 bis 2000 der Verwaltungsberufsgenossenschaft von Prof. Steinmeyer und eine Stellungnahme von Prof. Plagemann zu diesem Gutachten. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 1. März 2001). Das Schleswig-Holsteinische LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 6. Februar 2002). Zur Begründung hat es unter Bezugnahme auf das Urteil des Sächsischen LSG vom 7. März 2001 und mit wörtlichen Zitaten aus diesem ausgeführt: Die Beklagte sei die zuständige BG für die Klägerin. Der Gefahrtarif 1998 der Beklagten sei rechtmäßig, auch soweit für die nicht der Gefahrtarifstelle 48 zugeordneten Beschäftigten nur eine Gefahrtarifstelle, nämlich die Gefahrtarifstelle 49, gebildet worden sei. Die Berechnung der Gefahrklassen für die Gefahrtarifstelle 48 und 49 sei nicht zu beanstanden: Zwar beständen gewisse Zweifel, ob die Zuordnung der Entgeltsummen und der Leistungen im Beobachtungszeitraum dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18. Oktober 1994 (– 2 RU 6/94 –, SGb 1995, 253 ff) gerecht werde, aber diese Bedenken seien nicht so gravierend, dass sie zu einer fehlerhaften Bildung der Gefahrklassen führen würden. Aus dem als wahr unterstellten Einwand der Klägerin, die Beitragslast der Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung liege erheblich über deren Unfalllasten, folge nicht die Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung, da nach § 21 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV), §§ 152 f des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) Umlagemaßstab der Gesamtfinanzbedarf sei. Auch die Umlegung der sog Altlasten-Ost sei nicht zu beanstanden. Diese sei entsprechend dem Urteil des BSG vom 18. April 2000 (– B 2 U 2/99 R –) grundsätzlich verfassungsgemäß. Hinsichtlich den von der Klägerin behaupteten Beitragsnachlässen der Beklagten für die Profi-Fußballvereine gebe es ähnlich wie in der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl BSGE 60, 248 ff = SozR 1500 § 54 Nr 67) keine Rechtsgrundlage, nach der die Klägerin von der Beklagten das Unterlassen einer Beitragsreduzierung oder eines Beitragsverzichtes verlangen könne.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen und formellen Rechts: Die Beklagte sei nicht die zuständige BG für die Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Die Veranlagung der Klägerin auf der Grundlage des Gefahrtarifs 1998 der Beklagten sei rechtswidrig. Ein Gefahrtarif sei nach § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII in Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken zu gliedern und die Zusammenfassung aller Beschäftigten der Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung, die nicht ausschließlich kaufmännisch oder verwaltend tätig seien, in eine Gefahrengemeinschaft werde dem nicht gerecht. Denn das Gefährdungsrisiko eines von dieser Gefahrklasse umfassten Telefonisten oder Datenverarbeitungsfachmannes sei mit dem eines Elektrikers nicht vergleichbar. Das Risiko bestehe nicht im “Verleih” selbst, sondern sei abhängig von der Tätigkeit, die der Leiharbeitnehmer im Entleihbetrieb ausführe. Die Zusammenfassung in der Gefahrtarifstelle 49 widerspreche auch dem Präventionsauftrag, zumal die Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung im Hinblick auf ihre Versicherungsfälle sehr heterogen seien. Es gebe keine gewerbetypischen Unfallgefahren bei den Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Die gegenteilige Aussage im Urteil des BSG vom 21. August 1991 (– 2 RU 54/90 – NZA 1992, 335), die auf den häufigen Arbeitsplatzwechsel und die Eingewöhnung in eine neue Arbeitsumwelt und die Wegeunfallgefahren verweise, sei nicht zutreffend. Nach von der Beklagten mitgeteilten Zahlenangaben sei die Quote der Wegeunfälle an den Gesamtunfällen bei den Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung niedriger als bei den übrigen Mitgliedern der Beklagten. Die Beklagte habe es bisher unterlassen, weitere Untersuchungen zu einer möglichen Aufgliederung der Gefahrtarifstelle durchzuführen; erst im Umlagejahr 2002 erfolge sie nun. Diese Überprüfungsaktion zeige, dass die Beklagte selbst nicht davon überzeugt sei, dass es eine gewerbetypische Unfallgefahr bei den Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung gebe und die Zusammenfassung in eine Gefahrtarifstelle willkürlich sei. Zudem seien die Gefahrklassen falsch berechnet. Im Jahr 1994 des Beobachtungszeitraums seien die Gefahrtarifstellen für die Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung noch anders definiert gewesen, es sei nach der Versicherungspflicht bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte bzw einer Landesversicherungsanstalt unterschieden worden. Bei der Zuordnung ab dem Jahre 1995 habe es Probleme gegeben, weshalb die Beklagte eine Arbeitshilfe mit einem Katalog der Berufsbezeichnungen intern verwendet habe. Daher sei anzunehmen, dass die Zuordnung zumindest teilweise falsch sei, zumal den Unternehmen die Arbeitshilfe nur in Einzelfällen zur Verfügung gestellt worden sei. Nach welchen Kriterien die in der Beweisaufnahme vor dem SG Duisburg erörterte Überprüfungsaktion der Beklagten in den Jahren 1996 und 1997 durchgeführt worden sei, sei unklar, da die Arbeitshilfe erst im Mai 1998 zur Verfügung gestellt worden sei. Auch liege zwischen dem jährlichen Beitragsaufkommen und den jährlichen Versicherungsleistungen für die Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung eine erhebliche Differenz. In 1998 seien Unfallentschädigungen in Höhe von 96.745.332,00 DM bezahlt, aber Beiträge in Höhe von 299.740.311,25 DM erhoben worden, also von rund dem Dreifachen. Dies gelte auch für 1997. Die Festlegung der Gefahrklassen sei daher nicht korrekt, zumal die Beklagte keine nachvollziehbare Erklärung für diese erhebliche Differenz benenne. Das in diesem Zusammenhang immer wieder genannte Solidarprinzip könne nicht so verstanden werden, dass die hoch belasteten Gefahrklassen noch das Risiko der anderen Gefahrklassen mittragen müssten. Im Übrigen werde auf die verfassungsrechtlichen Bedenken von Papier (SGb 1998, 337 ff) Bezug genommen. Die Beitragserhebung sei auch aufgrund der ganz erheblichen Beitragsnachlässe zu Gunsten der Profi-Fußballvereine rechtswidrig, ohne die der Beitrag der Klägerin allein im Jahre 1998 um 35.492,96 DM niedriger gewesen wäre. Das Gleiche gelte für die Umlegung der Altlasten-Ost, die bei einer lohnsummenabhängigen Umlage zu einem um 26.323,95 DM niedrigeren Beitrag der Klägerin im Jahr 1998 geführt hätte. Dieser Betrag sei grundrechtsrelevant und belege einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG). Abschließend rügt die Klägerin Verfahrensmängel durch Verstöße gegen die Amtsermittlungspflicht gemäß § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), soweit das LSG ihren Beweisanträgen nicht gefolgt sei zur Behauptung, dass es keine gewerbetypischen Unfallgefahren in der Zeitarbeitsbranche gebe, durch Vernehmung namentlich benannter Zeugen bzw Einholung eines Sachverständigengutachtens und zur Behauptung, dass die Lohnsummen im gewerblichen Bereich in den Jahren 1994 bis 1996 nicht zutreffend ermittelt wurden und bei richtiger Ermittlung die Gefahrklassen 20 % niedriger gelegen hätten, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 6. Februar 2002 und das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 1. März 2001 sowie den Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 31. März 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1999 und die darauf beruhenden Beitragsbescheide für das Jahr 1998 vom 27. April 1999, für das Jahr 1999 vom 25. April 2000 und für das Jahr 2000 vom 25. April 2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nur der Veranlagungsbescheid der Beklagten für die Klägerin vom 31. März 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1999 über die Veranlagung der Klägerin zu den Gefahrtarifstellen 48 und 49 mit den Gefahrklassen 0,57 bzw 10,66 nach dem Gefahrtarif 1998 der Beklagten für die Zeit ab 1. Januar 1998. Insoweit hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen.
Der Beitragsbescheid für das Jahr 1998 vom 22. April 1999 sowie dessen Änderungsbescheid vom 27. April 1999, der der Klägerin nach ihren Angaben alleine zugegangen ist, waren – unabhängig von der Frage des Zuganges dieser Bescheide bei der Klägerin – sowohl nach dem Verfügungssatz als auch der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1999 nicht Gegenstand desselben. Die Einbeziehung eines dieser Bescheide über den Beitrag für das Jahr 1998 in das vorliegende Klageverfahren gegen den Veranlagungsbescheid gemäß § 96 Abs 1 SGG scheitert schon daran, dass sie nicht nach der Klageerhebung ergangen sind. Die Beitragsbescheide für das Jahr 1999 vom 25. April 2000 und für das Jahr 2000 vom 25. April 2001 erfüllen ebenfalls nicht die Voraussetzungen des § 96 Abs 1 SGG, weil sie den Veranlagungsbescheid weder abänderten noch ersetzten. Es sprechen vorliegend auch keine Gründe der Prozessökonomie für eine weite und analoge Anwendung des § 96 Abs 1 SGG (vgl BSGE 47, 168, 170 = SozR 1500 § 96 Nr 13), da der Streitstoff durch eine Einbeziehung der Beitragsbescheide und der sich darauf beziehenden Begründung der Revision zum Beitragsnachlass für die Profi-Fußballvereine und der Umlage der Altlasten-Ost erheblich erweitert würde und das LSG zu diesen Komplexen keine tatsächlichen Feststellungen (vgl Urteil des BSG vom 18. April 2000 – B 2 U 2/99 R –) getroffen hat. Die Beitragsbescheide sind auch nicht aufgrund einer Klageänderung gemäß § 99 SGG einer materiellen Überprüfung zugänglich, weil es an einer Überprüfung im Rahmen eines Vorverfahrens (§ 78 Abs 1 SGG) fehlt. Gründe für ein Nachholen des Vorverfahrens oder eine Ausnahme von der Vorverfahrenspflicht (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Aufl 2002, IV RdNr 23, 26; Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl 2002, § 78 RdNr 3a ff) liegen wegen der soeben genannten prozessökonomischen Gesichtspunkte nicht vor. Eine Umdeutung der Klageerwiderung oder anderer Schreiben der Beklagten im Laufe des Gerichtsverfahrens in einen Widerspruchsbescheid (vgl Meyer-Ladewig, aaO, § 78 RdNr 3c) scheidet schon aufgrund der Regelungen über die Widerspruchsstelle in der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl § 85 Abs 2 Nr 2 SGG, § 36a SGB IV, § 14 der Satzung der Beklagten) aus. Insoweit ist die Revision mit der Maßgabe unbegründet, als die Klage gegen die genannten Beitragsbescheide unzulässig ist.
Die Beklagte ist aufgrund ihres bindenden Bescheides vom 6. Januar 1994 (Mitgliedschein) über die Aufnahme der Klägerin in ihr Unternehmerverzeichnis der zuständige Unfallversicherungsträger für die Klägerin.
Der Veranlagungsbescheid der Beklagten für die Klägerin vom 31. März 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1999 ist rechtmäßig. Rechtsgrundlage für den Veranlagungsbescheid ist § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII, nach dem der Unfallversicherungsträger die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt.
Der Gefahrtarif ist vom Unfallversicherungsträger als autonomes Recht festzusetzen und in ihm sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§ 157 Abs 1 Satz 1, 2 SGB VII). Der Gefahrtarif wird nach Gefahrtarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs 3 SGB VII). Bei der Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch als SGB VII ist keine grundlegende Neuregelung des Beitragsrechts erfolgt. Es ist vielmehr im Wesentlichen das zuvor geltende Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO) übernommen worden (vgl Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung, BT-Drucks 13/2204, S 73, 110 ff). Neu ist jedoch die Vorschrift über die Bildung der Gefahrtarifstellen in § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII, zu der in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 13/2204, S 111) ausgeführt wird, dass diese die Kriterien benennt, nach denen der Gefahrtarif aufzustellen ist, und dies im Übrigen der bisherigen Praxis der BGen entspreche, womit diese Praxis ebenso wie bei der Gefahrklassenberechnung in § 157 Abs 3 SGB VII übernommen und kodifiziert werde.
Angesichts der vom Gesetzgeber gewollten Kontinuität ist die bisherige Rechtsprechung zur Bildung von Gefahrtarifen nach der RVO auf die Bildung von Gefahrtarifen nach dem SGB VII dem Grunde nach zu übertragen und von Folgendem auszugehen: Der Gefahrtarif ist unabhängig von der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde (vgl § 158 SGB VII) durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit überprüfbar. Als autonom gesetztes objektives Recht (vgl § 157 SGB VII, §§ 33 ff SGB IV) ist der Gefahrtarif nur daraufhin überprüfbar, ob er mit dem Gesetz, das die Ermächtigungsgrundlage beinhaltet, also dem SGB VII, und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist. Ähnlich wie dem Gesetzgeber ist den ihre Angelegenheiten selbst regelnden öffentlich-rechtlichen Körperschaften als Stellen der mittelbaren Staatsverwaltung, somit auch den Trägern der Sozialversicherung, ein nicht zu eng bemessener Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung Recht setzen (BSGE 13, 189 = SozR Nr 2 zu § 915 RVO; BSGE 27, 237, 240 = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; BSG SozR Nr 4 zu § 725 RVO; BSG SozR 2200 § 725 Nr 10; SozR 2200 § 734 Nr 5; BSG Urteil vom 21. August 1991 – 2 RU 54/90 – NZA 1992, 335 f; BSG Urteil vom 18. Oktober 1994 – 2 RU 6/94 – SGb 1995, 253, 255). Als gesetzliche Vorgaben sind die in §§ 152 f, 157, 162 SGB VII zum Ausdruck kommenden Zielvorstellungen und Wertentscheidungen sowie die tragenden Grundsätze des Unfallversicherungsrechts zu beachten (vgl BSGE 55, 26, 27 = SozR 2200 § 734 Nr 3; BSG SozR 2200 § 731 Nr 2; BSG Urteile vom 21. August 1991 und 18. Oktober 1994, aaO). Die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, ist nicht Aufgabe der Gerichte (BSG SozR 2200, § 731 Nr 2; BSG Urteile vom 21. August 1991 und 18. Oktober 1994, aaO); die Abwägung zwischen mehreren, jeweils für die eine oder andere Regelung bei der Gestaltung des Gefahrtarifs wesentlichen Gesichtspunkte und die daraus folgende Entscheidung obliegt dem Unfallversicherungsträger (BSG SozR 3-2200 § 809 Nr 1). Bei komplexen und sich sprunghaft entwickelnden Sachverhalten ist ihm ein zeitlicher Anpassungsspielraum zuzubilligen, um weitere Erfahrungen zu sammeln, Klarheit zu gewinnen und Mängeln in den Regelungen abzuhelfen (BSG SozR 2200 § 731 Nr 2; SozR 3-2200 § 809 Nr 1; BSG Urteil vom 21. August 1991, aaO; BVerfGE 33, 171, 189, 80, 1, 26). Aufgrund dieser eingeschränkten gerichtlichen Überprüfungsbefugnis kann nicht jeder Fehler Beachtung finden. Die Bildung des Gefahrtarifs muss aber auf gesichertem Zahlenmaterial fußen und versicherungsmathematischen Grundsätzen entsprechen. Denn Veranlagungs- und Beitragsbescheide sind eingreifende Verwaltungsakte, die nur auf einer klaren rechtlichen und tatsächlichen Grundlage erlassen werden dürfen (BSG Urteil vom 18. Oktober 1994 – 2 RU 6/94 – SGb 1995, 253).
1. Die Gliederung des Gefahrtarifes 1998 der Beklagten mit den Gefahrtarifstellen 48 und 49 für die Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die neue Regelung in § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII, Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs zu bilden, kann entsprechend der bisherigen Praxis der Unfallversicherungsträger, auf die die Gesetzesmaterialien verweisen, und der Rechtsprechung des BSG (vgl BSGE 55, 26 ff = SozR 2200 § 734 Nr 3) nur so verstanden werden, dass danach bei einem nach Gewerbezweigen gegliederten Gefahrtarif Gewerbezweige und bei einem nach Tätigkeiten gegliederten Gefahrtarif Tätigkeiten mit annähernd gleichem Risiko zu Tarifstellen zusammengefasst werden sollen, weil sonst die Bildung nach den Gefährdungsrisiken keinen Sinn ergibt. Obwohl mittlerweile wohl alle gewerblichen BGen wegen dessen einfacheren Handhabung und geringeren Fehleranfälligkeit auf einen sog Gewerbezweigtarif umgestellt haben, enthalten diese noch teilweise Elemente eines Tätigkeitstarifs, so insbesondere für den kaufmännischen und verwaltenden Teil (Büroteil) der Unternehmen (vgl Schulz, Udo, Grundfragen des berufsgenossenschaftlichen Gefahrtarifs, 1986, S 15 ff), was rechtlich nicht zu beanstanden ist (BSG Urteil vom 21. August 1991 – 2 RU 54/90 – NZA 1992, 335).
Der entscheidende und der gesetzlichen Neuregelung ebenfalls zugrundeliegende Begriff “Gewerbezweig” ist nicht gesetzlich definiert. Im Gewerberecht wird der Begriff Gewerbezweig nicht verwandt (vgl nur Tettinger, Gewerbeordnung, 6. Aufl 1999, § 1 RdNr 1 ff). Es enthält nur neben den allgemeinen Vorschriften für bestimmte Gewerbe Sonderregelungen, zB für Privatkrankenanstalten, Bewachungsgewerbe, Reisegewerbe (vgl §§ 1 ff, 30 ff, 55 ff Gewerbeordnung), zum Teil gibt es sogar eigene Gesetze für bestimmte Gewerbe, zB für Gaststätten (Gaststättengesetz). In der gesetzlichen Unfallversicherung hingegen hat der Begriff Gewerbezweig eine lange Tradition nicht nur im Beitragsrecht, sondern auch im Organisations- und Zuständigkeitsrecht. Grundlage für die Aufteilung der verschiedenen Unternehmen auf die nach dem Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884 (RGBl 1884, S 69) nach “Gegenstand” und “Art” der Betriebe (vgl § 11 Satz 1 Unfallversicherungsgesetz) neu gegründeten BGen war der Bundesrats-Beschluss vom 21. Mai 1885 (Amtliche Nachrichten 1885, 143). Dem folgten weitere Beschlüsse des Bundesrats und Entscheidungen des Reichsversicherungsamtes nach, die vom Reichsversicherungsamt wiederholt in einem “alphabetischen Verzeichnis” der Gewerbezweige zusammengefasst wurden (vgl Amtliche Nachrichten 1885, 254 ff; Handbuch der Unfallversicherung, 3. Aufl 1910, Band III, S 1 ff), in denen die von den BGen umfassten Gewerbezweige aufgelistet und den verschiedenen BGen zugeordnet wurden. Auch die heutige Zuständigkeitsregelung in § 122 Abs 1 Satz 1 SGB VII, mit der bisher nicht genutzten Verordnungsermächtigung zur Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit der gewerblichen BGen nennt als Kriterien “Art und Gegenstand der Unternehmen” sowie neu und zusätzlich die Prävention neben der Leistungsfähigkeit der BGen. Dass der Begriff Gewerbezweig nicht zu eng verstanden werden darf, zeigen die im Gefahrtarif der Beklagten seit Jahren aufgeführten Gewerbezweige “Evangelische Kirche” und “Katholische Kirche”. Auf der anderen Seite erfordern die sich aus der Zuordnung zu einem bestimmten Gewerbezweig und damit zu einer bestimmten Gefahrengemeinschaft ergebenden finanziellen Folgen eine möglichst klare Definition der einzelnen Gewerbezweige bzw Gefahrengemeinschaften, um Streitigkeiten zu vermeiden, zumal es umstritten sein kann, wie weit oder eng die einzelnen Gewerbezweige zu schneiden sind (vgl das historisch überholte aber nach wie vor instruktive Beispiel von Schulz, Udo, Der Gefahrtarif der gewerblichen Berufsgenossenschaften, 1999, S 117 mwN zum Getränkehandel).
Hinsichtlich der Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung hat das BSG (Urteil vom 21. August 1991 – 2 RU 54/90 – NZA 1992, 335 f) ausgehend von den obigen Grundsätzen es als nicht zu beanstanden angesehen, dass diese als ein gesonderter Gewerbezweig angesehen und für sie eigene Gefahrtarifstellen eingerichtet wurden. Diese Unternehmen seien durch eine gemeinsame gewerbetypische Unfallgefahr gekennzeichnet, da ihre Arbeitnehmer zu verschiedenen Arbeiten herangezogen und an verschiedene Arbeitsplätze verliehen würden. Der häufige Wechsel des Arbeitsplatzes, die Eingliederung in eine neue Arbeitsumwelt, die damit verbundenen Wegeunfallgefahren rechtfertigten es, von einer gewerbetypischen Unfallgefährdung auszugehen. Damit wurde nicht gesagt, dass diese Unfallgefährdung unbedingt höher sei bzw verglichen mit bestimmten anderen Arbeitsplätzen als höher unterstellt wurde, sondern es wurde nur gesagt, dass sie gewerbetypisch anders ist. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff der gewerbetypischen Unfallgefahren, der von den verwandten Maschinen, Produktionsweisen usw ausgeht, in der heutigen Dienstleistungsgesellschaft nur noch in Teilbereichen von Bedeutung ist. Auch die Aufteilung in zwei Gefahrtarifstellen nach Tätigkeiten innerhalb oder außerhalb des büromäßigen Teils wurde in dem genannten Urteil des BSG als rechtmäßig angesehen.
Dass die Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung ein Gewerbezweig in diesem Sinne sind, ergibt sich aus Folgendem: Die Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung sind eine besondere Art von Unternehmen mit einem besonderen “Gegenstand”, weil sie im Unterschied zu anderen Unternehmen keine Waren herstellen oder vertreiben bzw Dienstleistungen erbringen, sondern Arbeitskräfte, mit denen andere Unternehmen erst in einem weiteren Schritt Waren herstellen usw, gegen Entgelt “verleihen” (vgl § 1 Abs 1 Satz 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz vom 3. Februar 1995, BGBl I S 158 ≪AÜG≫). Dies mag dazu führen, dass diese Arbeitnehmer letztlich in nahezu allen Bereichen oder Gewerbezweigen tätig werden. Es ändert aber nichts an der gemeinsamen besonderen Ausgangssituation der Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung und der bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmer – dem ersten Schritt: dem “Verleih” von Arbeitskräften –. Dass dieser mit anderen Gefahren aufgrund des im Vergleich mit “normalen” Arbeitnehmern strukturell öfteren Wechsels des Arbeitsplatzes, der Eingewöhnung an eine neue Arbeitsumwelt, einen neuen Weg zu oder von der Arbeit verbunden ist, ergibt sich aus dieser Besonderheit der Unternehmen und der Beschäftigung bei ihnen. Dies bedeutet nicht, dass die Gefahren verglichen mit “normalen” Arbeitnehmern höher sind. Sie sind aber auf jeden Fall anders. Und dies lässt aufgrund des Gestaltungsspielraums und der Regelungsfreiheit der Vertreterversammlung der Unfallversicherungsträger eine Zuordnung zu einer bzw zwei eigenen Gefahrtarifstellen zu.
Im Übrigen spricht für einen eigenen Gewerbezweig der Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung die gesetzliche Regelung im AÜG, die die typischen Strukturen einer spezialgesetzlichen Regelung für einen besonderen Gewerbezweig aufweist und durch die der Gesetzgeber zu verstehen gibt, dass er in der Arbeitnehmerüberlassung eine besondere gewerbliche Tätigkeit sieht, die durch bestimmte Zusammenhänge geprägt ist und aufgrund besonderer, einheitlicher Umstände bestimmter allgemeiner Regelungen bedarf. Schließlich haben sich auch die Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung, wie viele andere Gewerbezweige auch, verbandsmäßig organisiert, wie sich aus dem vorgelegten Gutachten von Prof. Steinmeyer sowie dem Urteil des Sächsischen LSG vom 7. März 2001 – L 2 U 151/99 – (Breithaupt 2002, 791, 802) ergibt.
Auch von der Klägerin wird nicht in Abrede gestellt, dass die Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung einen eigenen Gewerbezweig bilden. Sie meint jedoch, die von den entliehenen Versicherten ausgeübten Tätigkeiten führten zu völlig unterschiedlichen Gefährdungsrisiken, da diese sich nicht aus dem “Verleih” als solchem, sondern der jeweils ausgeübten Tätigkeit ergeben würden. Es gebe entgegen der Auffassung des BSG in dem Urteil vom 21. August 1991 (– 2 RU 54/90 – NZA 1992, 335 f) keine gewerbetypischen Unfallgefahren und die Gefahrtarifstelle 49 widerspreche auch dem Präventionsauftrag der Beklagten. Diese Kritik verkennt zweierlei: Innerhalb eines jeden Gewerbezweiges gibt es unterschiedliche Tätigkeiten und die Gefährdungsrisiken zwischen den unterschiedlichen Tätigkeiten eines Gewerbezweigs sind dementsprechend auch unterschiedlich (vgl zB im Gewerbezweig Kreditinstitut einen kaufmännischen Angestellten der Revisionsabteilung mit einem Fahrer oder einem hauseigenen Wachmann). Diese Risikomischung auf der Ebene des jeweiligen Gewerbezweiges ist eine Konsequenz eines Gewerbezweigstarifs – also einer Entscheidung, die der Selbstverwaltung der Beklagten vorbehalten ist. Die Unfallversicherungsträger können abgrenzbare Teile aus Unternehmen desselben Gewerbezweiges zu einer besonderen Bewertung im Gefahrtarif zusammenfassen, müssen dies aber nicht (BSGE 55, 26, 28 f = SozR 2200 § 734 Nr 3). Der Gesichtspunkt, dass in einer Gefahrengemeinschaft nur annähernd gleiche Gefährdungsrisiken nach § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII zusammengefasst werden dürfen, kommt nur dann zum Tragen, wenn mehrere Gewerbezweige in einer Gefahrtarifstelle zusammengefasst werden (vgl BSG SozR 2200 § 731 Nr 2). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
Auf den Beweisantrag der Klägerin zur Behauptung, dass es keine gewerbetypischen Unfallgefahren in der Zeitarbeitsbranche gebe, durch Vernehmung von namentlich benannten Zeugen bzw Einholung eines Sachverständigengutachtens kommt es unabhängig von der Geeignetheit der Beweismittel dementsprechend nicht an. Denn die Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung sind ein eigener Gewerbezweig und in zwei eigenen Gefahrtarifstellen zusammengefasst. Bei einer solchen Regelung kommt es – im Unterschied zur Zusammenfassung mehrerer Gewerbezweige zu einer Gefahrengemeinschaft in einer Gefahrtarifstelle – im Rahmen der Gefahrtarifbildung nicht auf die speziellen Unfallgefahren oder Gefährdungsrisiken des jeweiligen Gewerbezweiges an. Dass die des jeweiligen Unternehmens sowieso unbeachtlich sind, ergibt sich aus dem Gewerbezweigprinzip.
Im Übrigen ist nicht klar, worauf die entsprechende Revisionsrüge der Klägerin abzielt: Nach den nicht mit zulässigen Revisionsrügen angegriffenen und damit für das BSG bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist sie ein Unternehmen, das überwiegend gewerbliche Arbeitnehmer verleiht, die nach dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin eher ein höheres Risiko als andere Leiharbeitnehmer haben, so dass bei einer möglichen Aufgliederung der Gefahrtarifstelle 49 die Klägerin sich doch eher schlechter als besser stellen dürfte.
Weitere Gründe, warum die Aufteilung der Arbeitnehmer der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung nur auf zwei Gefahrtarifstellen rechtswidrig sein sollte, hat die Klägerin nicht vorgebracht und angesichts des Regelungsspielraums der Selbstverwaltung der Beklagten, die nach § 157 Abs 2 Satz 1 SGB VII auch den versicherungsmäßigen Risikoausgleich zu berücksichtigen hat, ist nicht zu erkennen, worin diese liegen sollten, zumal die Beklagte im Jahr 2002 eine differenzierte Untersuchung nach dem Vortrag der Klägerin durchgeführt hat, deren Ergebnisse in zukünftige Gefahrtarife einfließen können. Dass aus dieser Untersuchung im Jahre 2002 nichts hinsichtlich der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Gefahrtarifs der Beklagten für die Jahre 1998 bis 2000 hergeleitet werden kann, versteht sich von selbst.
2. Die Berechnung der Gefahrklasse der Gefahrtarifstelle 49 mit 10,66 ist nicht zu beanstanden.
Die nach Gliederung des Gefahrtarifs in Gefahrtarifstellen den jeweiligen Gefahrtarifstellen zuzuordnenden Gefahrklassen werden “aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet” (§ 157 Abs 3 SGB VII). Für eine Gefahrtarifstelle wird nur eine Gefahrklasse errechnet. Sind in einer Gefahrtarifstelle mehrere Gewerbezweige zu einer Gefahrengemeinschaft zusammengefasst, so kann der Unfallversicherungsträger für jeden von ihnen eine eigene Berechnung durchführen, um bei einem zukünftigen, neuen Gefahrtarif die Zusammensetzung der Gefahrtarifstelle ggf zu ändern.
“Gezahlte Leistungen” sind alle Entschädigungsleistungen des jeweiligen Unfallversicherungsträgers für alle Versicherungsfälle – also Arbeitsunfälle, einschließlich Wegeunfälle, und Berufskrankheiten (vgl §§ 7 bis 9 SGB VII) – der Versicherten, deren Unternehmen von der jeweiligen Gefahrtarifstelle umfasst sind. Nicht dazu gehören Verwaltungsausgaben und Leistungen zur Prävention. Auch spätere Regresseinnahmen ändern nichts an den zunächst gezahlten Leistungen (vgl hierzu Bertram, BG 2001, 478 ff, der deren Berücksichtigung bei der Beitragserhebung fordert; aA: Schulz, BG 2001, 488, der zu Recht auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut hinweist). Da die Unfallversicherungsträger zum Teil Leistungen für Unfälle erbringen, die Jahrzehnte zurückliegen oder bei denen das Unternehmen mittlerweile nicht mehr existiert, ist zu klären, inwieweit diese sog Altlasten in die Berechnung mit einbezogen werden oder ob nur die sog Neulast, die zB nur die Entschädigungsleistungen aus einem Beobachtungszeitraum umfasst, der Berechnung zugrunde gelegt wird. Für letzteres spricht, dass damit der aktuellen Entwicklung des Unfallgeschehens stärker Rechnung getragen wird und von ihr ein stärkerer Präventionsanreiz ausgeht (daher für einen Neulasttarif Platz in Lauterbach, Unfallversicherung, Sozialgesetzbuch VII, § 157 RdNr 20; Schulz in Wannagat, Sozialgesetzbuch VII, § 157 RdNr 50). Dass beide Verfahren oder auch Mischsysteme (vgl BSGE 43, 289 ff = SozR 2200 § 731 Nr 1; BSG Urteil vom 18. Oktober 1994 – 2 RU 6/94 – SGb 1995, 253, 255) zulässig sind, folgt aus den schon zitierten Gesetzesmaterialien, nach denen im Gesetz nur die bisherige Praxis festgeschrieben werden sollte (BT-Drucks 13/2204, S 73, 110 ff). Damit erfolgt gleichzeitig ein solidarischer Ausgleich zwischen den verschiedenen Gewerbezweigen in einer BG, der der wirtschaftlichen Entwicklung Rechnung trägt: Denn die heute nach Arbeitsentgelten und Gefährdungsrisiken großen Gewerbezweige übernehmen einen Teil der Lasten früher großer und heute kleiner Gewerbezweige mit ggf hohen Altlasten. “Arbeitsentgelte” sind die von den Unternehmen nach § 165 Abs 1 SGB VII zur Berechnung der Beiträge innerhalb von sechs Wochen nach Ablauf des Kalenderjahres im Lohnnachweis zu meldenden Beträge.
Dass die vom Gesetzgeber angeordnete “Berechnung” kein reiner Rechenakt nach der Formel “Entschädigungsleistungen dividiert durch Arbeitsentgelte” ist, entspricht der bisherigen, von ihm kodifizierten Praxis der Unfallversicherungsträger, die auch vom BSG (Urteil vom 18. Oktober 1994, aaO) gebilligt wurde: “Kein bloßes Rechenwerk, sondern ein Zusammenfluss rechnerischer und wertender bzw gewichtender Faktoren” – “nicht nachrechenbar, wohl aber nachvollziehbar”. Aufgrund der eingeschränkten Überprüfungsbefugnis der Gerichte (s oben) kann nicht jeder Fehler bei der Aufteilung der Lohnsummen oder Unfalllasten Beachtung finden, andererseits muss das Zahlenmaterial als solches gesichert sein.
Soweit die Klägerin rügt, der Berechnung hätte unzutreffendes Zahlenmaterial insbesondere für das Jahr 1994 zugrunde gelegen und das LSG habe entgegen ihrem Antrag unter Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht weitere Beweiserhebungen unterlassen, greift dies nicht durch. Denn das LSG musste sich aufgrund seiner ausführlichen Würdigung zu der Zahlenbasis gerade für das Jahr 1994 nicht zu weiteren Beweiserhebungen gedrängt sehen. Das LSG hat sich mit der Frage der anderen Definition der Gefahrtarifstellen im Jahr 1994 und der Nacherhebung ausführlich unter Hinzuziehung der Beweisaufnahme vor dem SG Duisburg auseinander gesetzt. Es hat ausgehend von der aufgeführten Rechtsprechung des BSG die vorliegenden Beweise nachvollziehbar im Rahmen des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG gewürdigt. Im Übrigen ist hinsichtlich des zweiten Beweisantrages, dass die Lohnsummen im gewerblichen Bereich in den Jahren 1994 bis 1996 nicht zutreffend ermittelt wurden und bei richtiger Ermittlung die Gefahrklasse 20 % niedriger gelegen hätte, darauf hinzuweisen, dass er keine Tatsachenfeststellungen, sondern die “nicht zutreffende Ermittlung” der Lohnsummen zum Gegenstand hat und damit auf eine rechtliche Wertung abzielt. Bedenken bestehen auch in Bezug auf das Beweismittel Sachverständigenbeweis, da unklar ist, welche Art von Sachverständigen hierüber aufgrund welcher Sachkompetenz und welcher tatsächlicher Feststellungen eine Aussage treffen könnte.
Hinsichtlich der von der Klägerin behaupteten Differenz zwischen dem jährlichen Beitragsaufkommen der Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung und den Entschädigungsleistungen in deren Gewerbezweig ist auf Folgendes hinzuweisen: Durch eine von der Regelungskompetenz des Unfallversicherungsträgers umfassten Entscheidung, ob nur die Neu- oder die Gesamtlast bei der Summe der Entschädigungsleistungen berücksichtigt wird, können erhebliche Verschiebungen auftreten. Denn ein Neulasttarif begünstigt diejenigen Gefahrtarifstellen, die Altlasten haben, und belastet – als Kehrseite – die anderen Gefahrtarifstellen. Im Übrigen verkennt die Argumentation der Klägerin und die Vorstellung, die Versicherung müsste dem jeweiligen Versicherten oder Gewerbezweig das wieder auszahlen, was er als Versicherungsbeitrag eingezahlt hat, das Prinzip einer Versicherung: Die “Leistung” der Versicherung gegenüber dem Versicherungsnehmer besteht in der Übernahme des Wagnisses, mit anderen Worten in der Bereitschaft, bestimmte Versicherungsleistungen zu erbringen, wenn (!) es zu dem Versicherungsfall kommt. Aus § 152 SGB VII ergibt sich zudem, dass das gesamte Beitragsaufkommen einer BG mit deren Bedarf, der wesentlich von den Entschädigungsleistungen bestimmt wird, zu vergleichen ist; es gilt das Prinzip der nachträglichen Bedarfsdeckung. Im Rahmen des Umlageverfahrens kann nicht verlangt werden, dass das Beitragsaufkommen die konkreten Kosten nicht übersteigt. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Kostenaufwand eines Unfallversicherungsträgers für Unfälle in einem einzelnen Unternehmen oder Gewerbezweig und dem Anteil des betreffenden Unternehmens bzw Gewerbezweigs an der Gesamtlast besteht nicht (vgl BSG SozR 3-2200 § 725 Nr 2).
3. Aus den von der Klägerin angeführten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 157 SGB VII von Papier/Möller, die im Rahmen eines Rechtsgutachtens im Auftrag des Deutschen Fußballbundes entwickelt wurden (SGb 1998, S 337 ff), folgt nichts Anderes.
Die Überlegungen von Papier/Möller beruhen entscheidend auf dem Vorbehalt des Gesetzes und der Wesentlichkeitstheorie aufgrund von Art 80 Abs 1 Satz 2 GG sowie der besonderen Entwicklung der von der Beklagten geforderten Beiträge von den Profi-Fußballvereinen. Dass Art 80 Abs 1 GG auf Satzungen von Unfallversicherungsträgern nicht anwendbar ist, ergibt sich aus dessen eindeutigem Wortlaut, der nur die Grundlage für den Erlass von Rechtsverordnungen regelt. Bestätigt wird dies durch die vom Bundesverfassungsgericht (≪BVerfG≫ BVerfGE 33, 125, 157 f; 45, 393, 399; vgl jüngst: Beschluss vom 5. Dezember 2002 – 2 BvL 5/98 – und – 2 BvL 6/98 –) und vom Senat wiederholt (BSGE 79, 23, 26 = SozR 3-8110 Kap VIII J III Nr 1 Nr 1; BSGE 85, 98, 104 f = SozR 3-2200 § 708 Nr 1) hervorgehobene Unterscheidung zwischen dem Ermessen der Exekutive beim Erlass von Rechtsverordnungen und dem Ermessen autonomer Körperschaften und ihrer demokratisch gebildeten Organe beim Beschluss von Satzungen (hiervon nicht abweichend, weil es sich um eine Richtlinie des Bundesausschusses Ärzte und Krankenkassen handelte: BSGE 78, 70, 80 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6). Dass diese Rechtssetzungsbefugnis der Unfallversicherungsträger nicht unbegrenzt ist, sondern ihre Grenzen vor allem in den Grundrechten und dem Rechtsstaatsprinzip findet und dass bei Grundrechtseingriffen in Abhängigkeit von deren Intensität der Gesetzgeber aufgrund des Vorbehaltes des Gesetzes die wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen haben muss, ergibt sich ebenfalls aus den genannten Entscheidungen des BVerfG und des Senats.
Diesen Anforderungen genügt § 157 SGB VII. Angesichts der oben dargestellten Auslegung und der über hundertjährigen Erfahrungen der Unfallversicherungsträger bei der Bildung von Gefahrtarifen kann nicht festgestellt werden, dass die Bildung von Gefahrtarifen wegen Unbestimmtheit des heutigen § 157 SGB VII, der auf entsprechenden Vorgängerregelungen der RVO beruht und im neuen Abs 2 mit der Anforderung “Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs” zu bilden nach dem Willen des Gesetzgebers gerade die Kriterien benennt (vgl BT-Drucks 13/2204, S 111), besondere Probleme aufweisen würde. Soweit es in den letzten Jahren zu Rechtsstreitigkeiten über die Bildung eines Gefahrtarifs, der Gefahrtarifstellen und der Gefahrklassen kam, betrafen diese einzelne Fallgestaltungen, wie die vorliegend umstrittenen Beiträge von Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung oder die im Sport, aufgrund bestimmter Entwicklungen. Die grundsätzliche Sachkompetenz der Unfallversicherungsträger zur Aufstellung der Gefahrtarife wird, soweit ersichtlich, nur von Papier/Möller (SGb 1998, 337, 344) in Abrede gestellt, während auch das BVerfG in seinem Beschluss vom 4. März 1982 (SozR 2200 § 734 Nr 2) von dieser Sachkompetenz ausgeht. Ob angesichts der Komplexität des Wirtschaftslebens überhaupt eine genauere und bessere Steuerung der Bildung der Gefahrtarifstellen und Gefahrklassen durch den Gesetzgeber möglich ist, ist zweifelhaft (vgl Schulz, SGb 1999, 172, 179 f). Im Übrigen sind die Beiträge der Unternehmen zur gesetzlichen Unfallversicherung in aller Regel so niedrig, dass sie keine Grundrechtsrelevanz hinsichtlich der Artikel 3, 12 und 14 GG haben (vgl ebenso Papier/Möller, SGb 1998, 337, 341 f: “Bagatelleingriff”). Dies mag in Einzelfällen (vgl Papier/Möller, SGb 1998, 337, 345: “Erdrosselungswirkung”) anders sein, führt aber nicht zur grundsätzlichen Verfassungswidrigkeit von § 157 SGB VII, sondern kann nur Auswirkungen auf den jeweiligen Gefahrtarif im Einzelfall haben. Vorliegend wurde Derartiges vom LSG nicht festgestellt und von der Klägerin auch nicht im Rahmen ihrer Revisionsrügen vorgebracht.
Auf die hinsichtlich der Beitragserhebung in den einzelnen Jahren und den jeweiligen Beitragsbescheiden aufgeworfenen Fragen zur Berücksichtung des Beitragsnachlasses für die Profi-Fußballvereine und zur Umlage der Altlasten-Ost kommt es für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Veranlagungsbescheides nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung.
Fundstellen
Haufe-Index 962928 |
BSGE 2004, 128 |
BSGE 91, 128 |
NZS 2003, 611 |
NZS 2004, 135 |
SozR 4-2700 § 157, Nr.1 |
GuS 2003, 60 |
ZfSSV 2007 |